Als
Passung
wird im
Maschinenbau
die maßliche Beziehung zwischen zwei Teilen bezeichnet, die ohne Nacharbeit zusammenpassen sollen. Meistens haben diese Teile an der Fugestelle dieselbe Kontur, einmal als Innenform, einmal als Außenform.
Typisches Beispiel ist die Welle in einer Bohrung. Der Durchmesser beider Konturen wird als mit einer Toleranz versehenes Maß angegeben. Beide Konturen haben das gleiche
Nennmaß
. Unterschiedlich sind die beiden
Toleranzfelder
, innerhalb derer das jeweilige bei der Fertigung entstehende
Istmaß
von Bohrung und Welle liegen muss.
Beim Fugen der gefertigten Bauteile ergibt sich entweder eine
Spielpassung
oder eine Ubermaßpassung (Presspassung). Sofern die
Toleranzen
sowohl ein Spiel als auch ein Ubermaß ermoglichen, spricht man von einer Ubergangspassung, die je nach den erreichten Istmaßen in eine der erstgenannten Gruppen fallt.
Schon vor 1914 hatten mehrere Firmen Passsysteme fur eigene Zwecke entwickelt. Nach dem
Ersten Weltkrieg
wurde daraus das System der DIN-Passungen entwickelt. Die 1926 gegrundete
International Federation of the National Standardizing Associations
(ISA) vereinheitlichte 1928 die Passsysteme verschiedener Nationen. Die ISA-Passungen losten daraufhin die DIN-Passungen ab. Seit 1964 heißt die Organisation
Internationale Organisation fur Normung
und die Normen ISO 286-1 und 286-2 fur Rund- und Flachpassungen gingen unverandert als
DIN-Normen
ins Deutsche Normenwerk uber.
Passungen sind genormt. Die zustandige Norm ist die
ISO-Norm
ISO 286. Sie besteht aus zwei Teilen und wurde 1988 ausgegeben. Grundbegriffe von Toleranzen und Passungen regelt ISO 286-1 (aktuelle Neuausgabe 4.2010); ISO 286-2 enthalt die Tabellen der Grundtoleranzgrade und
Grenzabmaße
fur Bohrungen und Wellen. Die Norm ist in Deutschland als
DIN-Norm
veroffentlicht.
Bei Passungsangaben in
technischen Zeichnungen
werden Innenmaße (z. B.
Durchmesser
einer
Bohrung
) und Außenmaße (z. B. Durchmesser einer
Welle
) getrennt betrachtet. Die Passungsangaben konnen dabei in Form der Angabe von oberen und unteren
Abmaßen
oder durch Toleranzkurzzeichen geschehen.
Toleranzkurzzeichen in technischen Zeichnungen sind nach
DIN
genormt. Die entsprechende Norm ist die
DIN 406
, die sich mit Maßeintragungen beschaftigt.
Die Passungsangabe selbst besteht immer aus einem oder zwei Buchstaben und einer Zahl. Der bzw. die Buchstaben gibt die Lage des Toleranzfeldes zum Nennmaß, die
Toleranzlage
, an. Die Zahl kennzeichnet die Große des Toleranzfeldes, den
Toleranzgrad
. Siehe dazu:
Toleranz (Passungsangaben nach ISO)
.
Zur Darstellung der
Toleranzen
von Innenmaßen (Bohrung) werden Großbuchstaben und fur Außenmaße (Welle) Kleinbuchstaben verwendet.
- Merkhilfe:
Die Welle muss in die Bohrung passen. Demnach muss die Welle etwas kleiner (⇒ Kleinbuchstaben) und die Bohrung etwas großer (⇒ Großbuchstaben) sein.
Mit den Buchstaben A?ZC wird dabei die Lage des
Toleranzfelds
zur Nulllinie (Nennmaß), die sogenannte Toleranzlage angegeben. Mit aufsteigendem Buchstaben verschiebt sich die Lage des Toleranzfeldes in Richtung großerer Außenmaße der Wellen bzw. kleinerer Innenmaße der Bohrungen. Bleibt das Gegenstuck jeweils unverandert, so verschiebt sich die resultierende Passung mit aufsteigendem Buchstaben in Richtung engerer Passungen.
