Kreuz der Swedenborgianer und der Neuen Kirche
Die Swedenborg Chapel in Cambridge, Massachusetts, USA
Die
Neue Kirche
oder
Kirche des Neuen Jerusalem
ist eine
christliche
Glaubensgemeinschaft
und beruft sich auf die Glaubensrichtung des schwedischen Naturphilosophen
Emanuel Swedenborg
(1688?1772). Ihre Anhanger werden
Swedenborgianer
genannt.
Swedenborg wollte mit seinen
Bibel
interpretationen und weiterfuhrenden Schriften die
Kirche
und das Christentum erneuern. Er beschreibt eine erste Kirche, die auf
intuitiver
Erkenntnis beruhte. In spateren Kirchen sei die Gottesliebe und das Erkenntnisvermogen entartet. Mit dem Verlust der wahren inneren Bedeutung des
Wortes
habe der
Opferkult
und der
Gotzendienst
begonnen. Spater sei das innere Wissen verlorengegangen und es existierten nur noch veraußerlichte Gesetze und Kulte.
Swedenborg selbst grundete keine Kirche, sondern verfasste nur eine
erneuerte Lehre
, die er als Grundlage einer erneuerten Kirche betrachtete.
Schon zu Lebzeiten Swedenborgs gerieten seine Anhanger in Konflikt mit der
lutherischen Kirche
Schwedens, die 1769 durch einen Prozess ein Herstellungs- und Verbreitungsverbot der Schriften Swedenborgs erreichte.
1788 bildete sich im Londoner Vorort Great Eastcheap die erste offentliche
Gemeinde
. 1792 entstand in Manchester die
Printing and Tract Society
, die alteste
Mission
svereinigung der Swedenborgianer. 1810 wurde in London die
Swedenborg Society
gegrundet, um die Schriften Swedenborgs zu drucken und zu verbreiten. Einige Werke waren schon von der lateinischen Urschrift ins Englische ubersetzt worden. 1821 wurde die
Missionary and Tract Society
gegrundet, die
The Swedenborg Magazine
herausbrachte. Mitte des 19. Jahrhunderts war die
Neue Kirche
(engl.
New Church
) in allen großeren Stadten Englands und Schottlands vorhanden. Die Lehre Swedenborgs wurde auch in den britischen Kolonien verbreitet. Dort erfolgte 1792 in
Baltimore
die erste Gemeindegrundung. 1817 wurde in
Philadelphia
die
General Convention of the
New Jerusalem
gegrundet. Von ihr trennte sich 1897 die strengere Richtung der
General Church of the New Jerusalem
ab.
In Deutschland wurde 1848 die
Generalversammlung der Neuen Kirche in Deutschland und in der Schweiz
gegrundet. Ihr Vorstand war der Tubinger Philosophieprofessor
Johann Friedrich Immanuel Tafel
(1796?1863). Er war auch Herausgeber des
Magazins fur die Neue Kirche
. 1874 grundete
Leonhard Tafel
den
Schweizerischen Bund der Neuen Kirche
. Die Gemeinde in Berlin entstand 1900. Von hier aus wurden
Bekenner
in weiten Teilen Deutschlands betreut. 1922 schlossen sich die Gemeinden Berlin, Wien und Bochum-Herne zum
Deutschen Bund der Neuen Kirche
zusammen. Die Gemeinde Berlin wurde am 9. Juni 1941 durch die
Gestapo
aufgelost und fand am 26. September 1946 als einzige Gemeinde in Deutschland wieder zusammen. Im November 1952 entstand die
Swedenborg-Gesellschaft
in Zurich. 1956 wurde die
Neue Kirche in Deutschland
neu ins Vereinsregister eingetragen.
