Pawel Sergejewitsch Alexandrow
Pawel Sergejewitsch Alexandrow
(
russisch
Па?вел Серге?евич Алекса?ндров
, englisch Alexandrov, deutsch auch
Paul Alexandroff
; * 25. April
jul.
/
7. Mai
1896
greg.
in
Bogorodsk
; †
16. November
1982
in
Moskau
) war ein
sowjetischer
Mathematiker
, der sich hauptsachlich mit
Topologie
befasste.
Alexandrow studierte an der
Lomonossow-Universitat
Moskau
bei
Dmitri Jegorow
(1869?1931) und
Nikolai Lusin
(1883?1950)
[1]
, dem Kopf einer großen Schule der reellen Analysis. Alexandrow bestimmte in Antwort einer Frage von Lusin 1915 die Kardinalitat von
Borel-Mengen
(womit er das
Kontinuumsproblem
fur diese Mengen loste) und leistete wesentliche Beitrage zur in der Lusin-Schule entwickelten
Deskriptiven Mengenlehre
(Einfuhrung der Operation A, von
Michail Jakowlewitsch Suslin
nach Alexandrov benannt). Bald darauf wandte sich Alexandrow dem Theater zu und verkehrte in Kunstlerkreisen (nach
Andrei Kolmogorow
aus Enttauschung daruber, dass er die Kontinuumshypothese, auf die ihn Lusin angesetzt hatte, nicht allgemein beweisen konnte;
[2]
sie ist, wie
Paul Cohen
spater fand, prinzipiell nicht aus den
Zermelo-Fraenkel-Axiomen
beweisbar). Alexandrov kehrte erst 1920 wieder an die Universitat zuruck.
Zusammen mit seinem Freund
Pawel Urysohn
(1898?1924), ebenfalls ein Pionier der Topologie, war er 1923/24 an der
Universitat Gottingen
, wo er unter anderem bei
Emmy Noether
,
David Hilbert
und
Richard Courant
studierte bzw. mit ihnen arbeitete. Nach dem todlichen Badeunfall seines Freundes Urysohn an der franzosischen Atlantikkuste 1924 gab er dessen Werke heraus. Nach seiner Promotion 1927 war er mit
Heinz Hopf
, mit dem er schon in Gottingen eng zusammenarbeitete, bis 1928 an der
Princeton University
. Ab 1929 war er Professor an der
Lomonossow-Universitat
in Moskau und am dortigen
Steklow-Institut
.
Alexandrow arbeitete zunachst in allgemeiner Topologie und Mengenlehre, ist aber vor allem als Pionier der algebraischen Topologie bekannt, wobei er wichtige Anregungen fur eine abstrakte gruppentheoretische Behandlung von
Emmy Noether
empfing. Mit
Heinz Hopf
schrieb er 1935 das Buch ?Topologie“, eines der ersten Lehrbucher uber dieses Gebiet. Die Einpunktkompaktifizierung eines lokalkompakten Raumes wird nach ihm auch
Alexandrow-Kompaktifizierung
des Raumes genannt.
1915 bewies er: Jede uberabzahlbare
Borelmenge
enthalt eine nicht-leere perfekte Untermenge
[3]
und ist damit von der Machtigkeit des Kontinuums.
1936 war Alexandrow einer der Gruppe junger Mathematiker, die eine Kampagne gegen Lusin fuhrten (Lusin-Affare), seinen ehemaligen Lehrer (siehe Artikel
Nikolai Lusin
). Als Lusin spater gegen die Aufnahme von Alexandrow in die Akademie der Wissenschaften stimmte, ohrfeigte ihn Alexandrows Freund und Akademie-Mitglied Kolmogorow, was zu einem Skandal in der Akademie der Wissenschaften fuhrte, der seine Kreise bis zu Stalin zog.
Zu seinen Schulern zahlen
Alexander Kurosch
,
Lew Pontrjagin
und
Andrei Tichonow
.
Alexandrow war seit 1929 und bis zu seinem Tod ein enger Freund von
Andrei Kolmogorow
, mit dem er zusammen lebte. Beide kauften sich 1935 ein Haus bei Moskau, in dem sie auch viele auslandische Mathematiker empfingen. Nach
Jean-Michel Kantor
und
Loren Graham
[4]
war Alexandrow homosexuell und hatte schon vor seiner Beziehung zu Kolmogorow eine Beziehung mit
Pawel Urysohn
. Beide lernten sich 1921 bei einem Beethoven-Konzert im
Bolschoi-Theater
naher kennen, am Vorabend von Alexandrows Hochzeit, dessen Ehe dann auch nicht lange hielt.
