Noricum-Skandal

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Der Noricum-Skandal bzw. die Noricum-Affare ist der Sammelbegriff fur illegale, spater von der Justiz und einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss untersuchte Waffenlieferungen des osterreichischen VOEST -Tochterunternehmens Noricum Anfang der 1980er Jahre. Empfanger der Artilleriegeschutze vom Typ GHN-45 waren die beiden Kriegsparteien des Ersten Golfkriegs , die Staaten Irak und Iran .

Illegale Waffenexporte in kriegfuhrende Lander [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Zwischen 1981 und 1983 belieferte Noricum den Irak uber das getarnte Empfangerland Jordanien mit Artilleriegeschutzen des Typs Gun Howitzer Noricum (GHN-45). Dies war, ebenso wie die spateren Waffenlieferungen an den Iran uber Libyen, ein klarer Verstoß gegen ein gerade erst verscharftes Bundesgesetz, das Waffenlieferungen an kriegfuhrende Staaten untersagte, und in der Folge auch gegen das Strafrecht.

Die beiden Golfkriegsparteien Iran und Irak sollen mit 340 Geschutzen GHN-45 beliefert worden sein, wovon an den Iran 140 gegangen sein sollen. [1]

Verdacht und Aufdeckung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Schon Anfang Juli 1985 hatte der osterreichische Botschafter in Athen , Herbert Amry , mit Fernschreiben und Telegrammen das osterreichische Außenministerium wiederholt uber Hinweise auf illegale osterreichische Waffenexporte in den Iran informiert. Er hatte bei einer internationalen Waffenmesse in Griechenland Noricum-Manager bei Verhandlungen mit Kunden aus kriegfuhrenden Staaten beobachtet. Am 12. Juli 1985 starb der 46-jahrige Amry unter mysteriosen Umstanden, nachdem er zuvor seinen Presseattache Ferdinand Hennerbichler gewarnt hatte, dass man sie beide umbringen wolle, weil sie illegale Waffengeschafte aufgedeckt und an das osterreichische Außenministerium gemeldet hatten. [2] Amrys plotzlicher Tod verhinderte sein fur 13. Juli geplantes Treffen mit jenem Waffenhandler, der Amry uber die illegalen Geschafte informiert hatte. [3]

?Offizielle Todesursache in der Causa Amry: Herzversagen. Rasch wurde die Leiche eingeaschert, bis heute ist der wahre Hergang nicht aufgeklart. Amry hatte mehrmals das Außenamt in Wien uber seinen Verdacht informiert, aber bis heute ist ungeklart, ob die Fernschreiben uberhaupt je bis zum damaligen Außenminister Leopold Gratz gelangt waren. Das vierte ? und entscheidende ? Amry- Telegramm verschwand irgendwo im Innenministerium. Die Buchautoren Kurt Tozzer und Gunther Kallinger fanden erst 1999 im Zuge von Recherchen fur ihr Buch Todesfalle Politik einen Amry-Verschlussakt im Außenamt.“

? Die Presse : Die Super-Kanone aus Liezen [4]

Am 30. August 1985 konnten von Reportern der Zeitschrift Basta in einem jugoslawischen Adriahafen Fotografien von einer Ladung Kanonen, die fur den Iran bestimmt waren, angefertigt werden. [5] Ende 1985 veroffentlichte Basta schließlich ihr vorliegende Informationen und machte damit den Noricum-Skandal einer breiten Offentlichkeit bekannt. [6]

Politische und juristische Folgen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Im Zusammenhang mit der Lucona-Affare , aber auch wegen des Noricum-Skandals trat Innenminister Karl Blecha im Februar 1989 zuruck. [7]

Die rechtswidrigen Waffenverkaufe, und der Verdacht auf eine einhergehende Beteiligung von fuhrenden osterreichischen Politikern, fuhrten am 27. September 1989 zur Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gegen die Stimmen der SPO .

Die verantwortlichen Manager wurden 1991/93 [8] bzw. 1994/95 [9] wegen Neutralitatsgefahrdung unter bedingter Strafnachsicht verurteilt. Von den involvierten Politikern wurden Bundeskanzler Fred Sinowatz und Außenminister Leopold Gratz freigesprochen; Innenminister Karl Blecha wurde verurteilt [10] und erhielt unter anderem wegen Urkundenunterdruckung eine neunmonatige Haftstrafe, die fur eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. [11]

Die Unterlagen im Umfang von 300.000 Aktenseiten befinden sich im oberosterreichischen Landesarchiv und stehen unter Verschluss. Sie sind daher einer wissenschaftlichen Aufarbeitung nicht zuganglich, was weiterhin Nahrboden fur Spekulationen um verschiedene Vorgange und Folgen der Waffenverkaufe bietet. [12]

Siehe auch [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Noricum-Skandal. In: dasrotewien.at ? Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie. SPO Wien (Hrsg.)
  2. Die Presse : Die Super-Kanone aus Liezen (Artikel vom 29. Dezember 2005).
  3. Amry-Witwe ist nicht sicher, ob ihr Mann eines naturlichen Todes starb . Oberosterreichische Nachrichten vom 23. April 1993. S. 2.
  4. Die Presse : Die Super-Kanone aus Liezen (Artikel vom 29. Dezember 2005).
  5. Jubilaum ohne Jubel: Noricum , burkhartlist.de
  6. Die Zeit : Wenn Spatzen Kanonen exportieren (Artikel vom 9. April 1993)
  7. Die Presse : Noricums Kanone brachte den Tod
  8. LG Linz , 30 Vr 305/87 (1. Februar 1991); OGH , 13 Os 67/91 (21. Januar 1993): 18 Angeklagte, 7 verurteilt
  9. LG Linz, 36 Vr 1478/88 (29. Juni 1994); OGH, 13 Os 189/94 (21. Juni 1995): 8 Angeklagte, 7 verurteilt (2 davon bereits im ersten Verfahren)
  10. LGSt Wien , 20 q Vr 2623/92 (24. Juni 1993)
  11. Der Standard : Interview mit Karl Blecha: "Vergessen konnen halt jung"
  12. ?Menschen & Machte“-Doku ?Die Akte Noricum ? Osterreichs geheime Waffengeschafte“. 6. Dezember 2023, abgerufen am 3. Januar 2024 .