Phosphoreszenz
ist die Eigenschaft eines Stoffes, nach Bestrahlung mit (sichtbarem oder UV-)
Licht
im Dunkeln nachzuleuchten.
Die Ursache der Phosphoreszenz ist die
strahlende Desaktivierung
der angeregten Atome und Molekule. Dieses Phanomen beobachteten
Alchemisten
schon im 17. Jahrhundert.
Phosphoreszenz und
Fluoreszenz
sind beides Formen der
Lumineszenz
(kaltes Leuchten). Unterschieden wird durch das Leuchtverhalten nach der
Anregung
, die Fluoreszenz klingt nach dem Ende der Bestrahlung rasch ab, meist innerhalb einer millionstel Sekunde, wogegen es bei der Phosphoreszenz zu einem
Nachleuchten
kommt, das von Sekundenbruchteilen bis hin zu Stunden dauern kann. Phosphoreszierende Stoffe werden auch als
Luminophore
bezeichnet, da sie das Licht scheinbar speichern.
Durch die Anregung wird in beiden Fallen ein Elektron vom energetischen Grundzustand S
0
in einen energetisch hoheren Zustand wie S
1
gebracht. S steht hierbei fur
Singulett
-Zustande. Bei der Fluoreszenz geht das Elektron unter Abgabe eines Photons direkt wieder zuruck in den Grundzustand, die
Fluoreszenzlebensdauer
ist kurz. Bei der Phosphoreszenz erfolgt jedoch zunachst ein Ubergang (
Intersystem Crossing
) in einen vergleichsweise langlebigen
Triplett
-Zustand, etwa von S
1
nach T
1
. Erst aus diesem gelangt das Elektron nach einiger Zeit zuruck in den Grundzustand.
[1]
Eine ?Phosphoreszenz“ wurde erstmals als langandauerndes Nachleuchten bei
Bariumsulfid
(Bologneser Leuchtstein) 1602 in
Bologna
durch
Vincentio Casciorolo
entdeckt. Spater (1669) fand
Hennig Brand
bei dem von ihm entdeckten chemischen Element
Phosphor
(Lichttrager) in seiner weißen (hochreaktiven)
Modifikation
einen ahnlichen Effekt. Da dieses Nachleuchten auf der chemischen Reaktion von Luftsauerstoff mit Phosphor beruht, handelt es sich hier allerdings um eine
Chemolumineszenz
.
Die eigentliche Phosphoreszenz beschreibt einen quantenphysikalischen Effekt bei der Lichtanregung.
Umgangssprachlich werden im technischen Bereich alle Materialien, die durch Strahlung zum Leuchten angeregt werden konnen, als ?Phosphore“ bezeichnet.
Leuchtpigmente
konnen phosphoreszierend oder fluoreszierend sein.
Leuchtstoffe
sind jedoch fluoreszierend.
Die Innenbeschichtung einer
Braunschen Rohre
besteht aus dotiertem Zinksulfid, das durch Elektronenstrahlung zum Leuchten angeregt wird (
Kathodolumineszenz
). Solche Leuchtstoffe wurden auch bei
Schwarzweißfernsehern
zuweilen unzutreffend ?Phosphor“ genannt.
Das Phanomen der Phosphoreszenz kann mit Hilfe der
Quantenphysik
beschrieben werden und gehort zur Gruppe der
photophysikalischen Prozesse
: Wird ein phosphoreszierender Stoff mit Licht (
Photonen
) der passenden Wellenlange bestrahlt, so fuhrt die Absorption der Photonen dazu, dass Elektronen des Phosphors in ein hoheres
Energieniveau
wechseln (
Quantensprung
). Diese Anregung vom
Grundzustand
in einen angeregten Zustand erfolgt nach den Regeln der Quantenmechanik (
Auswahlregeln
), denen gemaß ?erlaubte Ubergange“ eine hohe Wahrscheinlichkeit haben und somit schnell erfolgen.
