Ortler
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Der Ortler von Norden vom
Haidersee
aus gesehen.
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Hohe
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3905
m s.l.m.
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Lage
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Sudtirol
,
Trentino-Sudtirol
,
Italien
|
Gebirge
|
Ortler-Alpen
,
Alpen
|
Dominanz
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49 km
→
Piz Zupo
|
Schartenhohe
|
1950 m
↓
Passo di Fraele
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Koordinaten
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46° 30′ 33″
N
,
10° 32′ 41″
O
46.509073
10.54481
3905
Koordinaten:
46° 30′ 33″
N
,
10° 32′ 41″
O
|
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Erstbesteigung
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27. September
1804
durch
Josef Pichler
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Normalweg
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von der Payerhutte uber Nordgrat,
III-
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Ortler von Sudosten, vom ersten Eisfeld am Hintergrat, rechts der Signalkopf
|
Karte des Ortlers und seiner wichtigsten Anstiege
|
Der
Ortler
(
italienisch
Ortles
) ist mit einer Hohe von
3905
m s.l.m.
, nach osterreichischer Vermessung
3899
m u. A.
,
[1]
die hochste Erhebung der
italienischen
Provinz
Sudtirol
und der
Region Tirol
. Der großtenteils aus
Hauptdolomit
aufgebaute, stark
vergletscherte
Berg
ist der
Hauptgipfel
der
Ortler-Alpen
, einer Gebirgsgruppe der
Sudlichen Ostalpen
. Seine
Erstbesteigung
auf Befehl von
Erzherzog Johann von Osterreich
im Jahre 1804 zahlt zu den bedeutendsten
alpinistischen
Ereignissen jener Zeit. Bis zur Abtrennung Sudtirols von
Osterreich
1919 war der Ortler der hochste Berg
Osterreich-Ungarns
. (Lediglich von 1815 bis 1859 war der hochste Gipfel des
Kaisertum Osterreich
vorubergehend der
Piz Zupo
). Wahrend des
Ersten Weltkriegs
richtete die
k.u.k. Armee
auf dem Berg die mit mehreren Geschutzen ausgestattete hochstgelegene
Stellung
dieses Krieges ein. Heute gilt der Ortler unter Bergsteigern als eines der bedeutendsten Gipfelziele der Ostalpen. Alle Routen zum Gipfel sind anspruchsvolle
Hochtouren
, von denen der Normalweg von Norden die am meisten begangene ist. Alpinistisch bedeutend ist auch die Nordwand des Berges, die als großte Eiswand der Ostalpen gilt, in der jedoch immer mehr Fels zutage tritt.
Der Ortler liegt im Westen Sudtirols, im oberen
Vinschgau
, nahe der Grenze zur
Provinz Sondrio
in der
Lombardei
und der
Staatsgrenze
zur
Schweiz
. Er ist Teil des gewaltigen Gebirgszugs des
Ortler-Hauptkamms
in den nordlichen
Ortler-Alpen
, wobei er sich in einem am
Zebru
(
3735
m
) gegen Norden abzweigenden Seitenkamm erhebt, der das
Trafoital
mit der Stilfser-Joch-Straße und der Ortschaft
Trafoi
(
1543
m
) im Westen vom
Suldental
mit dem Ort
Sulden
(
1843
m
) im Osten trennt.
[2]
Nordlich des Ortlers folgen im Kammverlauf die
Tabarettaspitze
(
3128
m
), der
Barenkopf
(
2852
m
) und die
Hochleitenspitze
(
2798
m
), hinter der das Trafoital beim Weiler
Gomagoi
(
1256
m
) in das Suldental einmundet. Das gesamte Gebiet gehort zur
Gemeinde
Stilfs
und ist Bestandteil des
Nationalparks Stilfserjoch
.
Die Aussicht vom Gipfel umfasst die
Otztaler Alpen
, die
Silvretta
- und
Berninagruppe
sowie die
Adamello-Presanella-Alpen
, die
Brenta
und die
Dolomiten
. An klaren Tagen reicht sie im Westen bis zum etwa 185 Kilometer entfernten
Finsteraarhorn
in den
Berner Alpen
. Auch das ganze Gebiet um den
Reschenpass
und die
Malser Haide
ist gut zu sehen.
[1]
Im Hauptkamm erheben sich nahe neben dem Zebru weitere Hochgipfel wie die
Konigspitze
(
3851
m
) und die
Thurwieserspitze
(
3652
m
), benachbarte Gebirgszuge sind der
Chavalatschkamm
mit der
Rotlspitze
(
Piz Cotschen
,
Punta Rosa
,
3026
m
) westlich des Trafoitals, und die
Laaser Berge
mit der
Vertainspitze
(
3545
m
) ostlich des Suldentals. Alle diese Gebirgskamme werden ebenfalls zu den Ortler-Alpen gezahlt.
[3]
Der Ortler ist der
hochste Berg im Umkreis
von 49 Kilometern, bis zum
Piz Zupo
(
3996
m
). Dieser befindet sich in der Berninagruppe mit dem
Piz Bernina
(
4049
m
). Um dorthin zu gelangen, musste bis zum
1955
m
hohen
Passo di Fraele
abgestiegen werden.
[4]
Die
Schartenhohe
des Ortlers betragt somit 1950 Meter. Diese Schartenhohe wird in den Alpen nur von 13 weiteren Bergen ubertroffen.
[5]
Der Ortler weist eine verhaltnismaßig starke Gliederung aus zahlreichen
Graten
, Wanden und Gletschern auf.
[6]
Der Gipfel selbst ist eine nur etwa 20 Meter hohe Erhebung uber dem Ortlerplateau, einer großen, nach Nordwesten in Richtung zur
Hohen Eisrinne
(auch
Trafoier Eisrinne
) und zum Trafoital hin leicht abfallenden Hochflache, die vom
Oberen Ortlerferner
bedeckt ist. Auf allen Seiten schließen steile Felswande an dieses Gletscherplateau an, insbesondere an seiner ostlichen Begrenzung, dem
Nordgrat
oder
Tabarettakamm
. Dieser verlauft uber die unbedeutende Graterhebung
Tschierfeck
(auch
Tschirfeck
,
3316
m
) zur
3128
m
hohen Tabarettaspitze und bricht in ostlicher Richtung, also zum Suldental hin, mit
Eisbruchen
zur 1200 Meter hohen vereisten
Nordwand
und zu dem darunter liegenden
Marltferner
ab. Dieser wird im Sudosten vom nach Nordosten verlaufenden
Marltgrat
begrenzt, von dem in nordnordostlicher Richtung ein Seitenast, der
Rothbockgrat
abzweigt. Die Ostwand des Ortlers wird von einem steilen
Couloir
, der
Schuckrinne
, durchzogen, die in den darunterliegenden
End-der-Welt-Ferner
mundet. Im Sudosten zieht der teilweise vergletscherte
Hintergrat
uber den
Signalkopf
(
3725
m
), den
Oberen
(
3466
m
) und
Unteren Knott
(
3212
m
) hinab zum
Hintergratkopf
(
2813
m
). Die Sudostwand wird von der
Minnigeroderinne
durchzogen, unter der der
Suldenferner
liegt. In Richtung Suden fuhrt vom
Ortler-Vorgipfel
(
Anticima
,
3845
m
) der
Hochjochgrat
zum
3535
m
hohen
Hochjoch
, dem Ubergang zum Monte Zebru. Westlich des Hochjochs liegt der
Zebruferner
, der zum bereits zur Lombardei gehorenden
Val Zebru
(Zebrutal)
abfließt. Im Norden trennt der
3353
m
hohe
Ortlerpass
den Zebruferner vom nordwestlich in Richtung Trafoital fließenden
Unteren Ortlerferner
. Den nordlichen Abschluss dieses Gletschers bildet der bis zu 1000 Meter hohe Felsaufschwung der
Hinteren Wandlen
, die den sudwestlichen Abbruch des Oberen Ortlerferners bilden. Nach Nordwesten munden die Hinteren Wandlen in den
Pleißhorngrat
, der das
3158
m
hohe
Pleißhorn
(Corno di Plaies)
tragt.
