Dieser Artikel befasst sich mit dem Neuen Reich im Alten Agypten. Fur weitere Bedeutungen siehe
Das neue Reich
.
Ausdehnung des agyptischen Reiches
Agyptisches Reich
Das
Neue Reich
umfasst im
Alten Agypten
die Zeit von 1550 bis 1070 v. Chr. (18. bis 20. Dynastie)
[1]
und ist neben dem
Alten Reich
die wohl bekannteste Epoche der
Pharaonenzeit
.
Der Bekanntheitsgrad der rund 500 Jahre umfassenden Zeit liegt nicht zuletzt an den vielen kolossalen Bauwerken wie Festungen und Tempeln, welche die Herrscher bauen ließen. Ebenso sind viele Pharaonen durch ihre Eroberungen und Feldzuge bekannt, denn der agyptische Machtbereich war im Neuen Reich erheblich großer als zuvor und umfasste auch Teile Vorderasiens. Dazu zahlt die von
Thutmosis III.
gefuhrte
Schlacht bei Megiddo
1457 v. Chr. oder die
Schlacht bei Kadesch
1274 v. Chr., die
Ramses II.
183 Jahre spater fuhrte. Auch die Abwehr der ratselhaften
Seevolker
durch
Ramses III.
gehort in diese Reihe.
Auch die Begrabnisstatten im
Tal der Konige
und
Tal der Koniginnen
haben das ihre beigetragen. Aber die wohl eindrucksvollsten Ereignisse waren die Entdeckungen der oft fast unbeschadigten
Mumien
der bekanntesten Herrscher des Neuen Reiches in der
Cachette von Deir el-Bahari
(DB/TT320) und in dem Grab
Amenophis II.
(
KV35
).
Schon die
17. Dynastie
zum Ende der
Zweiten Zwischenzeit
lehnte sich gegen die Herrschaft der
Hyksos
im
Nildelta
auf. Wichtige Personen hierbei sind die
Ahmosiden
Ahhotep I.
und
Kamose
. Nach Kamoses Tod trat
Ahmose
1550 v. Chr. die Nachfolge an, der die Hyksos aus Agypten vertreiben und das Reich erneuern konnte. Ahmose gilt als Begrunder der 18. Dynastie.
Mit der vollstandigen Ruckeroberung in der 18. Dynastie (gegen 1532 v. Chr.) begann das Neue Reich. Agypten fand noch einmal zu einem kulturellen Hohepunkt. Zugleich trat das Land aufgrund seiner inneren Veranderungen durch die Hyksos in regen Austausch und Auseinandersetzungen mit der Außenwelt.
Die Konige
Amenophis I.
und
Thutmosis I.
stießen bis zum
Euphrat
vor, wo sie mit dem
Mittanireich
in Beruhrung kamen. Im Suden eroberten sie das in der Hyksoszeit verlorene
Nubien
zuruck und schoben die Grenzen weit nach Suden. Die Vorstoße nach
Syrien
scheinen allerdings anfangs eher als Gegenreaktionen gegen die Hyksos gedacht gewesen zu sein.
Unter der Herrschaft der Konigin
Hatschepsut
, die nach dem Tod ihres Halbbruders und Mannes
Thutmosis II.
die Macht ubernimmt, scheint die kriegerische Phase vorlaufig abgeschlossen zu sein. Kaum tritt jedoch
Thutmosis III.
, oft
Napoleon
der Pharaonen
genannt, nach dem Tod seiner Tante und Stiefmutter 1479 v. Chr. die Nachfolge an, beginnen große Feldzuge, wobei
Palastina
und Syrien bis in die Gegend von
Karkemisch
erobert werden.
Dadurch wurde Agypten enger als zuvor mit der
vorderasiatischen
Kultur konfrontiert. Die Milizen wurden zugunsten eines
Berufssoldatentums
verdrangt, dessen Einfluss gegenuber der bis dahin einflussreichen Beamtenschicht stieg. Unter
Amenophis II.
gab es noch Auseinandersetzungen mit dem syrischen Großreich Mittani am oberen Euphrat, aber unter
Thutmosis IV.
wurde Frieden zwischen den Landern geschlossen. Dieser wurde durch eine ausgeklugelte
Heiratspolitik
gewahrt. Das Land stand zu dieser Zeit in einer kulturellen Blute.
