Die
Nationale Front
(
persisch
???? ???
Dschebhe Melli
) war ein 1949 unter anderem von
Mohammad Mossadegh
und
Mozaffar Baqai
gegrundetes und mit Unterbrechungen bis 1979 aktives Bundnis aus nationalen, liberalen, sozialistischen, sozialdemokratischen Oppositionsgruppen und Parteien im
Iran
. Trotz der teilweise stark divergierenden Interessen der einzelnen Gruppierungen kampfte die Nationale Front fur die nationale Unabhangigkeit des Iran und die Verstaatlichung der iranischen Olwirtschaft. Sie stellte sich gegen die Politik des
Schahs
Mohammad Reza Pahlavi
, der nach dem Ende des
Zweiten Weltkriegs
den Aufbau des Iran nach westlichem Muster anstrebte.
Die ?Nationale Front“ stellt nicht nur vom Begriff her eine
?Anlehnung an das Konzept der Volksfront“
dar.
[1]
Als
Volksfront
bezeichnet man unscharf ein politisches Bundnis
linker
Parteien untereinander oder auch eine Koalition von Linksparteien mit liberalen oder anderen burgerlichen Kraften. Das politische Konzept der Volksfront erlaubte es den iranischen Kommunisten nach dem Vorbild der im Mai 1949 gegrundeten
Nationalen Front der DDR
sich nicht nur als Avantgarde der Arbeiterklasse, sondern auch als ?Speerspitze des iranischen Volkes“ zu begreifen. Eine wichtige Funktion ubernahm die Nationale Front bei den Wahlen zum iranischen Parlament.
Am Freitag, den 4. Februar 1949 kam es dann zu einem folgenschweren
Attentat auf Schah Mohammad Reza Pahlavi
. Der Attentater Fachr Arai hatte mehrere Schusse auf den Schah abgefeuert, die ihn zwar verletzten, aber nicht todlich waren. Noch am selben Tag kam es zu einer Sondersitzung des Parlaments, in dem Premierminister
Mohammad Sa'ed Maraghei
zwei Regierungserklarungen abgab. In der ersten Erklarung beantragte er den Ausnahmezustand fur die Stadt Teheran und Umgebung und in der zweiten Regierungserklarung beantragte er die Auflosung der
Tudeh-Partei
. Die Regierungserklarung, verlesen von
Manutschehr Eghbal
lautete:
?Seit einigen Jahren haben sich in unserem Land verfaulte Verrater unter dem Name Hesbeh Tudeh Iran versammelt. Sie haben die einfachen Burger mit Versprechungen verfuhrt und Tag fur Tag den Versuch unternommen, Chaos und Unordnung zu schaffen. Ihr Ziel ist es, die staatlichen Fundamente unseres Landes zu untergraben. Sie nehmen jeden noch so großen Schaden, Verletzungen und Verfolgungen, Mord und Plunderung in Kauf, um unser Land aufzuteilen, so wie sie es in Mazadaran, Gilan und Azerbaidschan vor einiger Zeit getan haben. Die uns vorliegenden Berichte belegen, wie sie die einfachen Burger politisch zu verfuhren suchen und die kommunistische Ideologie zwischen Jugendlichen und Studenten verbreiten, um die Grundlage fur eine Revolution vorzubereiten. Aus diesem Grund hat die Regierung zum Schutze unseres Landes, zur Sicherung von Einheit und Unabhangigkeit und zur Vorbeugung von Chaos und Unruhe beschlossen, diese gegen die Unabhangigkeit unseres Landes gerichtete Partei aufzulosen und verraterische Personen, gegen die ausreichende Beweise vorliegen, auf der Grundlage des Gesetzes zu verhaften und zu bestrafen.“
[2]
Die Abgeordneten stimmten in der Sitzung am 5. Februar 1949 der Anordnung der Regierung, die Tudeh-Partei mit sofortiger Wirkung aufzulosen, ohne Gegenstimme zu.
