Oskar Minkowski
(*
13. Januar
1858
in
Alexoten
bei
Kaunas
, damals im
russischen
Gouvernement Kowno
, heute in
Litauen
; †
18. Juni
1931
in
Furstenberg
,
Mecklenburg-Strelitz
) war ein russisch-deutscher
Internist
, Bruder des Mathematikers
Hermann Minkowski
und Vater des Astrophysikers
Rudolph Minkowski
.
Zu den herausragenden Leistungen Minkowskis gehort die Mitentdeckung der Bedeutung der
Bauchspeicheldruse
(
Pankreas
) fur den
Kohlenhydratstoffwechsel
, womit grundlegende Fortschritte in der Therapie der
Zuckerkrankheit
ermoglicht wurden, sowie 1887 die Entdeckung der krankhaften Vergroßerung der
Hypophyse
als Ursache der
Akromegalie
.
Minkowski war der alteste Sohn einer judischen Kaufmannsfamilie aus
Litauen
. Sein Vater war der Getreidehandler Levin Minkowski, seine Mutter war Rachel Taubmann. 1872 emigrierte die Familie wegen
judenfeindlicher Maßnahmen
im zaristischen Russland ins
preußische
Konigsberg
.
Minkowski besuchte das
Gymnasium Kaunas
, danach das
Altstadtische Gymnasium
in Konigsberg und studierte anschließend in
Freiburg
und an der Konigsberger
Albertina
Humanmedizin. Im Wintersemester 1875/76 trat er der
Burschenschaft Germania Konigsberg
bei
[1]
, der er bis zu seinem Tode angehorte. 1881 wurde er in Konigsberg zum Doktor der Medizin promoviert.
[2]
Bereits 1884 entdeckte er als Assistent von
Bernhard Naunyn
bei schwerkranken Diabetikern eine stark erhohte Konzentration von β-Oxy
buttersaure
. Im Jahr 1887 hatte er die
Akromegalie
in Zusammenhang mit der krankhaften Vergroßerung der
Hypophyse
gebracht.
[3]
1888 folgte er seinem Mentor Naunyn an die
Universitat Straßburg
, wo er bis 1904 arbeitete. Dort stellte er 1889
[4]
gemeinsam mit
Josef von Mering
[5]
im
Tierversuch
fest, dass der Entfernung der Bauchspeicheldruse die Ausbildung eines Diabetes (mellitus) folgt. Weitere Experimente fuhrten 1889 zu der Erkenntnis, dass die Bauchspeicheldruse einen bisher unbekannten Stoff produzieren musste, der den Kohlenhydratstoffwechsel reguliert. Er bestatigte damit die bereits fruher vom franzosischen Arzt
Etienne Lancereaux
vertretenen Ansichten zur Bedeutung der Bauchspeicheldruse beim Diabetes.
1894 heiratete er in
Straßburg
Marie Johanna Siegel; aus der Ehe gingen ein Sohn und eine Tochter hervor.
1900 ging Oskar Minkowski an das neu gegrundete Augusta-Hospital in
Koln
. 1905 kam er an die
Universitat Greifswald
. Dort ubernahm er als Nachfolger von
Friedrich Moritz
seinen ersten Lehrstuhl fur
Innere Medizin
. Hier befasste er sich vor allem mit der Untersuchung der
Leber
und (wie bereits 1885
[6]
) der
Leberfunktion
, der
Gicht
und auch erneut mit dem Diabetes. 1909 wechselte er an die
Universitat Breslau
, wo er zu einem der fuhrenden Internisten Deutschlands wurde. Wahrend des
Ersten Weltkrieges
war er als beratender Internist
[7]
und als Giftgasexperte
[8]
tatig. Zeitweilig war er Vorsitzender der
Deutschen Gesellschaft fur Innere Medizin
(DGIM). Zu seinen Schulern in Breslau gehorte unter anderem ab 1920 der Arzt
Alfred Lublin
, der 1929 zu
Gerhardt Katsch
an die
Universitat Greifswald
wechselte und 1939 nach
Bolivien
emigrierte. Weiterer Schuler war
Rudolf Stern
, enger Freund und Arzt von
Fritz Haber
.
[9]
1923 grundete Minkowski das erste deutsche Insulinkomitee. Dieses uberprufte die ersten in Deutschland produzierten Praparate, wie das Ende 1923 auf den Markt gekommene ?Insulin
Hoechst
“.
1926 setzte er sich in
Wiesbaden
zur Ruhe. Er suchte jedoch den unmittelbaren Anschluss an das wissenschaftliche Leben und plante seine Ubersiedlung nach
Berlin
. Als der Umzug in die Wege geleitet wurde, verließen ihn seine Krafte. Wahrend eines Kuraufenthaltes starb er 1931 im Alter von 73 Jahren im Schloss-Sanatorium
Furstenberg
an den Folgen einer
Lungenentzundung
.