Er besaß durchaus Sinn fur Humor, wie folgende Erinnerung von
Kurt Reidemeister
nach seinem Besuch der
Euler
-Feier der
Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
am 21. Marz 1957 zeugt:
[5]
?Der zweite Festredner war der Leiter der Delegation der Akademie der Wissenschaften der
UdSSR, Professor Alexandroff aus Moskau ? der ubrigens als junger Dozent
mehrere Jahre in Gottingen verbracht hat und im personlichen Gesprach jener
unbeschwerten Tage mit Warme gedachte. Um Euler zu charakterisieren,
knupfte Alexandroff an das Zusammenspiel von Konnen und Verstehen an und
erlauterte dies an einem Wortwitz von Medizinern uber Mediziner. Die Chirurgen,
so heißt es da, verstehen wenig, aber konnen viel; die inneren Mediziner
verstehen viel, aber konnen wenig und die Psychiater verstehen alles, aber konnen
nichts. Im Sinn dieser Dreiteilung, fuhr er dann vor der nun durchaus erheiterten
Festversammlung fort, war Euler ein Chirurg. Euler war ein Konner,
genauer, ein genialer Rechner sowohl am Material der Zahlen wie auch am Material der
Formeln.“
1928 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der
Gottinger Akademie der Wissenschaften
gewahlt.
[6]
Seit 1946 war er Mitglied der
American Philosophical Society
und seit 1947 der
National Academy of Sciences
, 1929 wurde er korrespondierendes und 1953 volles Mitglied der
Sowjetische Akademie der Wissenschaften
, im Jahr 1950 wurde er korrespondierendes Mitglied der
Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin
[7]
und 1959 Mitglied der
Leopoldina
.
[8]
Im Jahr 1969 erhielt er die
Cothenius-Medaille
der Leopoldina. Alexandrow war von 1932 bis 1964 Prasident der
Moskauer Mathematischen Gesellschaft
. Er war Mitglied der Osterreichischen Akademie der Wissenschaften, der Polnischen Akademie der Wissenschaften, der Koniglich Niederlandischen Akademie der Wissenschaften und der London Mathematical Society.
Alexandrow erhielt den
Ehrenzeichen der Sowjetunion
(1940), den
Stalinpreis
(1943), den
Orden des Roten Banners der Arbeit
(1945), den
Leninorden
(1946, 1954, 1961, 1966, 1969, 1975), den Orden
Held der sozialistischen Arbeit
(1969) und den
Orden der Oktoberrevolution
(1980).
1954 hielt er einen Plenarvortrag auf dem
Internationalen Mathematikerkongress
in
Amsterdam
(
Aus der mengentheoretischen Topologie der letzten zwanzig Jahre
).
2001 wurde der
Asteroid
(16810) Pavelaleksandrov
nach ihm benannt.
- Einfuhrung in die Gruppentheorie
. 11. Auflage. Harri Deutsch, 2001.
- Lehrbuch der Mengenlehre
. 7. Auflage. Harri Deutsch, 2001.
- Abschnitt
Einfachste Grundbegriffe der Topologie
in David Hilbert, Stephan Cohn-Vossen:
Anschauliche Geometrie
. 2. Auflage. Springer Verlag, 1996.
- Herausgeber und Mitautor
Enzyklopadie der Elementarmathematik
, 4 Bde., Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin (Ost), 1977?1980
- Herausgeber und Mitautor;
Hannelore Bernhardt
,
Walter Purkert
(Red. der deutschen Ausgabe):
Die
Hilbertschen
Probleme
, Verlag Harri Deutsch (Ostwalds Klassiker Bd. 252) 1998, zuerst 1971
- mit
Heinz Hopf
Topologie
, Bd. 1, Springer, 1935, neu 1974
- Gunther Frei, Urs Stammbach:
Pawel Sergejewitsch Alexandroff 1896?1982
, DMV Mitteilungen 1996, Nr. 3, S. 17
- ↑
Jegorow wurde 1931 Opfer von Stalins Terror ? er wurde verhaftet und starb ein Jahr spater im Exil ? Lusin wurde 1936 wegen seiner Auslandskontakte und anderer Vorwurfe aus seiner Professur entlassen. Eine Reihe jungerer Mathematiker, darunter auch Alexandrow und Sobolew, war aktiv an seiner Entmachtung beteiligt.
- ↑
Khimchenko (Hrsg.):
From the last interview of A. N. Kolmogorov
, Mathematical Intelligencer, Band 23, 2001, Nr. 1, S. 34. Im selben Interview bestatigt er die Frage des Interviewers, dass Alexandrow und er selbst eine schwierige Beziehung zu ihrem Lehrer Lusin hatten.
- ↑
Eine perfekte Menge enthalt alle ihre Haufungspunkte und jeder ihrer Punkte ist Haufungspunkt
- ↑
Graham, Kantor, Naming Infinity, Harvard University Press 2009, S. 174
- ↑
Kurt Reidemeister.
Uber Leonhard Euler
. Mathematisch-Physikalische Semesterberichte. Bd. 6, Nr. 1/2, S. 4, 1958, ZBL 0086.00401
- ↑
Holger Krahnke:
Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Gottingen 1751?2001
(=
Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Gottingen, Philologisch-Historische Klasse.
Folge 3, Bd. 246 =
Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Gottingen, Mathematisch-Physikalische Klasse.
Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Gottingen 2001,
ISBN 3-525-82516-1
, S. 25.
- ↑
Mitglieder der Vorgangerakademien.
Pawel Sergejewitsch Alexandrow.
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
,
abgerufen am 14. Februar 2015
.
- ↑
Mitgliedseintrag von
Pavel S. Aleksandrov
bei der
Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina
, abgerufen am 25. September 2017.