Die
Organisationspsychologie
ist ein Nachbargebiet der
Wirtschaftspsychologie
, das sich mit der Wechselwirkung von Individuen und
Organisationen
befasst. Dazu gehoren Beschreibung und Veranderung von Erleben,
Verhalten
und Einstellungen von Menschen in Organisationen sowie von Bedingungen, die diese Zustande und Veranderungen beeinflussen. Im Gegensatz zur
Organisationssoziologie
beschaftigt sich die Psychologie in diesem Kontext primar mit Strukturen und Prozessen auf Individualebene.
[1]
[2]
Die
Betriebspsychologie
stellt einen anwendungsorientierten Nachbarbereich der Organisationspsychologie dar, der sich bei den Analysen auf ein okonomisches Umfeld beschrankt.
Die Analyse bezieht sich auf Menschen sowohl in profitorientierten
Unternehmen
(
Industrie
,
Handwerk
) als auch in Non-profit-Organisationen (
Krankenhauser
,
Hochschulen
usw.).
Inhaltlich werden in der Organisationspsychologie u. a. folgende Themenbereiche behandelt:
- Organisationswahl durch das
Individuum
- Personalauswahl
- Kommunikation
in Organisationen
- Lernen in Organisationen
- Sensemaking
- Aspekte der
Arbeitsanalyse
,
Personalentwicklung
,
Coaching
- Gruppen und Gruppenarbeit
- Konflikte
und
Konfliktmanagement
- Arbeitsmotivation
,
Arbeitszufriedenheit
- Anwesenheitsmotivation
- Zeitmanagement
- Mobbing
,
Innere Kundigung
- Arbeitsschutz
:
Stress
,
Burnout-Syndrom
,
psychische Belastung
,
Arbeitszeit
- Fuhrungspsychologie
- Interkulturelles Management
,
Diversitat
,
Gleichbehandlung
- Organisationsklima
,
Organisationskultur
- Fehlzeiten
,
Fluktuation
Wegen enger sachlogischer Zusammenhange mit zwei angrenzenden Bereichen wird die Organisationspsychologie in Deutschland im Rahmen der sogenannten
ABO
(Arbeits-, Betriebs- und Organisationspsychologie) gelehrt. Die
Arbeitspsychologie
umfasst jedoch vor allem die Analyse, Bewertung und Gestaltung menschlicher Arbeitstatigkeiten sowie die Interaktion von Mensch und Maschine (
Ingenieurpsychologie
), Letzteres beispielsweise mit der Analyse psychologischer Bedingungen fur
sicheres Arbeiten
. Des Weiteren sind die Leistungsmoglichkeiten der Organisationspsychologie auch im Zusammenhang mit dem pragmatisch orientierten fachlichen Inventar der
Betriebspsychologie
zu diskutieren, die ihrerseits der uber den wirtschaftlichen Kontext hinausreichenden Organisationspsychologie systematisch untergeordnet ist.
Die Arbeits- und Organisationspsychologie (AO-Psychologie) nutzt verschiedene Methoden der empirischen Wissenschaft, darunter Labor-, Feld- und Aktionsforschung. In der AO-Psychologie gibt es im Wesentlichen keine Unterschiede zu
empirischen Untersuchungen
. Haufig gibt es jedoch geringe Differenzen in wichtigen Details der Vorgehensweise.
Ein Unterschied gegenuber Grundlagendisziplinen zeigt sich daran, dass in der AO-Psychologie Anlass und Ziel der Untersuchung nicht dem eigenen Interesse entsprechen, sondern von außen vorgegeben werden. Wie auch in der
empirischen Forschung
geht es darum, eine konkrete
Forschungsfrage
zu formulieren, um anschließend eine uberprufbar formulierte
Hypothese
aufzustellen. Der weitere Forschungsprozess lauft nach den Gesetzmaßigkeiten der
empirischen Forschung
ab.
Metaanalysen
stellen in der Arbeits- und Organisationspsychologie einen der wichtigsten Bestandteile des Forschungsprozesses dar.
Zur Arbeits- und Organisationspsychologie gehoren mehrere Unterfelder:
Die Personalpsychologie beschaftigt sich mit den Prinzipien der Auswahl und der Beurteilung von Arbeitern. Hierzu bedient sie sich unterschiedlichen psychologischen
Methoden
. Personalpsychologen haben die Aufgabe, passende Bewerber zu erkennen, sie einzuladen und anzustellen. Sie ordnen also Menschen bestimmte Jobs zu, konnen Fahigkeiten fur den Job identifizieren und entscheiden uber Auswahlmethoden. Außerdem gehort es zu ihren Aufgaben, neue Angestellte in den jeweiligen Job einzufuhren und sie zu trainieren. Personalpsychologen entwickeln hierzu neue Trainingsprogramme und
evaluieren
diese. Im Personalbereich arbeiten Psychologen haufig mit
Juristen
und
Betriebswirten
zusammen. Zu den drei Kernbereichen der Personalpsychologie zahlen
Personalauswahl
,
Personalbeurteilung
und
Personalentwicklung
.
Die
Ingenieurpsychologie
und Human-Factors-Psychologie untersuchen, wie Maschinen und Mitarbeiterumfelder entworfen werden mussen, um sich den menschlichen Fahigkeiten optimal anzupassen.
