Der
Nobelpreis fur Physik
(
Schwedisch
Nobelpriset i fysik
) gilt als die hochste Auszeichnung von Leistungen auf dem Gebiet der
Physik
. Er wird jahrlich gemeinsam mit den
Nobelpreisen
fur
Physiologie oder Medizin
,
Chemie
und
Literatur
sowie dem
Alfred-Nobel-Gedachtnispreis fur Wirtschaftswissenschaften
am 10. Dezember, dem Todestag des Stifters
Alfred Nobel
, in
Stockholm
verliehen.
Nach dem
Testament
Nobels sollen die Ertrage der fur den Preis von ihm vorgesehenen Mittel an diejenigen gehen, die der Menschheit im vergangenen Jahr den großten Nutzen gebracht haben. Der Preis ist in funf Kategorien geteilt, auf die das Preisgeld zu gleichen Teilen verteilt wird. Der Physikpreis soll an denjenigen gehen, der ?auf dem Gebiet der Physik die bedeutendste Entdeckung oder Erfindung gemacht hat“. Als Vergabeinstitution hat Nobel die
Koniglich Schwedische Akademie der Wissenschaften
bestimmt.
Der Nominierungsprozess fur den
Nobelpreis
beginnt im September, d. h. vor der Bekanntgabe der Vorjahrespreistrager, mit der Versendung von Einladungen an Wissenschaftler zahlreicher Lander durch die
Schwedische Akademie der Wissenschaften
, in denen diese um Vorschlage fur Kandidaten fur den Nobelpreis des kommenden Jahres gebeten werden. Im Einzelnen sind dies
- schwedische und auswartige Mitglieder der
Koniglich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften
- Mitglieder des
Nobelkomitees
fur Physik
- bisherige Preistrager
des Nobelpreises fur Physik
- Ordentliche und Außerordentliche Professoren der Physik an den Universitaten und technischen Instituten in Schweden, Danemark, Finnland, Island und Norwegen sowie dem
Karolinska Institutet
in Stockholm
- Inhaber vergleichbarer
Lehrstuhle
mindestens sechs weiterer Universitaten oder Technischen Hochschulen ? die Auswahl erfolgt durch die Akademie der Wissenschaften, so dass eine geeignete Streuung uber verschiedene Lander und Fachgebiete gewahrleistet ist.
- andere
Wissenschaftler
, die die Akademie fur geeignet halt.
Die angeschriebenen Personen haben das Recht, bis zum
1. Februar
Vorschlage beim Nobelkomitee einzureichen. Obwohl viele Kandidaten mehrfach vorgeschlagen werden, belief sich die Anzahl der Nominierungen in den letzten Jahren auf etwa 250 bis 350 pro Jahr.
Das Nobelkomitee, das in den letzten Jahren durch außerordentliche Mitglieder mit gleichem
Stimmrecht
erweitert wurde, bestimmt funf Mitglieder, die im Fruhjahr und Sommer die Nominierungen sichten und mit der Hilfe unabhangiger Experten prufen. Das Komitee beschließt im fruhen Herbst seine Empfehlungen an die Akademie, die Anfang Oktober uber die Vorschlage abstimmt. Die Akademie kann den Preis an eine, zwei oder drei Personen verleihen und gibt ihre Entscheidung, die endgultig und ohne Einspruchsmoglichkeit ist, an die Preistrager und die Presse weiter. Informationen uber die Nominierungen, die Prufungen und Meinungen den Preis betreffend werden fur 50 Jahre geheim gehalten.
Dem Nobelkomitee fur Physik der
Koniglich Schwedischen Akademie der Wissenschaften
gehorten im Jahr 2018 an:
[1]
Am 10. Dezember werden die Preistrager zusammen mit den Chemie-, Medizin- und Literaturpreistragern nach Stockholm zur offiziellen Verleihung durch den
schwedischen Konig
eingeladen. Sie erhalten bei diesen Feierlichkeiten die Nobelmedaille, ein personliches Diplom und das Preisgeld von derzeit (2022) 10 Millionen Schwedischen Kronen
[2]
(ca. 860.000 Euro), das sich die Preistrager einer Kategorie teilen.
