Phosphoreszenz

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Phosphoreszenz ist die Eigenschaft eines Stoffes, nach Bestrahlung mit (sichtbarem oder UV-) Licht im Dunkeln nachzuleuchten. Die Ursache der Phosphoreszenz ist die strahlende Desaktivierung der angeregten Atome und Molekule. Dieses Phanomen beobachteten Alchemisten schon im 17. Jahrhundert.

Phosphoreszierender Wikipedia-Schriftzug

Abgrenzung zur Fluoreszenz [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Phosphoreszenz und Fluoreszenz sind beides Formen der Lumineszenz (kaltes Leuchten). Unterschieden wird durch das Leuchtverhalten nach der Anregung , die Fluoreszenz klingt nach dem Ende der Bestrahlung rasch ab, meist innerhalb einer millionstel Sekunde, wogegen es bei der Phosphoreszenz zu einem Nachleuchten kommt, das von Sekundenbruchteilen bis hin zu Stunden dauern kann. Phosphoreszierende Stoffe werden auch als Luminophore bezeichnet, da sie das Licht scheinbar speichern.

Durch die Anregung wird in beiden Fallen ein Elektron vom energetischen Grundzustand S 0 in einen energetisch hoheren Zustand wie S 1 gebracht. S steht hierbei fur Singulett -Zustande. Bei der Fluoreszenz geht das Elektron unter Abgabe eines Photons direkt wieder zuruck in den Grundzustand, die Fluoreszenzlebensdauer ist kurz. Bei der Phosphoreszenz erfolgt jedoch zunachst ein Ubergang ( Intersystem Crossing ) in einen vergleichsweise langlebigen Triplett -Zustand, etwa von S 1 nach T 1 . Erst aus diesem gelangt das Elektron nach einiger Zeit zuruck in den Grundzustand. [1]

Phosphor [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Eine ?Phosphoreszenz“ wurde erstmals als langandauerndes Nachleuchten bei Bariumsulfid (Bologneser Leuchtstein) 1602 in Bologna durch Vincentio Casciorolo entdeckt. Spater (1669) fand Hennig Brand bei dem von ihm entdeckten chemischen Element Phosphor (Lichttrager) in seiner weißen (hochreaktiven) Modifikation einen ahnlichen Effekt. Da dieses Nachleuchten auf der chemischen Reaktion von Luftsauerstoff mit Phosphor beruht, handelt es sich hier allerdings um eine Chemolumineszenz . Die eigentliche Phosphoreszenz beschreibt einen quantenphysikalischen Effekt bei der Lichtanregung.

Umgangssprachlich werden im technischen Bereich alle Materialien, die durch Strahlung zum Leuchten angeregt werden konnen, als ?Phosphore“ bezeichnet. Leuchtpigmente konnen phosphoreszierend oder fluoreszierend sein. Leuchtstoffe sind jedoch fluoreszierend. Die Innenbeschichtung einer Braunschen Rohre besteht aus dotiertem Zinksulfid, das durch Elektronenstrahlung zum Leuchten angeregt wird ( Kathodolumineszenz ). Solche Leuchtstoffe wurden auch bei Schwarzweißfernsehern zuweilen unzutreffend ?Phosphor“ genannt.

Erklarung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Links die Potenzialkurvendarstellung und rechts das entsprechende Energieschema der Phosphoreszenz. Im Grundzustand und im angeregten Singulettzustand zeigt das angeregte Elektron einen zum ebenfalls im Grundzustand befindlichen Elektron antiparallelen Spin. Das Elektron im angeregten Singulettzustand relaxiert bis in das niedrigste Schwingungsniveau des angeregten Singulettzustands, von wo aus es durch einen verbotenen Spinwechsel (intersystem crossing (ISC)) in den energetisch niedriger liegenden Triplettzustand kommt. Dort relaxiert es strahlungsfrei bis in das niedrigste Schwingungsniveau, von wo aus es nur unter einem erneuten Spinwechsel und Strahlungsabgabe zuruck in den Grundzustand kommen kann.

Das Phanomen der Phosphoreszenz kann mit Hilfe der Quantenphysik beschrieben werden und gehort zur Gruppe der photophysikalischen Prozesse : Wird ein phosphoreszierender Stoff mit Licht ( Photonen ) der passenden Wellenlange bestrahlt, so fuhrt die Absorption der Photonen dazu, dass Elektronen des Phosphors in ein hoheres Energieniveau wechseln ( Quantensprung ). Diese Anregung vom Grundzustand in einen angeregten Zustand erfolgt nach den Regeln der Quantenmechanik ( Auswahlregeln ), denen gemaß ?erlaubte Ubergange“ eine hohe Wahrscheinlichkeit haben und somit schnell erfolgen.

