Phytomedizin

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Die Phytomedizin ist die Wissenschaft von den Krankheiten und Beschadigungen der Pflanzen . Die Phytomedizin beschaftigt sich mit den Ursachen, Erscheinungsformen, dem Verlauf, der Verbreitung sowie von den Maßnahmen und Mitteln zur Gesunderhaltung von Pflanzen und der Regulierung der Schadursachen. Sie ist ein Teilgebiet der Agrarbiologie und des Gartenbaus .

Die Begrifflichkeit und Teildisziplin entwickelte sich speziell im deutschsprachigen Raum [1] und ist in anderen Sprach- und Kulturkreisen der Agrarwissenschaft zugeordnet.

Begriffsgeschichte

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Der Begriff der ?Phytomedizin“ geht auf die Mitglieder des ?Verbandes Deutscher Pflanzenarzte“ (1928?1939), im Besonderen auf Otto Appel zuruck. Der als ?Organisator des deutschen Pflanzenschutzes“ bezeichnete Otto Appel suchte bereits fruhzeitig das als ?Phyto-Medizin“ bzw. ?Pflanzen-Medizin“ [2] terminologisch zusammenzufassen. So forderte er, dass die ausbildenden Fachleute ?entsprechend den Human- und Veterinarmedizinern, die Phyto-Medizin“ vertreten mussen.

?Ebenso wie man zum kranken Menschen und zum kranken Tiere den Arzt ruft“, beschrieb Appel 1923 seine Auffassung, ?muss es in Zukunft moglich werden, auch beim Auftreten von Pflanzenkrankheiten den Pflanzenarzt zu Rate zu ziehen, der in der Lage ist, die vorliegende Krankheit richtig zu beurteilen und der, soweit es sich um die wichtigsten und haufigsten Krankheiten handelt, auch die Anordnungen zu treffen vermag, die eine Heilung oder weitere Ausbreitung verhindern. Er muss … auch vorbeugend wirken, etwa so, wie es in der menschlichen Medizin durch Maßnahmen der Hygiene erfolgt“. [2]

Von dieser Annahme ausgehend entwickelte Appel das Konzept der Phytomedizin wahrend seiner langjahrigen Tatigkeit als Direktor ?Biologischen Reichsanstalt fur Land- und Forstwirtschaft“ [3] und ist bis heute stark mit dem Begriff verbunden. Der Begriff ?Phytomedizin“ wird erkenntnistheoretisch als Einheit von Phytopathologie und Pflanzenschutz bzw. der diese konstituierenden Teildisziplinen gedacht. [4] Als deren ?vereinende Wissenschaft“. [5] tragt die Phytomedizin in wissenschaftstheoretischer Hinsicht in vergleichbarer Weise wie die Termini ?Humanmedizin“ und ?Veterinarmedizin“ dem Spezifikum einer angewandten Wissenschaft Rechnung. Das Spezifikum besteht in der untrennbaren Einheit von Forschungsergebnis und Praxis. Die Pragung des Begriffes ?Phytomedizin“ war eine Folge der ?Ausdifferenzierung“ [6] des ?Fachgebietes Phytopathologie und Pflanzenschutz“ [7] , d. h. der Aufspaltung in viele Teildisziplinen seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Im Ergebnis dessen verlor das Moment der fur angewandte Wissenschaften notwendigen spezifischen Einheit von Theorie und Praxis zunachst immer mehr an Bedeutung. Diese Entwicklung ließ die ?Forderung nach Zusammenfassung und Neuordnung unter einem wissenschaftlichen Leitgedanken laut werden“. [7] Der Forderung kamen Wissenschaftler der Biologischen Reichsanstalt nach, wie z. B. 1919 der Entomologe und Begrunder des Vorratsschutzes Fr. Zacher, 1923 O. Appel und 1937 der Phytopathologe H. Braun. Das historische Verdienst der Genannten besteht darin, die wissenschaftstheoretische Notwendigkeit der Zusammenfuhrung der differenzierten Gebiete ?Phytopathologie“ und ?Pflanzenschutz“ als eine unabdingbare Grundlage fur die weitere Entwicklung ihres Fachgebietes begriffen und zu deren Losung beigetragen zu haben. Die Pragung des Begriffs ?Phytomedizin“ war deshalb Ausdruck eines inzwischen erreichten hohen Reifegrades der Phytopathologie. Die Diskussion um das interdisziplinare Fachgebiet Phytomedizin ist bis heute in standigem Fluss. [8] [9] Die berufsstandische Vertretung der vormals als ?Pflanzenarzte“ und derzeit als ?Phytomediziner“ bezeichneten Wissenschaftler ubernimmt seit uber 90 Jahren die Deutsche Phytomedizinische Gesellschaft e.V.

