Neues Jerusalem

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Das ?Neue Jerusalem“ als spatmittelalterliche deutsche Stadt im Apokalypsen-Zyklus von Albrecht Durer .

Das Neue Jerusalem (auch Himmlisches Jerusalem genannt) entspringt einer Vision aus dem neutestamentlichen Buch der Offenbarung des Johannes , Kapitel 21, wonach am Ende der Apokalypse eine neue Stadt, ein neues Jerusalem , entstehen wird. Dies geschieht, nachdem der alte Himmel und die alte Erde vergangen sind.

So beschreibt Offb 21,1?2  EU , dass bei der Apokalypse, dem letzten Gericht und dem Endkampf zwischen Gott und dem Teufel , letzten Endes Gott als Sieger aus diesem Kampf hervorgehen wird. Daraufhin werden die Erde und der Himmel erneuert und eine Stadt wird aus dem Himmel herabfahren: das neue Jerusalem. In der Wirkungsgeschichte dieser Vision bildet oft der Berg Zion ein pars pro toto fur das eigentliche Jerusalem, und zwar seit den Kreuzzugen bis hin zu pietistischen Bestrebungen, mit Auslaufern bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts.

Aussehen der Stadt [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Miniatur aus dem Facundus-Beatus : Der Engel vermisst das ?Neue Jerusalem“ mit einem Stab oder Schilfrohr. Außerdem zu erkennen: das Lamm Gottes und je ein Satz von zwolf Figuren, Toren und Steinen.
?Jerusalemleuchter“ in der Apostelkirche (Bocholt) von Franz Rickert . Zwolf Engel zieren die zwolf Tore, die mit Edelsteinen geschmuckt sind. In der Mitte sieht man das Lamm Gottes mit der Siegesfahne, ein Symbol fur Jesus Christus.

In Offb 21,11?27  EU folgt eine detaillierte Beschreibung der Stadt. Sie soll von gleißendem Licht strahlen, aus glasartigem Gold und von wurfelformiger Gestalt sein. Auf jeder der vier Seiten existieren jeweils drei Stadttore innerhalb der Stadtmauer, auf denen wiederum insgesamt zwolf Engel stehen. Auf den Toren, die jeweils aus einer Perle bestehen, stehen die Namen der zwolf Stamme Israels. Die zwolf Grundsteine der Stadtmauer bestehen aus zwolf verschiedenen Edelsteinen, die einzeln aufgezahlt werden und die die Namen der zwolf Apostel tragen. Die detaillierte Darstellung der Form, Gestalt und Große des Neuen Jerusalems ist stark von einer Lichtsymbolik durchdrungen, die auf der Verwendung von Glas und Edelsteinen als Baumaterialien der himmlischen Stadt fußt: So sind die Mauern aus grunem Jaspis errichtet, ihre Grundsteine werden von zwolf Edelsteinen geschmuckt werden, darunter Jaspis, Smaragd und Beryll (Joh. Off. 21, 20). Bei der Beschreibung der Stadt spielt auch das Quadrat eine besondere Rolle. Als geometrisches Grundmodul bestimmt es nicht nur den Umriss der Stadtmauer ( Ez. 48,16  EU ), sondern auch die Gestalt des Tempelbezirks ( Ez. 42,15?20  EU ), des Tempels ( Ez. 41,13?15  EU ), des Vorhofs ( Ez. 40,47  EU ) und des Allerheiligsten ( Ez. 41,4  EU ).

Die Große der Stadt mit einer Seitenlange von 12.000=12×1000 Stadien beschrieben, ihre Gebaude sollen 12.000 Stadien hoch sein ( Offb 21,16  EU ). Umgeben ist sie von einer 144=12² Ellen hohen Mauer. Rechnet man ein Stadion mit 185 m, ergibt sich eine Kantenlange von 2.220 Kilometern. Ob diese Zahlen wortlich zu nehmen sind, ist umstritten. Manche vertreten die Ansicht, dass aufgrund der in der Bibel haufig anzutreffenden Zahlensymbolik eher von einer den Zahlenangaben innewohnenden inneren Botschaft auszugehen sei. So wird etwa die Hohe der Mauer mit 3 × 4 × 12 angegeben; dabei steht die ?Drei“ fur eine sehr große Gewissheit, die ?Vier“ fur die vier Himmelsrichtungen und damit die gesamte Erde und die ?Zwolf“ fur die zwolf Stamme und damit das ganze Volk Israel .

