Nimzowitsch-Indische Verteidigung

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Nimzowitsch-Indische Verteidigung
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Andere Namen Nimzowitsch-Indisch, Nimzo-Indisch
Zuge 1. d4 Sf6 2. c4 e6 3. Sc3 Lb4
ECO-Schlussel E20?E59
Benannt nach Aaron Nimzowitsch
Alteste Quelle Aaron Nimzowitsch: Mein System , 1925
Zuerst gespielt 1914
Nachspielen auf Chessgames.com

Vorlage:Infobox Schacheroffnung/Wartung/Neu

Das Eroffnungssystem auf dem Schachbrett dargestellt.

Die Nimzowitsch-Indische Verteidigung (auch Nimzo- Indische Verteidigung ) ist ein Eroffnungssystem des Schachspiels . Sie zahlt zu den Geschlossenen Spielen und ist in den ECO-Codes unter den Schlusseln E20 bis E59 klassifiziert.

Die Nimzowitsch-Indische Verteidigung beginnt mit den Zugen:

1. d2?d4 Sg8?f6
2. c2?c4 e7?e6
3. Sb1?c3 Lf8?b4

Dieses Eroffnungssystem ist eines der wichtigsten Vermachtnisse des großen Theoretikers und Strategen Aaron Nimzowitsch an die Schachwelt. Ihr Debut hatte die Nimzowitsch-Indische Verteidigung 1914. In den Turnieren der 1920er Jahre reifte sie allmahlich zu dem weitverzweigten heutigen Eroffnungssystem.

Strategische Grundidee

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Ihrer Grundidee nach ist die schwarze Verteidigungsidee ein typisches Kind des 20. Jahrhunderts: Statt das Zentrum direkt mit Bauern zu besetzen, hemmt und blockiert Schwarz es mit anderen Mitteln, von den Flugeln her. Der Laufer auf b4 fesselt und neutralisiert den weißen Springer, der sonst einen Bauernvormarsch im Zentrum unterstutzen konnte. Der Bauer auf e6 und der Springer auf f6 hemmen den weiteren Vormarsch des weißen Damenbauern, ferner hemmt der Springer auf f6 die weitere Besetzung des Zentrums durch e2?e4.

Schwarz sucht die Asymmetrie, das aktive, eigenstandige Gegenspiel. Im spateren Verlauf des Spiels wird Schwarz versuchen, je nach Spielsituation das gehemmte weiße Zentrum direkt anzugreifen oder einen Angriff und Durchbruch an einem der beiden Flugel zu erzielen.

Eine haufige vorkommende asymmetrische Wendung ist der Abtausch des Laufers b4 gegen den Springer c3, um dort einen weißen Doppelbauern entstehen zu lassen. Weiß hat anschließend den Vorteil des Lauferpaars , aber den Nachteil, dass seine Bauernstellung an Elastizitat verloren hat.

Nimzowitsch selbst nannte die Eroffnung Ideelles Damengambit . Damit wollte er wohl zum Ausdruck bringen, dass das weiße Zentrum so wirksam gehemmt wird, als ob der schwarze Damenbauer im Zentrum stunde, jedoch ohne die Nachteile, die Schwarz als Nachziehender in der symmetrischen Bauernformation des Damengambits naturgemaß hat.

Systeme innerhalb der Nimzowitsch-Indischen Verteidigung

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Klassisches System

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Klassisches System: Stellung nach 4. Dc2

Im klassischen System , das von Jose Raul Capablanca gern angewandt wurde und in den 1930er und 1940er Jahren popular war, spielt Weiß zunachst auf Sicherheit. Es ist gekennzeichnet durch den Zug 4. Dd1?c2 , mit dem Weiß zunachst die Entstehung eines Doppelbauern verhindert.

Lange Jahre galt dieses System als langweilig und remistrachtig, doch neue Ideen , unter anderem von Ex- Weltmeister Garri Kasparow , verbunden mit scharfen Angriffen unter Opfern , belebten es und machten es wieder zu einer der beliebtesten Optionen fur Weiß.

