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Die
Oosterbeeker Schule
hatte ihre Wirkungszeit von 1841?1870. Sie ist mit die alteste
Kunstlerkolonie
in den
Niederlanden
und gilt als die Wiege der
Haager Schule
in der Tafelmalerei. Das Dorf
Oosterbeek
ist im Zusammenhang mit dem Flecken Wolfheze und den einmaligen, sehr abwechslungsreichen und vielfaltigen Bildern der Landschaft und der landlichen Bevolkerung zu sehen. In dieser Kunstlerkolonie fanden jene Maler zusammen, die den spateren Kern der Haager Schule und des
Pulchri Studios
bilden sollten, aus der auch im Jahre 1878 die
Hollandse Teekenmaatschappij ? Niederlandische Zeichengesellschaft
hervorging. Diese Schule war die Abwendung von der
Romantik
und dem
Realismus
. Sie ist das niederlandische Pendant zur franzosischen
Schule von Barbizon
und der ihr folgenden Phase des
Vorimpressionismus
bzw.
Impressionismus
und der spater einsetzenden
Moderne
.
Die Landschaftsmalerei des
1. Goldenen Zeitalters der Malerei der Niederlande
zur Zeit der 7 Republiken erlebte hier ihren Aufschwung. Die Landschaftskunst dieser Zeit hatte eine Typologie erreicht, die fur kommende Generationen von Malern sowohl in den Niederlanden als auch im Ausland richtungsweisend sein sollte. In der Bildgattung der Landschaftsmalerei hatten sich die Motive in die
- Uberblickslandschaft,
- Panoramalandschaft,
- Gebirgslandschaft,
- Winterlandschaft,
- Waldlandschaft,
- Flusslandschaft,
- Dunenlandschaft,
- Kustenlandschaft und
- Seelandschaft,
zergliedert. Diese sind kennzeichnend fur die niederlandische Malerei des 17. Jahrhunderts.
[1]
Schon zu jener Zeit waren Landschaften von
Jan van Goyen
(1596?1656),
[2]
Simon de Vlieger
(1601?1653),
[3]
Aert van der Neer
(1603?1677),
[4]
Jan Wijnants
(1632?1684)
[5]
und Meidert Hobbema (1638?1709)
[6]
die Wegbereiter dieser Bildgattung.
Oosterbeek liegt in der Nahe der Auslaufer des Rheins, etwa 4,0 km westlich von Arnheim, in der
Provinz Gelderland
. Auch wenn in der Fachwelt immer nur von Oosterbeek gesprochen wird, ist der etwa 5,5 km weit entfernte Flecken Wolfhese von immanenter Wichtigkeit. Zwischen diesen beiden Orten liegen zum Teil noch heute unberuhrte Waldstucke, Heidelandschaften, der beruhmte Wotanwald mit seiner Wotaneiche,
[7]
Feuchtgebiete und die Flusslandschaften. Daruber hinaus war hier das Landleben seit dem 1. Goldenen Zeitalter der Niederlande nahezu unberuhrt geblieben.
Als Ausgangspunkt fur die Abwendung von der akademischen
Ateliermalerei
mit den vorgegebenen Motiven des
Neoklassizismus
sowie der traditionellen Kunstauffassung erwuchs aus den Revolutionen von
1798
und
1830
in Frankreich auch in der Malerei ein enormer Umbruch. Dies fuhrte zu einer geistigen Auseinandersetzung um die Werte der Tradition bzw. des Vorschritts. Damit war auch in der
Tafelbildmalerei
der Aufbruch in eine geistige Gegenwelt getan. Als Motive wurden zusehends das Greifbare wie der Mensch und sein Leben und die Natur aufgegriffen ? ja selbst das nicht Schone wurde jetzt als malenswert erachtet. Allerdings trat zunachst die Stilrichtung der
Romantik
auf den Plan.
Indes sammelten sich in Paris junge progressive Kunstler wie u. a.
Corot
,
Cabat
, Alexandre-Gabriel Deschamps,
Delacroix
,
Deveria
,
Huet
,
Rousseau
. Sie hoben die Ecole de 1830
[8]
aus der Taufe und schafften es sogar, in die Kunstausstellung des
Salon de Paris
zugelassen zu werden.
[9]
Der Funke dieser neuen Stromung der Malerei sprang letztendlich auch auf die Maler der Niederlande uber.
Der Pinselstrich, der Beleuchtungskorper, und die Palette mit den gewahlten Farben entfernten sich zusehends von der in den staatlich gelenkten Kunstakademien vorgegebenen Leitlinie. Auch kam die alte
Aquarelltechnik
eines
Albrecht Durer
wieder in Mode.
