Phineas P. Gage
(* wahrscheinlich am
9. Juli
1823
in
Lebanon
,
New Hampshire
; †
21. Mai
1860
in
San Francisco
,
Kalifornien
) war ein Vorarbeiter, der durch seinen schweren Unfall bekannt wurde. Dieser ereignete sich am 13. September 1848 bei der amerikanischen Eisenbahngesellschaft
Rutland & Burlington Railroad
bei
Cavendish
,
Vermont
.
Bei einer von ihm durchgefuhrten Sprengung schoss eine etwa 1,10 m lange und 3 cm dicke Eisenstange von unten nach oben durch seinen Schadel und verursachte einen großen Wundkanal. Die Stange trat unterhalb des linken Wangenknochens in den Kopf ein und oben am Kopf wieder aus. Wahrend des Unfalls blieb Gage bei Bewusstsein und war auch spater in der Lage, uber den gesamten Hergang des Unfalls zu berichten. Er uberlebte den Unfall und die Wunden heilten, lediglich sein linkes Auge wurde durch den Unfall irreversibel zerstort.
Der Unfall und die daraus resultierende Lasion im
prafrontalen Kortex
war fur die
neurowissenschaftliche
Forschung von großer Bedeutung. Nach Angaben seines Arztes John D. Harlow war er nach wenigen Wochen korperlich wiederhergestellt, und auch seine intellektuellen Fahigkeiten, einschließlich
Wahrnehmung
,
Gedachtnis
,
Intelligenz
,
Sprachfahigkeit
, sowie seine
Motorik
waren vollig intakt. In der Zeit nach dem Unfall kam es jedoch bei Gage zu auffalligen
Personlichkeitsveranderungen
. Aus dem besonnenen, freundlichen und ausgeglichenen Gage wurde ein kindischer, impulsiver und unzuverlassiger Mensch. Dieses Krankheitsbild ist heutzutage in der Neurologie als
Frontalhirnsyndrom
bekannt.
Gage litt nach dem Unfall immer wieder an epileptischen Anfallen und Fieberschuben. 1860 verlor er nach einem heftigen Krampfanfall das Bewusstsein und erlangte es nach einer Reihe von weiteren Krampfen nicht wieder. Er starb am 21. Mai 1860.
Antonio Damasio
ist der Ansicht, dass er einem
Status epilepticus
zum Opfer fiel. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof
Cypress Lawn Memorial Park
.
1867 wurde der Korper
exhumiert
. Der Schadel sowie die seinerzeit mitbeigesetzte Eisenstange wurden im Museum der
Harvard Medical School
ausgestellt. 1994 wurde der Schadel an der Universitat Iowa von
Hanna Damasio
gescannt und am Computer ein Gehirn simuliert, das in diesen Schadel passte. Anhand der Locher im Schadel konnte so festgestellt werden, welche Hirnareale durch die Stange beschadigt wurden.
Ein Foto, das Gage mit Eisenstange und einem durch Lahmung des Oberlides verschlossenen linken Auge zeigt, wurde 2009 identifiziert, nachdem es sich jahrelang unbeachtet in Besitz eines Sammlers historischer Fotografien im US-Bundesstaat Maryland befunden hatte.
[1]
In der amerikanischen
Netflix
-Mysteryserie
Stranger Things
von 2017 (Staffel 2, Episode 3:
Die Kaulquappe
) nimmt ein Schullehrer mit seinen Schulern den Eisenstangen-Unfall von Phineas Gage als Thema im Unterricht durch.
-
Beim Bau dieses
Einschnitts
(oder eines ahnlichen in unmittelbarer Nahe) fur die Rutland & Burlington Railroad ereignete sich der Unfall
-
Karte des Unglucksortes (Zustand 20 Jahre spater): (A) Unfallort; (T) Wohnung von Gage, zu der er unmittelbar nach dem Unfall gebracht wurde; (H) Wohnung des Arztes Edward H. Williams, der Gage etwa 30 Minuten nach dem Unfall operierte
-
Erster bekannter Zeitungsbericht uber den Unfall vom 21. September 1848 in der
Boston Post
-
Schadel von Gage, ausgestellt im
Warren Anatomical Museum
der
Harvard Medical School
-
Anlasslich des 150. Jahrestages des Unfalls in Cavendish (Vermont) errichteter Gedenkstein
- Antonio Damasio
:
Descartes’ Irrtum ? Fuhlen, Denken und das menschliche Gehirn
, Munchen: List, 1994,
ISBN 3-471-77342-8
- Hanna Damasio
u. a.:
The return of Phineas Gage: clues about the brain from the skull of a famous patient
. In:
Science
264 (5162)
. 1994,
S.
1102?1105
.
- Michael Gazzaniga
, R. Ivry R., G. Mangun:
Cognitive Neuroscience ? The biology of the mind
. Kap. 13 (Emotion), 2002.
- ↑
Ronald D. Gerste
:
Das Bildnis des Phineas Gage
. In:
Neue Zurcher Zeitung
. 9. September 2009 (
nzz.ch
).