Nach dem Verbot der Tudeh-Partei kam es im Oktober 1949 zur Grundung der Nationalen Front Iran. Mohammad Mossadegh wandte sich zusammen mit einigen Abgeordneten aus Protest gegen angebliche Manipulationen bei den Wahlen zum iranischen Parlament an Schah Mohammad Reza Pahlavi. Aus dieser Gruppe bildete sich eine Parlamentsfraktion, die sich
Nationale Front
nannte. Die Abgeordneten bestanden aus Sozialdemokraten, Vertretern der Arbeiterpartei, Anhanger der
konstitutionellen Monarchie
und Vertretern der schiitischen Geistlichkeit.
[3]
Als politisches Programm formulierten sie die Beendigung der britischen Dominanz in der Ausbeutung der iranischen Olreserven und eine starkere politische Ausrichtung an den Prinzipien des Islams. Bei den 1949 durchgefuhrten Nachwahlen zum Parlament kam die Nationale Front auf 8 Abgeordnetensitze von 136.
[4]
Mit dieser geringen Abgeordnetenzahl schien es nahezu ausgeschlossen, dass Mossadegh Premierminister wurde. Die einzige Moglichkeit fur Mossadegh Premierminister zu werden, war es, die Frage der Verstaatlichung der britischen AIOC politisch zu instrumentalisieren.
1951 konnte mit der Wahl Mossadeghs zum Premierminister des Iran die Nationale Front dieses Ziel verwirklichen und die
Anglo-Iranian Oil Company
(AIOC) wurde der britischen Kontrolle entzogen. Auch durch den auf die Verstaatlichung folgenden Boykott iranischen Ols (
Abadan-Krise
), ließ sich Mossadegh nicht von seiner nationalen Politik abbringen. Er machte deutlich, dass ihm Unabhangigkeit wichtiger sei als alle wirtschaftlichen Vorteile.
[5]
Mossadegh wurde 1952 im Amt des Regierungschefs bestatigt und konnte nur durch einen
Putsch
(?
Operation Ajax
“) der
CIA
und des
MI6
vom Amt des iranischen Premierministers entfernt werden. Nach dem Putsch ging Schah Mohammad Reza Pahlavi fortan harter und schonungsloser mit der politischen Opposition im Land ins Gericht. Der unter anderem zu diesem Zweck errichtete Geheimdienst
SAVAK
entwickelte sich zu einer permanenten Gefahr fur Opposition und Kritik.
Zum Zeitpunkt des Sturzes von Mossadegh bestand die Nationale Front aus den Organisationen:
Partei des Iran
,
Partei des iranischen Volkes
, der sozialistischen
Dritte Macht
, der nationalistischen
Partei der Nation des Iran
, der
Vereinigung der Kaufleute der Basare
, dem
Rat der
Ulema
von
Teheran
sowie weiteren kleineren Gruppen.
[6]
Die Parteien und Organisationen wurden nach dem Putsch allesamt verboten, ihre Fuhrer verhaftet oder exiliert, bzw. aus der Offentlichkeit gedrangt.
Einige der fuhrenden Politiker aus der ersten Nationalen Front grundeten 1954 die
Nationale Widerstandsbewegung
(Nahzat-i Moqavemat-i Melli) mit den politischen Prinzipien der Nationalen Front. Die
Dritte Macht
war in diesem Bundnis nicht mehr vertreten, das ansonsten eine ahnlich breites Spektrum an Gruppierungen und Organisationen vereinte, wie die erste Nationale Front.
Wichtige und einflussreiche Personlichkeiten waren
Schapur Bachtiar
,
Mehdi B?zarg?n
,
Dariusch Foruhar
,
Mahmud Taleghani
und der Vorsitzende der
Partei des Iran
,
Karim Sandschabi
.