Der angeregte Zustand hat nun mehrere Moglichkeiten, seine Anregungsenergie wieder abzugeben. Erfolgt die Abgabe durch Aussendung eines Lichtquants eines ?erlaubten Ubergangs“, so spricht man von
Fluoreszenz
. Dieser Vorgang ist quantenmechanisch erlaubt, d. h. schnell und nicht mit dem fur die Phosphoreszenz charakteristischen Nachleuchten verbunden. Daneben kann es auch zur Abgabe von Energie in Form von Schwingungsenergie (Warme) an die Umgebung kommen, wobei keine Lichtemission auftritt (
internal conversion
mit anschließender Schwingungsrelaxation). Als dritte Moglichkeit kann ein quantenmechanisch ?verbotener“ Wechsel (siehe
Auswahlregel
) in einen angeregten Zustand erfolgen, der als
intersystem crossing
bezeichnet wird. Das hat zur Folge, dass auch die Ruckkehr in den Grundzustand nach den Auswahlregeln ?verboten“ ist und daher langsam stattfindet. Erfolgt die Ruckkehr unter Lichtabstrahlung, so spricht man von Phosphoreszenz. Der angeregte Zustand fungiert dabei quasi als Reservoir, das nur langsam entvolkert wird. Hieraus erklart sich die Eigenschaft der Phosphoreszenz, gegenuber der Fluoreszenz uber (sehr) lange Zeitraume (u. U. Minuten bis Stunden) beobachtbar zu sein (?Nachleuchten“). Wie bei der Fluoreszenz konkurriert die Desaktivierung durch Phosphoreszenz dabei mit einer thermischen Desaktivierung, bei der Energie in Form von Warme an die Umgebung abgegeben wird (erneutes intersystem crossing in ein schwingungsangeregtes Niveau des Grundzustands gefolgt von Schwingungsrelaxation, vgl. photophysikalische Prozesse).
Bei organischen Verbindungen ist der Grundzustand in der Regel ein Singulett-Zustand (alle Elektronen gepaart). Phosphoreszenz entspricht dann dem Ubergang vom angeregten Triplett-Zustand in den Singulett-Grundzustand. Da bei organischen Verbindungen in Losung die Phosphoreszenz nur unzureichend mit der thermischen Desaktivierung konkurrieren kann, wird die Phosphoreszenz meist nur bei sehr tiefen Temperaturen und in Festkorpern (kristallisierte Verbindungen oder Einbettung in feste Matrizen) beobachtet.
Bei anorganischen Verbindungen (
Ubergangsmetalle
,
Lanthanoide
,
Actinoide
) liegen haufig ungepaarte Elektronen vor, so dass hier die Situation bezuglich der (Spin-)Multiplizitaten vielfaltiger ist, jedoch sinngemaß den gleichen Auswahlregeln folgt.
Die bei photophysikalischen Prozessen stattfindenden Ubergange und Umwandlungen lassen sich ubersichtlich im
Jablonski-Diagramm
darstellen.
Phosphoreszierende Materialien sind meist
Kristalle
mit einer geringen Beimischung eines Fremdstoffes, der die Gitterstruktur des Kristalls stort. Meistens verwendet man
Sulfide
von
Metallen
der
zweiten Gruppe
sowie
Zink
und mischt geringe Mengen von
Schwermetallsalzen
bei (z. B.
Zinksulfid
mit Spuren von Schwermetallsalzen). In
[2]
findet sich ein Beispiel eines Cu-dotierten Zinksulfid-Pigmentes, die Wellenlangenbereiche der Anregung und der Abstrahlung sowie der Nachleucht-Zeitverlauf.
Durch das Verschmelzen von Borsaure mit Fluorescein konnen mit Hilfe einer UV-Leuchtquelle die dotierten phosphoreszierenden Kristallstrukturen zum Nachleuchten gebracht werden.
Eine lange Leuchtdauer erreicht Europium-dotiertes Strontiumaluminat, das 1998 entwickelt wurde und unter der Marke
Luminova
angeboten wird.
[2]
Fur die automatisierte Verarbeitung von Postsendungen (Sortierung, Stempel aufbringen) wurden ab der zweiten Halfte der 1950er-Jahre unterschiedliche Auspragungen der
Lumineszenz
verwendet.
[3]
Hierfur wurden Graphitstreifen- und Phosphorstreifenaufdrucke auf Briefmarken und Fluoreszenzstreifen neben
Ganzsachen
-
Wertzeicheneindrucke
und phosphoreszierendes sowie fluoreszierendes Papier verwendet.
[3]
Erste Beispiele gab es in Großbritannien ab November 1957 mit zwei Graphitstreifenaufdrucken auf Markenruckseiten.
[3]
In der Bundesrepublik Deutschland wurde am 1. August 1960 von Postamtern im Raum Darmstadt erste Postwertzeichen der
Dauerserie Heuss I und II
mit fluoreszierendem Papier verkauft.
[4]
Bei der Herstellung von
Briefmarken
werden dem
Papierbrei
seit einigen Jahrzehnten phosphoreszierende Stoffe beigemengt oder das Material wird nachtraglich aufgeschichtet. Mit
UV-Licht
bestrahlte Briefmarken leuchten dann im Dunklen nach.