Die Neue Kirche ist besonders in Großbritannien und den USA sowie in Sud- und Westafrika verbreitet. Einen wichtigen Zuwachs erfuhr sie, als ihr 1960 die Zionskirche in Sudafrika geschlossen beitrat. Um 1980 wurde sie auf insgesamt etwa 60.000 Mitglieder geschatzt, davon in den USA etwa 10.000, in Großbritannien 6.700 und in Sud- und Westafrika etwa 11.000. In
Cambridge (Massachusetts)
unterhalt die Neue Kirche eine eigene theologische Schule. Der amerikanischen Organisation unterstehen auch die meisten Gemeinden in Kontinentaleuropa. Auf dem europaischen Kontinent hat die Neue Kirche nur sehr wenige Anhanger. In Deutschland ist seit 1956 das Haus in Berlin Veranstaltungszentrum. Die uber das ganze Land verstreut wohnenden Einzelglieder werden vom Pfarrer durch jahrlich stattfindende Missionsreisen betreut.
Grundlegend ist das Konzept der
Emanation
. Die erste Emanation Gottes ist die geistige Sonne, aus deren Warme und Licht die naturliche Welt entstand. Der geistige Mensch ist in der naturlichen Welt umkleidet von einem materiellen Leib, kann aber in volliger Willensfreiheit seine Seele Gott aufschließen und so mit Gott identisch werden. Im
Sundenfall
wurde die Liebe zu Gott zur Selbstliebe. Der Mensch hat dennoch die volle Freiheit, dem erblichen Hang zum Bosen zu widerstehen, und bestimmt somit selbst, ob er gut oder bose ist. Deshalb verwirft die Neue Kirche die Lehre von der
Erbsunde
. In den Kirchen sei die Verbindung des Menschen zu Gott immer mehr verlorengegangen, bis Swedenborg den eigentlichen, geistigen Sinn des Wortes offenbart habe.
Swedenborgs Werke bestehen zumeist aus Bibelkommentaren, die den geistigen Sinn des Wortlauts der Heiligen Schrift erklaren wollen. Christus ist demzufolge nicht ein von Ewigkeit her geborener Sohn Gottes, sondern in ihm ging der eine Gott in das Menschliche ein unter Einschluss der von Maria stammenden bosen Neigungen. Die Lehre von der
Trinitat
ist somit Abfall zu einem Dreigotter-Glauben. Jesus Christus ist Herr, Schopfer, Erloser und Wiedergebarer zugleich. Die rechtfertigende Gnade durch das Verdienst Christi gilt als eine Erfindung des
Paulus
. Christus sei auch nicht mit einem materiellen Leib auferstanden, sondern in einem naturlich-gottlichen und wurde nach seiner Auferstehung nie mit irdischen, sondern nur mit geistigen Augen gesehen. Die Wiedergeburt des Menschen wird vom Herrn durch den Glauben, die Liebe und die eigene Mitwirkung des Menschen realisiert. Diese Wiedergeburt ist jedem Menschen moglich, es gibt keine gottliche Vorherbestimmung. Der Tod ist nur Zerstorung der leiblich-materiellen Hulle. Das
Letzte Gericht
habe bereits 1757 stattgefunden, als der Herr seinem geistigen Diener Swedenborg den geistigen Sinn des Wortes eroffnete. Damit sei die unvergangliche Neue Kirche des Herrn nach
Offenbarung 21
gegrundet worden. Himmel und Holle sind bei Swedenborg ausfuhrlich beschrieben, wobei die Hollenstrafen lediglich darin bestehen, dass die Orgien der Teufel von den sie uberwachenden Engeln eingedammt werden.
Die
Taufe
wird als ein vom Herrn gestiftetes Sakrament anerkannt und erfolgt ublicherweise als Kindertaufe. Das
Abendmahl
gilt als geistiges Mahl, das je nach Wurdigkeit des Kommunikanten innigste Vereinigung mit dem Herrn bewirkt. In der Regel finden, nach Selbstprufung und Buße, vier Abendmahlsgottesdienste im Jahr statt. In der Traupraxis wird besonders die geistige Natur der Eheschließung betont. Die Bestattung wird als Auferstehungsfeier begangen, bei der die Seele des Verstorbenen ihre Heimat in der geistigen Welt gefunden habe.