Ouverture 1812

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Auffuhrung durch das Royal Philharmonic Orchestra (2005)

Die Ouverture solennelle ?1812“ op. 49 ist ein Werk von Pjotr Iljitsch Tschaikowski , das den Sieg Russlands in den Napoleonischen Kriegen 1812 darstellt. Uraufgefuhrt wurde sie mit großem Erfolg in der Christ-Erloser-Kathedrale (Moskau) am 20. August 1882 .

Entstehungsgeschichte

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Die Ouverture 1812 war eine Auftragskomposition, die Tschaikowsky von Nikolaj Rubinstein verschafft wurde. [1] Ursprunglich war die Ouverture fur die feierliche Einweihung der Christ-Erloser-Kathedrale in Moskau vorgesehen, die Zar Alexander I. aus Dankbarkeit fur den Sieg gegen Napoleon erbauen ließ. Aufgrund eines Anschlags auf Zar Alexander II. wurde die Kirche, die einen Zentralbau der russischen Orthodoxie und des Zarentums des 19. Jahrhunderts darstellt, jedoch erst spater eingeweiht.

Piccoloflote , 2 Floten , 2 Oboen , Englischhorn , 2 Klarinetten , 2 Fagotte , 4 Horner , 2 cornet a pistons , 2 Trompeten , 3 Posaunen , Tuba , Pauke , Triangel , Tamburin , Kleine Trommel , Becken , Große Trommel , Kirchenglocken , Kanonen , Streicher . Optional ist noch eine Banda angefuhrt.

Zu den Kanonen heißt es in der Partitur: ?Ein Instrument, das im Theater zur Simulation von Kanonenschussen verwendet wird.“

Musikalische Struktur

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Ouverture 1812 ? Skidmore College Orchestra

Die Ouverture 1812 entspricht vom Wesen her einer Battaglia und folgt im Wesentlichen dem Aufbau einer solchen: Aufstellung der Heere ? Kampflarm ? Siegeslied (vgl. hierzu etwa Beethovens Wellingtons Sieg oder die Schlacht bei Vittoria ). Das Stuck wird mit feierlichen Klangen eingeleitet, die an die Gottesdienste in russischen Kirchen nach der Kriegserklarung erinnern sollen. Tschaikowski verwendet hier das orthodoxe Troparion vom Heiligen Kreuz (?Gott, bewahre dein Volk“). [2]

Nach einer Passage der Verunsicherung folgt die (musikalische) Aufstellung der russischen Truppen. Darauf folgt eine erste Passage des Kampfes, in der die franzosische Marseillaise erklingt und als Sinnbild fur die anfanglichen franzosischen Siege im Krieg und die Besetzung von Moskau im September 1812 gesehen werden kann. Die Marseillaise war zwar 1812 nicht die franzosische Nationalhymne, in der Zeit der Entstehung des Werks jedoch war sie umso deutlicher ein musikalisches Sinnbild fur die Franzosen. Darauf folgt ein Thema, das eine Art Hoffnung widerspiegelt; in Fis-Dur strahlt es nach dem ?Kampflarm“ umso mehr.

Das nachfolgende russische Volkstanzthema U worot, worot [3] bringt ein folkloristisches Moment (bezeichnend etwa die Begleitung mit dem Tamburin) in die Ouverture. In Zeiten der russischen Expansion im gesamten 19. Jahrhundert spielt die Ruckbesinnung auf die Tradition ? zum einen die orthodoxe Kirche, zum anderen eben Volkslieder ? eine wichtige Rolle. Es folgt eine weitere Passage des Kampfes, in der die Marseillaise und das russische Volkslied gegeneinander ?kampfen“. In dieser Passage sind auch Kanonenschusse zu horen, die den Kampf noch einmal besonders untermauern, was in einer langen Passage von Streicher-Abgangen endet, ohne dass deutlich wird, wer als Sieger hervorgeht. Erst der darauf folgende Teil, in dem der Anfangschoral nun majestatisch-pompos im Tutti mit Glockengelaut ein weiteres Mal erklingt, macht den russischen Sieg zur Gewissheit.

Den Abschluss bildet die russische Zarenhymne Gott erhalte den Zaren von Alexei Lwow , die nun optional von einer Banda unterstutzt werden kann. Diese Szenen wurden auch in Krieg und Frieden von Tolstoi beschrieben.