Beispiele fur ein Außenmaß einer Welle:
- Mindestmaß:
- Hochstmaß:
- Mindestmaß:
- Hochstmaß:
Beispiele fur ein Innenmaß einer Bohrung:
- Mindestmaß:
- Hochstmaß:
- Mindestmaß:
- Hochstmaß:
H
-Passungen liegen direkt
uber
der Nulllinie, im Gegensatz dazu liegen
h
-Passungen direkt
unter
der Nulllinie. Die Große des Toleranzfeldes ist unabhangig von der gewahlten Toleranzlage.
Der Toleranzgrad wird durch Zahlen von 1 bis 18 (fruher Qualitaten genannt) angegeben. Mit steigender Zahl wachst die Große des Toleranzfeldes.
Weiterhin ist die Große der Toleranz abhangig vom Nennmaß. Bei kleinen Nennmaßen ist die Toleranz prozentual großer als bei großen Nennmaßen.
Die Zahl gibt die Große des Toleranzfeldes nach den ISO-Grundtoleranzen (IT01, IT 0, IT1, IT2, …, IT18) an (IT = ISO-Toleranz), mit aufsteigender Zahl vergroßert sich das Toleranzfeld. Die dem Toleranzgrad zugeordnete Zahl ist somit das Kennzeichen fur die Qualitat bzw.
Genauigkeit
des Passungselementes.
Beispiele fur ein Innenmaß:
- Mindestmaß: 10 mm + 40 μm = 10,040 mm
Hochstmaß: 10 mm + 76 μm = 10,076 mm
- Mindestmaß: 10 mm + 40 μm = 10,040 mm
Hochstmaß: 10 mm + 130 μm = 10,130 mm
Das Mindestmaß bei Innenmaßen und das Hochstmaß bei Außenmaßen ist unabhangig vom gewahlten Toleranzgrad.
Fur
Nennmaße
großer 3 mm bis 500 mm sind die Werte der Toleranzgrade großer oder gleich 5 als Vielfaches der Toleranzeinheit
i
festgelegt.
Die Toleranzeinheit
i
ergibt sich rechnerisch zu:
i
in μm (Mikrometer);
D
in mm (Millimeter).
D
in mm ist das geometrische Mittel aus den Grenzwerten
D
1
und
D
2
des jeweiligen Nennmaßbereiches:
Die Formel ist
empirisch
ermittelt, es wurde berucksichtigt, dass unter gleichen Herstellbedingungen die Beziehung zwischen Herstellfehler und Nennmaß in etwa einem parabolischen Verlauf folgt.
Das Glied 0,001 x
D
berucksichtigt die mit wachsendem Nennmaß linear zunehmende Unsicherheit beim Messen. Die Faktoren 0,45 und 0,001 sind somit Erfahrungswerte.
Man unterscheidet zwei grundsatzliche Passungssysteme, namlich das System
Einheitsbohrung
und das System
Einheitswelle
. Weitere Informationen siehe Artikel
Passungssystem
.
Beim System Einheitsbohrung werden alle Bohrungen nach
DIN 7154
in der gleichen Toleranz (z. B. H7) ausgefuhrt. Die gewunschte Passung wird durch Auswahl einer Welle mit entsprechender Toleranz erreicht.
Beim System Einheitswelle werden alle Wellen nach
DIN 7155
in der gleichen Toleranz (z. B. h6) ausgefuhrt. Die gewunschte Passung wird durch Auswahl einer Bohrung entsprechender Toleranz erreicht.
Die Herstellung von Wellen mit genauem Durchmesser ist auf einer Drehmaschine mit relativ geringem Aufwand moglich. Die Herstellung von Bohrungen mit genauem Durchmesser erfolgt, besonders bei kleinen Bohrungen, oft durch
Reiben
und ist aufwendiger, da fur jeden Durchmesser und jede Toleranz ein spezielles Werkzeug notwendig ist. Es ist daher zweckmaßig, die Bohrung als Einheitsbohrung auszufuhren, pro
Nenndurchmesser
nur eine
Reibahle
zu verwenden und die Welle entsprechend anzupassen.
Maximale Kosteneffizienz wird erreicht, wenn die IT der Toleranzfeldbreite von Welle und Bohrung entweder gleich sind oder aus den o.
g. Grunden der Herstellbarkeit, die Welle ggf. mit einer i.
d.