Der Gipfelaufbau des Ortlers besteht im Wesentlichen aus
Hauptdolomit
, einem Flachwasser-
Sedimentgestein
der
Obertrias
, genauer des
Noriums
. Er weist die typische waagrechte
Bankung
auf, wie sie auch in den nahe gelegenen
Dolomiten
auftritt. Im Unterschied zu den dortigen Gesteinen ist der Ortlerdolomit jedoch schwach
metamorph
uberpragt, das heißt, er wurde in der
Oberkreide
vor etwa 90 Millionen Jahren unter hohem Druck auf etwa 400 °C erhitzt. Nach der heute vorherrschenden Interpretation des geologischen Aufbaus der Alpen geschah dies bei der nordwarts gerichteten Verschiebung der
Nordlichen Kalkalpen
uber die Ortler-Alpen hinweg.
[7]
Das Gestein zeichnet sich daher neben seiner dunkleren, grauen Farbe vor allem durch das Fehlen von
Fossilien
aus, da diese wahrend der Metamorphose zerstort wurden.
[8]
[9]
Daruber hinaus liegt der Dolomit des Ortlers viel hoher als in allen anderen Verbreitungsgebieten dieses Gesteins. Nach dem
Eiger
ist der Ortler der zweithochste aus Sedimentgestein bestehende Gipfel der Alpen. Der Ortlerdolomit unterliegt daher in weitaus hoherem Ausmaß der
Frostverwitterung
als der Fels der Dolomiten, der von der Verwitterung durch flussiges Wasser (
chemische Verwitterung
) gepragt ist, und weist glattere Oberflachen und eine große Bruchigkeit auf, wodurch er sich auch schlechter zum Klettern eignet.
[8]
Eingelagert in den bankigen Hauptdolomit sind neben einigen mehrere Meter dicken
Olisthostromen
auch Schichten von ?Kalkschiefer“. Insgesamt erreicht der Dolomit des Ortlers eine Machtigkeit bis zu 1000 Metern, wobei haufig vermutet wird, durch mehrfache
Uberschiebung
habe sich hier eine ursprunglich dunnere Dolomitabfolge zu solcher Dicke aufgestapelt.
[9]
Diese These gilt jedoch bis heute nicht als vollstandig gesichert, da der Ortler immer noch ungenugend geologisch untersucht ist. Geologische Forschungen waren aufgrund der Gletscherbedeckung lange Zeit schwierig. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde durch den
Gletscherschwund
mehr Gestein freigelegt.
[10]
Unterlagert wird der Dolomit von schwach metamorphen
Konglomeraten
,
Sandsteinen
und
Gips
aus der Untertrias sowie von
Alpinem Verrucano
aus dem
Perm
. Diese Schichten sind aber nur wenige Meter machtig. Sie ruhen auf einem Fundament aus
Veltliner
Basiskristallin
. Dieses Kristallin hat vor der kreidezeitlichen schon wahrend der
Kaledonischen
und der
Variszischen Orogenese
jeweils Metamorphosen erfahren, die uberdies intensiver waren. Es handelt sich heute hauptsachlich um
Gneis
,
Glimmerschiefer
und
Phyllit
, die das Bild der Landschaft bis in eine Hohe von etwa
2700
m
pragen.
[7]
Tektonisch
gehort der Ortler zum
ostalpinen
Deckenstapel
.
Das Gebiet um den Ortler ist von einer hohen
Reliefenergie
gepragt: Das nur zwolf Kilometer entfernte
Prad am Stilfserjoch
im
Etschtal
liegt 3000 Meter unterhalb des Ortlergipfels. Diese außergewohnlichen Hohenunterschiede fuhren dazu, dass verschiedene
Vegetationsstufen
besonders eng nebeneinander zu finden sind.
[11]
Die in sonnigen tiefen Lagen etwa des nahegelegenen
Martelltals
vertretene
submediterrane
Vegetation ist am Ortler selbst zwar nicht zu finden, insgesamt ist das Klima des Gebietes jedoch vom Mittelmeerklima beeinflusst und daher trockener und milder als das in den nahegelegenen
Zentralalpen
, die die Ortler-Alpen vor den Niederschlagen der Alpennordseite abschirmen. Die
Jahresniederschlage
ubersteigen daher kaum 1000 Millimeter pro Jahr. Die
Schneegrenze
liegt um einiges hoher als in den Zentralalpen.
[12]
Das hohe Ausmaß an Vereisung am Ortler ist daher nur am hochstgelegenen Gletscher, dem Oberen Ortlerferner, auf die in der Hohe niedrigen Temperaturen zuruckzufuhren. Am Gipfelplateau wurden schon Temperaturen von etwa ?40 °C gemessen.
[13]
Die Entstehung der tiefer liegenden Gletscher um den Berg, insbesondere des
Suldenferners
, ist eher eine Folge der topographischen Verhaltnisse. Diese Gletscher haben nur kleine Niederschlage akkumulierende
Nahrgebiete
und werden großteils von Eis- und
Schneelawinen
gespeist, die uber die steilen Flanken abgehen. Der Eisschlag vom Oberen Ortlerferner kann dabei 2000 Hohenmeter uberwinden und die Straße nach Sulden gefahrden.
[14]
Auch durch Schneelawinen aus der Ortlernordwand wurde die Straße schon mehrmals verlegt, dabei starben beispielsweise im April 1975 mehrere Menschen.
[15]
Im flacheren Gelande unterhalb der Steilwande konnen sich diese Schnee- und Eismassen zu neuen Gletschern sammeln. Durch den anhaltenden
Steinschlag
aufgrund des bruchigen Gesteins des Ortlers kommt es auf diesen Gletschern zu einer besonders starken
Schuttbedeckung
, insbesondere am Sulden-, End-der-Welt- und Marltferner, die teilweise komplett unter Gestein verborgen liegen.
[16]
Der Ruckgang der Gletscher nach der
Kleinen Eiszeit
unterschied sich am Ortler deutlich von den meisten anderen Alpengletschern, die etwa um 1860 ihren Hochststand erreichten. Am Suldenferner kam es viel fruher, zwischen 1817 und 1819, zu einem außerst raschen Vorstoß, der sogar das Siedlungsgebiet von Sulden bedrohte. Von einem kleineren weiteren Vorstoß Mitte des 19. Jahrhunderts abgesehen ging er seither ebenso wie die anderen Gletscher der Region fast standig zuruck. Ende des 20. Jahrhunderts nahm der
Gletscherschwund
stark zu. Die Ursache liegt dabei nicht im starkeren Abschmelzen in der Zehrzone der Gletscher, sondern im Ruckzug der Nahrgebiete bis in eine Hohe von uber
3500
m
wegen der hoheren Sommertemperaturen.
