Personifikation

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Die Personifikationen (v. l. n. r.) Sclavinia (fur die Volker der Slaven ), Germania (fur die Bewohner Germaniens), Gallia (fur die Bewohner Galliens) und Roma (fur die Bewohner Italiens) huldigen Kaiser Otto III. durch Geschenke (Buchmalerei aus dem Evangeliar Ottos III. , 990 n. Chr.).

Die Personifikation , Personifizierung oder fictio personae ist je nach Kontext entweder eine rhetorische Figur , die Tieren, Pflanzen, Gegenstanden, toten Personen oder abstrakten Wesenheiten eine Stimme gibt ( Prosopopoie ; von griech. προσωποποι?α pros?popoiia ) oder menschliche Zuge verleiht ? eine kunstlerische Darstellung von etwas Abstraktem in Gestalt einer Person ? oder aber die Vorstellung von Naturgewalten als personalen Wesen im religiosen Bereich. Im allgemeineren Sinne spricht man auch von Anthropomorphismus . Je nach Auffassung der strukturellen bzw. definitionsmaßigen Beziehungen zueinander wird auch entweder die Personifikation oder aber der Anthropomorphismus als Spezialfall der Metapher gesehen. Eine erweiterte Personifikation kann ebenso wie eine erweiterte Metapher auch als Allegorie betrachtet werden.

Anthropomorphe Darstellung des Staats : die beruhmte Titelseite von Thomas Hobbes Leviathan aus dem Jahr 1651

Personifikation ist zu unterscheiden von der Personalisierung als einem Prinzip der Geschichtsdidaktik .

Personifikationen sind eines der haufigsten Stilmittel in Lyrik und Epik .

Beispiele:

  • ?Jetzt lacht das Gluck uns an / bald donnern die Beschwerden .“ ( Andreas Gryphius )
  • ?Natur schlaft ? ihr Odem steht,
    Ihre grunen Locken hangen schwer,
    Nur auf und nieder ihr Herzschlag geht
    Ungehemmt im heiligen Meer.“ ( Annette von Droste-Hulshoff )
  • ?Der Garten trauert
  • ?Der Dollarkurs liegt am Boden.“
  • ?Der Tag verabschiedet sich.“
  • ?Die Sonne lacht.“
  • ?Der Himmel weint.“
  • ?Der schlaue Fuchs“

Ausdrucke wie ? Vater Staat “, ? Mutter Natur “ oder ? Vaterchen Frost “ gehoren zu den abgesunkenen Personifikationen. Also sind Personifikationen abstrakte Gestalten: Tiere oder auch Pflanzen, die die Gaben eines Menschen ubernehmen, zum Beispiel ?der Garten trauert“, ?die Sonne lacht“.

Die Personifikation gilt als eine der am leichtesten zu erkennenden Stilfiguren. Sie wird in einer Sprache dann besonders erleichtert, wenn die Worter fur Personen und fur die personifizierten Gegenstande, Tiere, Symbole und so weiter die gleiche syntaktische bzw. grammatische Struktur aufweisen. So kann man beispielsweise auf Deutsch den Begriff der Regen leicht personifizieren: ?Der Regen griff nach mir“ hat die gleiche Struktur wie: ?Der Anton griff nach mir.“ Gabe es regnen nur als Verb, so ware eine Personifikation nicht so einfach moglich.

Allegorie der guten Regierung , mit den Personifikationen von Frieden, Großzugigkeit, Starke, Klugheit, Gerechtigkeit und Maßigung
Wahrheitstaler mit der personifizierten nackten Wahrheit

In der bildenden Kunst kommen Personifikationen in allen Epochen vor. Sie bezeichnen Figuren, die einen abstrakten Inhalt bzw. Sachverhalte allegorisch verkorpern: den Fruhling , Christentum und Judentum , den Fluss Tiber , die Stadt Rom , den Gevatter Tod , die gute Regierung, die Tugenden oder Laster usw.

Ob eine Personifikation weiblich (femininum) oder mannlich (masculinum) dargestellt wird, hangt vom Genus des Wortes ab, das der Personifikation zu Grunde liegt. Das Haus zum Roten Ochsen in Erfurt zeigt beispielsweise die Sonne als bartigen Mann, obwohl sie im Deutschen weiblich ist, da der Kunstler das im Lateinischen maskuline Wort sol zugrunde gelegt hat. Entsprechend ist der Mond ( luna, feminin) als Frau dargestellt.

Personifikationen sind oft mit Attributen versehen, um vom Betrachter leichter .identifiziert werden zu konnen.