R. nachstkleineren IT ausgelegt wurde, bspw.
.
Die
Istwerte
einer Passung werden als
Messgroße
herangezogen und mit den vordefinierten
Sollwerten
fur das entsprechende Passungssystem verglichen. Das Ergebnis dieses Vergleichs wird zur Beurteilung der Qualitat einer Passung herangezogen.
Als Istwerte einer Passung bezeichnet man die messtechnisch ermittelten Werte einer realen Passung, also die gemessenen
Istmaße
am entsprechenden Bauteil. Die Istmaße der Passung mussen innerhalb der durch die Abmaße tolerierten Grenzen liegen, andernfalls ist die Passung und damit u. U. das gesamte Bauteil
Ausschuss
.
Das Thema Ausschuss bei Passungen wird im Abschnitt
Wurfpassung
naher behandelt.
Grundsatzlich werden drei Arten von Passungen unterschieden. Theoretisch konnen Bohrungen und Wellen beliebig miteinander kombiniert werden. Durch die Wahl der Toleranzklassen ergibt sich beim Zusammenbau entweder Spiel oder Ubermaß zwischen den zu verbindenden Teilen.
Je nach Auswahl entsteht somit eine
Spiel-, Ubergangs-
oder
Ubermaßpassung
. Eine komplette Passungsauswahl fur das System Einheitsbohrung wird in
DIN 7157
definiert. Fur das System Einheitswelle definiert dieselbe Norm ausschließlich Spielpassungen.
Das Kleinstmaß der Bohrung ist immer großer als, im Grenzfall auch gleich groß wie, das Großtmaß der Welle.
- Kombination
- Abmaße der Bohrung:
, der ausgefuhrte Bohrungsdurchmesser darf zwischen 30,000 und 30,021 mm betragen.
- Toleranzbereich: (21 ? 0) μm = 21 μm
- Abmaße der Welle:
, der ausgefuhrte Wellendurchmesser darf zwischen 29,959 und 29,980 mm betragen.
- Toleranzbereich: (41 ? 20) μm = 21 μm.
- Da die Abmaße der korrekt gefertigten H7-Bohrung
immer
großergleich 0 sind und die Abmaße der f7-Welle
immer
kleiner als mindestens ?20 μm ist, besteht ein minimales
Spiel
von
- (0 μm der Bohrung + 20 μm der Welle) = 20 μm
- und ein
Großtspiel
von
- (21 μm der Bohrung + 41 μm der Welle) = 62 μm
Ausgewahlte Spielpassungen nach Passungssystem ?Einheitsbohrung“
- : Teile mit sehr reichlichem
Spiel
:
Transmissionsteile
,
Lager
fur
Baumaschinen
- : Teile mit reichlich Spiel: Hauptlager fur
Kurbelwellen
,
Kolben
in
Zylinder
- : Teile mit merklichem Spiel beweglich: Mehrfach gelagerte
Welle
, Kolben in Zylinder
- : Teile haben kaum Spiel und konnen mit Handkraft verschoben werden: Verschiebbare
Zahnrader
und
Kupplungen
- : Teile ohne merkliches Spiel beweglich: Zahnrader und Kupplungen
- : Teile von Hand gerade noch verschiebbar: Fuhrungen an
Werkzeugmaschinen
, Stellringe
Bei einer Ubergangspassung entsteht je nach Istmaßen von Bohrung und Welle beim Fugen entweder ein
Spiel
oder ein Ubermaß.
Das Großtmaß der Bohrung ist großer, im Grenzfall auch gleich groß wie das Kleinstmaß der Welle.
- Kombination
:
-
- Toleranzbereich: (12 ? 0) μm = 12 μm.
-
- Toleranzbereich: (12 ? 4) μm = 8 μm.
- Hier findet eine teilweise Uberschneidung der Abmaße einer korrekt gefertigten H7-Bohrung und der m6-Welle statt. Je nach Ausfuhrung entsteht ein maximales
Spiel
von
- (+12 μm der Bohrung) ? (+ 4 μm der Welle) = 8 μm
- oder ein
Ubermaß
von
- (0 μm der Bohrung + 12 μm der Welle) = 12 μm
Ausgewahlte Ubergangspassungen nach Passungssystem ?Einheitsbohrung“
- : Die Teile lassen sich mit leichten Schlagen oder von Hand verschieben.