Heute ist es ein in popularen Konzerten gern gespieltes und bejubeltes Stuck, obwohl Tschaikowski die Ouverture zunachst eher skeptisch betrachtete und ihr jeglichen kunstlerischen Wert absprach. So schrieb er etwa an Nadeschda von Meck : ?Die Ouverture wird recht laut und larmend sein, besitzt aber, da ich sie ohne Liebe geschrieben habe, keinen kunstlerischen Wert.“ [4]

Auch in der Zeit nach dem Sturz des Zaren blieb das Werk in der Sowjetunion beliebt. Die Zarenhymne war jedoch ein Dorn im Auge des Regimes, weswegen sie durch Heil dir, heil dir, o Russlands Zar aus der Glinka -Oper Ein Leben fur den Zaren (damals unter dem Titel Iwan Sussanin bekannt) ersetzt wurde. [5]

Auf seiner Tournee 1891 in die USA dirigierte Tschaikowski seinen Marche Solennelle (nicht zu verwechseln mit der Ouverture Solennelle) zur Eroffnung der Carnegie Hall am 5. Mai 1891. Die Ouverture 1812 wird seither in den USA gern zum Nationalfeiertag am 4. Juli aufgefuhrt, [6] was nicht einer gewissen Ironie entbehrt, da die Ouverture einen Sieg der damaligen Gegner uber den damaligen Verbundeten der USA im Zweiten Amerikanischen Unabhangigkeitskrieg feiert, dessen Beginn ebenfalls auf 1812 datiert. [7]

