Nicolas Malebranche
(
Nicole de
) (*
6. August
1638
in
Paris
; †
13. Oktober
1715
ebenda) war ein franzosischer
Philosoph
und
Oratorianer
.
Malebranches Vater war koniglicher Rat und Schatzmeister von
Richelieu
, seine Mutter Catherine de Lauson stammte aus der niederen Aristokratie, ihr Bruder Jean de Lauson war Gouverneur von Kanada. Er war der jungste Sohn einer großen Familie (zwischen zehn und 13 Kindern, je nach Quelle) und von Jugend an von zarter Konstitution, so dass er erst mit 16 Jahren sein Studium am College de la Marche der Universitat Paris begann. Er studierte bei dem Aristoteliker M. Rouillet und 1654 machte er seinen Magister artium Abschluss. Anschließend studierte er drei Jahre Theologie an der
Sorbonne
. 1660 trat er den Oratorianern bei. Dort studierte er auch Plato und Augustinus und kam in dieser Zeit mit der Lehre von
Descartes
in Beruhrung. 1660 wurde er zum Priester geweiht. 1674 wurde er offiziell Professor fur Mathematik am Seminar der Oratorianer, er hatte aber schon vorher Schuler wie
Jean Prestet
(1648?1691), dessen
Elemens des mathematiques
er 1675 veroffentlichte, die kartesianischer Philosophie folgte (die Verbindung war so eng, dass
John Wallis
das Buch fur ein Werk von Malebranche hielt). Seine eigenen
De la recherche de la verite
, die er schon ab 1668 zu schreiben begann, erschienen aufgrund von Schwierigkeiten mit der Zensur erst ab 1674. Seine Bemuhungen, eine eigene Synthese kartesianischer mit theologischen Ideen zu erzielen setzte er mit den folgenden Auflagen seines Hauptwerks und mit dem
Traite de la nature et de la grace
von 1680 fort. Es entstand aus Diskussionen mit
Antoine Arnauld
(ebenfalls Kartesianer und außerdem
Jansenist
), der bei Erscheinen das Buch scharf kritisierte, woraus sich ein mehrjahriger Disput entwickelte. Auf Betreiben der Anhanger Arnaulds wurde sein
Traite
1690 sogar auf den
papstlichen Index
gesetzt, wie auch 1709 sein Hauptwerk
Recherche
. Malebranche hatte aber nicht nur Kritiker, er stand in seiner Zeit als Philosoph in hohem Ansehen, beispielsweise nannte ihn
Pierre Bayle
in seinem philosophischen Worterbuch einen der großten Philosophen seiner Zeit.
In der Mathematik patronierte Malebranche fruh
L’Hospital
, der eines der fruhesten Lehrbucher der Analysis schrieb, die er wie Malebranche Anfang der 1690er Jahre von
Leibniz
und
Johann I Bernoulli
kennenlernte. In Auseinandersetzung und Diskussion mit Leibniz entwickelte Malebranche auch seine Ideen zur Dynamik (unter anderem elastische Stoße, aber auch Optik, Gravitation) in den 1690er Jahren. Diese Arbeiten fuhrten zu seiner Aufnahme in die
Academie des sciences
1699.
1713/1714 hatte er einen philosophischen Briefwechsel mit seinem ehemaligen Schuler
Jean Jacques d’Ortous de Mairan
, einem Anhanger
Spinozas
. Auch mit
Leibniz
, den er 1675 in Paris getroffen hatte, stand er in Briefwechsel.
Seit den 1660er Jahren verbrachte Malebranches den großten Teil seines Lebens in seinem Oratorium an der
Rue Saint-Honore
, abgesehen von zwei Reisen in die
Normandie
und das
Perigord
. Seine Schriften wurden jedoch in ganz Europa verbreitet und gelangten bis nach China, wo sie von
jesuitischen Missionaren
kopiert wurden.