[16]
In den tieferen Regionen bildet die machtige Schuttbedeckung einen Schutz gegen das Abschmelzen, sodass die Gletscher dort nach wie vor bis etwa
2500
m
, also etwa 300 Meter tiefer als auf der anderen Talseite des Suldentals, hinabreichen.
[17]
Das zuruckgehende Eis hat Auswirkungen auf den Alpinismus am Ortler, da viele klassische Routen schwieriger und durch die erhohte Steinschlaggefahr auch gefahrlicher werden, sodass sie teilweise kaum noch begehbar sind.
[16]
Die Nordwand hingegen ist etwas flacher und ihre Begehung damit einfacher geworden: Der machtige Hangegletscher, der bis in die zweite Halfte des 20. Jahrhunderts die Wand dominierte, ist mittlerweile komplett verschwunden.
[14]
Die tiefsten Regionen an den Hangen des Ortlers sind von
Fichtenwaldern
bedeckt, landwirtschaftliche Flachen finden sich nur in den Talsohlen des Sulden- und Trafoitals. In den hoheren Regionen nimmt der Bestand an
Kiefern
und
Larchen
zu, die bis zur
Waldgrenze
auf etwa
2000
m
bis
2200
m
haufig von
Zirbenbestanden
abgelost werden. Diese Waldgrenze liegt wegen der jahrhundertelangen
Almwirtschaft
niedriger als die naturliche Hohenlage, in den letzten Jahrzehnten kam es jedoch zu einem Ruckgang der Weidewirtschaft und damit auch zu einem Anstieg der Waldgrenze. Oberhalb folgen
Latschenkiefergurtel
, insbesondere auf den aus Dolomitschutt bestehenden
Moranenablagerungen
. Auf kristallinen Boden nehmen haufig
Grun-Erlengebusche
ihren Platz ein.
[18]
[19]
Oft ist in den oberen Regionen der Bergwalder und in der
Zwergstrauchheide
daruber die
Alpenrose
zu finden. Diese Heiden und die
Matten
der
Alpinen Vegetationszone
weisen aufgrund der Vielfalt von Boden und Landschaftsformen eine hohe Artenvielfalt auf. Die Pflanzengemeinschaft umfasst hier sowohl typisch west- als auch ostalpine
Arten
ebenso wie
kalkstete
und auf Silikatboden spezialisierte. Besonders seltene Pflanzen sind der
Blattlose
und der
Felsen-Steinbrech
, das
Flattnitz-Felsenblumchen
, das
Moosglockchen
und die
Inntaler Primel
.
Enziane
kommen haufig vor, das Edelweiß ist hingegen selten zu finden. Die am hochsten steigende Blutenpflanze ist der
Gletscherhahnenfuß
, in den hochsten Lagen wachsen nur noch vereinzelte
Moose
und
Flechten
.
[20]
[19]
[21]
Haufigstes großes
Saugetier
des Ortlergebietes ist der
Rothirsch
, der in den Waldern, manchmal aber auch auf den alpinen Matten, weit verbreitet ist und mangels naturlicher Feinde fur das Okosystem problematische Bestandszahlen erreichen kann.
[22]
Das
Reh
ist hingegen etwas seltener vertreten.
[23]
Ebenfalls in den Bergwaldern, vor allem aber im Bereich der Waldgrenze bis hinauf an die Gletschergrenzen sind die
Gamse
und das
Alpenmurmeltier
zu finden.
[24]
Der
Schneehase
ist hier relativ selten, dafur steigt der
Feldhase
bis in die almwirtschaftlich genutzten Hohenlagen. Vorherrschendes
Raubtier
ist der Fuchs, dessen Bestandszahlen allerdings starken Schwankungen unterworfen sind,
[25]
Dachs
und
Wiesel
kommen seltener vor. Der
Braunbar
, der lange Zeit in diesem Gebiet nicht mehr vorkam, trat in den letzten Jahren manchmal wieder am Fuße des Ortlers auf.
[26]
Der
Alpensteinbock
wurde vermutlich im 18. Jahrhundert in den Ortler-Alpen ausgerottet. Im Zebrutal im lombardischen Teil des Nationalparks Stilfserjoch wurden aber in den 1960er Jahren wieder Tiere ausgewildert.
[27]
Der Bestand von mittlerweile mehreren hundert Tieren halt sich jedoch nach wie vor fast ausschließlich in diesem Gebiet auf, im Ortlergebiet gibt es nur sporadische Sichtungen.
[28]
Mit einer weiteren Besiedlung wird aber gerechnet, der Ortler wird als fur Steinbocke geeignetes Habitat eingeschatzt.
[29]
Das am weitesten hinaufsteigende Saugetier ist die
Schneemaus
, die bis in die Gletscherregionen vorkommt.
Prominentester Vertreter der Vogelfauna ist der
Steinadler
das Symboltier des Nationalparks Stilfserjoch. Am Ortler ist er hauptsachlich im Trafoital zu finden
[25]
und jagt hier neben Murmeltieren
Schnee
- und
Haselhuhner
. Der großte Greifvogel ist jedoch der
Bartgeier
, der hier vereinzelt wieder vorkommt.
[30]
In den Waldern leben der
Auerhahn
und
Tannenhaher
,
Schneefink
,
Uhu
und
Kolkrabe
sind auch in den alpinen Regionen zu finden. In den hoher gelegenen Felsen jagt der
Mauerlaufer
, die
Alpendohle
kommt bis zum Gipfel hinauf vor.
Die
Reptilien
weisen als Besonderheit wie in anderen alpinen Hohenlagen die schwarze Varietat der Kreuzotter auf, die
Hollenotter
. Ein bemerkenswerter
Wirbelloser
in der Eisregion ist der
Gletscherfloh
, der vor allem am Suldenferner haufig zu finden ist.
[31]
Der Ursprung des Namens Ortler ist umstritten. Vielfach wird der heutige italienische Name
Ortles
, auch in der Variante
Orteles
, als alter angesehen. Er war bis ins 19. Jahrhundert auch auf deutschsprachigen Karten zu finden.
Julius Payer
berichtete im Zuge seiner kartografischen Arbeiten, in Sulden sei bei der ansassigen Bevolkerung der Name Ortler in Gebrauch und verwendete daher diesen, der sich in der Folge im deutschsprachigen Raum durchsetzte.
[32]
Haufig wird eine Ableitung des Bergnamens von dem bereits 1382 belegten
Ortlerhof
in Sulden (?Abraham dictus Ortla“) und der daruber liegenden
Ortleralm
, auch
Ortls
genannt, angenommen. Dieser
Hofname
soll wiederum auf
Ortl
, eine Kurzform des Namens
Ortwin
oder
Ortnit
zuruckzufuhren sein.
[33]
Eine andere Theorie setzt hingegen den Bergnamen als alter und somit als Ursprung des Hofnamens an.
[34]
Etymologisch ließe sich Ortler demnach als Ableitung aus dem
althochdeutschen
ort
mit der Bedeutung ?Spitze“ deuten.
