Neue Zurcher Nachrichten

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Die Neuen Zurcher Nachrichten (NZN) waren eine katholische Tageszeitung, die von 1904 bis 1991 in der Stadt Zurich erschien. Die Zeitung stand der 1896 in Zurich gegrundeten Christlichsozialen Partei (heutige Christlichdemokratische Volkspartei , CVP) nahe und unterstutzte den Aufbau und die Festigung der katholischen Verbande und der christlich-sozialen Parteiarbeit rund um Zurich. [1]

Von der Wochenzeitung zur Tageszeitung

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Ab 1896 erschienen zweimal wochentlich die Zurcher Nachrichten . Es war das Sprachrohr der Diaspora-Katholiken im damals noch stark zwinglianisch gepragten Zurich . An einer Versammlung der Katholisch-Konservativen Volkspartei in Luzern wurde festgestellt, dass eine grosse Steigerung des Stimmenanteils in den katholischen Kantonen nicht mehr moglich sei. Um nach Zurich vorzustossen, sollte das kleine katholische Blatt ausgebaut werden in eine erstklassige Tageszeitung inklusive eines Wirtschaftsbunds. Durch Initiative des Druckers Theodat Bucher und des Chefredaktors der Ostschweiz, Georg Baumberger , der nach Zurich wechselte, entstanden so die Neuen Zurcher Nachrichten . [2]

Aufschwung und Konsolidierung

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Im Gegensatz zu vielen kleineren katholischen Zeitungen waren die NZN jedoch immer auch national ausgerichtet. Dies zeigte sich auch darin, dass 1929 rund die Halfte der Auflage ausserhalb des Kantons Zurich gelesen wurde. [2] Geschatzt wurde der leicht lesbare, suffisante, manchmal leicht polemische Stil. [3] Im Kampf der Zurcher Katholiken um offentliche Anerkennung waren die NZN deren Sprachrohr. Anlasslich des 50-jahrigen Jubilaums der Zeitung inserierte das Warenhaus Globus : ≪Wir inserieren seit Jahren regelmassig in den 'Neuen Zurcher Nachrichten', weil wir die Kaufkraft der rund 200'000 Katholiken im Kanton Zurich als einen beachtlichen Wirtschaftsfaktor einzuschatzen wissen!≫ Auf dem Hohepunkt der katholischen Integrationsbemuhungen wurde 1963 Urs Burgi als erster Katholik in den Regierungsrat des Kantons Zurich gewahlt, die romisch-katholische Kirche staatsrechtlich anerkannt, und die CSP sandte funf Nationalrate nach Bern, so viel wie nie zuvor. [2]

Neben dem Vaterland und der Ostschweiz wurden die NZN in den 1960er-Jahren zu einer wichtigen Partnerin der kleinen CVP-Blatter, die unter starken finanziellen Druck und in wirtschaftliche Not geraten waren. Die folgenden [4] katholischen oder CVP-nahen Zeitungen erschienen als Kopfblatter der NZN, insbesondere in den Diaspora -Kantonen: Neue Berner Nachrichten , Basler Volksblatt , Aargauer Volksblatt (Baden), Schwyzer Nachrichten (bis 1975), Hochwacht (Winterthur) . [5] [6] Nachdem das Vaterland einige dieser Blatter ebenfalls umworben hatte, wurden ab 1969 Gesprache gefuhrt, um die Krafte zu bundeln und langfristig eine grosse katholische Zeitung mit Regionalausgaben zu schaffen. Aus Angst um einen zu grossen Autonomieverlust wurde parallel dazu in Geheimverhandlungen eine Inseratekombination ≪Katholischer Pressering≫ geschaffen mit dem Basler Volksblatt , dem Aargauer Volksblatt und den Solothurner Nachrichten . [4]