Oskar Minkowski wurde eingeaschert.
[10]
Auf Wunsch der Familie kam es 1932 zur Beisetzung seiner Urne und der Urne des 1909 zunachst in Gottingen bestatteten Bruders Hermann Minkowski in einem gemeinsamen Grab auf dem interkonfessionellen
Friedhof Heerstraße
im Berliner
Bezirk Charlottenburg
im heutigen Ortsteil
Westend
(Grablage: 3-A-30).
[11]
Auf Beschluss des
Berliner Senats
wurde die letzte Ruhestatte der Bruder Minkowski 1994 fur die ubliche Frist von zwanzig Jahren als
Ehrengrab des Landes Berlin
gewidmet.
[12]
Die Nichtverlangerung der Widmung im Jahr 2014 stellte den weiteren Erhalt ihrer Grabstatte in Frage.
[13]
Die Familie von Oskar Minkowski emigrierte nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten nach Argentinien und in die USA.
- Heinz Schneider
:
Großvater des Insulins lehrte in Greifswald.
In:
Heimatkurier.
Beilage zum
Nordkurier
, 28. August 2006, S. 24.
- Eberhard J. Wormer
:
Minkowski, Oskar.
In:
Neue Deutsche Biographie
(NDB). Band 17, Duncker & Humblot, Berlin 1994,
ISBN 3-428-00198-2
, S. 538 f. (
Digitalisat
).
- Thomas Schlich:
Minkowski, Oskar.
In:
Werner E. Gerabek
, Bernhard D. Haage,
Gundolf Keil
, Wolfgang Wegner (Hrsg.):
Enzyklopadie Medizingeschichte.
De Gruyter, Berlin/New York 2005,
ISBN 3-11-015714-4
, S. 994.
- Bernd Wegner,
Heinz Schneider
:
Wegbereiter der Diabetologie in Deutschland.
Regia-Co-Work, Cottbus 2019,
ISBN 978-3-86929-433-9
, S. 14?19.
- ↑
Ernst Elsheimer (Hrsg.):
Verzeichnis der Alten Burschenschafter nach dem Stande vom Wintersemester 1927/28.
Frankfurt am Main 1928, S. 339.
- ↑
Thomas Schlich:
Minkowski, Oskar.
2005, S. 994.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
/Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 49.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
/Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 47.
- ↑
Vgl.
Josef von Mering
, Oskar Minkowski:
Diabetes mellitus nach Pankreasexstirpation.
In:
Archiv fur experimentelle Pathologie.
Band 26, 1890, S. 371 ff.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
/Diepgen/Goerke: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 46.
- ↑
Wolfgang U. Eckart:
Aesculap in the Trenches: Aspects of German Medicine in the First World War.
In: Bernd-Rudiger Huppauf, Bernd Huppauf (Hrsg.):
War, Violence, and the Modern Condition
(= European Cultures; 8). de Gruyter, Berlin, 1997,
ISBN 3-11-014702-5
,
S. 181.
- ↑
Wilfried Witte:
Erklarungsnotstand: die Grippeepidemie 1918?1920 in Deutschland unter besonderer Berucksichtigung Badens
(= Neuere Medizin- und Wissenschaftsgeschicht; 16). Centaurus Verlag, Herbolzheim, 2006,
ISBN 3-8255-0641-X
.
- ↑
Dietrich Stoltzenberg:
Fritz Haber: Chemiker, Nobelpreistrager, Deutscher, Jude.
Wiley-VCH, Weinheim, 1994,
ISBN 3-527-29206-3
, S. 380.
- ↑
Traueranzeige der Familie
. In:
Vossische Zeitung
. 21. Juni 1931, Morgen-Ausgabe. S. 20.
- ↑
Iris Grotschel:
Mathematischer Ort des Monats August 2014: Grab von Hermann Minkowski in Berlin-Charlottenburg.
In:
math.berlin
.
August 2014,
abgerufen am 23. November 2019
.
Hans-Jurgen Mende
:
Lexikon Berliner Begrabnisstatten
. Pharus-Plan, Berlin 2018,
ISBN 978-3-86514-206-1
, S. 492.
- ↑
Vorlage zur Kenntnisnahme. Anerkennung und weitere Erhaltung von Grabstatten namhafter und verdienter Personlichkeiten als Ehrengrabstatten Berlins
. Abgeordnetenhaus von Berlin, Drucksache 12/4257 vom 15. April 1994.
- ↑
Carolin Bruhl:
Nicht fur die Ewigkeit.
In:
Berliner Morgenpost
.
22. November 2015,
abgerufen am 23. November 2019
.