Poststempelmaschinen
konnen dadurch erkennen, wo die zu entwertenden Briefmarken auf dem Brief kleben und die Poststempel auf die richtige Stelle abschlagen. Mit dieser Methode konnen sowohl unfrankierte Briefe und Postkarten aussortiert als auch schlecht gefalschte Wertmarken identifiziert werden.
Neben phosphoreszierenden Hinweisschildern werden phosphoreszierende Farben und Klebebander zur Markierung von
Fluchtwegen
eingesetzt. Bei Treppen wird hier die erste und letzte Stufe uber die ganze Breite markiert. Besonders in nur als Fluchtweg genutzten Tunneln und Fluren ist dies eine wirtschaftliche und deutlich ausfallsicherere Alternative zu Akku-gestutzter
Notbeleuchtung
. Schon im
Zweiten Weltkrieg
waren in vielen
Luftschutz
bunkern
die Wande mit phosphoreszierenden Farben gestrichen, um bei einem Stromausfall eine
Panik
in den sonst total dunklen, oft stark uberbelegten Bunkerraumen zu verhindern. Typisch war im Kellergang zum Schutzraum eine 10?15 cm breite horizontale Linie in Schulterhohe. Heute findet man solche phosphoreszierenden Markierungen haufig auch in
U-Bahn
-Stationen.
Phosphoreszenz lasst sich auch gut als
Signalcharakter
verwenden. In vielen Fallen ist es erforderlich, dass
Informationen
auch im Dunkeln bereitgestellt werden.
So werden phosphoreszierende Materialien fur Leuchtzeiger und
Zifferblatter
bei
Uhren
und Flugzeuginstrumenten, an
Lichtschaltern
oder bei manchen
Aufklebern
(Sicherheitsschilder, Deko-Artikel (Sterne fur die Kinderzimmerdecke), Autoteilen, PC, Fischereizubehor) verwendet. Bis in die 1950er-Jahre waren fur Zeiger und Ziffern von Uhren und Messinstrumenten
radiumhaltige
Phosphoreszenzfarben
ublich.
In den
Niederlanden
wurden in einem Pilotprojekt Straßenmarkierungen mit phosphoreszierenden Farben eingesetzt. Damit sollen weniger Straßenlaternen benotigt werden, was zusatzliche Einsparungen bewirkt. Momentan gibt es einen ersten 500 Meter langen Teilabschnitt, der als Pilotprojekt in der Nahe der Stadt
Oss
(Provinz
Nordbrabant
) fertiggestellt wurde.
[5]
[6]
[7]
Phosphoreszierende Farben bilden ein Stilmerkmal in der
Psychedelischen Kunst
.
Spezielle Radar-
Bildrohren
wurden fruher zur Anzeige in
Radargeraten
verwendet. Sie haben eine sehr hohe Nachleuchtdauer, um Ziele bis zum nachsten Umlauf der Radarantenne zu zeigen.
Das Erzeugen eines Schattenrisses der eigenen Person auf einer phosphoreszierenden Wand durch einen
Elektronenblitz
ist eine Attraktion in einigen
Science Centern
.
- ↑
Guofeng Liu und Yanli Zhao:
Switching between Phosphorescence and Fluorescence Controlled by Chiral Self?Assembly
. In:
Adv Sci (Weinh)
.
Band
4
,
Nr.
9
, September 2017,
S.
1700021
,
doi
:
10.1002/advs.201700021
,
PMC 5604387
(freier Volltext).
- ↑
a
b
Luminova Glow - Phosphorescent Products.
(PDF) Tavco Chemicals Inc.,
abgerufen am 8. Februar 2018
(englisch, Produktinformation).
- ↑
a
b
c
Peter Fischer: Phosphorstreifen und ahnliche Erscheinungen. In: DBZ ?
Deutsche Briefmarken-Zeitung
, Nr. 3/2011 vom 28. Januar 2011, Seite 28
- ↑
Ludwig Trondle:
Briefmarkenkunde
, Orbis Verlag,
ISBN 3-572-00595-7
, Seite 107
- ↑
Leuchtende Straßenmarkierung ersetzt Laternen
(heise online)
- ↑
Smart Highway ? The intelligent and interactive roads of tomorrow
(
Memento
vom 20. Juli 2014 im
Internet Archive
)
- ↑
Holland Safety Coating.
Abgerufen am 25. Mai 2018
(niederlandisch).