Ein
Polarimeter
ist ein Gerat der
Polarimetrie
zur Messung der Drehung der
Polarisationsebene
von linear polarisiertem Licht durch
optisch aktive
Substanzen. Der gemessene
optische Drehwinkel
α ist von der
intrinsischen
Eigenschaft der untersuchten Substanz und deren Konzentration abhangig. Polarimeter werden oft zur quantitativen Bestimmung der Konzentration von optisch aktiven Stoffen in Losungen verwendet, wie beispielsweise zur Bestimmung des Zuckergehalts einer wassrigen Losung (
Saccharimetrie
).
Ein Polarimeter ist meistens aus zwei
Nicolschen Prismen
aufgebaut. Der feste Polarisator polarisiert das Licht der Lichtquelle linear. Der drehbare Analysator dahinter dient dazu die Lage der Polarisationsebene festzustellen.
Kreuzt man die beiden Polarisationsfilter, so kann kein Licht passieren; das Gesichtsfeld, auf das der Betrachter sieht, bleibt dunkel. Bringt man die Probensubstanz zwischen die beiden Polarisationsfilter, kommt es in Abhangigkeit vom Drehwert, zu einer Aufhellung, welche die Messung des Drehwerts ermoglicht.
Ein haufig verwendetes Messgerat ist das
Halbschattenpolarimeter
nach
F. Lippich
.
Bei diesem wird ein Teil des Lichts, das in A einfallt, vorher von einem Hilfsprisma H leicht gedreht (1° bis 10°). Dadurch sieht man zwei ?Halbbilder“.
Polarisator P und Analysator A sind Nicolsche Prismen, wobei P fest und A drehbar ist.
Wenn A und P parallel sind, ist die Abbildung hell; ein um 90° gedrehter A verdunkelt das Bild. Sind A und P gekreuzt, ist die eine Halfte dunkel, wahrend die andere Halfte hell ist.
Dreht man nun A um 360°, so erscheinen abwechselnd Gebiete großer und kleiner Gesamthelligkeit (insgesamt 4).
Die beschriebene Anordnung (Abbildung 1 und 2) ist nur eine von vielen Moglichkeiten, ein Polarimeter aufzubauen. Bei anderen Anordnungen wird der Polarisator P gedreht, wahrend der Analysator A fest steht, auch konnen beide Teile gleichzeitig gedreht werden.
Statt einer langsamen Drehung kann auch ein polarisierendes Element schnell rotieren, mit einem Detektor an Stelle des Auges lasst sich dann eine sinusartige Variation
der Helligkeit registrieren. Aus der Phasenverschiebung gegenuber dem Signalverlauf ohne Probe wird dann der Drehwert bestimmt.
Die korrekte Messung des Drehwertes mit einem manuellen Polarimeter ist zeitintensiv und setzt Erfahrung voraus. Besonders im industriellen Bereich und in Labors mit einer großen Anzahl von Messungen werden automatische, elektronisch gesteuerte Polarimeter verwendet. Ihre geringe Messzeit von bis zu einer Sekunde pro Messung und eine Computerschnittstelle erlauben Messreihen.
Da viele Faktoren (Schichtdicke der Probe,
Losungsmittel
, Temperatur,
Wellenlange
des Lichts usw.) den Drehwert
beeinflussen gibt man zum Vergleich verschiedener Proben/Substanzen den Drehwert bezogen auf die Konzentration und die durchstrahlte Probendicke als
spezifischen Drehwinkel
bzw. spezifische Drehung
an. Dieser wird haufig ebenfalls in Grad oder dimensionslos angegeben, in diesem Fall ist der spezifische Drehwinkel
normiert auf 10 cm Schichtdicke, 100 ml Losungsmittel und 1 g optisch aktiver Substanz fest.
[1]
Der Drehwert α und somit der spezifische Drehwinkel
sind abhangig von der Frequenz des Lichts, der Temperatur, des eingesetzten Losungsmittels sowie ggf. von der Konzentration, daher werden diese maßgebenden Parameter ebenfalls angegeben. Gemessen wird in der Regel bei 589 nm (
Natrium-D-Linie
), aber auch bei anderen Wellenlangen. Wegen der Temperaturabhangigkeit des Drehwertes wird in der Regel thermostatisiert bei 20 °C, 22 °C oder 25 °C gemessen; wobei man auch andere Angaben in der Literatur findet. Zur Angabe des Drehwertes α einer chiralen Substanz werden die Messbedingungen angegeben.