Eine besondere Vorliebe fur emblematische Darstellungen zeigt in einer Serie von Talern Heinrich Julius zu Braunschweig und Luneburg , Furst von Braunschweig-Wolfenbuttel . Im Munzbild des Wahrheitstalers ist die Wahrheit nackt zu sehen und steht mit den Fußen auf der Verleumdung und der Luge. Die Inschrift im Feld bestatigt das: VERITAS / VIN ? CIT / OM ? NIA / CALVMNIA / MENDACIUM (deutsch: Die Wahrheit besiegt alle Verleumdung und Luge). Die Taler mit symbolischen Darstellungen dienten dem Herzog in den Auseinandersetzungen mit einigen adligen Familien seines Landes, ebenso wie seine Muckentaler , zur Propaganda . [1]

Der Turmtaler zeigt einen aus brandenden Wogen herausragenden Turm, der heftigen Sturmen ausgesetzt ist, die durch Kopfe personifiziert sind. Uber dem Turm fallt Hagel aus Gewitterwolken.
Gedenkmedaille, ein sogenannter Pesttaler aus Silber auf die Beendigung der letzten Erfurter Pestepidemie von 1683, mit dem personifizierten Tod und der personifizierten Sonne

In Religion und Mythos ist die Personifikation von Naturgewalten (→ Animismus ) weit verbreitet und spielt in der Geschichte beachtliche Rolle.

Personifikation konnte auf Grundstrukturen unseres Denkens hinweisen. Sinneseindrucke werden im Gehirn durch Zuordnung zu bekannten Erfahrungen interpretiert. In fruher Kindheit erfahren wir uns selbst und andere, also Personen, als Ursachen von Veranderungen. Umgekehrt interpretieren Kinder Veranderungen intuitiv oft als Wirkung von Personen. So vermuten sie manchmal geisterhafte Wesen als Ursache von z. B. knarrenden Dachbalken. Personifizierende Interpretationsmuster stehen uns fruher zur Verfugung als das abstrakte Denken . Fur jungere Kinder ist die Vorstellung einer personifizierten Sonne, die uber den Himmel wandert, intuitiv leichter zu begreifen als etwa ein heliozentrisches Weltbild mit seinen abstrakteren Begriffen, z. B. Schwerkraft.

Moglicherweise entstehen so zahlreiche Vorstellungen von personifizierten Naturkraften. Z. B. ist Poseidon im griechischen Mythos der Gott des Meeres; eine Vielzahl von Belegen aus der Bibel kann als Erinnerung an die Personifikation von Naturgewalten aus der Zeit vor der Verfestigung zum Monotheismus verstanden werden, so die folgende Stelle aus dem Buch Ijob : ?Und der Herr antwortete Hiob aus dem Wettersturm und sprach.“ (Ijob 38,1). Weitere solche Natur-Personifikationen lassen sich in vielen Kulturen finden:

Eine Sedisvakanzmunze des Kirchenstaats , ein Mezzo Skudo von 1829, deutet die Kirche auf Wolken sitzend, mit der linken Hand ein Kreuz haltend und mit der rechten auf die Tiara und ein Modell des Petersdoms zeigend.

  • Hans Bonnet : Personifikation. In: Lexikon der agyptischen Religionsgeschichte. Nikol Verlag, Hamburg 2000, ISBN 3-937872-08-6 , S. 586?588.
  • Stefan Hess : Herrscherideale und ideale Frauen. Tugendallegorien im fruhneuzeitlichen Basel. In: Basler Zeitschrift fur Geschichte und Altertumskunde 111 (2011), S. 115?154 ( doi:10.5169/seals-391676 ).
  • Christoph Huber: Personifikation. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft . Bd. 3, Berlin/New York 2003, S. 53?55 ISBN 3-11-015664-4 .
  • Adolf Katzenellenbogen: Allegories of the Virtues and Vices in Medieval Art, Toronto u. a. 1989 (zuerst 1939).
  • Christian Kiening: Personifikation. Begegnungen mit dem Fremd-Vertrauten in der mittelalterlichen Literatur. In: Personenbeziehungen in der mittelalterlichen Literatur. Hrsg. von Helmut Brall [u. a.], Dusseldorf 1994, S. 347?387 ISBN 3-7700-0830-8 .
  • Jennifer O’Reilly: Studies in the Iconography of the Virtues and Vices in the Middle Ages. New York/London 1988.
  • Emma Stafford: Worshipping virtues. Personification and the Divine in Ancient Greece. London 2000.
  • Emma Stafford, Judith Herrin (Hrsg.): Personification in the Greek world. From Antiquity to Byzantium. Aldershot/Hampshire 2005.

Einzelnachweise

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  1. Helmut Kahnt: Das große Munzlexikon … (2005), S. 515, 290.
Commons : Personifikationen  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Personifikation  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen