Pfeilung

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Positive Pfeilung eines Flugels

Die Pfeilung beziffert den Winkel zwischen dem Tragflugel und der Flugzeugquerachse in der Aufsicht . Wenn sie an der Vorderkante des Flugels gemessen wird, heißt sie Vorderkantenpfeilung, hinten analog Hinterkantenpfeilung, ab der Flugelwurzel nach hinten ist sie positiv. Viele Flugeigenschaften werden von der Pfeilung beeinflusst, speziell im hohen Geschwindigkeitsbereich.

Short Brothers baute 1910 die Short-Dunne 5, das weltweit erste Flugzeug mit gepfeilten Flugeln. 1929 flog ein Nurflugelflugzeug von Alexander Leo Soldenhoff mit einem stark gepfeilten Flugel. [1]

Die ersten Ideen zur positiven Tragflachenpfeilung im Zusammenhang mit dem Uberschallflug hat Adolf Busemann im Jahr 1935 entwickelt; konkrete Windkanal-Untersuchungen und Patentanmeldungen erfolgten 1939 durch Albert Betz und seine Mitarbeiter an der Aerodynamischen Versuchsanstalt . [2]

Positive Pfeilung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Keine Pfeilung oder eine leicht positive sind der Normalfall bei heutigen Flugzeugen, Vorder- und Hinterkante der Tragflachen konnen nach hinten gezogen sein. Jeder Flugel hat eine bestimmte Streckung , das ist das Verhaltnis der Spannweite zur mittleren Tragflugeltiefe. Im Konzept der Pfeilung betrachten wir zunachst einen konstanten Flugelquerschnitt bei unendlicher Spannweite.

Konstanter Flugelquerschnitt [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Abb. 1: Aufteilung der Geschwindigkeiten
Abb. 2: Gekrummte Stromlinien am gepfeilten Tragflugel
Abb. 3: Druckverteilung einer reinen 2D-Rechnung im Normalschnitt (rot) gegenuber der transformierten Druckverteilung des Profilschnitts (grun).

Wir denken uns einen Flugel mit positiver Pfeilung nach hinten, der uberall den gleichen Querschnitt und eine unbegrenzte Spannweite hat. Dieser Flugel hat keine Zuspitzung , so dass auch keine Effekte aus Rumpfnahe oder Flugelspitze auftreten. Die Vorderkante des Flugels, die Hinterkante und die Linie bei einem Viertel der Flugeltiefe sind parallel und die drei Pfeilungswinkel gleich. Die Anstromgeschwindigkeit der Luft kann in eine Komponente senkrecht zur Flugelkante und eine Komponente tangential zerlegt werden (Abbildung 1), wobei die tangentiale Komponente keinen Einfluss auf die Umstromung hat.

Die Umstromung des Flugels kann mit einem einzigen senkrechten Schnitt dargestellt werden. Die Abbildung 2 zeigt die gekrummten Stromungslinien, welche die Schnittflache schneiden sowie in Farbe den Luftdruck. Die Stromungsgroßen in der Schnittebene sind dreidimensional, aber nur von zwei Variablen abhangig: der Hohe uber der Flugelunterkante und der Tiefe in Bezug auf den Flugelquerschnitt.

Da kleiner als ist, sind der Auftrieb , der Auftriebsgradient und der Druckwiderstand gegenuber einem ungepfeilten Flugel reduziert. Diese Eigenschaften aus der schragen Anstromung der Flugelkante mit dem Schiebewinkel heißen Cosinus-Beta-Effekte. Beim Pfeilflugel sinkt zudem der Wellenwiderstand starker als der Auftrieb. Damit steigen bei transsonischer Anstromung das Gleitverhaltnis des Flugels und die kritische Machzahl .

Querstromungswirbel fuhren zu einer Instabilitat, weil am gepfeilten Flugel der laminare Zustand in den turbulenten ubergeht. Der Einfluss der zweidimensionalen Tollmien-Schlichting-Welle tritt in den Hintergrund.

Endliche Streckung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Beim realen, endlichen Flugel verandert die Pfeilung die Auftriebsverteilung. Anfang des 20. Jahrhunderts haben die Gebruder Horten dies als Mitteneffekt beschrieben.

  • Eine positive Pfeilung > 0 fuhrt zu einer Uberhohung des Auftriebs im Außenbereich und zu einer Reduktion bei der Flugelwurzel.
  • Eine negative Pfeilung < 0 erhoht umgekehrt den Auftrieb im inneren Bereich.

Die Deformation der Auftriebsverteilung erhoht den induzierten Widerstand. Eine geanderte Flugeltiefe kann dies kompensieren.

Positiv gepfeilte Flugel fuhren einerseits zu erhohter Richtungsstabilitat sowie zu einem positiven Schiebe-Roll- Moment . Die Nachteile sind im Abreißverhalten, da c a max an der Flugelspitze zuerst erreicht wird. Der Stromungsabriss erfolgt im Bereich der Querruder wie auch am ?hinteren“ Teil des Flugels zuerst. Ein zweiter negativer Effekt ist das Abfließen von Grenzschichtmaterie in Richtung Flugelspitze, welches dort zu einer Grenzschichtverdickung und zu einer großeren Abloseneigung fuhrt. Geeignete Gegenmaßnahmen sind Grenzschichtzaune , Sagezahne an der Flugelvorderkante (vgl. F-4 Phantom II ), die Verwindung des Flugels und die Anpassung des Profils.

Reale Flugel zeigen eine lokale Entpfeilung der Linien mit gleichem Druck an der Flugelwurzel sowie in der Nahe des Randbogens, denn die Isobaren liegen aus Symmetriegrunden an der Flugelwurzel senkrecht zur Symmetrieebene. Damit verliert ein realer Flugel in diesen Bereichen die Vorteile der Pfeilung. Um dies auszugleichen wird das Konzept der ?geraden Isobaren“ umgesetzt. Die Profilform wird so angepasst, dass ein uber die gesamte Spannweite gerader Isobarenverlauf erzielt wird.

Schließlich hat ein positiv gepfeilter Flugel eine geringe Boenempfindlichkeit, weil der verminderte Auftriebsanstieg direkt proportional zur Boenlast ist. Die Pfeilung an einem Flugel kann variabel verlaufen, einzelne Flugelabschnitte konnen unterschiedlich stark gepfeilt sein.

Negative Pfeilung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Luftstrom an negativ und positiv gepfeilten Tragflachen am Beispiel der Grumman X-29

Seit Beginn des praktischen Einsatzes der Pfeilung gibt es auch Konstruktionen mit negativer Pfeilung. Wie im Bild gezeigt lauft der Luftstrom bei dieser Flugelgeometrie zum Rumpf hin anstatt vom Rumpf weg, wie bei herkommlichen Konstruktionen. Dadurch kann der Luftstrom an Flugelspitzen und an den Steuerflachen wesentlich langsamer sein, bevor die Stromung abreißt ( Stromungsabriss , engl. stall ) und der Auftrieb verloren geht. Dadurch wird eine außerordentliche Manovrierbarkeit erreicht, wenn die Trag- und Steuerflachen in einem steilen Winkel zum Luftstrom angestellt werden. Das Flugzeug hat auch bei geringer Fluggeschwindigkeit genugend Luftstrom uber den Steuerflachen von Seiten- und Hohenruder. Deshalb wurde sich diese Tragflachengeometrie in der Theorie bei extrem wendigen Abfangjagern anbieten.

Bereits wahrend des Zweiten Weltkriegs wurde an Flugzeugen mit negativer Tragflachenpfeilung geforscht. Allerdings waren die Materialbelastungen fur eine praktische Anwendung zu hoch. Erst in neuester Zeit existieren Faserverbundwerkstoffe fur Tragflachen mit negativer Pfeilung, die den hohen Torsions- und Scherkraften standhalten.

Segelflugzeuge mit dieser Flugelgeometrie sind vorwiegend Doppelsitzer. Seit Jahrzehnten wird die Tragflugelwurzel, also der Anschluss an den Rumpf, nach hinten gelegt, damit der zweite Sitz vor dem Holm Platz findet.

Beispiele [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Grumman X-29

Vorder- und Hinterkante der Tragflachen negativ gepfeilt:

Anwendung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Schlierenfoto eines Modells mit geradem Tragflugel bei Mach 1,2. Gut zu sehen ist der Stau an der Flugelvorderkante.
Schlierenfoto eines Modells mit gepfeiltem Tragflugel bei Mach 1,2. Es existiert kein Stau an der Flugelvorderkante.

Die optimale Pfeilung von Tragflachen hangt von der zu erwartenden Luftstromungsgeschwindigkeit um die Tragflachen ab. Hier muss ein Kompromiss zwischen einem hohen Auftrieb bei niedrigen Geschwindigkeiten fur den Start (geringe Pfeilung) gegenuber dem niedrigen Stromungswiderstand und geringen Verwirbelungen bei Reisegeschwindigkeit (starke Pfeilung) gefunden werden, mit dem Ziel, eine laminare Luftstromung uber alle Steuerflachen in allen zu erwartenden Fluglagen zu erreichen. Zeichnet man den Luftdruck und die dazugehorenden Geschwindigkeiten in ein Koordinatensystem, so ergibt sich innerhalb der Linien ein gedachter Bereich, in dem das Flugzeug sicher eingesetzt werden kann. Diese Hullkurve , als Flugenveloppe bezeichnet, ist fur jedes Flugzeugmodell unterschiedlich und hangt neben vielen anderen Faktoren zu einem entscheidenden Maße von der Tragflugelgeometrie und damit von der Pfeilung ab.

Vereinfachend gelten zwei Grundsatze: Flugzeuge, die uberwiegend in geringer Hohe und mit niedrigen Geschwindigkeiten fliegen, sollten keine Pfeilung aufweisen. Flugzeuge, die sich in großen Hohen transsonisch bewegen und in Meereshohe im mittleren Geschwindigkeitsbereich fliegen, zum Beispiel Verkehrsflugzeuge, erhalten eine mittlere Pfeilung.

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Adolf Busemann : Aerodynamischer Auftrieb bei Uberschallgeschwindigkeit. Vortrag auf der 5. Volta-Tagung in Rom, 1935.
  • Ernst Gotsch: Luftfahrzeugtechnik. Motorbuchverlag, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-613-02912-5 .
  • Die Pfeilflugelentwicklung in Deutschland bis 1945 . In: Hans-Ulrich Meier (Hrsg.): Die deutsche Luftfahrt . Band   33 . Bernard & Graefe Verlag, Bonn 2006, ISBN 3-7637-6130-6 .

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Pfeilflugel  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Alexander Soldenhoff …. baute von 1930 bis 1932 (20 Monate) Nurflugel-Flugzeuge in Boblingen , Boblinger Flughafengeschichten
  2. Werner Heinzerling: Flugelpfeilung und Flachenregel, zwei grundlegende deutsche Patente der Flugzeugaerodynamik , Munchen ohne Jahr, (Deutsches Museum). online ( Memento des Originals vom 2. April 2015 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www.aviation.tu-darmstadt.de (PDF; 10 MB)
  3. Foto der FTAG E11 der Akaflieg der HS Esslingen