Pierre Angenieux

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Alteres Logo der Angenieux-Werke

Pierre Angenieux (* 14. Juli 1907 in Saint-Heand bei Saint-Etienne ; † 26. Juni 1998 ) war ein franzosischer Mathematiker , Ingenieur und Unternehmer .

Fur seine Leistungen in der Entwicklung, Erforschung und Fertigung von Filmoptiken wurde er mit zwei Oscars ausgezeichnet. Er gilt als der Entwickler des Retrofokus und des Zoom - Objektives und seine Optiken wurden und werden von prominenten Regisseuren wie beispielsweise Stanley Kubrick und Peter Jackson genutzt. Die ersten Schritte der Menschheit auf dem Mond wahrend der Apollo-11 -Mission wurden, wie auch die ersten Aufnahmen des Mondes durch eine Ranger -Sonde, mit von ihm entwickelten und gefertigten Optiken aufgenommen.

30 Jahre Kinozooms von Angenieux in einem Bild: 16 mm aus den 1980ern, 35 mm aus den 1990ern und 2/3 HD aus dem Jahr 2007

Ausbildung und Studium

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Ersichtlich wurden das Interesse und Talent von Pierre Angenieux fur mathematische Berechnungen wahrend seiner erfolgreichen Ausbildung an der Schule Notre-Dame de Valbenoite in Saint-Etienne. Hier ermutigte man ihn, eine Karriere als Ingenieur anzustreben. Nach zwei Jahren Vorbereitung wurde er 1925 an der Ecole nationale superieure d’Arts et Metiers in Cluny aufgenommen. Hier erhielt Pierre Angenieux 1928 sein erstes Diplom.

Sein zweites Diplom folgt schon ein Jahr spater am Institut d’optique theorique et appliquee . Seine Ausbildung dort fuhrt wesentlich Henri Chretien durch ? der durch die Entwicklung der Cinemascope -Linsen ebenfalls in die Annalen der Filmgeschichte eingeht.

Anschließend beginnt er zu arbeiten ? zuerst, ab 1930, bei dem damaligen Weltmarktfuhrer fur Filmproduktion: Pathe .

Bei Pathe lernt er die Welt des Kinos kennen, der er bis an sein Lebensende verbunden bleiben wird. Wahrend seiner Tatigkeit bei Pathe bis 1935 entwickelt sich die Kinotechnologie rasant ? der Tonfilm wird eingefuhrt, erste Farbfilme werden realisiert … es ist eine Zeit des Aufbruchs und neuer Technologien fur die noch junge Kinobranche.

Grundung von Angenieux und deutsche Besatzung

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Unter diesem Eindruck grundet er dann 1935 das Unternehmen Angenieux . [1]

Die Firma Angenieux beginnt unmittelbar Produkte fur die professionelle Kinoproduktion zu fertigen. Es war Pierre Angenieux gelungen, sich wahrend seiner Tatigkeit fur Pathe einen sehr guten Ruf bei den franzosischen Regisseuren und Kameramannern aufzubauen. So wurde er von prominenten Filmemachern der Epoche, wie beispielsweise Jean Renoir und Abel Gance , mit der Entwicklung spezifischer optischer Systeme beauftragt, beispielsweise mit Linsen zur Projektion auf mehrere Leinwande. Seine Firmenateliers in der Rue Murger in Paris wurden eine frequentierte Anlaufstelle der professionellen Filmschaffenden.

Dann wird der Weg schwieriger: Der drohende Angriff der deutschen Armee zwingt Pierre Angenieux, sowohl seinen Entwicklungsschwerpunkt von zivilen fotografischen Produkten hin zu militarisch relevanten Geratschaften wie auch seinen Firmensitz zu verlagern ? im Auftrag der Regierung. Die franzosische Regierung dezentralisiert die jetzt sicherheitsrelevanten optischen Betriebe: O.P.L. nach Chateaudun, SOM. BERTHIOT nach Dijon , SAGEM nach Montlucon , SERPI nach Chatellerault, TRT nach Brives ? und Angenieux zieht mit seinen optischen Werken zuruck in seinen Geburtsort Saint-Heand.

Wahrend der Besatzung Frankreichs findet er sich mit seinem Unternehmen in der zone libre , dem nicht von Deutschland besetzten sudlichen Teil Frankreichs, wieder. Die Besatzungsjahre nutzt er, um bahnbrechende theoretische Uberlegungen hinsichtlich des Entwurfes von Objektiven anzustellen. Dieses zahlt sich dann nach Kriegsende aus. 1946, unmittelbar nach dem Frieden, zieht Angenieux wieder zuruck nach Paris und macht sich daran, die theoretischen Erkenntnisse in Produkte umzuwandeln.