- : Teile mit geringem Druck fugbar:
Spurkranze
auf Radkorper
- : Teile mit dem Schlosserhammer fugbar: Zahnrader und Kupplungen auf
Zapfen
, außerdem gangige Passung fur Zylinderstifte zum prazisen Fugen von Bauteilen
Das Großtmaß der Bohrung ist in jedem Fall kleiner als das Kleinstmaß der Welle.
- Kombination
-
- Toleranzbereich: (30 ? 20) μm = 10 μm.
-
- Toleranzbereich: (0 ? 6) μm = 6 μm.
- Hier findet
immer
eine Uberschneidung der Abmaße einer korrekt gefertigten X7-Bohrung und der h6-Welle statt.
- Je nach Ausfuhrung entsteht ein unteres (minimales)
Ubermaß
von
- (20 μm der Bohrung ? 6 μm der Welle) = 14 μm
- oder ein oberes (maximales)
Ubermaß
von
- (30 μm der Bohrung ? 0 μm der Welle) = 30 μm
Ausgewahlte Ubermaßpassungen nach Passungssystem ?Einheitsbohrung“
- Presspassungen
- : Teile mit Druck fugbar:
Passfederverbindungen
- : Teile mit großerem Druck fugbar:
Welle-Nabe-Verbindungen
,
Hebelverbindungen
- : Teile mit großerem Druck und zusatzlicher Erwarmung fugbar: Welle-Nabe-Verbindungen
Um Passtoleranzen nach der Fertigung zu prufen, verwendet man in der
Mess- und Pruftechnik
sogenannte
Lehren
. Lehren fur Passungen heißen
Grenzlehren
, da man mit deren Hilfe die Maßgrenzen der Passung uberpruft (siehe dazu:
Kategorie:Lehre (Technik)
).
Eine Lehre fur Bohrungen ist z. B. der Grenzlehrdorn, ein zylindrischer Stift mit zwei sehr genau gefertigten Prufzylindern an den Seiten. Nur wenn die ?Gutseite“ davon in die Passbohrung passt und die ?Ausschussseite“(markiert durch roten Ring) nicht, ist die Passung in Ordnung.
Zur Uberprufung von Wellen kann z. B. eine
Grenzrachenlehre
verwendet werden. Diese Lehre enthalt an beiden Seiten einen langlichen Spalt, der durch zwei ebene, parallele Flachen begrenzt ist. Auch hier darf und muss die Welle nur in genau einen der beiden Spalte passen.
Zu beachten ist jedoch, dass fur jede einzelne Passung ein eigener Lehrdorn bzw. eine eigene Rachenlehre benotigt wird. Lehren liefern keinen Messwert, deshalb verwendet man in der Serienfertigung haufig induktive
Messtaster
oder pneumatische Messgerate, deren Ergebnisse werden dann in der Statistischen Prozesskontrolle weiterverarbeitet.
Weiterhin bedarf eine Lehrung die Spezifikation mit der
Hullbedingung
gemaß
ISO 14405
-1. Seit ISO 8015:2011 gilt das Unabhangigkeitsprinzip. Davor war in Deutschland das Abhangigkeitsprinzip ublich, welches jedes geometrische Großenmaß mit einer Hullbedingung verknupft hat.
Der Begriff
Wurfpassung
ist eine sarkastisch uberzogene Bezeichnung fur eine Passung mit großem Spiel. Der Begriff soll zum Ausdruck bringen, dass man die Welle in die Bohrung auch werfen konnte. Die Wurfpassung kann das Ergebnis eines Konstruktions- oder Fertigungsfehlers sein, sie kann aber auch gezielt angewendet worden sein, um kostengunstige große Toleranzbereiche zu erlauben, um einen schnellen, einfachen und gegen Verunreinigung unempfindlichen Ein- und Ausbau zu ermoglichen und weil eine engere Passung nicht erforderlich ist.
- Eberhard Felber, Klaus Felber:
Toleranzen und Passungen.
14. Auflage. Fachbuchverlag, Leipzig 1989,
ISBN 3-343-00021-3
.
- Ulrich Fischer, Max Heinzler, u. a.:
Tabellenbuch Metall.
Verlag Europa-Lehrmittel, 43. Auflage, 2005,
ISBN 3-8085-1723-9
.