[35]
Die populare Bezeichnung ?Konig Ortler“ ist bereits im fruhen 19. Jahrhundert dokumentiert.
[36]
Auch als ?Konig der Ostalpen“ wird der Berg haufig bezeichnet. Dies ist darauf zuruckzufuhren, dass die
Berninagruppe
bis ins 20. Jahrhundert den
Westalpen
zugerechnet wurde und der Ortler daher lange Zeit als hochster Berg der Ostalpen galt.
[37]
Aus der
Germanischen Religion
stammt die Vorstellung der
Wilden Jagd
, die hier als
Wilde Fahr
bekannt war, und die ebenfalls am Ortler ihren Ausgangspunkt nehmen sollte. Auch in diesem Mythos wird der Ortler mit dem Totenreich in Verbindung gebracht.
[38]
Bekannter ist eine spater entstandene
Sage
, in der der Ortler als
Riese
erscheint. Dieser wird vom
Stilfser
Zwerg
bezwungen und in einem Gedicht verspottet (?Ach, Riese Ortler, wie bist du noch so klein …“) und erstarrt daraufhin in Eis und Schnee.
[39]
Aus dem 19. Jahrhundert stammt die Geschichte von einem Baren, der 1881 auf der Flucht vor seinen Jagern uber den Hintergrat nach Trafoi entkommen sein soll. Auch das Barenloch, ein Gletscherbecken unterhalb des Tschierfecks, wird mit einem Baren im Ortlereis in Zusammenhang gebracht: Es soll seinen Namen dem Fund eines Barenskeletts an dieser Stelle zu verdanken haben.
[40]
Zum Gipfel des Ortlers fuhren zahlreiche
Routen
, die alle als
ernsthafte
Hochtouren
einzustufen sind. Die meisten dieser Wege sind jedoch fast ausschließlich von historischem Interesse und werden sehr selten begangen, viele wurden nach ihrer
Erstbegehung
nie mehr wiederholt.
[1]
Ausgangspunkt des
Normalwegs
auf den Ortler ist die nordlich der Tabarettaspitze gelegenen
Payerhutte
(
3020
m
), die uber die
Tabarettahutte
(
2556
m
) von Sulden aus oder von Westen von Trafoi aus erreichbar ist. Von dort fuhrt der Weg, teilweise als
Klettersteig
versichert, uber den Nordgrat und dann im bis zu 40° steilen Eis und
Firn
uber das Tschierfeck mit der
Biwakschachtel
Tschierfeckhutte
(
Bivacco Lombardi
,
3316
m
) und den Oberen Ortlerferner zum Gipfel. Die
Schwierigkeit
wird mit
III?
(UIAA),
[41]
nach anderen Angaben II
[42]
bis III+
[43]
angegeben, fur die Begehung werden drei bis funf Stunden veranschlagt. Diese Route ist der leichteste und am haufigsten begangene Anstieg auf den Ortler und wird meist auch in Verbindung mit anderen Anstiegen als Abstiegsroute benutzt.
[44]
Die
Tabarettahutte
(
Rifugio Tabaretta
,
2556
m
) ist Ausgangspunkt fur die Durchsteigung der Nordwand. Die Routen durch die Nordwand sind durch den Gletscherschwund erheblichen Veranderungen unterworfen. Teilweise wurden sie durch die zuruckgehende Steilheit leichter, die Schwierigkeits- und Steilheitsangaben fur den
Ertlweg
und seine mehreren Varianten sind daher unterschiedlich und reichen von 55° bis senkrecht. Manche Routen wie der uberhangende
Direkte Hangegletscher
existieren nicht mehr. Der
Holl-Witt-Weg
im Westen der Nordwand gilt mit V? und bis zu 90° steilem Eis als eine der schwierigsten kombinierten Routen der Ostalpen. Der
Nordostpfeiler
(V+, 60°) und die
Nordostwand
(VI?, 60°) verlaufen uberwiegend im Fels. Auch der
Rothbockgrat
(IV, 55°) kann von der Tabarettahutte aus erreicht werden.
Die
K2-Hutte
(
2330
m
) liegt unterhalb des Marltgrates und ist von Sulden aus uber den
Langenstein-
Sessellift
zuganglich, ein zweiter Lift erschließt von hier aus den unteren Teil des End-der-Welt-Ferners fur das
Skigebiet
Sulden. Die wichtigste Route von der Hutte hier aus ist der
Marltgrat
(III, 50°), daneben kann auch die
Schuckrinne
(III, 55°) begangen werden.
Ein weiterer wichtiger Ausgangspunkt ist die
Hintergrathutte
(
Rifugio Alto del Coston
,
2661
m
) unterhalb des Suldenferners. Von dort fuhrt die beliebte Route uber den Hintergrat zum Gipfel, die Kletterschwierigkeiten bis IV- und Steigungen in Eis und Firn bis zu 40° aufweist. Weitere Anstiege von der Hintergrathutte aus sind der
Untere Hintergrat
(III, 45°), die
Minnigeroderinne
(45°) mit ihrer
Direkten Ausstiegsvariante
(50°), die
Sudsudostwand
(auch
Lannerfuhre
, III, 45°?50°), und die
Harpprechtrinne
(III, 50°) zum Hochjochgrat. Von der Minnigeroderinne abgesehen werden diese Wege jedoch kaum begangen.
Das
Hochjochbiwak
(
Bivacco citta di Cantu
,
3535
m
) zwischen Ortler und Monte Zebru ist Ausgangspunkt fur den Weg uber den Hochjochgrat (IV, 50°). Die weiteren Routen auf dieser Seite wie der
Sudwestgrat
(IV, 50?55°) sowie die
Linke
(45?50°) und
Rechte Westwand
(IV, 55°) sind kaum von Bedeutung.
Die weiteren Anstiege auf der Sudwestseite des Ortlers werden neben dem Hochjochbiwak auch von der
Berglhutte
(
Rifugio Borletti
,
2188
m
) aus erreicht. Neben der unbedeutenden
Sudwestwand Pinggera-Tomasson
(III, 50°) ist hier hauptsachlich der nur historisch bedeutsame, heute aber nicht mehr begangene Weg der Erstersteiger, die
Pichlerfuhre
durch die Hinteren Wandlen (II, 45?50°) zu nennen. Weitere Routen sind der
Soldaweg
(IV, 60°), der
Sudwestpfeiler
(V+) und der
Nordliche Weg
durch die Sudwestwand (IV). Verhaltnismaßig haufig wird der stellenweise versicherte
Meraner Weg
(III, 40°) uber den Pleißhorngrat begangen. Zum Pleißhorngrat fuhrt auch die
Stickle-Pleiß
-Rinne (IV?, 45°), ostlich davon sind die
Nordwestwand
(IV, 50°),
La casa di Asterione
(V, 80°) und
Via un battito d’ali
(60°) zu finden.
Von der Berglhutte aus wird auch der Weg uber die Hohe Eisrinne begangen, der zum Nordgrat und von dort uber den Normalweg zum Gipfel fuhrt. Dieser Weg ist im Sommer kaum von Bedeutung, gilt jedoch im Fruhjahr als der einzige
Skianstieg
zum Ortlergipfel.