Langer Leidensweg ab 1972

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Die NZN selbst und auch die Unterstutzung ihrer kleineren Partnerzeitungen war nur aus den Gewinnen der Druckerei im Zurcher Seefeld finanzierbar. Als in den fruhen 1970er-Jahren infolge Uberkapazitat im Druckereigewerbe dies nicht mehr moglich war, wurden die progressiv-katholischen NZN selbst zum Kopfblatt der eher konservativen Ostschweiz. 1972 verkauften die Familien Borsig und Bucher ihre Aktien der Neuen Zurcher Nachrichten an die Orell Fussli Annoncen . Die Zeitung stand nun ohne Druckerei da. Die Ostschweiz ubernahm als Gegenleistung fur die Abonnements- und Inserateeinnahmen die Lieferung der Mantelseiten, Herstellung, Versand, das Inkasso und die Buchhaltung. Die Kosten der Redaktion in Zurich wurden von der Kirche getragen. 1980 hingegen beschloss die Zentralkommission (die Exekutive der Kantonalkirche), die Subventionen zu streichen und mit dem Geld das Pfarrblatt etwas auszubauen. [7]

Verschiedentlich gab es Spendenaktionen, um die Strukturen der Zeitung zu starken. In den letzten Jahren wurde der Verlag von St. Gallen nach Zurich zuruckgeholt und die Redaktion mit Computern ausgerustet, damit nicht mehr die Manuskripte per Express nach St. Gallen geschickt und dort erneut abgetippt werden mussten. Finanziert wurde dies durch den NZN Presseclub, einen Verein, dessen Mitgliedschaft 1000 Franken kostete. Jahrlich 150'000 Franken wurden so in den Aufbau der Strukturen investiert. [8]

Durch die Anerkennung der katholischen Kirche und die Integration der Katholiken im offentlichen Leben waren Zusammenhalt und Kampf nicht mehr im gleichen Ausmasse notig wie zuvor. Gleichzeitig setzte um 1968 ein gesellschaftlicher Wandel ein, der sowohl den Kirchen wie auch der Gesinnungspresse schwer zusetzte. [2] [9] Wahrend die innerkatholischen Bindungskrafte schwacher wurden, gelang es aus finanziellen Grunden nicht, das Produkt so auszubauen, dass es auch ausserhalb des eigenen Milieus uberzeugte. [10] In der Auseinandersetzung um das Bistum Chur geriet die Zeitung zwischen die Fronten und verlor viele Abonnenten. [8] Nachdem die Auflage von 12'000 (1985) auf 5000 (1991) gesunken war, war die finanzielle Basis zu schmal, und die Zeitung wurde Ende April eingestellt. [11]

Der 1946 gegrundete NZN Buchverlag publizierte Artikel- und Essaysammlungen der Tageszeitung und entwickelte sich rasch zu einem international renommierten Kunstbuchverlag. Er wechselte 1972 in die Hande der Romisch-katholischen Landeskirche des Kantons Zurich, welche ihn 2005 als katholische Linie des evangelischen Theologischen Verlages Zurich der reformierten Schwesterkirche abtrat.

Schriftsteller Heinrich Federer war 1899 bis 1902 Redaktor der Neuen Zurcher Nachrichten .

Einer der renommiertesten katholischen Publizisten, Carl Doka (1896?1980), war 1946?1952 Redaktor bei den Neuen Zurcher Nachrichten , nachdem er vorher seit 1932 die Redaktion der Ostschweiz geleitet hatte. Bei der Grundung der Tageszeitung hatte Georg Baumberger die Leitung ubernommen. Von Ende 1899 bis 1902 war der Schriftsteller Heinrich Federer Chefredaktor, ehe erneut Georg Baumberger dieses Amt ubernahm. In den 1920er- und 1930er-Jahren stand der spatere CSP-Stadtrat Emil Buomberger der Redaktion vor. Sein Nachfolger wurde Hermann Odermatt , der die Chefredaktion von 1933 bis 1962 versah. [2]

Die Neuen Zurcher Nachrichten erschienen sieben Mal pro Woche: am Montag mit einem zusatzlichen Morgenblatt. Spater ging man zur sechsmaligen Erscheinungsweise uber. Neben einem vom Verlag redigierten Handelsteil (Wirtschaftsbund) gab es eine Reihe von wochentlich erscheinenden Beilagen: Katholische Kultur, Wissenschaft und Technik, Literarische Warte, Die Welt der Frau, Die Scholle und Der Erzahler, als Sonntagsbeilage. [2] Aus der Katholischen Kultur wurde spater Christ und Kultur und Religion aktuell , nach Auflosung der NZN-Zentralredaktion vom Vaterland redaktionell betreut, die in allen katholischen Zeitungen der Schweiz erschienen.