Da die
Amunpriesterschaft
in
Theben
zu machtig geworden war, begann unter
Amenophis III.
eine deutliche Abgrenzung gegen den ausschließlichen Amun-Kult. Der Konig zog sich noch starker als seine Vorganger in die fruhere Residenzstadt
Memphis
zuruck und hob besonders andere Gotter hervor, wie z. B. die Gottinnen
Hathor
und
Mut
sowie die Gotter
Sobek
und
Aton
. Dies geschah langsam und diplomatisch, wurde jedoch abrupt durch seinen Sohn und Nachfolger
Amenophis IV.
beendet, der in seinem 5. Regierungsjahr 1356 v. Chr. einen gewaltsamen Einschnitt vornahm. Ob er den bisherigen Glauben an Amun und die restlichen Gotter verfemte, wird in der Agyptologie noch immer kontrovers diskutiert. Gesichert ist, dass er Theben verließ und in seine neu gegrundete Hauptstadt
Achet-Aton
(
Horizont des Aton
) zog, die allein seinem Hauptgott Aton geweiht war.
Hierbei handelt es sich allerdings nicht nur um den Wechsel des obersten Gottes, sondern um eine neue
Weltanschauung
, die anstelle traditionsgebundener
magischer
Vorstellungen auf eine naturgebundenere Welt Wert legte. Diese Handlung Amenophis IV., der sich nun
Echnaton
nannte, stellt den Wendepunkt der agyptischen Kulturentwicklung dar. Nach dem Tod Echnatons versuchten die neuen Machthaber sofort, zu den alten Verhaltnissen zuruckzufinden und die Macht der alten Gotter wiederherzustellen. Zwar wurden zunachst unter
Tutanchamun
und
Eje II.
auch einige der neuen Einflusse beibehalten, z. B. in der Kunst, jedoch war der Hass auf Echnatons brutalen Bruch mit den alten Traditionen so groß, dass man versuchte, die Erinnerung an diese Zeit ein fur alle Mal auszuloschen. Ihm wurde ein Verstoß gegen die Regeln der
Maat
vorgeworfen.
Der Pharaonenthron wurde von einem ehemaligen General ubernommen; zur selben Zeit wurde von Norden die agyptische Herrschaft in Syrien durch die
Hethiter
, unter Konig
?uppiluliuma I.
, zerschlagen. Dieser Angriff wurde womoglich durch die sogenannte
Da?amunzu-Affare
ausgelost, bei der eine agyptische Konigin um einen hethitischen Prinzen bat, weil ihr Ehemann, der Konig, gestorben sei und sie keinen Sohn habe. ?uppiluliuma schickte nach einigen Briefwechseln einen seiner Sohne, den Prinzen Zannanza, der jedoch kurz darauf unter bis heute ungeklarten Umstanden zu Tode kam. Da ?uppiluliuma I. von einer Ermordung am agyptischen Hof ausging, griff er Agypten an.
General
Haremhab
, der schon unter Tutanchamun ein hohes Amt innehatte, war der letzte Pharao der 18. Dynastie. Er bestieg den Thron um 1319 v. Chr. und ließ viele Uberbleibsel der
Amarna-Zeit
vernichten.
Mit der Machtubernahme durch
Ramses I.
1292 v. Chr., einst ein hoher General unter Haremhab, wurde die 19. Dynastie begrundet. Sein Sohn
Sethos I.
war der erste bedeutende Pharao dieser Dynastie. Er fuhrte schon in seinem ersten Regierungsjahr 1290 v. Chr. einen Feldzug nach
Syrien
und spater auch nach
Libyen
. Sethos I. hinterließ aus seiner Amtsperiode viele Bauwerke, die heute zu den schonsten ganz Agyptens zahlen. In
Abydos
fanden Archaologen das sogenannte
Osireion
, das wohl zur Aufbewahrung seines
Leichnams
bis zur Bestattung 1279 v. Chr. gedient hatte.
Der Sohn Sethos’ I.,
Ramses II.
, bestieg nach dem Tod seines Vaters den Thron. Wahrend seiner 67-jahrigen Regierungszeit stieg er zum heute bekanntesten agyptischen Pharao auf. Schon in den ersten Jahren musste er sich mit der Bedrohung durch die
Hethiter
an der agyptischen Ostgrenze auseinandersetzen. Da Ramses II. sich genotigt sah, einzugreifen, als eine palastinensische Revolte gegen die Besetzung des Landes aufflackerte, kam es zur
Schlacht bei Kadesch
. Sie ist reichhaltig an den Mauern der Tempelanlagen von
Karnak
,
Luxor
, dem
Ramesseum
und anderen Tempeln dokumentiert, jedoch verfalscht dargestellt. Die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den hethitischen Konigen ging uber Jahre weiter. Erst als innere Unruhen das Hethiterreich erschutterten und die Bedrohung durch die
Assyrer
erheblich zunahm, wurde ein
Friedensvertrag
ausgehandelt. Er wurde 1259 v. Chr. zwischen
Hattu?ili III.
und Ramses II. geschlossen.
Abu Simbel
Geopolitische Krafte- und Herrschaftszentren um
1200 v. Chr
(Spate Bronzezeit)
Die Bautatigkeit des Ramses II. erreichte ihren Hohepunkt mit dem Bau des Ramesseums und des
Tempels von Abu Simbel
, den er sich selbst zu Ehren und nicht zuletzt fur seine Frau
Nefertari
errichtete, der ein eigener kleinerer Tempel gewidmet ist.
