Phidias
(
griechisch
Φειδ?α?
Pheidias
; * um 500/490 v. Chr. in
Athen
; † um 430/420 v. Chr.) war ein antiker
Bildhauer
und
Toreut
. Er gilt als einer der großten Bildhauer der
Antike
und als prominenter Vertreter der
griechischen Hochklassik
. Seine Arbeiten sind vollstandig vernichtet worden und heute nur in
Kopien
greifbar. Die bekanntesten Werke sind die 12 Meter hohe
Zeusstatue in Olympia
, die zu den
Sieben Weltwundern der Antike
zahlte, und die
Athena Parthenos
in Athen.
Die Zeusstatue des Phidias auf einer Munze aus
Elis
Phidias wurde um 500/490 v. Chr. als Sohn des Charmides in Athen geboren (nicht zu verwechseln mit dem Athener Politiker
Charmides
). Uber sein Leben ist sonst sehr wenig bekannt. Allein durch die Beschreibung seines Werkes kann ein ungefahrer Schattenriss des Lebens sichtbar gemacht werden.
Mit großer Wahrscheinlichkeit stand Phidias in engem personlichen Kontakt zu den
Radikaldemokraten
, die 462/461 v. Chr. in Athen an die Macht gelangten und deren bekannteste Vertreter
Ephialtes
und
Perikles
waren.
Zum letzten Lebensabschnitt gibt es zwei widerspruchliche Uberlieferungsstrange. Gemaß der einen Uberlieferung wurde Phidias, nachdem er die Statue des olympischen Zeus fertiggestellt hatte, von den Gegnern des Perikles angeklagt, Gold von der bereits zuvor geschaffenen Statue der
Athena Parthenos
gestohlen zu haben. Dieser Beschuldigung konnte er sich jedoch entziehen. Daraufhin warfen ihm Perikles’ Gegner
Gotteslasterung
vor, da er sich selbst sowie Perikles auf dem Schild der Athena Parthenos dargestellt hatte, und er wurde eingekerkert. Angeblich starb er kurz darauf an einer Vergiftung. Nach einer anderen Fassung konnte er nach Elis fliehen und schuf die Statue des olympischen Zeus erst nach Anklage und Flucht in der Verbannung. Das Todesdatum, selbst das Ende seiner Schaffenszeit gilt heutzutage allgemein als ungeklart und wird eher um 420 v. Chr. als um 430 v. Chr. angenommen. Es gibt keinen gesicherten Grund, in der Statue des Zeus sein letztes Werk zu sehen.
Phidias erhielt eine erstklassige Ausbildung bei den Bildhauern
Hegias
und
Ageladas von Argos
, der auch Lehrer von
Myron
und
Polyklet
gewesen sein soll. Die Ausbildung umfasste nicht nur die Bildhauerei in Stein, sondern auch den
Bronzehohlguss
in
verlorener Form
. Aufbauend auf diese Verfahren entwickelte Phidias spater die Kunst weiter, in seinen Bildwerken unterschiedliche Materialien wie Marmor, Bronze, Glasfluss,
Gold und Elfenbein
zu vereinigen.
Das fruheste Werk, mit dem Phidias sein Konnen unter Beweis stellte, war ein Athenastandbild aus
Gold
und
Elfenbein
fur den
Tempel
in
Pellene
in der nordlichen
Peloponnes
. Es durfte um 465 v. Chr. entstanden sein.
Phidias’ erstes großes Werk war eine Bronzegruppe, die aus dem traditionell den Gottern vorbehaltenen Zehnten aus der
Schlacht bei Marathon
(490 v. Chr.) finanziert wurde. Es umfasste die zehn Bronzestatuen der
attischen
Phylenheroen
:
Aias
,
Aigeus
,
Akamas
, Antioches,
Erechtheus
, Hippothoon,
Kekrops
,
Leos
,
Oineus
und
Pandion
. Daruber hinaus waren vielleicht auch
Athene
als Schutzgottin Athens und
Apollon
als Schutzgott
Delphis
dargestellt. Sie standen auf einer 16 m langen Basis vor dem
Schatzhaus der Athener
in Delphi. Die 10 Phylenheroen waren Ausdruck des Sieges der jungen Demokratie uber alle inneren und außeren Feinde. Gleichzeitig setzte man sich mit dem Monument unter Verweis auf die
kleisthenischen Reformen
bewusst von dem politischen System der
Tyrannis
ab. Weitere Heroen sowie ein Standbild des
Miltiades
, uber die uns
Pausanias
unterrichtet, mussen als spatere, propagandistische Ausschmuckung und Nutzung des Monumentes angesehen werden wie auch die Anfugung von drei
ptolemaischen
Konigen, die sich im
Hellenismus
gerne als Phylenheroen in die Nahe des Marathonsieges rucken ließen.