[45]
Die große Hohe des Ortlers war trotz fehlenden Vermessungen schon fruh bekannt, im
Atlas Tyrolensis
aus dem Jahr 1774, in dem der Berg erstmals auf einer Karte erscheint,
[46]
ist er als ?Ortles Spiz der Hochste im ganzen Tyrol“ verzeichnet.
[47]
Damit war er auch der hochste Berg der
Donaumonarchie
.
1804 reiste
Erzherzog Johann von Osterreich
durch Tirol und sah den Ortler vom Reschenpass aus. Er beauftragte daraufhin den Beamten Johannes Gebhard, die
Erstbesteigung
des Berges zu organisieren.
[48]
Gebhard kam am 28. August 1804 in Sulden an und versprach den dortigen Bauern Geld fur das Finden eines Weges zum Gipfel. In seiner Begleitung waren die zwei erfahrenen Bergsteiger Johann Leitner und Johann Klausner aus dem
Zillertal
, die als Erstbesteiger ausgewahlt worden waren. Am nachsten Tag wurde mit der Erkundung des Weges begonnen, bis zum 13. September unternahmen die Manner vier weitere vergebliche Versuche, meist in der Nahe des heutigen Normalwegs. Der sechste Anlauf mit einem reisenden Harfenisten, der sich als erfahrener Bergsteiger dargestellt hatte, aber als Scharlatan erwies, scheiterte nach drei Tagen. Mehrere andere Anwarter, die einen unseriosen Eindruck hinterließen, lehnte Gebhard ab.
Am 26. September stellte sich
Josef Pichler
, genannt
Pseyrer Josele
, Gamsenjager auf der
Churburg
in
Schluderns
, bei Gebhard vor. Er konnte durch das Angebot, nur im Erfolgsfall einen Lohn zu verlangen, Gebhards Vertrauen gewinnen. Noch am selben Tag brach er mit Leitner und Klausner auf. Anders als bei den vorigen Versuchen fuhrte Pichler die Gruppe nicht von Sulden aus auf den Berg, sondern zuerst nach Trafoi und am nachsten Tag von dort aus auf den Unteren Ortlerferner. Ohne
Kletterseil
und
Eispickel
durchstiegen sie dann die Hinteren Wandlen. Ihre Route gilt heute als schwierig (II-III, 50° im Firn) und sehr gefahrlich, wenngleich der genaue Verlauf bisweilen angezweifelt wird. Sie wurde spater nur noch selten wiederholt. Als Grund dafur, einen so schwierigen Anstieg zu wahlen, wird vermutet, dass Josef Pichler als Gamsenjager sich im felsigen Gelande wohler fuhlte und die fur ihn ungewohnten Gletscherflachen zu meiden versuchte. Zwischen 10 und 11 Uhr vormittags erreichten Pichler, Klausner und Leitner den Gipfel, wo sie sich wegen heftigen Windes und großer Kalte nur wenige Minuten aufhalten konnten. Nach dem Abstieg uber denselben Weg kamen sie um 8 Uhr Abends wieder in Trafoi an.
[49]
Gebhard meldete am 1. Oktober Erzherzog Johann die Vollendung des ?großen Werks“.
Der Erzherzog beauftragte daraufhin im Jahr 1805 Gebhard, eine erneute Besteigung des Ortlers zu organisieren und einen neuen Weg von Sulden aus zum Gipfel finden zu lassen. Wiederum unter der Leitung Josef Pichlers, diesmal mit der Hilfe von Johann und Michael Hell aus Passeier und einem unbekannten Jager aus
Langtaufers
, wurde in der Nahe der heutigen Hintergrathutte ein Unterstand errichtet. Zwischen Juli und August bestiegen die vier Alpinisten den Ortler von hier aus zweimal uber den ?Hinteren Grat“. Dieser wird heute allgemein mit dem Hintergrat gleichgesetzt, vereinzelt wird aber auch vermutet, mit dem Hinteren Grat konnte der heutige Hochjochgrat gemeint gewesen sein.
[50]
Diese Besteigungen, wahrend denen der Weg auch teilweise mit Seilen versichert wurde, um spater auch Gebhard den Aufstieg zu ermoglichen, gelten aus heutiger Sicht als herausragende alpinistische Leistungen. Da Schlechtwetter die Versicherungen wieder zerstorte und Gebhards Aufstieg vereitelte, zog sich dieser zeitweise nach
Mals
zuruck. Dort erfuhr er, dass die Ortlerbesteigungen von vielen Menschen massiv angezweifelt wurden. Fur die nachsten, hauptsachlich zur Wiederherstellung des Weges durchgefuhrten, Besteigungen am 27. und 28. August gab er Pichler daher eine große Fahne auf den Gipfel mit, die am 28. August auch tatsachlich von Mals aus erkannt werden konnte. Am 30. August konnte Gebhard schließlich, gefuhrt von Pichler, in Begleitung des Stilfser Priesters Rechenmacher selbst den Gipfel erreichen und somit die erste touristische Besteigung des Ortlers vermelden. Die Gruppe verbrachte zwei Stunden am Gipfel, die fur wissenschaftliche Messungen und das Suchen eines Ortes fur eine geplante Steinpyramide genutzt wurden. Um alle restlichen Zweifel an den Besteigungen auszuraumen, organisierte Gebhard in den nachsten Tagen den Transport einer großen Menge brennbaren Materials auf den Gipfel, das schließlich am Abend des 13. September entzundet wurde. Das Feuer brannte zwei Stunden und war bis ins 20 km entfernte Mals mit freiem Auge zu sehen. Wenige Tage spater bestieg Gebhard den Ortler abermals. Der Gipfel sollte in der Folge durch den Bau einer Hutte und eines dauerhaft versicherten Weges leichter zuganglich gemacht werden. Als 1805 infolge des
Friedens von Pressburg
Tirol und damit der Ortler bis 1814 an
Bayern
fiel, waren diese Plane vorerst obsolet. Der Ortler wurde daraufhin 21 Jahre lang nicht mehr bestiegen.
1826 verpflichtete ein alpinistisch unerfahrener Wiener Offizier namens Schebelka wiederum Josef Pichler als Fuhrer. Da der Hintergrat zu dieser Zeit nicht begehbar war, wahlte Pichler den Weg der Erstbesteigung uber die Hinteren Wandlen. Auch am 13. August 1834 wurde der Gipfel uber diesen Anstieg erreicht:
Peter Karl Thurwieser
bestieg den Ortler abermals unter der Fuhrung des mittlerweile 70 Jahre alten Josef Pichler, der allerdings am Oberen Ortlerferner zuruckblieb, und dreier weiterer Einheimischer.
[51]
Nach Thurwiesers Besteigung 1834 blieb der Ortler in den folgenden 30 Jahren unbestiegen. Zwei Versuche, uber eine neue Route durch die Stickle-Pleiß-Rinne nahe dem Pleißhorngrat den Gipfel zu erreichen, scheiterten.
[52]
Die meisten namhaften Alpinisten konzentrierten sich in dieser Zeit vornehmlich auf die Viertausender der Westalpen; der Misserfolg der wenigen Besteigungsversuche in dieser Zeit wird den fehlenden alpinistischen Kenntnissen der einheimischen Fuhrer zugeschrieben.