Ramses II. starb im hohen Alter von 92 Jahren und wurde im
Tal der Konige
beigesetzt.
Unter
Merenptah
, dem 13. Sohn Ramses II., kam es zu Revolten in Syrien, die er aber zuruckschlagen konnte. Es ist auch eine agyptische
Weizenlieferung
an das hethitische Volk uberliefert, als in deren Land eine
Hungersnot
ausbrach. Bei einem zweiten Angriff der Libyer, der zu Zerstorungen in den Westoasen und Nubien fuhrte, war das Eingreifen des Merenptah wiederum erfolgreich.
Nach seinem Tod 1203 v. Chr. ubernahm
Amenmesse
die Macht im Reich. Hierbei konnte es sich um den Sohn einer Nebenfrau des Merenptah gehandelt haben, was aber nicht bewiesen ist. Amenmesse regierte aber nur knapp drei Jahre, und mit
Sethos II.
bestieg wohl der Sohn des Merenptah den Thron. Doch auch ihm war nur eine kurze Zeit als Pharao vergonnt, so dass sein jungerer Bruder
Siptah
die Reichsgeschafte ubernahm. Schon im sechsten Amtsjahr starb auch er. Seine Mutter
Tausret
nahm nun den vollen Titel eines Pharaos an und regierte das Land acht Jahre lang bis 1186 v. Chr.
Die Herrschaftsubernahme durch den neuen Pharao
Sethnacht
ist weitgehend ungeklart. So ist nicht bekannt, wer er war und wie er auf den Thron gelangte. Dies muss in den kurzen Thronwirren nach Konigin Tausret erfolgt sein. Er soll einige Kriege gefuhrt haben und verstarb nach nur dreijahriger Regentschaft.
Sein Sohn
Ramses III.
war der wohl letzte große Pharao in der agyptischen Geschichte. In seinem dritten Amtsjahr sah er sich mit Einfallen der Libyer konfrontiert, die sich mit den
Meschwesch
und
Seped
verbundet hatten. Sie uberfielen das westliche Nildelta, wurden aber vom agyptischen Heer vernichtend geschlagen.
Die einsetzende große Volkerwanderung aus dem Osten brachte dann um ca. 1177 v. Chr. den
Seevolkersturm
mit sich. Dabei wurden rauberische Volksgruppen, die aus der
Agais
und dem sudwestanatolischen Raum zu Schiff uber das ostliche Mittelmeer und auf dem Landweg vorgeruckt waren und Angriffe auf das Nildelta unternahmen, in See- und Landschlachten von Ramses III. vernichtend geschlagen.
Einige Jahre spater griffen die Libyer erneut im Nildelta an. Aber auch dieses Mal schlug Ramses III. sie zuruck.
Nach seinem Tod ubernahmen einige Konige mit dem Namen
Ramses
die Reichsmacht. Ihre familiaren Abstammungen sind zumeist noch ungeklart. Es scheinen aber einige Sohne Ramses III. und
Ramses IV.
dabei gewesen zu sein. Ramses IV., der 1152 v. Chr. seinem Vater folgte, regierte nur bis 1145 v. Chr.
Unter seinen Nachfolgern
Ramses V.
bis
Ramses VIII.
kam es zu Thronstreitigkeiten, welche teilweise burgerkriegsartige Ausmaße annahmen. Dies hatte wohl auch zur Folge, dass das Vertrauen in das Amt des Pharaos sank und gleichzeitig die Macht der Priester, gerade in
Theben
, erstarkte.
Erst unter
Ramses IX.
und
Ramses X.
erlangte das Land wieder eine gewisse Stabilitat. Doch die Macht der Amunpriester war so groß geworden, dass sie sich gegen Ende der Amtszeit von
Ramses XI.
auf die gleiche Stufe mit ihm stellten. Der Zusammenbruch der althergebrachten Pharaonendynastien und damit der Beginn der
Dritten Zwischenzeit
bahnte sich an.
- ↑
Bettina Bader:
Egypt and the Mediterranean in the Bronze Age: The Archaeological Evidence.
Online-Publikation, August 2015,
DOI:10.1093/oxfordhb/9780199935413.013.35
, S. 11. hier (2015) stellt sie die Fruhzeit und das Alte Reich (etwa 3000?2200 v. Chr.) korrespondierend der
Fruhen Bronzezeit
in den
vorderasiatischen Kulturen
gegenuber, das Mittlere Reich (etwa 2000?1650 v. Chr.) als
Mittlere Bronzezeit
und das
Neue Reich
(etwa 1550?1070 v. Chr.) als
Spate Bronzezeit
bezeichnen.