Geschichtliche Rezeption [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Besonders wahrend der Zeit der Kreuzzuge war die Vorstellung weit verbreitet, dass die Befreiung des irdischen Jerusalems von den ?unglaubigen“ islamischen Herrschern die Bedingung ware, dass das Himmlische Jerusalem kommen konne. Ein Beispiel fur die kunstlerische Rezeption dieses Gedankens ist der sogenannte Barbarossaleuchter in der Pfalzkapelle des Aachener Doms , ein Radleuchter .

Dem mittelalterlichen Verstandnis nach galten Kirchen, Kloster, aber auch Stadte, als irdische Manifestationen des Himmlischen Jerusalems, wobei die apokalyptischen Schriften des Alten und Neuen Testaments als Bauvorlagen dienten. Besonders deutlich wird dies nicht nur bei tetragonalen Anlagen, die die Beschreibung des Neuen Jerusalems in Ezechiel-Vision und der Johannes-Apokalypse ubernehmen, aber auch bei Details, wie die Verwendung von symbolischen Edelsteinen, die in Kirchen- und Klostermauern verbaut wurden. [1]

Die Taufer nannten das von ihnen in den 1530er Jahren beherrschte Munster ?Neues Jerusalem“, siehe Tauferreich von Munster .

Musikalische Rezeption [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Das Himmlische Jerusalem findet im letzten Abschnitt des Requiem , In paradisum , gleichsam als Synonym fur das Paradies Erwahnung:

In paradisum deducant te Angeli :
in tuo adventu suscipiant te Martyres ,
et perducant te in civitatem sanctam Ierusalem .

Ins Paradies mogen dich Engel geleiten:
bei deiner Ankunft sollen dich die Martyrer empfangen
und dich in die heilige Stadt Jerusalem fuhren.

Das Motiv des Himmlischen Jerusalems wird aufgegriffen im Lied Jerusalem, du hochgebaute Stadt . [2]

Das Himmlische Jerusalem wird auch im Lied Wachet auf, ruft uns die Stimme besungen. Mit dem dritten Vers ?Gloria sei dir gesungen“, in dem die zwolf Perlentore des neuen Jerusalem genannt werden, schließt die gleichnamige Kantate von Johann Sebastian Bach . [3]

Auch das deutschsprachige Neue Geistliche Lied Ihr Machtigen, ich will nicht singen von Christine Heuser bezieht sich auf das Neue Jerusalem. Gesungen wird es zur Melodie von Jerusalem aus Gold . Inhaltlich ist der Text in mancher Beziehung auch an Jerusalem aus Gold angelehnt, so etwa in Hinblick auf das Sehnsuchts- und Heimkehrmotiv. Er stellt jedoch keine ? auch keine freie ? Ubersetzung des Originals dar, da er sich auf das Himmlische Jerusalem und nicht auf die Stadt in Israel bezieht. [4]