[53]
1864 kam der englische Bergsteiger
Francis Fox Tuckett
mit E.N. und H.E. Buxton und den zwei Schweizer Fuhrern Christian Michel und
Franz Biner
in die Ortler-Alpen. Nachdem sie unter anderem den
Monte Confinale
und die Konigspitze bestiegen hatten, versuchten sie eine neue Route von Trafoi uber die Hohe Eisrinne und erreichten den Gipfel des Ortlers am 5. August 1864.
[54]
Im September 1864 fand der Englander Headlam den Weg von Trafoi uber den heutigen Standort der Payerhutte. Ein Jahr spater, am 7. Juli 1865, erreichten
Johann August Edmund Mojsisovics von Mojsvar
und V. Reinstadler mit dem Fuhrer
Johann Pinggera
diesen Weg erstmals von Sulden aus. Am 4. September desselben Jahres fuhrte Pinggera
Julius von Payer
, der spater die ersten genauen Karten des Ortlers und seiner Umgebung zeichnete, in einer Variante dieses Weges zum Gipfel und fand dabei den leichtesten Anstieg. Dies war die erste Ersteigung auf dem heutigen Normalweg und mit dem Abstieg der Seilschaft nach Trafoi auch die erste
Uberschreitung
des Ortlers.
[55]
Der neue Weg uber den Tabarettakamm wurde schnell popular, und der Ortler wurde immer haufiger bestiegen: wahrend 1868 noch von 12 Besteigungen berichtet wurde, waren dies 1871 schon 51 und 1881 bereits 183. 1899 konnten bis zu 60 Besteiger pro Tag gezahlt werden.
[56]
1875 wurde zu Erleichterung des Aufstiegs die erste Schutzhutte, die Payerhutte, errichtet. Mit der Berglhutte 1884, der als
Backmannhutte
bekannten ursprunglichen Hintergrathutte 1892, der Tabarettahutte 1894 und der Hochjochhutte 1901 folgten weitere Unterkunfte. Mit den spater zerstorten Schutzhutten
Edelweißhutte
(erbaut 1899) und
Alpenrosenhutte
(erbaut 1910) im Trafoital gab es zwischenzeitlich sogar mehr Unterkunfte am Ortler als heute.
[57]
Der Normalweg wurde 1888 mit Stahlseilen ausgebaut, um die Besteigung zu erleichtern. Der Meranerweg uber den Pleißhorngrat wurde 1910 auf Initiative des Tourismuspioniers
Theodor Christomannos
versichert.
[58]
Zu dieser Blutezeit des Ortler-Alpinismus entstanden daruber hinaus in Sulden und Trafoi zahlreiche Hotels und ein gut ausgebautes
Bergfuhrerwesen
. Der Bergfuhrerverband Sulden-Trafoi war bereits 1865 gegrundet worden.
[59]
Theodor Harpprecht
und sein
Fuhrer
Peter Dangl entdeckten am 19. Juli 1872 den Weg uber den Hintergrat wieder und erschlossen im Abstieg die Route uber die Stickle-Pleiß-Rinne. Ein Jahr spater, am 9. August 1873 fanden die beiden mit der
Harpprecht-Rinne
einen neuen Weg vom Suldenferner zum Hochjochgrat und gelangten uber diesen zum Gipfel. Die durchgehende Begehung vom Hochjoch bis zum Gipfel, die bereits seit 1867 mehrfach versucht worden war, gelang jedoch erst Otto Schuck mit Alois Pinggera und Peter Dangl am 15. Juni 1875. Damit war der vierte Weg zum Ortlergipfel gefunden, den
Otto
und
Emil Zsigmondy
1881 erstmals fuhrerlos begehen konnten. Otto Schuck erschloss 1879 schließlich noch die nach ihm benannte, damals noch stark vereiste Rinne durch die Ostwand. Bei dieser Route handelte es sich ebenso wie bei der 1878 von B. Minnigerode, Alois und Josef Pinggera durchstiegenen Sudwestrinne um einen reinen Eis- und Firnanstieg, der fast ausschließlich mit Hilfe der damals ublichen Technik des
Stufenschlagens
bewaltigt wurde.
[60]
Die britische Alpinistin
Beatrice Tomasson
durchstieg mit ihrem Fuhrer Hans Sepp Pinggera 1898 erstmals die Sudwestwand.
[61]
Mit der Erstbegehung des Marltgrates durch O. Fischer, E. Matasek, R.H. Schmitt und L. Friedmann am 22. August 1889 und des Rothbockgrates durch H. Rothbock, F. Pinggera und F. Angerer am 30. Juni 1904 waren alle großen Grate des Ortlers begangen. Der Rothbockgrat galt daraufhin lange Zeit als schwierigste Route am Ortler.
Alle mit den damaligen Mitteln moglichen Wege waren Anfang des 20. Jahrhunderts durchstiegen.
[62]
Wahrend des
Ersten Weltkriegs
hatte der Ortler ausschließlich militarische Bedeutung (siehe Abschnitt ?
Gebirgskrieg
“). Der Alpinismus im ublichen Sinn kam zum Erliegen; im Rahmen militarischer Operationen kam es jedoch zu Leistungen, die aus sportlicher Sicht bemerkenswert sind, wie etwa der Bewaltigung des Normalwegs von der Payerhutte in 1:20 h.
[63]
Die 1200 Meter hohe Nordwand, die hochste Eiswand der Ostalpen, galt nach dem Krieg als letztes ungelostes Problem am Ortler. Nach einem gescheiterten Versuch durch
Willy Merkl
und
Willo Welzenbach
gelang am 22. Juni 1931
Hans Ertl
und
Franz Schmid
in 17 Stunden die erste Durchsteigung. Anschließend wurde die Nordwand bis 1956 nicht mehr begangen. 1963 fanden P. Holl und H. Witt eine neue Route durch die Nordwand, die bis heute als eine der schwierigsten kombinierten Routen der Ostalpen gilt.
[64]
Im selben Jahr gelang Dieter Drescher die erste Alleinbegehung der Ertlfuhre, am 22. Juli 1964 durchstiegen
Reinhold
und
Gunther Messner
direkt den damals noch bestehenden Hangegletscher der Nordwand.
Zwar wurden seit den 1930er Jahren mehrere Neutouren auch außerhalb der Nordwand begangen, wie etwa der Soldaweg (1934), die Nordnordwestwand (1935) oder der Sudwestpfeiler, dessen Erstbegehung durch Reinhold Messner,
Hermann Magerer
und Dietmar Oswald am 15. August 1976 filmisch dokumentiert wurde. Bei diesen Wegen handelte es sich jedoch um selten oder niemals wiederholte Touren.
[65]
Die Alpinisten des spaten 20. Jahrhunderts suchten neue Herausforderungen am Ortler durch Winterbegehungen und Skibefahrungen. Nachdem der Normalweg bereits am 7. Januar 1880 durch
Robert von Lendenfeld
und Peter Dangl seine erste Winterbegehung erfahren hatte, wurden nun auch die schwierigeren Routen bei winterlichen Verhaltnissen begangen, so die Nordwand 1964, der Marltgrat 1965 und der Rothbockgrat 1966.
Heini Holzer
befuhr 1971 die Schuckrinne mit Skiern; 1975 gelang ihm auch die Abfahrt durch die Minnigeroderinne. K. Jeschke und M. Burtscher fuhren 1969 durch die Nordwand ab, wobei sie allerdings mehrmals
abseilen
mussten. 1982 gelang
Andreas Orgler
die erste durchgehende Befahrung.