Die Organisationspsychologie im engeren Sinne betrachtet die
Wechselwirkung
zwischen dem gegebenen Arbeitsumfeld mit dessen
Fuhrungsstilen
und der
Motivation
, der Zufriedenheit und Produktivitat der Arbeiter. Ein Organisationspsychologe will also die Arbeitszufriedenheit und die Produktivitat der Arbeiter maximieren, indem er die Jobs und die Kontrolle auf eine bestimmte Weise verandert.
Schon lange vor der Entwicklung des Fachs gab es theoretische und praktische Ansatze zur Losung der Probleme der Organisationspsychologie, da diese schon immer sehr bedeutsam fur die Menschheit waren. Die geschichtliche Entwicklung der AO-Psychologie und ihr Teilgebiet als eigenstandige Teildisziplin der
Psychologie
bezieht sich im Wesentlichen auf die letzten 100 Jahre. In Nordamerika wird der Beginn der wissenschaftlichen Organisationspsychologie oft auf das Jahr 1901 angesetzt, indem Walter Dill Scott einen Vortrag in Chicago hielt, indem es um die Anwendung der Psychologie auf die Werbung ging. Allerdings wird in der Wissenschaft an dieser Datierung gezweifelt, da es vereinzelt noch altere Beispiele gibt.
Begrunder der eigentlichen Organisationspsychologie ist der
Soziologe
Max Weber
. Er lieferte eine Begrundung fur die Vorstellung einer
Organisation
als reibungslos funktionierende Maschine. Neben fruhen physiologischen Untersuchungen zur
Arbeitspsychologie
liegen die Ursprunge wissenschaftlich fundierter AO-Psychologie inhaltlich insbesondere in der
Berufseignungsdiagnostik
.
[3]
Das Ehepaar
Lillian Evelyn Gilbreth
und ihr Ehemann
Frank Bunker Gilbreth
waren mit ihren sogenannten
Time and Motion Studies
Pioniere auf dem Gebiet des
Arbeitsstudiums
: Sie zeichneten die Bewegungen von Arbeitern bei ihrer Tatigkeit auf Film auf und analysierten die Filme Frame fur Frame und Korperteil fur Korperteil, mit dem Ziel, unnotigen Kraft- und Zeitaufwand zu eliminieren.
[4]
In den 1920er Jahren untersuchte
Kurt Lewin
arbeitspsychologische Fragestellungen. Er beschaftigte sich intensiv mit der Entwicklung von Selbstverstandnis, mit Vorgehensweisen bei der
Organisationsentwicklung
und mit
Erziehungs- bzw. Fuhrungsstilen
. Erst nach dem
Zweiten Weltkrieg
entstand die Arbeits- und Organisationspsychologie in ihrer heutigen Form.
- Simone Kauffeld (Hrsg.):
Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie fur Bachelor.
2., uberarbeitete Auflage. Springer, Berlin u. a. 2014,
ISBN 978-3-642-42064-1
.
- Bernd Marcus:
Einfuhrung in die Arbeits- und Organisationspsychologie.
VS ? Verlag fur Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2011,
ISBN 978-3-531-16724-4
.
- David G. Myers
:
Psychologie.
3., vollstandig uberarbeitete und erweiterte Auflage. Springer, Berlin u. a. 2014,
ISBN 978-3-642-40781-9
.
- Friedemann W. Nerdinger
,
Gerhard Blickle
, Niclas Schaper:
Arbeits- und Organisationspsychologie.
3., vollstandig uberarbeitete Auflage. Springer, Berlin u. a. 2014,
ISBN 978-3-642-41129-8
.
- Derek S. Pugh
:
Modern organizations theory: A psychological and sociological study.
In:
Psychological Bulletin
.
Bd. 66, Nr. 4, 1966, S. 235?251,
doi
:
10.1037/h0023853
.
- Lutz von Rosenstiel
, Friedemann W. Nerdinger:
Grundlagen der Organisationspsychologie. Basiswissen und Anwendungshinweise.
6., uberarbeitete Auflage. Schaffer-Poeschel, Stuttgart 2007,
ISBN 978-3-7910-2523-0
(7., uberarbeitete Auflage. ebenda 2011).
- Heinz Schuler
(Hrsg.):
Lehrbuch Organisationspsychologie.
3., vollstandig uberarbeitete und erweiterte Auflage. Huber, Bern u. a. 2004,
ISBN 3-456-84019-5
(5., vollstandig uberarbeitete Auflage. ebenda 2014,
ISBN 978-3-456-85292-8
).
- Ansfried B. Weinert:
Organisations- und Personalpsychologie.
5., vollstandig uberarbeitete Auflage. Beltz PVU, 2004, Weinheim u. a. 2004,
ISBN 978-3-621-27490-6
.
- ↑
Vgl.
Veronika Tacke
:
Organisationssoziologie.
In:
Georg Kneer
,
Markus Schroer
(Hrsg.):
Handbuch Spezielle Soziologie.
VS-Verlag, Wiesbaden 2010,
ISBN 978-3-531-15313-1
, S. 341?359.
- ↑
Vgl.
Gunter Endruweit
:
Organisationssoziologie
(=
UTB
.
2515). 2., uberarbeitete und erweiterte Auflage. Lucius & Lucius, Stuttgart 2004,
ISBN 3-8252-2515-1
, S. 16.
- ↑
Bernd Marcus:
Einfuhrung in die Arbeits- und Organisationspsychologie.
2011, S. 29.
- ↑
Time and Motion Studies: Die Vermessung von Arbeit.
[fernetzt], Junges Forschungsnetzwerk Frauen- und Geschlechtergeschichte,
abgerufen am 24. Mai 2021
.