Rubinstein-System

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Rubenstein-System: Stellung nach 4. e3

Akiba Rubinsteins Zug 4. e2?e3 befestigt das Zentrum. Verbunden mit 5. Sg1?e2 verhindert er das Zustandekommen eines weißen Doppelbauern auf c3 und sichert langfristig die weiße Entwicklung vom Konigsflugel her. Der Nachteil dabei ist, dass Schwarz nicht von vornherein unter Druck gesetzt wird und so Gelegenheit bekommt, in Ruhe das eigene Spiel aufzubauen.

Mogliche Varianten im Rubinstein-System sind beispielsweise:

  • 4. e2?e3 0?0
    • die sogenannte moderne Variante 5. Sg1?f3 d7?d5 6. Lf1?d3 c7?c5 7. 0?0 Sb8?c6 (d5xc4 8. Ld3xc4) 8. a2?a3
    • 5. Sg1?e2 d7?d5 6. a2?a3 Lb4?e7 7. c4xd5 e6xd5 8. Se2?f4 a5 9. Lf1?d3 c7?c6 10. 0?0 Sb8?a6 11. f2?f3 Sa6?c7 oder 8. g2?g3 nebst Lf1?g2, 0?0, f2?f3, e3?e4

Auf 4. … d7?d5 geschieht 5. a2?a3 wie in der beruhmten Partie Botwinnik ? Capablanca, Rotterdam 1938 .

Das Rubinstein-System genießt seit den 1920er Jahren eine konstant gute Reputation. Es ist eine sehr gute Option fur Spieler, die mit Weiß lieber den langfristigen positionellen Vorteil statt eines scharfen Angriffsspiels suchen. Es ist beispielsweise eine beliebte Waffe von Ex- Weltmeister Anatoli Karpow .

In den 1970er Jahren entwickelte Robert Hubner als Gegenmittel gegen das Rubinstein-System ein Blockade -System auf den schwarzen Feldern, das nach dem schwarzen Gegenzug 4. … c7?c5 nur durch die Zuge 5. Lf1?d3 Sb8?c6 6. Sg1?f3 Lb4xc3+ 7. b2xc3 d7?d6 eingeleitet wird. Mit 8. e3?e4 e6?e5 9. d4?d5 Sc6?e7 ware das Zentrum verbaut. Fur den wunschenswerten Hebel f2?f4 muss Weiß nun zuvor den eben dorthin entwickelten Sf3 wegziehen und verliert dadurch Tempi . Das legitimiert das freiwillige Lb4xc3+. Im Samisch-System hat Weiß das Mehrtempo a2?a3 verbraucht, kann dafur aber bei solch einem Blockade-Aufbau sofortiges f2?f4 ziehen.

Friedrich Samischs Zug 4. a2?a3 fordert den Laufer auf b4 unmittelbar heraus. Schwarz tauscht mit 4. … Lb4xc3+ 5. b2xc3 den weißen Springer gegen den Laufer. Weiß bekommt ein kompaktes Zentrum und das Lauferpaar, was er im entstehenden Kampf fur ein scharfes Angriffsspiel zu nutzen versucht. Hier Partiebeispiele von Friedrich Samisch und Andor Lilienthal . Weiß hat den Nachteil des Doppelbauern auf c3. Schwarz versucht sich dies zu Nutze zu machen, indem er in der Folge rasch seine Figuren entwickelt und das weiße Zentrum mit Zugen wie c7?c5 und d7?d5 weiter hemmt und aktiv angreift. Nach 5. … c7?c5 6. d4xc5 erhalt Weiß einen Tripelbauern , der mit 6. … Dd8?a5 leicht anzugreifen ist. Es droht Da5xc3+ und Da5xc5. Schwarz gewinnt den Bauern zuruck und Weiß hat immer noch Probleme mit dem isolierten Doppelbauern auf der c-Linie.