[10]
Im England des 18. und 19. Jahrhunderts wurde die Aquarelltechnik soweit verfeinert, dass sie hier als eigenstandige Kunst anzusehen ist. Hierunter fallen auch solche Motive wie
- Waldlandschaft,
- Dunenlandschaft,
- Flusslandschaft,
- Kustenlandschaft,
- Seelandschaft und
- Sittengemalde.
Greift man die Namen und die Werke ab, so spricht der Kunsthistoriker von dem ?Großen Zeitalter der Britischen Wasserfarben“ ? den
British Watercolours
. Ihre Hochzeit beginnt um 1750 und dauert etwa 150 Jahre an.
[11]
Wichtig ist vor allem die Moglichkeit, mit leichtem Pinselstrich in Verbindung mit dem Farbstoff, sowie durch die Transparenz des saugenden Malgrundes das Bild leuchtkraftiger zu machen. Die Moglichkeiten dieser Maltechnik, die auch in dem Wirken von
Richard Parkes Bonington
[12]
und
John Constable
[13]
staken, fand ihren Weg in die Pariser Kunstwelt und kam beim Publikum zusehends an.
Fur die Niederlande bedeutete dies eine recht interessante Entwicklung. In jener Zeit zeichnete sich auch hier Unzufriedenheit bei Schulern in ihrer Ausbildung der
Rijksakademie van beeldende kunsten zu Den Haag
ab. Die Abkehr von den akademischen Kompositionsregeln und ihren Bildgegenstanden zur Kunstlerkolonie und der damit verbundenen freien Wahl des malerischen Bildvortrags nach dem personlichen Eindruck von Mensch und Natur war dann nur noch eine Frage der Zeit.
Um das Jahr 1840/41 hatte sich der Landschaftsmaler Johannes Warnardus Bilders
[14]
in Oosterbeek eingefunden, um direkt nach der Natur zu malen. Dabei konzentrierte er sich auf einen Landschaftsausschnitt und wahlte eine realistische Darstellungsweise. Hier stieß er auf Frederik Hendrik Hendriks.
[15]
Im Jahre 1852 ließ er sich nach einem Aufenthalt in Utrecht endgultig hier nieder. Am Beginn von Oosterbeek gab es zunachst nicht die
Kunstlerkolonie
im Sinne des Zusammenfindens von Gleichgesinnten in der Landschaftsmalerei, sondern es handelte sich zunachst um
Kunstlerindividuen
wie Bilders und Hendriks. Diese hatten sich der lebenden Natur als Teil der unberuhrten Landschaft und der Darstellung des landlichen Lebens zugewandt. Vorbild waren vor allem die italienischen und niederlandischen Bildkompositionen.
Zu jener Zeit ruckte Oosterbeek langsam in den Blickpunkt von Kunstinteressierten, die dort Sommerresidenzen mit vielen Gastezimmern errichten ließen. Einer der wichtigsten Namen war damals Jan Kneppenhout, der zum Mazen von Gerhard Bilders
[16]
werden sollte. Kneppenhout besaß das Landhaus ?De Hemelsche Berg“ (Der himmlische Berg); weitere Beherbergungsstatte war auch ?De Oorsprong“ (Der Ursprung).
Der altere Johan Warnardus Bilders zog eine ganze Reihe von jungen Kunstlern als Lehrer und Mentor an. Zu ihnen zahlen u. a. solche Namen wie
Anton Mauve
und die Gebruder
Jacob
,
Matthijs
und
Willem Maris
. Hier machte Willem Maris Bekanntschaft mit Anton Mauve, der hier seine Art der Landschaftsmalerei zu entwickelten verstand. Zu Beginn seiner Schaffensphase kam sogar
Jan Toorop
[17]
hierher. Er nahm die Stationen des Kreuzes in der Kirche von St. Bernulphus am Utrechtseweg auf.
Die im Aufwind befindliche Kunstlerkolonie und das damit einhergehende Verstandnis zur Landschaft und ortsansassigen Bevolkerung sowie die hier aufgebauten Kontakte der Kunstler untereinander sind der Ursprung und der Erfolg der spateren
Haager Schule
als
Niederlandischer Impressionismus
.
Wichtig sind vor allem die in Oosterbeek geschlossenen Freundschaften der Kunstler und die daraus im Jahre 1847 gegrundete Kunstlergenossenschaft
Pulchri Studio
. Letztendlich profitierte diese Genossenschaft von dem Zustrom von Kunstlern aus Oosterbeek, denn eines ihrer erklarten Ziele war auch die Verkaufsforderung ihrer Mitglieder.