Beispiele:
- → positives Vorzeichen, 25 °C Messtemperatur, gelbes Natriumlicht (Natrium-D-Linie), Konzentration 2 g Substanz gelost zu 100 ml in Wasser.
- → negatives Vorzeichen, 20 °C Messtemperatur, 589 nm
Wellenlange
, Konzentration 4 g Substanz gelost zu 100 ml in
Chloroform
.
Mit Hilfe von
Interferenzfiltern
ist es moglich, die exakte
Wellenlange
von Kreispolarimetern einzustellen. Die Herstellgenauigkeit der hier verwendeten Filter liegt bei ±2 nm. Daher ist es in der
Polarimetrie
ublich, sich die Winkelabhangigkeit dieser Filter zunutze zu machen. Hierbei setzt man beispielsweise Filter mit etwas großerer Zentralwellenlange ein und kann durch feinfuhliges mechanisches Verkippen des Filters die Zielwellenlange einstellen. Dies wird mit Hilfe zertifizierter Quarzplatten mit bekannter optischer Drehung wahrend der Einstellung laufend uberpruft. Diese Art von Wellenlangen-Justage funktioniert in der Regel zuverlassig ? komplizierter gestaltet sich dies, wenn die Zentralwellenlange uber Tage oder Monate bei wechselnden Umgebungsbedingungen weiterhin auf 0,01 nm genau sein soll. Da sich Temperatur- und Alterungseffekte auf die Wellenlange auswirken, ist eine standige Uberprufung und Nachjustage notwendig.
Am Beispiel einer 26-%-Zuckerlosung fuhrt eine Anderung der Wellenlange um 0,03 nm zu 0,0035° Rotationsanderung bei einer Wellenlange von 589 nm. Dieser Fehler wird noch verstarkt, wenn der gleiche Wellenlangenfehler bei 405 nm geschieht. Hier ist der Fehler schon 0,013° und ubersteigt damit die geforderte
Toleranz
. Eine Substanz mit sehr hohem Drehwert fuhrt zu entsprechend hoheren Fehlern, wie beispielsweise
D
-(?)-Limonen
. Unter kontrollierten Laborbedingungen ? bei 20 °C oder aber zumindest konstanter Raumtemperatur ? arbeiten Polarimeter mit der erwahnten Kippungstechnik relativ zufriedenstellend. Um eine stabile Wellenlange zu gewahrleisten, gibt es jedoch eine weitere Moglichkeit, die insbesondere fur die Zuckerindustrie die große Ahnlichkeit der optischen Rotation des Quarzkristalls mit derjenigen wassriger Zuckerlosungen ausnutzt: die sogenannte Quarzkeilkompensation.
Die Tatsache, dass die optische Rotationsdispersion (ORD) von
Quarz
nahezu identisch mit der einer
Saccharose
-Losung ist, wird genutzt, um ein Zuckerpolarimeter mit sehr hoher Prazision herzustellen. Das Quarzkeilkompensations-Prinzip ist patentgeschutzt und hat sich aufgrund seiner hohen Zuverlassigkeit in der Zuckerindustrie bis heute etabliert.
Dieses Polarimeter verwendet einen Quarzkeil, der im optischen Strahlengang verschoben wird. Polarisator und Analysator sind 90° zueinander fixiert. Das Gerat misst die Wegstrecke des Quarzkeiles, die die
Rotation
der Probe kompensiert. Anstelle des Winkelgebers eines Kreispolarimeters wird hier ein linearer Weggeber genutzt.
Dies ist ein der Firma
Schmidt + Haensch
eigenes Prinzip, welches exklusiv verwendet wird. Da der
Quarz
und die Probe bei kleinen Verschiebungen der
Wellenlange
gleich reagieren, werden diese Anderungen kompensiert, so dass der Effekt vernachlassigbar wird. Die sich ergebenden Vorteile sind demnach:
- Geringer Einfluss bei Wellenlangenverschiebungen
- Langzeitstabilitat der Messwerte ohne Kalibrierung
Ein solches Gerat stellt damit ein hochst stabiles System fur den Einsatz in der Zuckerindustrie dar, da es keinem Temperatureinfluss, keiner Alterung und keiner Justagenotwendigkeit unterliegt.