Der angeregte Zustand hat nun mehrere Moglichkeiten, seine Anregungsenergie wieder abzugeben. Erfolgt die Abgabe durch Aussendung eines Lichtquants eines ?erlaubten Ubergangs“, so spricht man von Fluoreszenz . Dieser Vorgang ist quantenmechanisch erlaubt, d. h. schnell und nicht mit dem fur die Phosphoreszenz charakteristischen Nachleuchten verbunden. Daneben kann es auch zur Abgabe von Energie in Form von Schwingungsenergie (Warme) an die Umgebung kommen, wobei keine Lichtemission auftritt ( internal conversion mit anschließender Schwingungsrelaxation). Als dritte Moglichkeit kann ein quantenmechanisch ?verbotener“ Wechsel (siehe Auswahlregel ) in einen angeregten Zustand erfolgen, der als intersystem crossing bezeichnet wird. Das hat zur Folge, dass auch die Ruckkehr in den Grundzustand nach den Auswahlregeln ?verboten“ ist und daher langsam stattfindet. Erfolgt die Ruckkehr unter Lichtabstrahlung, so spricht man von Phosphoreszenz. Der angeregte Zustand fungiert dabei quasi als Reservoir, das nur langsam entvolkert wird. Hieraus erklart sich die Eigenschaft der Phosphoreszenz, gegenuber der Fluoreszenz uber (sehr) lange Zeitraume (u. U. Minuten bis Stunden) beobachtbar zu sein (?Nachleuchten“). Wie bei der Fluoreszenz konkurriert die Desaktivierung durch Phosphoreszenz dabei mit einer thermischen Desaktivierung, bei der Energie in Form von Warme an die Umgebung abgegeben wird (erneutes intersystem crossing in ein schwingungsangeregtes Niveau des Grundzustands gefolgt von Schwingungsrelaxation, vgl. photophysikalische Prozesse).

Bei organischen Verbindungen ist der Grundzustand in der Regel ein Singulett-Zustand (alle Elektronen gepaart). Phosphoreszenz entspricht dann dem Ubergang vom angeregten Triplett-Zustand in den Singulett-Grundzustand. Da bei organischen Verbindungen in Losung die Phosphoreszenz nur unzureichend mit der thermischen Desaktivierung konkurrieren kann, wird die Phosphoreszenz meist nur bei sehr tiefen Temperaturen und in Festkorpern (kristallisierte Verbindungen oder Einbettung in feste Matrizen) beobachtet.

Bei anorganischen Verbindungen ( Ubergangsmetalle , Lanthanoide , Actinoide ) liegen haufig ungepaarte Elektronen vor, so dass hier die Situation bezuglich der (Spin-)Multiplizitaten vielfaltiger ist, jedoch sinngemaß den gleichen Auswahlregeln folgt.

Die bei photophysikalischen Prozessen stattfindenden Ubergange und Umwandlungen lassen sich ubersichtlich im Jablonski-Diagramm darstellen.

Phosphoreszierende Materialien [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Phosphoreszierende Materialien sind meist Kristalle mit einer geringen Beimischung eines Fremdstoffes, der die Gitterstruktur des Kristalls stort. Meistens verwendet man Sulfide von Metallen der zweiten Gruppe sowie Zink und mischt geringe Mengen von Schwermetallsalzen bei (z. B. Zinksulfid mit Spuren von Schwermetallsalzen). In [2] findet sich ein Beispiel eines Cu-dotierten Zinksulfid-Pigmentes, die Wellenlangenbereiche der Anregung und der Abstrahlung sowie der Nachleucht-Zeitverlauf. Durch das Verschmelzen von Borsaure mit Fluorescein konnen mit Hilfe einer UV-Leuchtquelle die dotierten phosphoreszierenden Kristallstrukturen zum Nachleuchten gebracht werden. Eine lange Leuchtdauer erreicht Europium-dotiertes Strontiumaluminat, das 1998 entwickelt wurde und unter der Marke Luminova angeboten wird. [2]

Anwendungen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Postwesen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Fur die automatisierte Verarbeitung von Postsendungen (Sortierung, Stempel aufbringen) wurden ab der zweiten Halfte der 1950er-Jahre unterschiedliche Auspragungen der Lumineszenz verwendet. [3] Hierfur wurden Graphitstreifen- und Phosphorstreifenaufdrucke auf Briefmarken und Fluoreszenzstreifen neben Ganzsachen - Wertzeicheneindrucke und phosphoreszierendes sowie fluoreszierendes Papier verwendet. [3] Erste Beispiele gab es in Großbritannien ab November 1957 mit zwei Graphitstreifenaufdrucken auf Markenruckseiten. [3] In der Bundesrepublik Deutschland wurde am 1. August 1960 von Postamtern im Raum Darmstadt erste Postwertzeichen der Dauerserie Heuss I und II mit fluoreszierendem Papier verkauft. [4] Bei der Herstellung von Briefmarken werden dem Papierbrei seit einigen Jahrzehnten phosphoreszierende Stoffe beigemengt oder das Material wird nachtraglich aufgeschichtet. Mit UV-Licht bestrahlte Briefmarken leuchten dann im Dunklen nach. Poststempelmaschinen konnen dadurch erkennen, wo die zu entwertenden Briefmarken auf dem Brief kleben und die Poststempel auf die richtige Stelle abschlagen. Mit dieser Methode konnen sowohl unfrankierte Briefe und Postkarten aussortiert als auch schlecht gefalschte Wertmarken identifiziert werden.