[66]
[67]
1986 gluckte Kurt Walde der erste Start vom Ortlergipfel mit einem
Gleitschirm
, nachdem er uber die Nordwand aufgestiegen war.
[68]
Heute ist die Erschließungstatigkeit am Ortler weitgehend zum Stillstand gekommen.
[69]
Erstbegehungen neuer Routen finden praktisch nicht mehr statt. Reinhold Messner fand 2004, als er anlasslich der 200-Jahr-Feiern der Erstbesteigung den Weg Josef Pichlers durch die Hinteren Wandlen wiederholen wollte, eine neue Variante zu diesem historischen Anstieg.
[70]
2004 wurde auch der lange Zeit verfallene Meraner Weg saniert und neu versichert,
[71]
sodass es heute mit diesem, dem Normalweg und dem Hintergrat drei haufiger begangene Routen gibt.
Zu Beginn des
Gebirgskriegs
1915 schien das hochalpine Gelande der Ortlergruppe fur militarische Operationen uberhaupt nicht von Interesse, die
osterreichisch-ungarische Armee
plante sich am Stilfser Joch, hauptsachlich jedoch tiefer, an der
Straßensperre Gomagoi
, gegen
Italien
zu verteidigen.
[72]
Die
k.k. Standschutzen
begannen jedoch bereits damals mit der Besetzung mancher Gipfel bis in eine Hohe von
3700
m
.
[73]
Als die
Alpini
1916 das Hochjoch, den Ortlerpass, die
Trafoier Eiswand
und die
Thurwieserspitze
okkupierten und erste italienische Patrouillen am Ortlergipfel gesichtet wurden, befurchtete man eine Besetzung dieses strategisch wichtigen Punktes durch Italien und verlagerte den Kampf zusehends ins Gebirge. Von Sulden aus wurde eine
Seilbahn
errichtet, mit der man in 20 Minuten die Payerhutte erreichen konnte. Eine weitere kleine Materialseilbahn fuhrte bis knapp unter den Gipfel, am Tschierfeck wurde ein erster Unterstand erbaut. Ab Sommer 1916 befand sich am Gipfelplateau des Ortlers die hochste Stellung des gesamten Krieges. Hier lebten bis zu 30 Soldaten in einem Stollen, der in das Gletschereis gesprengt und geschlagen worden war. Es wurde eine Reserve an Proviant und Brennstoff fur bis zu drei Wochen gelagert, es gab eine hochwertige
Feldtelefonleitung
, eine
Wetterstation
und sogar ein kleines
Fotolabor
.
[74]
Ein weiterer Stollen von 150 Metern Lange erstreckte sich vom Vorgipfel zum Hochjochgrat. Hier wurde mit Stacheldrahtverhauen und einer dauernd besetzten Maschinengewehrstellung versucht, einen etwaigen italienischen Angriff uber den Hochjochgrat abzuwehren.
[75]
Wahrend der Hauptgipfel selbst nur von einer kleinen Feldwache besetzt war, befanden sich am Vorgipfel ein Schutzengraben und bereits ab 1916 eine erste
Kanone
. Es handelte sich um eine Gebirgskanone M99 mit einem Kaliber von 7 cm,
[76]
die sich heute im
Heeresgeschichtlichen Museum
in Wien befindet.
[77]
Dieses veraltete Geschutz mit Baujahr 1899 verfugte uber keinen
Rohrrucklauf
und wenig Treffsicherheit, war aber wegen seiner hoheren Position den wesentlich moderneren italienischen Kanonen auf Thurwieserspitze und Trafoier Eiswand uberlegen, die das Gipfelplateau des Ortlers fast nie trafen. Spater wurde die Kanone durch eine zweite verstarkt, auch am Pleißhorn wurden noch Geschutze aufgestellt. 1917 zogen russische Kriegsgefangene zwei großere 10,5-cm-Geschutze zum Gipfel. Bei diesen M75-Feldgeschutzen des Baujahres 1875 handelte es sich um bereits sehr alte, aber qualitativ hochwertigere Gerate, die neben einer hoheren Treffsicherheit auch eine großere Reichweite aufwiesen.
[78]
[79]
Eine wichtige Rolle spielten die Stellungen am Ortler-Vorgipfel und am Pleißhorn bei der Zerstorung der italienischen MG-Stellung auf der Thurwieserspitze im August 1916 und bei der Eroberung der Trafoier Eiswand durch die osterreichische Armee am 3. September 1917, auch die
Hohe Schneide
(
3434
m
) konnte von hier beschossen werden.
[80]
Die großten Gefahren auf der Ortlerstellung kamen nicht vom Beschuss durch die italienische Armee, sondern von den klimatischen Verhaltnissen in der großen Hohe. Am 4. Marz 1914 kamen beim Aufstieg zur
Payerhutte
15 Angehorige einer militarischen Schiabteilung durch eine Lawine ums Leben.
[81]
Besonders im strengen Winter 1916/1917 kam es an der Ortlerfront zu vielen Lawinenunglucken, die Gipfelstellung war mit mehreren Metern Schnee bedeckt und bis zu einer Woche von der Außenwelt abgeschnitten. Das Telefonnetz brach des Ofteren zusammen, sodass ein Netz aus optischen Signalstationen, die zumindest bei guter Sicht Nachrichten von Gipfel zu Gipfel ubermitteln konnten, als Notbehelf dienen musste.
[82]
[83]
Als 1918 abermals die Telefonleitung zerstort wurde, griff man auf Brieftauben zuruck. Etwas tiefer hingegen, auf der per Seilbahn leicht erreichbaren Payerhutte, gab es kaum solche Probleme. Sie wurde als sicherer Ort haufig von Prominenten besucht, die die Front besichtigen wollten. Darunter war etwa der Entdecker
Sven Hedin
,
Erzherzog Joseph
bestieg sogar den Gipfel.
[84]
Die Ortlerfront wurde infolge solcher Besuche haufig als ?Salonfront“ bezeichnet.
[85]
Dieser auch militarintern verbreitete Ruf spielte eine große Rolle bei der trotz ihrer wichtigen strategischen Rolle lange Zeit mangelnden Bewaffnung der Stellungen am Ortler.
[86]
[87]
1918 erfolgte ein weiterer Ausbau der Stellung, allerdings wurde nun die Versorgungssituation schlechter. Militarische Zwischenfalle waren im letzten Kriegsjahr kaum zu verzeichnen.
[88]
Nachdem es bereits in den Tagen davor zu einigen Irritationen um einen vermeintlichen Waffenstillstand gekommen war, wurde schließlich am 4. November der Ortlergipfel geraumt.
[89]
Viel Ausrustung blieb dabei zuruck. Der Verbleib einiger der Kanonen ist bis heute ungeklart, sie befinden sich vermutlich im Gletschereis.
[90]
Neben Resten der Unterstande ist bis heute ein Stacheldrahtverhau am Hochjochgrat zu finden, das Eis gibt immer wieder Ausrustungsgegenstande der Soldaten und sogar noch scharfe Munition frei.