Leningrader System

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Leningrader System

Im Leningrader System beantwortet Weiß die Fesselung seines Springers mit der Gegenfesselung 4. Lc1?g5 . Es ist eine interessante Moglichkeit, Schwarz aus dem Konzept zu bringen, weil sich das Spiel ganz anders entwickelt als in den anderen Systemen der Nimzowitsch-Indischen Verteidigung. Eine Chance von Schwarz besteht darin, mit 4. … h7?h6 5. Lg5?h4 den weißen Laufer abzudrangen, und dann am Damenflugel den Angriff zu suchen. Auf c7?c5 antwortet Weiß meist mit d4?d5.

In der Partie Spasski ? Tal (Tallinn 1973) antwortete Tal nach 4. … h7?h6 5. Lg5?h4 c7?c5 6. d4?d5 im Geiste des Blumenfeld-Gambits mit 6. … b7?b5.

Den Namen erhielt diese Variante, weil sie oft von aus Leningrad (heute Sankt Petersburg ) stammenden Meistern angewandt wurde, etwa Sak , Spasski , Kortschnoi und Tolusch .

Unter anderem bieten sich noch folgende Alternativen an:

  • Das mit 4. Sg1?f3 eingeleitete ?Drei-Springer-System“ ( E21 ) wurde wieder popular, nachdem es 1985 von Ex- Weltmeister Kasparow im WM-Kampf gegen Karpow mehrfach erfolgreich angewandt wurde. Nach sofortigem d7?d5 geht die Eroffnung in die Ragosin-Variante des Damengambits uber.
  • Das von Oleh Romanyschyn eingefuhrte ? Fianchetto -System 4. g2?g3 ist aus der Mode gekommen und harrt der Wiederbelebung durch neue Ideen. Nach 4. … c7?c5 5. Sg1?f3 c5xd4 6. Sf3xd4 fuhrt es zur Englischen Symmetrievariante .
  • Rudolf Spielmann war ein risikofreudiger Angriffsspieler. Sein Zug 4. Dd1?b3 ist eine interessante Moglichkeit fur Spieler, die in seinem Geiste spielen wollen. Es besteht eine Verwandtschaft zu 4. Dd1?c2, mit dem scheinbaren Vorteil gegenuber letzterer, dass der Lb4 unter direktem Angriff steht. Ein Zug wie 4. … Lb4xc3+ ware schlecht. Weiß hatte gegenuber der Klassischen Variante a2?a3 eingespart. 4. … Sb8?c6 5. Sg1?f3 fuhrt zur Ragosin-Variante des Damengambits . Die beste Antwort 4. … c7?c5 veranlasst Weiß zu 5. d4xc5 . Nun ist Sb8?c6 ungefahrdet moglich. Der schwarzfeldrige Laufer hat das zentrale Ruckzugsfeld c5. Außerdem wurde nach 6. a2?a3 die Dame von der Deckung des Sc3 mittels Sc6?d4 wegen 7. Db3xb4 Sd4?c2+ abgelenkt werden. Es wird hier also nach 6. a2?a3 Sc6?d4 anschließendes Lb4xc3+ nebst bxc3 und einem isolierten Doppelbauern auf der c-Linie die Folge sein. Die Abwehr von Sc6?d4 hatte Sf6?e4 mit Druck auf c3 und c5 zur Folge. 4. Dd1?c2 uberdeckt eben auch das Zentralfeld e4 und ist deshalb wichtiger als 4. Dd1?b3.
  • Nick de Firmian : Batsford’s Modern Chess Openings. 14th edition, completely revised. B. T. Batsford, London 2000, ISBN 0-7134-8656-2 , S. 511 ff.
  • Aaron Nimzowitsch: Mein System. 3. Auflage. Schachzentrale Rattmann ? Das Schacharchiv, Ginsheim-Gustavsburg 2002, ISBN 3-88086-073-4 .
  • Chris Ward: Offbeat Nimzo-Indian (= Everyman Chess. ). Gloucester Publishers, London u. a. 2005, ISBN 1-85744-369-1 .