Der
Pluralis Majestatis
(
lat.
?
Mehrzahl
der Hoheit“) wird verwendet, um eine Person, z. B. einen
Herrscher
, als besonders machtig oder wurdig auszuzeichnen. Teilweise bezeichnet sich die Person auch selbst so, indem sie von sich im Plural spricht. Ausdrucke, die im Pluralis Majestatis stehen, werden immer großgeschrieben.
Bei Monarchen oder anderen Autoritaten, wie
Papsten
(bis
Paul VI.
) spielt die Vorstellung eine Rolle, dass sie fur ihre Untertanen beziehungsweise Untergebenen sprechen oder zu sprechen glauben.
[1]
Moglicherweise geht dieser Gebrauch des Plurals auf die
Romische Tetrarchie
seit dem Jahre 293 mit ihren zwei Senior- und zwei Juniorkaisern zuruck.
Bei Adeligen und Wurdentragern war und ist der Plural in der Selbstbezeichnung zu amtlichen Anlassen ublich (zum Beispiel: ?Wir,
Benedictus PP. XVI
, im dritten Jahr Unseres Pontifikates …“ oder ?We,
Elizabeth II.
, by the
Grace of God
…“). Aber auch in der deutschen Alltagssprache ist das
Siezen
als eine Form des Pluralis Majestatis erhalten geblieben, indem grundsatzlich im Plural mit dem Gegenuber gesprochen wird (Beispiel: ?Sie
haben
recht“ statt ?du
hast
recht“).
Formen des soziativen Plurals im Lateinischen und in modernen Sprachen
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Bei der grammatischen Analyse der lateinischen Sprache verwenden Hofmann-Szantyr
[2]
die Benennung ?soziativer Plural“ fur die Bezeichnung von Einzelpersonen im Plural.
Dabei unterscheiden die beiden Autoren gleich mehrere Varianten:
(1)
Pluralis inclusivus
:
(1.1) Der Sprecher schließt die eigene Person in eine fremde Handlung bzw. des Gesprachspartners in die eigene Handlung (
Pluralis auctoris
, ?Autorenplural“) ein; z. B.
Caesar
, Bellum Gallicum 2,1,1:
ut supra demonstravimus
(?wie wir oben gezeigt haben“), um einen engeren Kontakt mit dem Gegenuber herzustellen (im Sinne einer
captatio benevolentiae
) oder
(1.2) um einfach die eigene Person zuruckzustellen (
Pluralis modestiae
[?Plural der Bescheidenheit“], ?eine oft mit Unrecht fur alle hier in Rede stehenden Arten der Lizenz verwendete Bezeichnung“
[3]
).
Einen Wechsel zwischen ego (?ich“) und nos (?wir“) (meist ohne ersichtlichen Grund) gibt es haufig bei
Catull
, in
Ciceros
Briefen, bei
Sallust
,
Tibull
,
Properz
und spater auch bei
Martial
, haufig bei
Tacitus
.
[4]
Fur die konkrete Interpretation sind Hofmann-Szantyr skeptisch: ?Die Beurteilung im einzelnen ist oft schwierig, doch wird zuerst wohl die mechanisch-stilistische Ausbreitung (viele Falle muten formelhaft an) eine Rolle gespielt haben; der Versuch, die psychologischen Motive, die zweifellos fur die Wahl dieser Plural wesentlich sind (daher auch 'Pluralis affectus‘ [?Plural des Affekts“]), fur jeden einzelnen Fall zu ergrunden, wird stets ein mehr oder weniger subjektives Ratselraten bleiben.“
[5]
Mit Blick auf den rein soziativen Plural nennen Hofmann-Szantyr zwei weitere Varianten:
(2)
Pluralis maiestatis / Pluralis dignitatis
(Plural der Majestat / der Wurde): Er bezieht sich auf den Redenden selbst, z. B.
iudicamus
(?wir urteilen“),
permittimus
(?wir erlauben“),
decernimus
(?wir entscheiden“),
nostra serenitas
(?unsere Hoheit“) usw. Der
Pluralis maiestatis
tritt in offiziellen Kaisererlassen seit
Gordianus III.
(238?244) auf. Sein Ursprung ist ? so
Theodor Mommsen
[6]
? in dem fast regelmaßigen Zusammenregieren von zwei oder drei Kaisern zu suchen. ?Erst seit dem Anfang des 5. Jh. ist es reiner Pluralis der Wurde. Ahnlich schon viel fruher in den Briefen der romischen Bischofe (seit Ende des 1. Jh. […]), und zwar, wenn das geistliche Oberhaupt im Namen der ganzen Bruderschaft schrieb; daher oft der eigentumliche Wechsel zwischen
ego
und
nos
, je nachdem, ob der Brief im eigenen Namen oder im Namen der Gemeinschaft verfaßt war; diese Differenzierung konnte schwerlich stets konsequent beachtet werden, so zeigt denn auch bereits der Gebrauch in den Briefen
Cyprians
, wo Sing. und Plur. ohne ersichtlichen Unterschied nebeneinander verwendet werden, daß hier allmahlich eine gewisse Mechanisierung ein getreten war; diese mag vielleicht spezifisch mit christlichen Faktoren zusammenhangen […], von einem reinen Pluralis dignitatis, wie er voll entwickelt bei
Leo dem Großen
vorliegt, kann bei Cyprian nicht gesprochen werden.“
[7]
(3)
Pluralis reverentiae
(?Plural der Ehrerbietung“): Er bezieht sich auf den Angeredeten und stellt zuerst wohl nur eine Umdrehung des
Pluralis maiestatis
dar. Er tritt vollausgebildet zuerst in den Briefen des
Quintus Aurelius Symmachus
auf; seine Vorlaufer im klassischen Latein, z. B.
Ovid
, Tristien 2, 65:
vestri ... nominis
(?eures Namens“) [von
Augustus
], fassen in Gedanken die Umgebung des Herrschers mit ein. Seitdem bleibt der
Pluralis reverentiae
im konventionellen Brief- und Urkundenstil, aber auch in der Alltagssprache, und zwar ubergreifend mehr oder weniger bis zu Zeiten der Renaissance in Gebrauch.
- ↑
Duden | Pluralis Majestatis, Pluralis Modestiae und ?Krankenschwesternplural“.
Abgerufen am 30. Oktober 2017
.
- ↑
Vgl.
Johann Baptist Hofmann
/
Anton Szantyr
:
Lateinische Syntax und Stilistik
(HdAW II.2.2). Munchen: C. H. Beck (1965) 2., verb. Nachdr. 1972, S. 19?21, abk.: H-Sz.
- ↑
H-Sz 20.
- ↑
Belege und Literatur bei H-Sz 20.
- ↑
H-Sz 20.
- ↑
Vgl. Mommsen, Hermes 17 (1882), 540 ff. = Ges. Schriften VI, 319 ff.
- ↑
H-Sz 20.