Zahlreiche wissenschaftliche Disziplinen trugen ihren Anteil zur Entwicklung bei. Wesentliche Grundlagenfacher sind Facher wie die Botanik , Zoologie , Mikrobiologie , Okologie und Bodenkunde , deren Lehrinhalt in die Phytomedizin eingehen. Um sie herum gruppieren sich agrarwissenschaftliche Disziplinen, die im Rahmen phytomedizinischer Arbeit besonderes Gewicht erlangt haben und fur die vonseiten der Phytomedizin vielfaltige eigene Beitrage geleistet werden. An speziellen Schaderregergruppen orientierte Fachgebiete erganzen das Spektrum der Kernkompetenzen der Phytomedizin, so z. B. die Landwirtschaftliche Entomologie (befasst sich mit tierischen Schaderregern, insbesondere Insekten und Spinnen sowie deren Gegenspielern, von denen einige auch im biologischen Pflanzenschutz eine Rolle spielen). Zur Phytopathologie zahlen die Landwirtschaftliche Mykologie (pilzliche Schaderreger als Ursache von Pflanzenkrankheiten), die Landwirtschaftliche Bakteriologie (bakterielle Schaderregern), die Landwirtschaftliche Virologie (Viren als Schaderregern an Pflanzen), die Landwirtschaftliche Nematologie (Fadenwurmer als Schaderreger), die Landwirtschaftliche Malakologie (Schnecken als Schaderrerger), die Landwirtschaftliche Wirbeltierkunde (Nagetiere als Schaderreger) oder die Landwirtschaftliche Herbologie (Unkrautern (Ackerwildpflanzen) als Konkurrenten der Kulturpflanzen).

Die atiologische , ursachenorientierte Arbeit fuhrte einerseits zu einem starken Anwachsen der Kenntnisse uber die vielfaltigen Schadursachen, andererseits blieben manchen Beziehungen zur Schadensentwicklung unter Produktionsbedingungen ungeklart. Dabei ist es fur die Phytomedizin besonders wichtig geworden, mehrere Erregergruppen zu untersuchen und nichtparasitare Schadursachen zu berucksichtigen.

Die Bedeutung der Phytomedizin fur die Ernahrungssicherheit oder die Sicherung nachwachsender Rohstoffe hat sich im Laufe von 100 Jahren verandert. Ihre wissenschaftlichen Ergebnisse und praktischen Empfehlungen haben vielfaltige Ruckwirkungen auf Produktion, Verarbeitung und Verbrauch von Pflanzen.

In neuerer Zeit hat das Thema integrierter Pflanzenschutz , das sich ab Anfang der 1980er Jahre durchsetzte, zunehmende Bedeutung bekommen und auch hinsichtlich der Bedeutung von Unkraut hat sich ein Begriffswandel vollzogen.

Die Kernkompetenzen der Phytomedizin sind eingebunden in interdisziplinare und transdisziplinare Interaktionsfelder, die sowohl die okonomischen als auch die okologischen und sozialen Belange des Pflanzenbaus (Verbraucherschutz, Arbeitsschutz, Umweltschutz, Produktqualitat) einbeziehen und damit die nachhaltige Entwicklung von Pflanzenbausystemen im Sinne gesteigerter Produktionsqualitat im soziookonomischen und landschaftsokologischen Kontext mit Unterstutzung von Kommunikation und Beratung vorantreiben.