Malebranche vertrat den Standpunkt, es gebe zwischen
Leib und Seele
ebenso wenig eine
kausale Wechselwirkung
wie zwischen bloß
leiblichen
oder bloß
seelischen
Phanomenen. Er versuchte so, den
cartesianischen
Dualismus
von Leib und Seele als ein von Gott geleitetes Nebeneinander zu erklaren (
Okkasionalismus
), das keine kausale Verbindung aufweist. Samtliche Wechselwirkungen, die nicht auf allgemeine Gesetzmaßigkeiten zuruckzufuhren seien, wurden vielmehr durch besondere Willensakte Gottes (
volonte particuliere
) hervorgerufen. Dieser ubernaturliche Beistand (
assistentia supernaturalis
) bzw. die Mitwirkung Gottes (
concursus Dei
) bestimme in diesem Fall die tatsachliche Wirksamkeit der allgemeinen Gesetze.
[1]
Platon
und
Augustinus
folgend erklarte Malebranche die Erkenntnis der Wahrheit, Wahrnehmungen und Vorstellungen durch die Teilhabe des menschlichen Geistes an den gottlichen
Ideen
, nach denen Gott alles geschaffen habe. Nur uber diese Ideen sind demnach Erkenntnis, Sinneswahrnehmung und Denken moglich.
Als sein Hauptwerk gilt
Von der Erforschung der Wahrheit
(
De la recherche de la verite
) (1674/75).
- Entretien d’un philosophe chretien et d’un philosophe chinois sur l’existence et la nature de dieu
. Paris 1708.
- Oeuvres completes
. 20 Bande, Paris 1958?1968 (Herausgeber Andre Robinet, mit Manuskripten und Briefen).
- De la recherche de la verite
. 1. Auflage. 2 Bande, Paris 1674/75; 6. Auflage. 4 Bande, Paris 1712; deutsche Ausgaben:
- Erforschung der Wahrheit
. Herausgeber
Artur Buchenau
, 3 Bande, Verlag Muller, Munchen 1914.
- Von der Erforschung der Wahrheit
. Herausgeber und Ubersetzer Alfred Klemmt, Verlag Felix Meiner, Hamburg 1968.
- Traite de la nature et de la grace
. Amsterdam 1680; deutsche Ubersetzung
Abhandlung von der Natur und der Gnade
(Ubersetzer und Herausgeber Stefan Ehrenberg), Verlag Felix Meiner, Hamburg 1993.
- Eclaircissement, ou la suite du Traite...
, 1681.
- Franz Dameris
:
Malebranches Methode der evidenten Ideenperception.
Nolte, Dusseldorf 1935 (Bonn, Univ., Diss., 1935).
- Victor Delbos
:
Etude de la philosophie de Malebranche.
Bloud & Gay, Paris 1924.
- Margit Eckholt
:
Vernunft in Leiblichkeit bei Nicolas Malebranche. Die christologische Vermittlung seines rationalen Systems
(=
Innsbrucker theologische Studien.
Bd. 41). Tyrolia, Innsbruck u. a. 1994,
ISBN 3-7022-1932-3
(zugleich: Tubingen, Univ., Diss., 1992).
- Paolo Fabiani:
The Philosophy of the Imagination in Vico and Malebranche
. F.U.P. (Florence UP), italienisch 2002, englisch 2009.
- Henri Gouhier:
La philosophie de Malebranche et son experience religieuse.
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- Martial Gueroult
:
Malebranche.
3 Bande. Aubier, Paris 1955?1959.
- Christoph Kann:
Nicolas Malebranche.
In:
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon
(BBKL). Band 5, Bautz, Herzberg 1993,
ISBN 3-88309-043-3
, Sp. 619?624
(
Artikel/Artikelanfang im Internet-Archive
)
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- Peter Mennicken
:
Die Philosophie des Nicolas Malebranche.
Meiner, Leipzig 1927.
- Rainer Mittmann:
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- Andre Robinet:
Malebranche de l’Academie des sciences. L’œuvre scientifique, 1674?1715.
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- Genevieve Rodis-Lewis:
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- Jean-Pierre Schobinger (Hrsg.):
Die Philosophie des 17. Jahrhunderts.
Band 2, 1:
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- Georg Stieler
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- ↑
Nicolas Malebranche:
Traite de la nature et de la grace
. Verlag Francois Halma, Amsterdam 1680. Zitiert nach Stefan Ehrenberg (Hrsg.):
Abhandlung von der Natur und der Gnade
. Verlag Felix Meiner, Hamburg 1993, S. 179?207.