Erfolg durch Innovation: Angenieux verandert die Kinowelt

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1950 stellt Angenieux dann den Retrofokus vor ? welcher einen großen Entwicklungsschub in der optischen Leistung von Weitwinkelobjektiven ermoglicht. Der Retrofokus wird sofort ein durchschlagender Erfolg: zahlreiche Kamerahersteller beginnen damit, ihre Kameras mit Angenieux-Optiken auszurusten, darunter Leitz, Alpa, Leica, und Arri .

1953 erreichen die nachsten angewandten Produkte den Markt, darunter ein Objektiv mit 1:0,95-Offnung, was im Vergleich zu den scharfsten Mitbewerbern in etwa eine Verdopplung des verfugbaren Lichtes zur Aufnahme darstellt. Dieses erregte Aufsehen, auch in den USA beim seinerzeit erfolgreichsten Kamerahersteller Bell and Howell. Dieser entschließt sich, die Kamera BH70 nun mit Angenieux-Optiken auszustatten. Die Kombination aus BH70 und Angenieuxoptiken wird mit uber 30.000 verkauften Exemplaren innerhalb der nachsten 35 Jahre zur erfolgreichsten Kamera der Epoche. Weitere Kamerahersteller wie Kodak , Beaulieu und Contina folgen als Kunden.

Nach dem Retrofokus entwickelt Pierre Angenieux 1956 seine zweite große Innovation: das Zoomobjektiv .

Innerhalb der nachsten vier Jahre perfektioniert er diese neue Art von Optik, bis die Technik 1960 dann mit dem 10x-Zoom ausgereift ist: Alle seitdem gefertigten Zoomobjektive aller Hersteller basieren auf dem Konzept des Angenieux-10x-Zooms. [2]

1964 erhalt Pierre Angenieux dann den ersten seiner beiden Oscars ? explizit fur seine Zoomobjektive.

Aufbruch ins All und ruhigere Gefilde

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Im gleichen Jahr beginnt eine enge Zusammenarbeit zwischen Angenieux und der NASA, die bis zur Ausstattung des Space Shuttle reichen wird. Pierre Angenieux liefert unter anderem die Optiken fur die Ranger -, Apollo - und Gemini -Missionen wie auch fur Skylab .

Ab 1975, im Alter von 68 Jahren, beginnt er schrittweise ein wenig Abstand zur Geschaftsfuhrung seiner Firma Angenieux zu nehmen und beginnt zu schreiben: Le Parc de la Tete d´Or lautet der Titel des Romanes, der in seinen letzten Lebensjahren entsteht. Forschend und entwickelnd bleibt er ?seiner“ Firma bis zu seinem Tode verbunden.

Nach seinem Tod 1998 haben seine Arbeiten Bestand. Auch die modernsten Computerprogramme nutzen die von ihm entwickelten trigonometrischen Gleichungen zur Linsenentwicklung. Sein Retrofokus machte die Kleinbildkameras zum verbreitetsten Kameratyp und ist nach wie vor Grundlage ihrer Optiken. Die seitdem gefertigten Zoomobjektive aller Hersteller basieren auf dem Konzept des Angenieux-10×-Zooms. Seine Firma Angenieux, mittlerweile in der Thales -Gruppe, stellt nach wie vor viele der leistungsfahigsten und teuersten Zoomobjektive fur Kinofilmproduktion her, die nach wie vor von Starregisseuren wie Peter Jackson fur ihre Produktionen genutzt werden.

Angenieux und die NASA

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Ranger-9-Sonde mit Angenieux-Optik (Ranger Block 3)
Aufnahme des Anflugs von Ranger 9 auf den Mond durch eine Angenieux-Optik

Zwei der bekanntesten Bewegtbildaufnahmen sind vermutlich der erste Anflug auf den Mond und die ersten Schritte auf dem Mond.

Die erste Aufnahme, der Zusturz auf den Mond, wurde von der Raumsonde Ranger  VII durch eine RCA -Vidicon-Kamera mit einem Angenieux f/0.95 25-mm-Objektiv gedreht. Die erste Aufnahme der Bildsequenz hatte eine Distanz zur Mondoberflache von rund 2500 Kilometern, das letzte Einzelbild von weniger als 500 Metern. Das Bild der Mondoberflache wurde hierbei von Kamera und Optik, trotz der hohen Geschwindigkeit, noch mit 30 Zentimetern aufgelost.

Das Rangerprogramm, dessen neun Sonden von Angenieux ausgerustet wurden, diente der NASA der Erkundung des Mondes und der Vorbereitung einer Landung eines bemannten Raumschiffes auf ebendiesem.