- Der erste Preistrager 1901 war der Deutsche
Wilhelm Conrad Rontgen
. Er erhielt 50.000 Schwedische Kronen.
[3]
- Der bisher jungste Preistrager war mit 25 Jahren
William Lawrence Bragg
(1915).
- Der bisher alteste Preistrager war mit 96 Jahren
Arthur Ashkin
(2018). Er war bis 2019 damit der alteste Nobelpreistrager uberhaupt.
- John Bardeen
wurde als einziger Preistrager zweimal mit dem Nobelpreis fur Physik ausgezeichnet (1956 und 1972);
Marie Curie
wurde neben dem Nobelpreis fur Physik (1903) auch mit dem Nobelpreis fur Chemie (1911) ausgezeichnet.
- Unter den 224 Preistragern bis 2023
[4]
befinden sich nur funf Frauen,
Marie Curie
(1903),
Maria Goeppert-Mayer
(1963),
Donna Strickland
(2018),
Andrea Ghez
(2020) und
Anne L’Huillier
(2023), der Nobelpreis fur Physik weist damit den niedrigsten Frauenanteil aller Nobelpreise auf.
- Als bisher einziges Ehepaar wurden 1903
Marie
und
Pierre Curie
ausgezeichnet. (Ihre Tochter
Irene Joliot-Curie
wurde 1935 zusammen mit ihrem Ehemann
Frederic
mit dem Nobelpreis fur Chemie ausgezeichnet.)
- Es wurden bisher viermal Vater und Sohn mit dem Nobelpreis fur Physik ausgezeichnet:
William Henry Bragg
und
William Lawrence Bragg
(1915),
Niels Bohr
(1922) und
Aage Niels Bohr
(1975),
Manne Siegbahn
(1924) und
Kai Siegbahn
(1981) sowie
Joseph John Thomson
(1906) und
George Paget Thomson
(1937).
- Es gab 47-mal einen alleinigen Preistrager (zuletzt
Georges Charpak
1992), 32-mal teilten sich zwei und 37-mal drei Personen den Preis (Stand 2022).
- Die meisten Preistrager stellten bisher (Stand 2022) die
USA
mit 96 erhaltenen Preisen (wenn ein Preistrager mehrere Nationalitaten besitzt, dann wird jedem Land ein halber Preis angerechnet), gefolgt vom
Vereinigten Konigreich
(26,5) und
Deutschland
(25,5). Insgesamt stammen die Preistrager aus 18 Nationen.
In der mehr als hundertjahrigen Geschichte des Nobelpreises losten einige Entscheidungen Reaktionen aus, die von Unverstandnis bis hin zu Emporung reichten. Fur eine Berucksichtigung muss ein Wissenschaftler nominiert werden. In der Physik war weniger die Verleihung des
Preises
an bestimmte Wissenschaftler der Grund fur Kritik, sondern vor allem die Nichtberucksichtigung verschiedener Wissenschaftler bei der Preisverleihung. Bei einigen Wissenschaftlern gingen zahlreiche Nominierungen ein, aber der Preis wurde nie an sie vergeben, wohingegen andere nie nominiert wurden und schon alleine deswegen nicht berucksichtigt werden konnten.
- Chung-Yao Chao
konnte 1930 als erster Positronen aus der Elektron-Positron-Paarerzeugung nachweisen (auch wenn er nicht wusste, worum es sich handelte), mit dem Preis fur die Entdeckung wurde aber im Jahr 1936
Carl David Anderson
ausgezeichnet. Chao erhielt bis mindestens 1971
[5]
(fur spatere Jahre wurde das Archiv noch nicht geoffnet) keine Nominierung fur den Preis. Chao starb 1998, der Nobelpreis blieb ihm versagt.
- Lise Meitner
wurde 30-mal fur den Physiknobelpreis nominiert, aber erhielt ihn nie. Auch 19 Nominierungen fur den Preis fur Chemie in den Jahren 1924 bis 1948 blieben fruchtlos. Nominierungen wurden dabei von namhaften Personlichkeiten wie
Max Planck
eingesandt.
[6]
Sie starb 1968.