Sicherheitstechnik [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Neben phosphoreszierenden Hinweisschildern werden phosphoreszierende Farben und Klebebander zur Markierung von Fluchtwegen eingesetzt. Bei Treppen wird hier die erste und letzte Stufe uber die ganze Breite markiert. Besonders in nur als Fluchtweg genutzten Tunneln und Fluren ist dies eine wirtschaftliche und deutlich ausfallsicherere Alternative zu Akku-gestutzter Notbeleuchtung . Schon im Zweiten Weltkrieg waren in vielen Luftschutz bunkern die Wande mit phosphoreszierenden Farben gestrichen, um bei einem Stromausfall eine Panik in den sonst total dunklen, oft stark uberbelegten Bunkerraumen zu verhindern. Typisch war im Kellergang zum Schutzraum eine 10?15 cm breite horizontale Linie in Schulterhohe. Heute findet man solche phosphoreszierenden Markierungen haufig auch in U-Bahn -Stationen.

Signalcharakter und Nachleuchten [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Phosphoreszierende Elemente einer zuvor stark beleuchteten Armbanduhr : Zifferblatt mit zwolf Punkten sowie Minuten- und Stundenzeiger

Phosphoreszenz lasst sich auch gut als Signalcharakter verwenden. In vielen Fallen ist es erforderlich, dass Informationen auch im Dunkeln bereitgestellt werden. So werden phosphoreszierende Materialien fur Leuchtzeiger und Zifferblatter bei Uhren und Flugzeuginstrumenten, an Lichtschaltern oder bei manchen Aufklebern (Sicherheitsschilder, Deko-Artikel (Sterne fur die Kinderzimmerdecke), Autoteilen, PC, Fischereizubehor) verwendet. Bis in die 1950er-Jahre waren fur Zeiger und Ziffern von Uhren und Messinstrumenten radiumhaltige Phosphoreszenzfarben ublich.

Straßenmarkierungen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

In den Niederlanden wurden in einem Pilotprojekt Straßenmarkierungen mit phosphoreszierenden Farben eingesetzt. Damit sollen weniger Straßenlaternen benotigt werden, was zusatzliche Einsparungen bewirkt. Momentan gibt es einen ersten 500 Meter langen Teilabschnitt, der als Pilotprojekt in der Nahe der Stadt Oss (Provinz Nordbrabant ) fertiggestellt wurde. [5] [6] [7]

Sonstige [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Phosphoreszierende Farben bilden ein Stilmerkmal in der Psychedelischen Kunst .

Spezielle Radar- Bildrohren wurden fruher zur Anzeige in Radargeraten verwendet. Sie haben eine sehr hohe Nachleuchtdauer, um Ziele bis zum nachsten Umlauf der Radarantenne zu zeigen.

Das Erzeugen eines Schattenrisses der eigenen Person auf einer phosphoreszierenden Wand durch einen Elektronenblitz ist eine Attraktion in einigen Science Centern .

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Phosphoreszenz  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Uni Jena: Phosphoreszenz
  • Peter Butzer: Phosphoreszenz ( Memento vom 24. Januar 2017 im Internet Archive )

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Guofeng Liu und Yanli Zhao: Switching between Phosphorescence and Fluorescence Controlled by Chiral Self?Assembly . In: Adv Sci (Weinh) . Band   4 , Nr.   9 , September 2017, S.   1700021 , doi : 10.1002/advs.201700021 , PMC 5604387 (freier Volltext).
  2. a b Luminova Glow - Phosphorescent Products. (PDF) Tavco Chemicals Inc., abgerufen am 8. Februar 2018 (englisch, Produktinformation).
  3. a b c Peter Fischer: Phosphorstreifen und ahnliche Erscheinungen. In: DBZ ? Deutsche Briefmarken-Zeitung , Nr. 3/2011 vom 28. Januar 2011, Seite 28
  4. Ludwig Trondle: Briefmarkenkunde , Orbis Verlag, ISBN 3-572-00595-7 , Seite 107
  5. Leuchtende Straßenmarkierung ersetzt Laternen (heise online)
  6. Smart Highway ? The intelligent and interactive roads of tomorrow ( Memento vom 20. Juli 2014 im Internet Archive )
  7. Holland Safety Coating. Abgerufen am 25. Mai 2018 (niederlandisch).