Aus den Niederlanden waren erstmals
Jozef Israels
(1850) und
Willem Roelofs
(1851) angereist, die in den Sommermonaten an Malausflugen teilgenommen hatten. Diese Erlebnisse und Erfahrungen der
Freilichtmalerei
nahmen sie mit nach den Niederlanden und dann letztendlich mit nach Oosterbeek und Wolfheze. Auch gingen Jacob Maris (1964), Theophile de Bock und J.H. Weissenbruch
[18]
dorthin, um die Atmosphare um die hier einzigartige Maltechnik
[19]
zu erlernen.
Die
Freilichtmalerei
fuhrte zu einer Veranderung der Vorgehensweise bei der Erstellung des Bildes. Zunachst wurden andere Bindemittel und Pigmente genommen, was wegen der gewunschten schnelleren Abbindezeit erforderlich wurde. Auch das Vorskizzieren mit Olfarbe uber einfache Strichfuhrungen auf der Leinwand gehorte zur Veranderung. Hinzu kommt noch das Wiederaufgreifen der
Aquarelltechnik
als die leichte Handhabung des Pinsels. Auch die Art der Maltechnik vollzog einen großen Wandel. Zunachst war genau vorgezeichnet worden, eine bis ins Detail gehende Zeichnung, also die Technik eines
Albrecht Durers
, vom Feinen ins Feinste. Jetzt entwickelte sich zusehends eine neue Freiheit in der Malerei. Schon
Tizian Vecellio
hatte dies vorgemacht. Die Vorzeichnung war sehr grob gehalten, dann erfolgte das Auftragen der dunnen Malschichten. Die Vollendung erfolgte erst nach und nach mit der bekannten abschließenden Durchdetaillierung. Das Arbeiten in der Schlussphase nass in nass war seit der
Renaissance
bekannt und gebrauchlich. Diese aus der Hochzeit der klassischen italienischen Malerei erfolgreich umgesetzte Technik fand im Vor-Impressionismus und im Impressionismus zuruck. Dabei war eine rasch trocknende Untermalung von Wichtigkeit und ein Schwimmen im Leinol wurde vermieden! ? Hinzu kam eine sehr wichtige Erfindung. Der Maler John Rand hatte am 11. September 1841 das Patent auf eine
Zinntube
als Aufbewahrungsgefaß fur Olfarben bekommen. Die englische Firma Windsor & Newton hatte dann Blei genommen und diese Erfindung 1851 auf der
Weltausstellung zu London
prasentiert. Damit war die wesentliche Voraussetzung der Freilichtmalerei erfullt, weil die Farbe konserviert mit im Feldmalkasten mitgenommen und vor Ort verarbeitet werden konnte.
Zum Farbauftrag: Der Grundton eines Bildes konnte durch einen direkt auf dem Malgrund aufgetragenen Vorton erfolgen, der dann eben jene dunkle Stimmung der Hager Schule der ersten Generation mit erzeugt hatte.
[20]
Die handwerkliche Technik war, vom Groben ins Feine zu gehen. Und man war bei der Freilichtmalerei schneller als bei der Ateliermalerei. Bei letzterem war man nicht so sehr auf Schnelligkeit angewiesen und die Farben konnten in Ruhe antrocknen.
Die Art der Darstellungstechnik vollzog auch einen wesentlichen Wandel und war charakteristisch fur den Umbruch:
- man wandte sich an eine an der Wirklichkeit orientierte Farb- und Lichtbehandlung,
- es wurde das landschaftliche Ambiente thematisiert,
- das volkstumliche Sittenbild wurde popular,
- Milieuschilderungen bis zur Satire wurden wieder wichtig,
- das Raum- und Formempfinden wurde wesentlich geandert,
- die Textur des Pinsels wurde zur Formensprache genutzt und
- die ehemals scharfen Kanten wurde gebrochen, ja beinahe verwischt.
Durch den Zuzug von Nichtkunstlern, den Aufkauf von Grundstucken sowie die Zersiedlung wurde das Bild von Oosterbeek als Kunstlerkolonie wesentlich verandert. Damit verlor der Ort zu einem Teil seinen ursprunglichen, seit Jahrhunderten unberuhrten Charakter und andererseits setzte eine gewisse Unruhe ein.
- ↑
Vergleiche hierzu auch Gaschke und Stocker, S. 12?15.
- ↑
Hier ist die ?Ansicht von Haarlemmeer“ von 1644 als Panoramalandschaft wichtig.