Wenn auch das Werk selbst verloren ist, so liefert uns seine Ausformung doch sehr wichtige Informationen bezuglich der Marathonschlacht. Als Weihgeschenk aus der Beute des Sieges sollen die Heroen gegossen worden sein. Damit wurde das Uberleben der Demokratie gefeiert, mit der es im Falle eines persischen Sieges vorbei gewesen ware. Unmittelbar nach der Schlacht kam Marathon also eine lokal auf Attika beschrankte Bedeutung zu. Wenn
Herodot
Athen im fortschreitenden 5. Jahrhundert v. Chr. als ?Vorkampfer der Griechen“ bezeichnet, greift er damit eine gezielt gestreute Propaganda auf, die so effizient war, dass sie bis heute wirksam ist. Das Phylenmonument des Phidias jedoch liefert uns den chronologisch ersten und entscheidenden Beweis, dass Marathon fur Griechenland langst nicht die Bedeutung hatte, die ihm spater zugemessen wurde.
Die etwa 3,50 m hohe Statue der
Athena Areia
stand im Tempel, den die Athener auf dem Schlachtfeld bei
Plataiai
zu Ehren des Sieges uber die Perser errichtet hatten. Gewand und Waffen waren aus Gold, die nackten Hautpartien der Gottin aus Marmor.
Das Standbild ist moglicherweise in romischen Kopien im Typus der
Athena Medici
uberliefert. An der Basis befand sich das Bildnis des
Arimnestos
, der in den Schlachten von
Marathon
und
Plataiai
das Kontingent der Plataier befehligt hatte.
Phidias’ Standbild war Zentrum eines Ensembles, zu dem die Maler
Polygnotos
und
Onasias
mit Wandgemalden beigetragen hatten. Auf Polygnots Gemalde war die Totung der Freier durch
Odysseus
dargestellt, auf dem von Onasias der erste Feldzug der
Sieben gegen Theben
.
Das bildliche Programm dieses Ensembles richtete sich vor allem gegen die inneren Feinde Athens.
Athena
, die Schutzgottin der Stadt,
usurpierte
die
Insignien
des
Ares
, des Schutzgottes von
Theben
, das wahrend der
Perserkriege
auf der Seite des Gegners gestanden hatte und ein Verbundeter
Spartas
war. Onasias’ Gemalde zeigte, wohin Bruderzwist fuhrt, namlich zum Untergang der Herrscher Thebens; Polygnotos verdeutlichte die Bestrafung jener, die gottliche Gesetze ubertreten.
Phidias begann wahrscheinlich um 460 v. Chr. an der neun Meter hohen Bronzestatue zu arbeiten; etwa um 450 v. Chr. durfte das Werk vollendet gewesen sein. Es schmuckte die
Akropolis
in Athen. Die 5 × 5 m große Basis fur die Statue ist heute noch zu erkennen. Reste der Inschrift, die berichten, dass die Statue aus Beutegeldern finanziert wurde, sind erhalten.
Die Athena Promachos ist sehr schlecht uberliefert. Auf Munzbildern ist zu erkennen, dass sie den rechten Arm ausgestreckt hielt, auf dem
Nike
, die Siegesgottin, stand. Gegen das linke Bein der Gottin lehnte ein Schild, gegen ihre linke Schulter die Lanze. Auf dem Schild war der Kampf der Griechen gegen die
Kentauren
(
Kentauromachie
) dargestellt. Gearbeitet hatten ihn der Toreut
Mys
und der Maler
Parrhasios
. Nach den Perserkriegen verstand man den Kampf gegen die Kentauren als
Metapher
fur den Kampf gegen die Perser.
Varvakion-Statuette, Athen (Nationalmuseum, Nachbildung der Athena Parthenos)
In zahlreichen verkleinerten romischen Kopien ist die Athena Parthenos uberliefert, die im
Parthenon
auf der Akropolis von Athen stand. Die
Kolossalstatue
war 11,5 m groß. Bei der Erschaffung der Athena Parthenos benutzte Phidias Elfenbein, und fur die Kleidung, Sandalen und den Helm wurden ca. 1000 kg Gold verbraucht.
Auf der Außenseite des 4,80 m messenden Rundschildes war der Kampf der Athener und
Amazonen
im Relief dargestellt, auf der Innenseite die Schlacht der Gotter und
Giganten
als Malerei zu sehen. Von der Malerei ist nichts uberliefert, das Relief kann aber mit großer Sicherheit rekonstruiert werden:
- In der Mitte sah man ein
Gorgonenhaupt
, um das sich Schlangen winden.