[91]
[92]
|
|
Die ersten Plane zur Errichtung eines Gipfelzeichens auf dem Ortler fasste bereits der Organisator der Erstbesteigung, Johannes Gebhard, im Jahr 1804. Er legte auch schon den genauen Ort fest. Geplant war eine 26
Fuß
hohe Steinpyramide sowie eine Wetterstation. Mit den Vorarbeiten am Gipfel wie dem Einebnen eines Platzes und dem Brechen von Steinen wurde schon begonnen. Der zeitweilige Verlust Tirols fur das Habsburgerreich zwischen 1805 und 1814 bedeutete neben einer langjahrigen Unterbrechung der Ortlerbesteigungen auch das Ende dieser Plane.
Erst 1888 wurde in Wien aus Anlass des 40-jahrigen Regierungsjubilaums von
Kaiser Franz Joseph I.
das
Ortler-Komite
gegrundet, das sich die Aufstellung des funf Meter hohen
Kaiser-Franz-Joseph-Obelisken
auf dem Ortler zur Aufgabe machte.
[93]
[94]
Zu dieser Zeit wurden auf Gipfeln vermehrt statt der ublichen
Gipfelkreuze
Pyramiden, Fahnen und andere Zeichen weltlicher Macht angebracht.
[95]
Die Aufstellung wurde jedoch von den
alpinen Vereinen
, besonders vom Vizeprasidenten des
osterreichischen Alpenklubs
Julius Meurer
, als undurchfuhrbar bekampft und schließlich verhindert. So kam es zum Jubilaum am 3. Dezember 1888 nicht zur geplanten Einweihung des Denkmals, stattdessen wurde die Fahne des Hauses
Habsburg
am Gipfel gehisst.
[96]
Der Obelisk wurde spater am Stilfser Joch aufgestellt und tragt heute eine 1925 von den
Faschisten
angebrachte Inschrift. Er ist nicht zu verwechseln mit einem weiteren Obelisken an der Stilfser-Joch-Straße, der 1884 vom
Osterreichischen Alpenklub
zu Ehren des Erstbesteigers Josef Pichler errichtet wurde.
Am 1. August 1954 errichtete schließlich die
Sektion
Vinschgau des
Alpenvereins Sudtirol
zum 150. Jahrestag der Erstbesteigung ein Gipfelkreuz. Das 3,5 Meter hohe Kreuz war mit den Worten ?Gott mit uns“ und ?1804 ? 150 Jahre Ortlerbesteigung ? 1954“ beschriftet und wurde am 29. September 1954, dem Tag nach der 150-Jahr-Feier in Trafoi eingeweiht.
[97]
Aus Anlass des 200. Jubilaums der Erstbesteigung wurde das Kreuz 2004 renoviert und am 31. Mai neu errichtet und gesegnet.
[98]
Am Kreuz war auch ein
Gipfelbuch
angebracht. Vermutlich am 26. August 2012 wurde das Kreuz aus seiner Verankerung gerissen und sturzte in die
Schuckrinne
.
[99]
In der Folge fertigten Berufsschuler aus
Schlanders
und
Brixen
ein neues, etwa 380 kg schweres Gipfelkreuz aus
Edelstahl
.
[100]
Am 12. Juni 2013 wurde es mit einem Hubschrauber auf den Berggipfel gebracht und dort montiert.
[101]
Darstellungen des Ortlers zur Zeit seiner Erstbesteigung, wie etwa jene des Wiener Malers
Ferdinand Runk
, stellen den weithin sichtbaren Berg noch vorwiegend als Hintergrund der abgebildeten Dorfer und Burgen dar. Neben Darstellungen lokaler Kunstler wie etwa
Johann Georg Schaedler
kam es ab den 1820er Jahren zu einer Popularisierung der Ortleransichten vor allem durch Druckgrafiken in Reiseberichten und touristischen Alben. Ein Beispiel hierfur war
Jakob Alt
, der den Berg in mehreren
Lithografien
und
Aquarellen
darstellte. Weitere Kunstler dieser Zeit, wie
Thomas Ender
und
Eduard Gurk
, stellten den Ortler bereits außerst detailliert dar, eine Entwicklung, die mit
Edward Theodore Compton
ihren Hohepunkt erreichte. Compton, selber erfahrener Alpinist, malte den Ortler nicht nur in Gesamtansichten aus zahlreichen Perspektiven, sondern stellte auch Details der Gletscher sowie Bergsteiger beim Aufstieg und am Gipfel dar. Im Gegensatz dazu gestalteten Kunstler wie
Franz Richard Unterberger
und
Heinrich Heinlein
ihre Ortlerdarstellungen aus einer
romantischeren
Perspektive.
[102]
In der Literatur entsprachen etwa die Ballade ?Die Bergfrau vom Ortles“ von
Karl Egon Ebert
, in der die Reise eines mystischen Bergfrauleins vom Ortler in die Welt beschrieben wird, oder das Gedicht ?Ortles“ von
Angelika von Hormann
dieser romantischen Sicht.
[103]
Der
Expressionist
Emil Nolde
stellte den Berg 1898 in seinem Bild ?Der Ortler traumt von verschwundenen Zeiten“ als schlafenden Riesen dar.
[104]
Im 19. Jahrhundert kam es zu einer starken nationalistisch-ideologischen Vereinnahmung des Ortlers. Bereits 1838 wird in
Johann Chrysostomus Senns
patriotischem Gedicht
Der rothe Tiroler Adler
das
Alpengluhen
am Ortlergipfel als Grund fur die rote Farbe des
Tiroler Wappentiers
genannt.
Adolf Pichler
griff dieses Motiv auf und stilisierte den Ortler in seinem Gedicht
Am Orteles
zum Sitz des Tiroler Adlers, der dort an die Siege
Andreas Hofers
erinnert. Politische Vereinigungen wie der
Sudmark-Bund der Deutschen zur Erhaltung ihres Volkstums im In- und Ausland
inszenierten spater den hochsten Berg der Monarchie auf
Wehrschatzmarken
als Grenzpfeiler der deutschen Kultur. Durch die Bedeutung wahrend des Gebirgskriegs wurde diese Tendenz noch verstarkt und der Ortler in der Kriegspropaganda instrumentalisiert. Eine Darstellung der Ortlergeschutze vom osterreichischen Maler Max von Poosch (1872?1968) mit dem Titel ?Ortlerwacht“ wurde in Nachdrucken in der ganzen Monarchie verbreitet, das Kriegsfursorgeamt brachte Postkarten des Ortlers heraus.
Auch in der Literatur wurde die Ortlerfront glorifiziert,
Georg von Ompteda
etwa beschrieb die Besatzung der Ortlerstellung als ?Die letzten Goten vom Vesuv“. Das
Bozner Bergsteigerlied
aus dem Jahr 1926 greift wahrend der offiziellen Nichtexistenz Sudtirols in der Zeit des
Faschismus
die symbolische Bedeutung des ?Konig Ortler“ als westliche Begrenzung des Landes auf.
[105]
Ab Ende des 19. Jahrhunderts ruckte der Ortler in den Fokus der Fremdenverkehrswerbung und wurde als Werbetrager fur verschiedenste Produkte, wie etwa
Liebigs Fleisch-Extract
oder
Milka-Schokolade
eingesetzt. Bis heute werden etwa Speck und Kase unter dem Namen Ortler vermarktet.
[8]
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