- ↑
In diesem Zusammenhang wird auf ?Der Strand von Scheveningen“ aus dem Jahre 1633, das der Kustenlandschaft zuzurechnen ist, verwiesen
- ↑
Das Thema ?Mondscheinlandschaft mit Fluß“, etwa um 1645/50 entstanden, ist ein gutes Beispiel fur Flußlandschaft ? Die Kuhe, welche bei den Malern der Haager Schule, besonders bei
Albertus Gerardus Bilders
eine wesentliche Rolle spielen sollten, waren hier schon Bildgegenstand!
- ↑
?Dunenlandschaft mit Vieh“ von 1667 ist in der Tradition der niederlandischen Dunenlandschaft.
- ↑
Die ?Wassermuhle mit großem roten Dach“ reprasentiert die Waldlandschaft und die Urwuchsigkeit der Natur durch die starke knorrige Baumgruppe, die im Gegensatz zu dem Eingriff durch den Menschen in Form der Wassermuhle und dem winzigen, sehr kleinen Menschen als Statisten steht. Gerade diese Statistenrolle sollte der Mensch in dieser Landschaftsmalerei beibehalten.
- ↑
Odin oder Wotan ist der Hauptgott der nordischen Mythologie, also der Gottvater. Die Edda ist die wichtigste Uberlieferung, weiterfuhrend wird auf Jan de Vries verwiesen.
- ↑
Diese Malerschule Ecole de 1830 erhielt von einem englischen Kunsthandler den treffenden Namen Ecole de Barbizon. Dieser Name triff es eher, zumal hiesige Landschaft und das ortlich Landleben als Motiv gewahlt wurde.
- ↑
Es waren Huet, Corot, Narcisse, Diaz de la Pena,
Jules Dupre
und Theodore Rousseau gelungen im Pariser Salon von 1831 ausstellen zu durfen.
- ↑
Albrecht Durer lebte von 1471 bis 1528 in Nurnberg und unternahm viele Reisen. Neben seinen Olgemalden sind vor allem seine Aquarelle, die auch zu Studienzwecken erstellt wurden, aus kunsthistorischer Sicht von Wichtigkeit ? siehe auch Piel Abb. 1 (Weiherhaus) und Abb. 12 (Weidenmuhle).
- ↑
siehe auch Wilton und Lyles
- ↑
Richard Parkes Bonington zahlt mit zu den wichtigsten Vertretern der englischen Aquarellisten jener Zeit, der langere Zeit in Frankreich verbrachte und auch Kontakt zu wesentlichen Vertretern der "Schule von 1830" hatte. Er lebte von 1801 bis 1828. Besonders wichtig ist die Zeit im Studio von Baron Antoine-Jean Gros ab 1819, welches im Institut de France war, und die sich daraus entwickelnden Kontakte zu franzosischen Studenten der darstellen Kunst ? siehe hierzu auch Noon, S. 18 ff. Hier kam er auch mit Delacroix zusammen.
- ↑
John Constable war ein englischer Landschaftsmaler, der der Olmalerei verhaftet war. In seinem Œuvre sind auch Einflusse von
William Turner
festzustellen. Er lebte von 1790 bis 1845. Hier ist sowohl die Verleihung der Medaille im Pariser Salon von 1825 fur Sein Gemalde "Der Heuwagen - Landscape: Noon" sowie der Einfluss uber Delacroix und
Gericault
auf die franzosischen Nachwuchskunstler ausschlaggebend.
- ↑
Johannes Warnardus Bilders lebte von 1811 bis 1890 und war Landschaftsmaler der Romantik. Er hatte in seinen Bildern schon stimmungsvolle Lichteffekte und das gedampfte Licht eingefangen und bewegte sich damit schon im Geiste der neuen Stromung.
- ↑
Frederik Hendrik Hendriks (1808?1865) hatte im Raum um Wolfheze viele Motive festgehalten.
- ↑
Gerhard Bilders war der Sohn von John Warnardus Bilders
- ↑
Obwohl er dem Jugendstil zugerechnet wird, hatte er sich anfanglich auch der Oosterbeeker Schule zugewandt.
- ↑
Weissenbruch zahlte zu den letzten Besuchern von Barbizon, als seine Bedeutung als Kunstlerkolonie schon verblasst war
- ↑
Bei den Olfarben der Freilichtmalerei kam es auf eine schnellere Trocknungszeit bei Beibehaltung von Fließfahigkeit, Konsistenz und Dauerhaftigkeit von Farbkorper zum Traggrund an.
- ↑
Dabei kam es immer darauf an, ob mit der Technik der Primamalerei gearbeitet wurde oder auf jeweils einem medienfarbigen Grund.
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