Quarz
, auch Tiefquarz oder α-Quarz genannt, ist ein
Mineral
mit der chemischen Zusammensetzung SiO
2
und
trigonaler Symmetrie
. Durch die Kristallisation des Quarzes in einer
enantiomorphen
Struktur wird die
Schwingungsebene
des Lichtes, das einen Tiefquarz in Richtung der c-Achse durchquert, gedreht.
Die chemische Stabilitat von Quarz ist außerst hoch, er ist unloslich in
Wasser
und lasst sich nur von
Flusssaure
und Sodaschmelzen angreifen. Die optische Transmission reicht von 160 nm bis 3000 nm. Die
optische Aktivitat
(Drehung der
Polarisationsebene
des Lichtes) ist von der
Wellenlange
,
Temperatur
und Dicke des Quarzes abhangig. Diese Eigenschaften machen Quarz zu einem idealen Material zur Uberprufung von Polarimetern.
Diese Quarzkontrollplatten haben in Abhangigkeit von ihrer Dicke und
Temperatur
sowie der
Wellenlange
des verwendeten
Lichtes
definierte Drehwerte. So lasst sich durch Anpassen der Dicke jeder beliebige Drehwert erzeugen und kann mit einem Prazisionspolarimeter bestimmt und mit einem Kalibrierschein dokumentiert werden.
[2]
Die in Braunschweig ansassige
Physikalisch-Technische Bundesanstalt
(PTB) ist als einzig anerkannte staatliche Stelle fur diese Erstzertifizierung von Quarzen ausgerustet.
Die Kalibrierung bei der PTB erfolgt nach den Empfehlungen der
ICUMSA
(
International Commission for Uniform Methods of Sugar Analysis
) oder OIML (
Internationale Organisation fur das gesetzliche Messwesen
).
[2]
Eine dortige Kalibrierung besteht aus einer Vorprufung, in der die grundsatzliche Kalibrierfahigkeit gepruft wird ? die Quarzkontrollplatten mussen hinsichtlich ihrer Abmessungen,
optischer Reinheit
,
Ebenheit
,
Planparallelitat
und
Achsenfehler
die erforderlichen Mindestanforderungen erfullen. Im Anschluss daran wird der eigentliche Messwert, die optische Drehung, mit dem bei der PTB vorhandenen Prazisionspolarimeter bestimmt. Die erzielte
Messunsicherheit
liegt hier bei 0,001°.
[2]
Allerdings weist auch Quarz optische Fehler auf. Dies konnen neben
Zwillingsbildung
,
Versetzunglinien
,
Einschlusse
aber auch Achsenfehler sowie
Inhomogenitaten
sein. Solche Fehler wirken sich in der polarimetrischen Anwendung negativ auf die Messung aus. Da der Durchmesser des Messstrahls in einem modernen Polarimeter zwischen 1 mm und 6 mm variiert, sowie dessen Intensitats-Profil sich innerhalb des Probenraumes zusatzlich andern kann, sind bei einem Quarz mit optischen Fehlern je nach Position im Probenraum sowie Rotation um die eigene Achse veranderliche Messwerte zu erwarten. Daher sollten bei der Uberprufung eines Polarimeters mittels einer Quarzplatte in jedem Fall mehrere Messungen in verschiedenen Positionen durchgefuhrt werden.
- Reinhard Matissek, Gabriele Steiner, Markus Fischer:
Lebensmittelanalytik.
3. Aufl., Springer, Berlin/Heidelberg 2006, S. 117, 145?147, 352?356.
- ↑
International Union of Pure and Applied Chemistry (
IUPAC
):
Quantities, units and symbols in physical chemistry
, Blackwell Science, Oxford, 1993.
ISBN 0-632-03583-8
, S. 33 (
PDF
).
- ↑
a
b
c
PTB Braunschweig:
?Polarimetrische Kalibrierung von Quarzkontrollplatten ‘“
, 2010.