Die gewonnenen Erkenntnisse wurden zur Durchfuhrung des Apollo-Programmes genutzt. Mit der Landung von Apollo 11 im Jahre 1969 betrat dann erstmals ein Mensch den Mond, und erneut waren Optiken von Angenieux zur Aufzeichnung die Wahl der NASA. [3]

1973 wurde dann das mit weniger Gluck gesegnete Skylab mit einer Westinghouse Electric und einem Angenieux-Zoom ausgerustet.

Bald darauf, wahrend der Apollo- Sojus -Mission, konnten sich dann erstmals Angenieux-Linsen gegenseitig filmen, da sowohl das sowjetische als auch das amerikanische Raumschiff mit den identischen Angenieux-Zooms bestuckt waren.

Fur das Shuttle wurde dann zusatzlich ein weiteres Objektiv entwickelt. Ein Weitwinkelobjektiv mit 86-Grad-Blickwinkel. Bis zum Jahre 1994 wird jedes Shuttle mit mehreren dieser Objektive ausgestattet.

Das Kino, Kubrick und Angenieux

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Von 1930 bis in die Gegenwart nutzten und nutzen prominente Filmemacher Angenieux-Optiken fur zahlreiche der erfolgreichsten Filme. Eine Aufzahlung soll daher nur exemplarisch an einigen Filmen typische Einsatze vermitteln.

Fur Stanley Kubricks Clockwork Orange nutze 1971 sein Kameramann John Alcott eine 16-mm-Angenieux-Optik, obwohl der Film auf einer 35-mm-Kamera gedreht wurde. Kubrick wollte eine 20:1-Zoomoptik, und so rief Alcott seinen Freund Bern Levy an, der bei Angenieux arbeitete. Angenieux hatte einen Extender entwickelt, und dieser zusammen mit der 16-mm-Angenieux-Zoom-Optik ergab genau das, was sich Kubrick vorstellte. [4]

Fur die nachste Zusammenarbeit von Kubrick und Alcott bei Barry Lyndon gab es dann einen Oscar fur die beste Kamera. Dieses Mal konnte Ascott schon mit regularen Angenieux-Linsen arbeiten, dem 25-250 F3.2 35-mm-Zoomobjektiv, das bis heute weit verbreitet in der Kinoproduktion ist. Mit diesem Zoom wurden beispielsweise die Schlachtszenen am Tag in Barry Lyndon gedreht. [5]

Fast 20 Jahre spater, bei der Erprobung der ersten portablen 4k digitalen Kinokamera , einem Prototyp von RED , nutzt Peter Jackson einen Nachfolger des 25-250 F3.2 35-mm-Zoomobjektivs aus Barry Lyndon, das 24-290 F3 35-mm-Zoomobjektiv.

Auszeichnungen und Leistungen

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  • 1964 erhalt Pierre Angenieux fur das 10×-Zoom erstmals den Oscar
  • 1973 verleiht ihm Frankreich den Grand Prix des Ingenieurs Civils
  • 1990 wird ihm ein zweiter Oscar uberreicht ? dieses Mal fur sein Lebenswerk
  • 1994 Nessim-Habif-Preis

Wichtige Gerate

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  • Angenieux 25-250 Zoom . 1978, sehr populare Zoomoptik der Epoche
  • 1.0:0.95 T Optik 1951, erstes Objektiv dieser Lichtstarke
  • Patrice Herve Pont: Chasseur d’images mars 1999 ? Un million et demi d’objectifs made in France .
  • R. Andreani: L’Objectif Photographique. Publications Photo Revue 1951.
  • B. Vial: Histoire des appareils francais , Maeght Editeur 1991.
  • R. Kingslake: A History of the photographic lens , Academic Press Inc. 1989.
  • Andre Masson: Revue de l’association d’anciens eleves de l’Ecole superieure d’optique . Marz 1999 (ESO 48)

Einzelnachweise

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  1. Jean Vuillemin: Arts et Metiers Magazine , Septembre 2001 (franzosisch)
  2. Andre Masson: Pierre Angenieux, Createur du zoom moderne ( Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive ) (PDF, franzosisch)
  3. Jacques Debize ? Optical Design and Engineering: 42 years of cine 35 mm zoom leadership beim Smithsonian / NASA ADS Physics Abstract Service, bibcode : 2004SPIE.5249..261D
  4. Michel Ciment: Kubrick
  5. Giancannini Piene: Barry Lyndon ( Memento vom 25. Februar 2004 im Internet Archive ) (franzosisch)