- Darum gruppierten sich in zwei Kreisen 28 Kampfende (davon 15?16 Amazonen), meistens in Zweier-, seltener in Dreierkonstellation. Die Amazonen waren mit einem
Chiton
bekleidet, die meisten Athener nackt dargestellt. Mit großer Kunst hat Phidias in einem gehobenen, idealisierenden
Realismus
, wie er dem heroischen Geschehen angemessen ist, den Angriff der Kampfenden, das Verwunden und das Sterben geschildert.
- In der Darstellung eines greisen Steinwerfers sah die Antike ein Selbstportrat von Phidias.
- Auf dem Gesicht des
Theseus
dagegen meinte man die Gesichtszuge von
Perikles
zu erkennen.
In
Nashville
(
Tennessee
) steht eine maßstabsgetreue Nachbildung des Parthenon mitsamt der 11,5 m hohen Kolossalstatue der Athena Parthenos.
Die Frage, inwieweit Phidias an der Planung und Ausfuhrung des Skulpturenschmucks am
Parthenon
beteiligt war, hat in der fruheren Phidias-Forschung eine große Rolle gespielt.
Plutarch
berichtet, Phidias habe aufgrund seiner Freundschaft mit
Perikles
die Leitung oder Aufsicht uber alle Arbeiten auf der
Akropolis
innegehabt. Einige Forscher haben daraus abgeleitet, dass Phidias das Programm der Bilder entworfen habe, das dann ? daran lasst die Forschung keinen Zweifel ? von mehreren Meistern ausgefuhrt worden sei, Phidias in gewissem Sinne also der Schopfer des Skulpturenschmucks sei.
Heute ist die vorherrschende Meinung, dass Phidias eher eine Vermittlerfunktion zwischen den verschiedenen Bildhauern besaß. Da die Stadt Athen Auftraggeber des Parthenon war, wurden alle damit in Zusammenhang stehenden Fragen (auch die kunstlerischen) der
Volksversammlung
vorgelegt, die auf demokratische Weise daruber befand. Man kann sich vorstellen, dass ein so hervorragender Kunstler und einflussreicher Politiker wie Phidias ein von ihm entwickeltes Programm der Volksversammlung zur Entscheidung vorgelegt und sich damit durchgesetzt hat. Phidias war also nicht das große, alles uberragende Genie, das nur seinem eigenen Gesetz gehorcht und in unuberwindlichem Gegensatz zu einer es kaum oder gar nicht verstehenden Volksmasse Kunst geschaffen habe, sondern eingebunden in Athens demokratische Strukturen; nicht das eigene Kunstgesetz war ihm oberstes Prinzip, sondern der Wille, Athen und dessen Demokratie zu dienen. Insofern muss man den Skulpturenschmuck am Parthenon als das Gemeinschaftswerk aller Athener ansehen.
Die helmlose, uberlebensgroße Statue der Athena Lemnia aus Bronze durfte um 450 v. Chr. entstanden und auf der Akropolis in Athen aufgestellt worden sein. In der Inschrift wurden die
Kleruchen
der Insel
Lemnos
als
Stifter
genannt. Kleruchen waren Athener, die in die verbundeten
Territorien
entsandt wurden und dort Land erhielten und Athens Interessen wahrnahmen.
Die Gottin ist nicht behelmt, also nicht bereit zum Kampf. Sie betrachtet den Helm, den sie in der rechten Hand halt, in ruhiger Haltung. Der Speer lehnt ihr jedoch gegen die linke Schulter; er verdeutlicht ihre Kampffahigkeit.
Wohl wegen ihrer wenig kampfbegierigen Erscheinung galt die Statue in der Antike als Phidias’ schonste. Mit großer Wahrscheinlichkeit haben sich Kopien erhalten. Eine Rekonstruktion, die auf
Adolf Furtwangler
zuruckgeht, ist in
Dresden
zu sehen.
Die 12 m hohe Statue im Zeustempel von Olympia ruhte auf einem inneren Gerust aus Eisen, Gips und Holz, war außen mit
Goldblech
,
Elfenbein
und
Ebenholz
verkleidet und wurde in der sogenannten
Chryselephantin
-Technik errichtet. Dabei werden vor allem bei Gotterbildern Gesicht, Hande und Fuße der holzernen oder marmornen Figuren mit
Goldblech
und Elfenbein verkleidet und mit Edelsteinen und gegossenem farbigem Glas verziert.
Bei Ausgrabungsarbeiten in Olympia in der Nahe des Zeustempels fand man die Uberreste der Werkstatt des Phidias und darin Materialreste, Werkzeug etc., außerdem einen Keramikbecher, in dessen Boden die Worte zu lesen waren:
ΦΕΙΔΙΟΥ ΕΙΜΙ
(
Φειδ?ου ε?μ?