[7]
Die Nationale Widerstandsbewegung stand von ihrer Grundung an unter Beobachtung durch den SAVAK. Bereits 1956 wurden nahezu alle Fuhrer der Bewegung wegen Untergrabung der konstitutionellen Monarchie verhaftet. Zusatzlich spalteten sich mehrere Organisationen von der Allianz ab. Es gab interne Auseinandersetzungen uber die Strategie der Widerstandsbewegung. Wahrend B?zarg?n und Taleghani die Monarchie insgesamt ablehnten und eher die Nahe zur
schiitischen
Opposition suchten, war es vor allem die
Partei des Iran
, die innerhalb der bestehenden Verhaltnisse ihren Weg ins Parlament suchen und so fur Reformen sorgen wollte. Diese Gegensatze sorgten 1958 fur das schnelle Ende der Nationalen Widerstandsbewegung.
[8]
1961 lockerte der Schah auf Drangen des neuen
US-Prasidenten
John F. Kennedy
seine Gangart gegen die Nationale Front. Offentliche Kundgebungen wurden erlaubt, und es kam zur Neuformierung der Bewegung.
Die zweite Nationale Front umfasste die
Partei des Iran
, die
Nationale Partei
, die
Sozialistische Partei
und das Bundnis von oppositionellen Gruppen um B?zarg?n namens
Bewegung zur Befreiung des Iran
(
Nahzat-i Azad-i Iran
). Diese neue Nationale Front bekannte sich zu Nationalismus, Islam und Verfassung und stand in der Tradition der Politik Mossadeghs.
Die Aktivitat der zweiten Nationalen Front erstreckte sich hauptsachlich uber die ersten drei Jahre ihres Bestehens. Sie beinhaltete, nach dem Ausschluss der
Dritten Macht
nun auch wieder die sakularen Sozialisten und nutzte die Moglichkeit der offentlichen Kundgebungen zu Bekenntnissen zur Verfassung. Die Kritik richtete sich hauptsachlich gegen die unverhaltnismaßige Gewalt des SAVAK, fur die Rechenschaft gefordert wurde, aber auch der britische Einfluss auf die Olgeschafte wurde thematisiert.
Im Zuge der von
Ruhollah Chomeini
angefuhrten
Unruhen im Iran im Juni 1963
gegen die
Weiße Revolution
von Schah Mohammad Reza Pahlavi spaltete sich die Nationale Front erneut. Aus verschiedenen Ansichten zur notwendigen Radikalitat gegen das Schahregime kristallisierten sich drei neue Bewegungen heraus. Zum einen das Bundnis um die
Partei des Iran
, das sich weiterhin zweite Nationale Front nannte und eine moderate Oppositionsrolle anstrebte. Zum anderen die
Radikalen Sozialisten
und die
Bewegung zur Befreiung des Iran
, die sich mehr und mehr mit der schiitischen Opposition verbundete. Die
Bewegung zur Befreiung des Iran
und die
Sozialistische Partei
(beiden nannten sich
dritte Nationale Front
) radikalisierten ihre Opposition zum Schah, entfernten sich aber zunehmend voneinander.
Die
Bewegung zur Befreiung des Iran
um Mehdi B?zarg?n spielte eine wichtige Rolle in der
Islamischen Revolution
1979. Eine kritische offentliche Diskussion uber die nationalen Vorstellungen der sogenannten ?Nationalen Front“ und ihre Konsequenzen fand bis heute weder auf politischer, noch auf kulturell-literarischer Ebene statt.
- ↑
Rolf van Raden: Volksfront
(PDF; 229 kB)
- ↑
Protokoll des Madschles Schora Melli, 16 Bahman 1327
- ↑
Iran National Front
in der Encyclopedia of the Modern Middle East and North Africa
- ↑
Alan W. Ford:
The Anglo-Iranian Oil Dispute of 1951?1952. A Study of the Role of Law in the Relations of States.
University of california Press, Berkeley CA u. a. 1954, S. 49.
- ↑
Jurgen Martschukat
:
?So werden wir den Irren los!“
In:
Die Zeit
, vom 14. Oktober 2003.
- ↑
Amad Farughy, Jean-Loup Reverier:
Persien. Aufbruch ins Chaos?
Munchen 1979, S. 211.
- ↑
Ervand Abrahamian:
Iran between Two Revolutions.
Princeton NJ 1982, S. 457.
- ↑
Ervand Abrahamian:
Iran between Two Revolutions.
Princeton NJ 1982, S. 458.