Das Magnum Opus Supper’s Ready von Genesis nimmt im letzten Textvers Bezug auf das Neue Jerusalem. [5]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Christoph Auffarth : Himmlisches und irdisches Jerusalem. Ein religionswissenschaftlicher Versuch zur ?Kreuzzugseschatologie“ (1). In: Zeitschrift fur Religionswissenschaft. Bd. 1, Nr. 1, 1993, S. 25?49, doi : 10.1515/0018.25 ; Himmlisches und irdisches Jerusalem. Ein religionswissenschaftlicher Versuch zur ?Kreuzzugseschatologie“ (2). Bd. 1, Nr. 2, 1993, S. 91?118, doi : 10.1515/0019.91 .
  • Claus Bernet : ?Gebaute Apokalypse“. Die Utopie des Himmlischen Jerusalem in der Fruhen Neuzeit (= Veroffentlichungen des Instituts fur Europaische Geschichte, Mainz. Bd. 215). von Zabern, Mainz 2007, ISBN 978-3-8053-3706-9 (Zugleich: Halle (Saale), Universitat, Dissertation, 2005).
  • Claus Bernet: Neues zum Neuen Jerusalem: Aktuelle Arbeiten zu einem 2.000-jahrigen Bildmotiv. In: Das Munster. Bd. 66, Nr. 2, 2013, ISSN   0027-299X , S. 129?135.
  • Kerstin Geßner: Bausteine fur das Himmlische Jerusalem Glasfoliierte Steine aus dem Kyritzer Kloster St. Johannis und die Bauallegorese der Franziskanerarchitektur. In: ZAM, 2015. S. 203ff. ( online )
  • Martin Hengel , Siegfried Mittmann , Anna Maria Schwemer (Hrsg.): La Cite de Dieu. = Die Stadt Gottes (= Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament. 129). Mohr Siebeck, Tubingen 2000, ISBN 3-16-147200-4 .
  • Robert Konrad: Das himmlische und das irdische Jerusalem im mittelalterlichen Denken. In: Clemens Bauer , Laetitia Boehm, Max Muller (Hrsg.): Speculum Historiale. Geschichte im Spiegel von Geschichtsschreibung und Geschichtsdeutung. (Johannes Sporl aus Anlass seines 60. Geburtstages dargebracht von Weggenossen, Freunden und Schulern). Alber, Freiburg u. a. 1965, S. 523?540.
  • Bianca Kuhnel: From the Earthly to the Heavenly Jerusalem. Representations of the Holy City in Christian Art of the First Millennium (= Romische Quartalschrift fur christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte. Supplementheft. 42). Herder, Rom u. a. 1987, ISBN 3-451-20881-4 .
  • Peter Kurmann : Zur Vorstellung des Himmlischen Jerusalem und zu den eschatologischen Perspektiven in der Kunst des Mittelalters. In: Jan A. Aertsen , Martin Pickave (Hrsg.): Ende und Vollendung. Eschatologische Perspektiven im Mittelalter (= Miscellanea mediaevalia. Bd. 29). De Gruyter, Berlin 2002, ISBN 3-11-017214-3 , S. 293?300.
  • William W. Reader: Die Stadt Gottes in der Johannesapokalypse. Gottingen 1971, (Gottingen, Universitat, Dissertation, 1971).
  • Maria Luisa Gatti Perer (Hrsg.): La dimora di Dio con gli uomini (Ap 21,3). Immagini della Gerusalemme celeste dal III al XIV secolo. = La Gerusalemme celeste. Vita e Pensiero, Mailand 1983 (Ausstellungskatalog).
  • Michael L. Rodkinson (Ubersetzung): Babylonian Talmud, Book 3: Tracts Tracts Pesachim, Yomah and Hagiga. Chapter II. Regulations Concerning Public Lectures Which Are And Which Are Not Allowed. 1918, S. 25 ( Digitalisat ) (englische Ubersetzung eines einschlagigen Abschnitts des Babylonischen Talmud ).

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Himmlisches Jerusalem  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Kerstin Gessner: Bausteine fur das Himmlische Jerusalem Glasfoliierte Steine aus dem Kyritzer Kloster St. Johannis und die Bauallegorese der Franziskanerarchitektur . In: Zeitschrift fur Archaologie des Mittelalters, Jahrgang 42, 2014 . ( academia.edu [abgerufen am 19. Februar 2023]).
  2. Evangelisches Gesangbuch Nr. 150 und Gotteslob 553.
  3. Evangelisches Gesangbuch EG 147, 3. Strophe mit Choralsatz von Johann Sebastian Bach, zusatzlich EG 535 als Abschluss des Stammteils. Im Gotteslob unter der Nummer 554 in der Rubrik ?Die himmlische Stadt“.
  4. Ihr Machtigen, ich will nicht singen. (pdf, 44 kB) Keller.fateback.com, 2006, archiviert vom Original am 2. Februar 2014 ; abgerufen am 6. Mai 2017 .
  5. Mick Walllast updated: Supper’s Ready by Genesis: the story behind the song. 19. November 2016, abgerufen am 21. Dezember 2023 (englisch).