  • Neue Zurcher Nachrichten (Hrsg.): 50 Jahre ... (1904?1954) . Zurich, 1954.
  • Urs Altermatt: Der Weg der Schweizer Katholiken ins Ghetto : Die Entstehungsgeschichte der nationalen Volksorganisationen im Schweizer Katholizismus, 1848?1919 . Freiburg i. U., 1995: Saint-Paul.
  • Patrick Bernold: Katholische Presse der Deutschschweiz und Nationalsozialismus 1933 ? 1938. In: Victor Conzemius (Hrsg.): Schweizer Katholizismus 1933 ? 1945. Eine Konfessionskultur zwischen Abkapselung und Solidaritat . NZZ, Zurich, 2001. S. 219?254.
  • Paul F. Butler: Das Unbehagen an der Moderne: Grundzuge katholischer Zeitungslehre der deutschen Schweiz wahrend der Herausforderung des Modernismus um 1900/1914 . 2002: Schwabe (Kapitel 7).
  • Franco Luzzatto: Offentlichkeitsdefizit der katholischen Kirche: Organisationskommunikation und Kommunikationsstruktur der katholischen Kirche Schweiz ? Bedingungen fur ein Ende der Stagnationskrise . Freiburg i. U., 2002: Saint-Paul.
  • Peter Candidus Stocker: Die Neuen Zurcher Nachrichten. Eine katholische Tageszeitung im Spannungsfeld nationalsozialistischer Tagespolitik. Zurich, 1987.

Einzelnachweise

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  1. Albert Fischer: Abriss der Geschichte des Bistums Chur von den Anfangen bis heute. ( Memento des Originals vom 27. Mai 2011 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www.bistum-chur.ch (PDF-Datei; 10,08 MB)
  2. a b c d e f Rene Seeholzer: ≪Neue Zurcher Nachrichten≫ und Katholisch-Zurich, zwei Dinge, die nicht und nie zu trennen sind . In: Neue Zurcher Nachrichten , 99/1991.
  3. Annetta Bundi: Die Schweizerischen Republikanischen Blatter des konservativen Publizisten J. B. Rusch: eine aufmupfige Stimme im Schweizer Blatterwald (1918?1945) . Freiburg i. U., 1999: Saint-Paul.
  4. a b David Luginbuhl: Vom ?Zentralorgan“ zur unabhangigen Tageszeitung? : Das ?Vaterland“ und die CVP 1955?1991. Freiburg i. U., 2007: Saint-Paul.
  5. Schaller: Kirche und Presse. S. 71?77.
  6. Hartmann: Moglichkeiten und Grenzen im schweizerischen Pressewesen. Arbeitsgemeinschaft der katholischen Presse, 1967.
  7. Kurt Sintzel: Von der NZN-Verlags AG zur NZN AG. In: Neue Zurcher Nachrichten , 99/1991.
  8. a b Ernst Zehnder: Warum sind die katholischen NZN gestorben? In: Neue Zurcher Nachrichten , 99/1991.
  9. vgl. auch: Urs Altermatt: Der Weg der Schweizer Katholiken ins Ghetto : Die Entstehungsgeschichte der nationalen Volksorganisationen im Schweizer Katholizismus, 1848?1919. Freiburg i. U., 1995: Saint-Paul.
  10. Leo Lorenzo Fosco: NZN und CVP ? Parallelitat des Umbruchs. In: Neue Zurcher Nachrichten , 99/1991.
  11. Hugo Camenzind: Eine Stimme, die fehlen wird. In: Neue Zurcher Nachrichten , 99/1991.