Pheidiou eimi
?des Pheidias [Eigentum] bin ich“).
Amazone, am linken Oberschenkel verwundet (Statuentypus Mattei, romische Kopie der ursprunglichen Bronzestatue)
Antike Schriftsteller berichten uber ein
Amazonenmonument
im
Artemistempel in Ephesos
. Phidias,
Polyklet
,
Kresilas
,
Kydon
und
Phradmon
fertigten je eine Amazonenstatue. Nach dem Stil der
Bronzestatuen
zu urteilen, durfte das Monument um 430 v. Chr. errichtet worden sein. Die Statuen des Polyklet, des Phidias und des Kresilas sind in Kopien fassbar, die erhaltenen Statuentypen ?
Sosikles
“, ?Mattei“ und ?Sciarra“ gehen auf den Wettbewerb zuruck. Umstritten ist bis heute die Zuweisung der Amazonentypen an einzelne Kunstler.
[1]
Die
Amazonen
waren der Legende nach aus Osten kommend in Attika eingefallen und von den Griechen besiegt worden. Die Uberlebenden hatten in
Ephesos
Zuflucht gefunden. Dort waren aus den ?mannermordenden“ Kriegerinnen Frauen geworden, die Ehen mit Griechen eingingen und hinfort ein hausliches Leben fuhrten. Die Amazonen wurden von der damaligen Offentlichkeit als Sinnbild der besiegten Eindringlinge verstanden. Sie standen fur das Schicksal derer, die sich gegen Athen zu stellen wagten.
Pausanias
berichtet von einer Aphrodite Urania aus
Gold
und
Elfenbein
, die im Aphroditetempel in
Elis
aufgestellt war. Der linke Fuß der Statue ruhte auf einer kleinen Schildkrote. Ein romischer
Marmortorso
in der
Berliner Antikensammlung
in Berlin
[2]
uberliefert vielleicht die Statue. Stilistisch kann man das Werk den 430er Jahren zuordnen.
Pausanias berichtet von einer Apollonstatue in Athen, die Phidias zugeschrieben werde (vergleiche 1, 24, 8). Die Statue hielt einen Bogen in der einen, eine Heuschrecke in der anderen Hand. Damit begrundet wird der so genannte
Kasseler Apollon
, die besterhaltene Kopie in einer ganzen Reihe von Marmorkopien einer Bronzeskulptur, als Apollon Parnopios identifiziert und Phidias zugeordnet. Ein Bogen und Pfeil ist in Resten in einer Hand der Kassler Skulptur nachgewiesen.
- Hans Schrader
:
Phidias.
Frankfurt am Main 1924.
- Ernst Buschor
:
Phidias der Mensch.
Munchen 1948.
- Christoph Hocker
,
Lambert Schneider
:
Phidias
(=
Rowohlt-Monographie.
Nr. 505). Rowohlt, Reinbek 1993.
- Volker Michael Strocka
:
Pheidias (I).
In:
Rainer Vollkommer
(Hrsg.):
Kunstlerlexikon der Antike
.
Band 2:
L?Z. Addendum A?K.
K. G. Saur, Munchen/Leipzig 2004,
ISBN 3-598-11414-1
, S. 210?236.
- Clair Cullen Davison:
Pheidias. The Sculptures & Ancient Sources
(=
Bulletin of the Institute of Classical Studies.
Supplement 105). 3 Bande, Institute of Classical Studies, University of London, London 2009,
ISBN 978-1-905670-21-5
,
ISBN 978-1-905670-22-2
,
ISBN 978-1-905670-23-9
.
- Mario Baumann:
Phidias.
In:
Peter von Mollendorff
, Annette Simonis, Linda Simonis (Hrsg.):
Historische Gestalten der Antike. Rezeption in Literatur, Kunst und Musik
(=
Der Neue Pauly
. Supplemente.
Band 8). Metzler, Stuttgart/Weimar 2013,
ISBN 978-3-476-02468-8
, Sp. 751?758.
- ↑
Renate Bol:
Die Amazone des Polyklet.
In:
Herbert Beck
,
Peter C. Bol
, Maraike Buckling (Hrsg.):
Polyklet. Der Bildhauer der griechischen Klassik. Ausstellung im Liebieghaus-Museum Alter Plastik Frankfurt am Main
. Zabern, Mainz 1990,
ISBN 3-8053-1175-3
, S. 213?239.
- ↑
Inventarnummer Sk 1459;
Eintrag im digitalen Skulpturenkatalog
.