  • Zusatzliche Bekanntheit erlangte die Ouverture durch die Verwendung einer markanten Passage daraus fur das Intro von Night of Fear , dem ersten Top-Hit (1967) der britischen Pop -Gruppe The Move .
  • Die Swingle Singers haben eine leicht gekurzte A-cappella-Fassung der Ouverture (inklusive ?Glocken“ und ?Kanonen“) im Repertoire.
  • Rainbow verarbeitet die Ouverture im Drum-Solo ihres Titels Still I'm Sad . Dies ist u. a. auf dem Munchner Livealbum von 1977 dokumentiert (mit ?Glocken“ und ?Kanonen“).
  • Die Hip-Hop Gruppe Army of the Pharaohs verwendet einen Teil des ersten Largos der Ouverture als Sample in ihrem Titel The Presidents Wife .
  • Im Film Help! (1965) von den Beatles wird der letzte Teil der Ouverture gespielt, nachdem der Panzer abgeschossen wurde.
  • Im Film Gorky Park (1983) wird ein dreifacher Mord genau in dem Moment verubt, in dem die Kanonen abgeschossen werden, weshalb er von den Passanten unbemerkt geschieht.
  • Im Film Der Club der toten Dichter (1989) summt John Keating ( Robin Williams ) Ausschnitte der Melodie der Ouverture mehrmals.
  • Im Film Explosiv ? Blown Away (1994) wird die Ouverture 1812 am Ende des Filmes zum Feuerwerk zur Feier des 4. Juli gespielt. Kate Dove (verkorpert durch Suzy Amis ), die Frau des Protagonisten James ?Jimmy“ Dove (verkorpert durch Jeff Bridges ), spielt in dem Orchester eine Violine .
  • Im Film Twister hort einer der Forscher die Ouverture auf der Fahrt zum Tornado im Auto und singt mit.
  • Im Film Unter der Sonne der Toskana (2003) singt die von Diane Lane gespielte Schriftstellerin Frances Mayes, vor Angst erstarrend, die Ouverture in ihrem neu gekauften Haus Bramasole in der Toskana, wahrend es draußen sturmt.
  • Im Film V wie Vendetta (2005) baut das Thema des Soundtracks auf dieser Ouverture auf.
  • In einer Episode der zweiten Staffel der Serie Das A-Team kommt ein kurzer Ausschnitt der Ouverture vor, als die US-Army ein Gebaude beschießt und sturmt, in dem sie die Protagonisten vermutet.
  • Bei den Simpsons wird in der Folge 7F06 die Ouverture vom Grundschulorchester dargeboten, inklusive Glocken und Kanonen.
  • In der Science-Fiction-Serie Farscape taucht erstmals in Episode eins der vierten Staffel ein DRD (eine Art Wartungsroboter) mit dem Namen ?1812“ auf, welcher zusammen mit dem Protagonisten die Ouverture anstimmt.
  • In der Serie Mozart in the Jungle spielen die New Yorker Philharmoniker die Ouverture bei einer spontanen Außenprobe (Staffel 1, Folge 6, ?Ouverture 1812“).
  • In der 13. Episode der zehnten Staffel der Serie Columbo spielt der Morder, Dirigent Findlay Crawford, zu Beginn der Befragung Inspektor Columbo einen Ausschnitt aus der Ouverture vor und dirigiert dazu vom Schreibtisch aus.
  • In der 14. Episode der ersten Staffel der Serie Sledge Hammer! ist ein Ausschnitt im Autoradio von Sledge Hammer zu horen, der begeistert die Kanonenschlage mit Gesten untermalt.
  • In der 18. Episode der ersten Staffel der Serie Millennium ? Furchte deinen Nachsten wie Dich selbst ist die Ouverture in Szenen, die auf dem Mount Baker , North Cascades , Washington spielen, zu horen
  • In der Graphic Novel V wie Vendetta von Alan Moore wird die Ouverture wahrend einer entscheidenden Phase von dem Protagonisten gespielt.
  • Im Brettspiel Knackt den Safe wird eine Synthesizer-Version der Ouverture bei Gewinn des Spiels abgespielt.
  • Im Computerspiel Risiko II zum Brettspiel Risiko wird die Ouverture 1812 als Menu-Hintergrundmusik verwendet.
  • Im Computerspiel Overwatch wird die Ouverture hin und wieder vom Sprengstoffexperten Junkrat angestimmt.
  • Im Computerspiel Payday 2 spielt Locke die Ouverture beim ersturmen des Bunkers im Level ?Unter dem Berg“
  • Von der Firma Gottlieb gibt es einen Flipper namens Class of 1812 , das auf Themen dieses Stucks aufbaut und diese auch musikalisch verwendet.
  • Wegen des Einsatzes von Kanonen und Kirchenglocken werden Aufnahmen des Stucks auch haufig verwendet, um die dynamischen Fahigkeiten von hochwertigen Wiedergabesystemen zu testen. So enthalt die Schallplattenpressung mit dem Cincinnati Symphony Orchestra unter der Leitung von Erich Kunzel aus dem Jahr 1979 (Telarc DG-10041) durch digital aufgezeichnete und in der Endbearbeitung hinzugemischte reale Kanonenschusse Auslenkungen der Plattenrille von ca. 300 μm (ublich sind maximal 80 μm). Nur sehr wenige, perfekt aufeinander abgestimmte und justierte Tonabnehmer-Tonarmkombinationen sind in der Lage, solche Amplituden abzutasten. In der Regel springt die Abtastnadel aus der Rille; es kann zur Beschadigung des Abtastdiamanten oder sogar zum Bruch des Nadeltragers kommen.
  • John Bonham , Schlagzeuger der britischen Rockband Led Zeppelin , hatte geplant, den gesamten rhythmischen Teil selbst aufzunehmen. Dazu kam es jedoch nicht mehr, da er 1980 verstarb.
  • In dem Calvin-und-Hobbes -Band ?Von Monstern, Madchen und besten Freunden“ von Bill Watterson kommentiert Calvin das Stuck, als Hobbes Schallplatten hort:
Calvin: Gefallt mir irgendwie. Interessante Schlagzeugpassage.
Hobbes: Das sind Kanonen.
Calvin: Das spielen die in voll besetzten Konzerthausern?? Und ich dachte, klassische Musik ware langweilig! [8]

Einzelnachweise

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  1. Floros Konstantin: Peter Tschaikowsky . Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2006, S. 52.
  2. Vgl. God preserve thy people
  3. Vgl. Сергей Лемешев У ворот, ворот
  4. Floros Konstantin: Peter Tschaikowsky . Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2006, S. 144.
  5. vgl. z. B. die von Jewgeni Fjodorowitsch Swetlanow dirigierte Aufnahme von 1974 .
  6. Konzert zum 4. Juli ( Memento des Originals vom 3. September 2009 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www.pbs.org
  7. It's ironic that we play the '1812 Overture' at Fourth of July celebrations , abgerufen am 7. September 2020
  8. Bill Watterson: Calvin und Hobbes. Von Monstern, Madchen und besten Freunden. Aus dem Amerikanischen von Waltraud Gotting. Carlsen Comics, Deutschland o. O. 2009, S. 157.