- Chien-Shiung Wu
, die auch ?First Lady der Physik“ genannt wurde, widerlegte die Erhaltung der
Paritat
und wurde mit dem ersten
Wolf-Preis
fur Physik ausgezeichnet. Der Nobelpreis blieb ihr aber versagt. Zwischen 1958 und 1970 gingen elf Nominierungen fur sie ein.
[7]
Sie starb 1997.
- Jocelyn Bell Burnell
entdeckte als Studentin den ersten
Radiopulsar
, wurde aber bei der Preisverleihung 1974 nicht berucksichtigt. Ein prominenter Verfechter der Anspruche Bells war
Fred Hoyle
.
- Fred Hoyle
wurde bei der Preisverleihung 1983 nicht berucksichtigt, obwohl selbst der Preistrager
William Alfred Fowler
die Leistungen Hoyles fur die Entwicklung des Konzepts der stellaren
Nukleosynthese
ausdrucklich wurdigte. Hoyle war mindestens in den Jahren 1964, 1965 und 1970 nominiert worden.
[8]
- Am haufigisten wurde
Arnold Sommerfeld
fur den Preis nominiert, 84-mal, erhielt ihn jedoch nie.
[9]
- Marietta Blau
und
Hertha Wambacher
wurden bei der Verleihung des Preises 1950 ubergangen und nicht einmal erwahnt, obwohl der Preistrager
Cecil Powell
deren Forschungsergebnisse zur
Kernemulsionsplatte
kannte und nutze.
[10]
Das Nobelkomitee fuhrt seit 1965 Symposien durch, die sich mit Themengebieten beschaftigen, die sich im Umbruch befinden, oder die von zentraler kultureller oder sozialer Bedeutung sind. Von den 144 durchgefuhrten Veranstaltungen (davon zwolf Jubilaumsveranstaltungen) befassten sich 30 mit Themen aus der Physik, davon die erste 1968 mit der ?Elementarteilchentheorie“. Das letzte physikalische Symposium im Juni 2006 war dem Themenbereich ?Kosmische Chemie und molekulare Astrophysik“ gewidmet.
- Rainer Scharf:
Ausgezeichnete Physik. Der Nobelpreis und die Geschichte einer Wissenschaft.
Verlag Buckle & Bohm, Regensburg 2012,
ISBN 978-3-941530-09-6
.
- Robert Marc Friedman:
The Politics of Excellence: Behind the Nobel Prize in Science
. W. H. Freeman & Co, 2002,
ISBN 0-7167-3103-7
.
- Claus D. Hillebrand:
Nobel Century: a biographical analysis of physics laureates.
In:
Interdisciplinary Science Reviews.
Nr. 2, 2002, S. 87?93.
- ↑
The Nobel Committee for Physics
, nobelprize.org, abgerufen am 2. Oktober 2018.
- ↑
Nobel Prize facts.
Abgerufen am 12. Dezember 2020
(amerikanisches Englisch).
- ↑
Werner E. Gerabek
:
Wilhelm Conrad Rontgen und seine Entdeckung der X-Strahlen.
In:
Wurzburger medizinhistorische Mitteilungen.
Band 13, 1995, S. 87?96; hier: S. 94.
- ↑
All Nobel Prizes in Physics.
nobelprize.org,
abgerufen am 1. Januar 2023
(englisch).
- ↑
Nomination archive.
In:
nobelprize.org.
Abgerufen am 25. August 2022
(englisch).
- ↑
Nomination archive:Lise Meitner.
In:
nobelprize.org.
Abgerufen am 25. August 2022
(englisch).
- ↑
Nomination archive: Chien-Shiung Wu.
In:
nobelprize.org.
Abgerufen am 25. August 2022
(englisch).
- ↑
Nomination archive: Fred Hoyle.
In:
nobelprize.org.
Abgerufen am 25. August 2022
(englisch).
- ↑
https://www.nobelprize.org/nomination/archive/show_people.php?id=8661
- ↑
Sime, Ruth Lewin:
Marietta Blau in the history of cosmic rays.
In:
Physics today.
Abgerufen am 5. Marz 2018
.