Forschungsthemen

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  • Ackerbau
  • Gartenbau
  • Sonderkulturen
  • Forst

Zu den Krankheitsursachen und Schaderreger an Nutzpflanzen gehoren:

Pflanzenkrankheiten

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Krankheitsentwicklung und Befallsverlauf werden unter folgenden Aspekten beschrieben:

  • Charakteristik von Infektion und Schadlingsbefall,
  • Einfluss von Umweltfaktoren auf Schaderreger,
  • Auswirkungen des Befalls auf den Wirt,
  • Abwehrmechanismen der Pflanze.

Fur die Beschreibung von Krankheiten und Beschadigungen an Nutzpflanzen sind wichtig:

  • Symptomatologie,
  • Auftreten im Laufe der Pflanzenentwicklung.

Schadorganismen

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Dieser Bereich befasst sich mit der Populationsokologie der Schadorganismen. Sie erfasst Struktur und Dynamik von Populationen, ihre altersmaßige Zusammensetzung, ihr Wachstum und ihre Entwicklung unter dem Einfluss der biotischen und abiotischen Einflussgroßen des Okosystems. Die Mitberucksichtigung genetischer Aspekte erfolgt in der Inselbiogeographie . Fur die Regulierung von Schadorganismen sind von besonderer Bedeutung die

  • Populationsdynamik,
  • Dispersionsdynamik,
  • Annidation und okologische Verdrangung,
  • Okologische Isolation und Typenbildung,
  • Freisetzung von Organismen.
  • Maßnahmen gegen sogenannte Quarantaneschaderreger
  • Kulturmaßnahmen (beispielsweise kann es aus phytomedizinischen Grunden sinnvoll sein, sich fur eine Defizitbewasserung auszusprechen)
  • Physikalische Maßnahmen
  • Biotechnische Maßnahmen
  • Biologische Maßnahmen
  • Chemische Maßnahmen
  • Integration von Pflanzenschutzmaßnahmen

Einzelnachweise

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  1. Hoffmann/Nienhaus/Schonbeck/Weltzien/Wilbert: Lehrbuch der Phytomedizin , Verlag Paul Parey, Berlin und Hamburg 1976, Vorwort
  2. a b O. Appel: Der Pflanzenschutz im Unterricht. In: T. A. C. Schoevers: Report of the International Conference of Phytopathology and economic Entomology. Wageningen 1923.
  3. Ulrich Sucker: Anfange der modernen Phytomedizin. Mitteilungen aus der Biologischen Bundesanstalt fur Land- und Forstwirtschaft, 334. Berlin 1998.
  4. vgl. F. Feldmann: Die Zusammensetzung der Mitglieder der DPG. In: Phytomedizin. 34 (3), 2004, S. 41?46.
  5. E. Muhle: Phytomedizin und Pflanzenschutz. In: Der Pflanzenarzt. 20, 1967, S. 115?118.
  6. R. Stichweh: Ausdifferenzierung der Wissenschaft: eine Analyse am deutschen Beispiel. Bielefeld 1982, Wissenschaftsforschung 8.
  7. a b G. Staar, E. Reinmuth: Phytopathologie und Pflanzenschutz - Phytomedizin. In: M. Klinkowski (Hrsg.): Grundlagen und allgemeine Probleme der Phytopathologie und des Pflanzenschutzes. 2. Aufl. Bd. 1, 1974, S. 3?5.
  8. Friedrich Großmann : The concept of phytomedicine. In: Indian Phytopathology. 24, 1971, S. 247?257.
  9. F. Feldmann: Die Zusammensetzung der Mitglieder der DPG. In: Phytomedizin. 34 (3), 2004.