Als
Plastiksprengstoffe
oder
plastische Sprengstoffe
werden
Sprengstoffe
bezeichnet, die sich durch ihre
Plastizitat
auszeichnen, also weich und formbar sind.
Die Bezeichnung ?Plastiksprengstoff“ ist eine nicht ganz korrekte
Lehnubersetzung
des englischen Ausdrucks
plastic explosive
. Verkurzend wird ?
Plastik
“, das
Nomen
fur
Kunststoffe auf Polymerbasis
, verwendet. Der Begriff ?plastischer Sprengstoff“ ware hingegen im Sinne der ursprunglichen Bedeutung korrekt. Plastiksprengstoff ist auch nicht mit
polymer-gebundenem Sprengstoff
oder kunststoff-gebundenem Sprengstoff zu verwechseln.
PE-808-Plastiksprengstoff, eine britische Vorkriegserfindung der Nobel Division,
Imperial Chemical Industries
, bestand damals aus mit
Nitrotoluol
phlegmatisierter und plastifizierter
Sprenggelatine
, einem brisanten Sprengstoff. Ein Gemisch aus 61,5 % Nitroglycerin, 16 % Nitrocellulose, 22 % Nitrotoluol und 0,5 % Magnesiumcarbonat ergab ein stabiles, wasser- und stoßfestes, kittahnliches Material, das man in Behalter fullen oder direkt auf ein Objekt streichen konnte. So schuf man eine effektive Waffe fur den Widerstand, die ideal zur Sabotage von Bahngleisen oder anderen verwundbaren Zielen eingesetzt werden konnte.
PE 808 war gelbbraun und wurde in Stangen von 75 mm × 30 mm zu je 100 g in Wachspapierhullen laboriert. Er hatte einen charakteristischen
Marzipangeruch
(nach Mononitrotoluol), der beim Einatmen starke Kopfschmerzen verursachte (physiologische Wirkung des Nitroglycerins). Zur Explosion gebracht wurde PE 808 mit einer Composition-Explosive-(CE)-
Tetryl
-
Verstarkerladung
und einer darin eingefuhrten Nr.27-Mk1-
Sprengkapsel
. Die Sprengkapsel war ein 45 mm langes, dunnes Aluminiumrohrchen mit außerem Durchmesser von ca. 6,3 mm, das am geschlossenen Ende eine Hauptladung gepresstes Tetryl sowie eine Aufladung aus mit
Bleistyphnat
uberschichtetem
Bleiazid
-Bleistyphnat-Knallsatz enthielt. Die Sprengkapsel ihrerseits wurde durch ein geeignetes
Anzundmittel
zur Umsetzung gebracht, zum Beispiel durch einen
Bleistiftzunder
(chemisch-mechanischer Zeitzunder) oder aber durch die in die Sprengkapsel eingefuhrte und darin festgewurgte
Sicherheitsanzundschnur
(wie die britische ?Nr. 11 safety fuse“). Diese Anzundschnur bestand aus einem
Schwarzpulverkern
, der mit mehreren Lagen mit Pech impragniertem
Jutegewebe
umsponnen und somit wasserfest ummantelt war. Sie brannte mit 0,6 Metern pro Minute, wodurch sich sehr einfach ein Verzogerungszunder herstellen ließ.
Wahrend und kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurde eine ganze Reihe hexogenbasierter Sprengstoffe eingefuhrt (britischer PE1, PE2, PE3, PE/A, PE4, US-amerikanischer C, C2, C3, deutscher Plastit W und Hexoplast). C3 war sehr effektiv, aber bei Kalte bruchig. In den 1950er-Jahren wurde der bekannte
C4
, ebenfalls auf Hexogen basierend, mit
Polyisobutylen
und
Di(2-ethylhexyl)sebacat
als Bindemittel und Weichmacher entwickelt.
Semtex
ist ein weiterer Plastiksprengstoff, bei den Ostbohmischen Chemiewerken VCHZ Synthesia in Pardubice-Semtin entwickelt, basierend auf
Nitropenta
und dessen Gemischen mit Hexogen.
Plastische Sprengstoffe finden unter anderem in
Quetschkopfgranaten
oder bei der Sprengung von Stahl in
Schneidladungen
Verwendung.
Die leichte Handhabbarkeit hat Plastiksprengstoff zu einem von militarischen Spezialeinheiten, aber auch von Terroristen genutzten Sprengstoff gemacht. Aufgrund ihrer hoheren Herstellungskosten werden Plastiksprengstoffe selten im Bergbau oder fur die Herstellung von Bomben verwendet.
Fur den Abriss von Bauwerken kommen Plastiksprengstoffe kaum zum Einsatz, vielmehr jedoch Sprengstoffe mit ?schiebender“ Wirkung, wie beispielsweise
Ammongelit
.
Plastiksprengstoffe werden bei der Herstellung durch Beimischung von Geruchsstoffen und/oder Metallspanen (
englisch
tagging agent
oder
taggant
) markiert, um diese durch
Spurhunde
und durch
Detektionsgerate
(
Rontgen
) besser auffinden zu konnen.
Solche Taggants sind leicht erriechbare Stoffe mit relativ hohem
Dampfdruck
wie beispielsweise:
[1]
[2]
Die Herstellung formbarer Sprengstoffe ohne Markierungsstoffe ist in den meisten Staaten verboten. Geregelt wird dieses Verbot in der
Convention on the Marking of Plastic Explosives for the Purpose of Detection
, das unter anderem auch von Deutschland, Osterreich
[4]
und der Schweiz unterzeichnet wurde und am 21. Juni 1998 in Kraft trat. Alle drei Staaten haben sich zudem selbst als ?producer State“, also als Herstellungsland von plastischen Sprengstoffen, deklariert.
In Deutschland wurde die Markierung durch Anderung der
Ersten Verordnung zum Sprengstoffgesetz
geregelt. Danach mussten nicht markierte Sprengstoffe gemaß
§ 6a
bis zum 31. Dezember 2013 verwendet oder vernichtet werden.
Gemaß
Bureau of Alcohol, Tobacco, Firearms, and Explosives, Justice §555.180
durfen in den USA seit dem 26. April 1996 nur noch solche formbaren Sprengstoffe (Plastiksprengstoffe) verwendet werden, welche einen Markierungsstoff in vorgegebener Mindestkonzentration enthalten.
- ↑
Wolfgang Legrum:
Riechstoffe, zwischen Gestank und Duft
, Vieweg + Teubner Verlag (2011) S. 166?167,
ISBN 978-3-8348-1245-2
.
- ↑
Jehuda Yinon:
Forensic and Environmental Detection of Explosives
. John Wiley & Sons, 1999,
ISBN 978-0-471-98371-2
,
S.
167
(
eingeschrankte Vorschau
in der Google-Buchsuche).
- ↑
Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu
2,3-Dimethyl-2,3-dinitrobutan
: CAS-Nummer:
3964-18-9
, EG-Nummer: 223-569-9,
ECHA
-InfoCard:
100.021.428
,
PubChem
:
77577
,
ChemSpider
:
69982
,
Wikidata
:
Q3267064
.
- ↑
BGBl. III Nr. 135/1999