Museum Carnuntinum
Das
Museum Carnuntinum
in
Bad Deutsch-Altenburg
in
Niederosterreich
ist Teil und als sogenanntes
Schatzhaus
auch Kernstuck der antiken Romerstadt Carnuntum. Es hat Geschichte und das Alltagsleben des antiken
Legionslagers
und der antiken
Zivilstadt
von Carnuntum zum Thema und prasentiert in seiner Ausstellung hauptsachlich Fundstucke aus den Grabungen auf diesen Platzen. Mit uber 2 Millionen Fundstucken im Depot ist es das großte Romermuseum in Osterreich.
1852 legte Freiherr
Eduard von Sacken
durch seine Forschungen in Carnuntum den Grundstein fur eine der bedeutendsten Romersammlungen in Osterreich. Da am Ende des 19. Jahrhunderts die ersten wissenschaftlichen Grabungsarbeiten in Carnuntum begannen, unter anderem wurde 1887 das Amphitheater und von 1898 bis 1911 das Legionslager freigelegt. Ein Teil der bei den Untersuchungen geborgenen romischen Artefakte wurden bis dahin im
k.k. Munz- und Antikenkabinett
in
Wien
oder in Privatsammlungen untergebracht. Der Zugang zu den wissenschaftlichen Ergebnissen vor Ort war fur Interessierte dadurch nur sehr eingeschrankt moglich.
Eines der Hauptanliegen des 1884 in Wien gegrundeten Vereines Carnuntum und seiner Forderer wie beispielsweise Otto Reichsgraf Abensberg Traun, Anton Graf
Ludwigstorff
, Wilhelm Ritter von Hartel, Freiherr
Josef von Doblhoff-Dier
und andere Mitglieder einschlagiger Forschungskreise war gemaß seinen Statuten die Einrichtung eines Carnuntum-Museums. Bis zur Realisierung dieses Projektes waren die meisten Funde aus den Grabungen auf das Schloss Petronell, das
Schloss Ludwigstorff
und ein vom Steinbruchbesitzer Karl Hollitzer zur Verfugung gestelltes Haus in Bad Deutsch-Altenburg (ehemaliges ?Bastlerhaus“, heute befinden sich dort Gemeindewohnungen) verteilt.
Vom ersten Planungsentwurf
Otto Benndorfs
vergingen fast zwanzig Jahre, bis auf Initiative des Vereins Carnuntum (heute Verein Freunde Carnuntums) die beiden Architekten
Friedrich Ohmann
, der vorher schon ahnliche Projekte geplant hatte, und August Kirstein vom
k.k. Ministerium fur Cultus und Unterricht
mit der Umsetzung des Bauvorhabens beauftragt wurden. Der Verwendungszweck des Gebaudes war in einem Vereinbarungsentwurf des Vereines Carnuntum an das k.k. Ministerium fur Cultus und Unterricht im Jahr 1902 klar festgelegt:
?Das Museum ist bestimmt, alle erreichbaren antiken (eventuell auch spatere und prahistorische) Fundobjecte aus dem Gebiete von Carnuntum und Umgebung aufzunehmen, fur Bildungszwecke und Fachstudien offentlich nutzbar zu machen und in Deutsch-Altenburg fur immer zu erhalten.“
Die Grundsteinlegung erfolgte im Jahr 1901 auf einem privaten Grundstuck nahe am Sudufer der
Donau
und schon 1904 konnte Kaiser
Franz Joseph
das neue Museum feierlich seiner Bestimmung ubergeben.
Hauptfassade des Museumsgebaude
Das Museum steht inmitten einer Gartenanlage und orientiert sich in seinem Stil an einer romischen Landvilla. Die Architekten versuchten mit ihrem Entwurf den Eindruck einer Rekonstruktion zu erwecken. An dem dreiachsigen Mittelbau schließen sich seitlich zwei Flugel mit Rundbogenfenstern im Obergeschoss an. An beiden Seiten des Haupteingangs sind
ionische
Saulen aufgestellt, die die Busten der romischen Kaiser
Marc Aurel
und
Augustus
tragen.
Das Haus wurde in beiden Weltkriegen stark beschadigt. 1949 wurde es notdurftig wiederhergestellt und schon 1950 wiedereroffnet. Die Umbauten linderten jedoch nicht die Raumnot, die durch die Anhaufung der Fundgegenstande entstanden war, denn der Bau blieb fast unverandert. Das Gebaude hat (bedingt durch den felsigen Untergrund des Gelandes) keinen Keller und damit auch keine großeren Lagerraume zur Verfugung. Das Bundesland
Niederosterreich
ubernahm zunachst nur treuhanderisch die Verwaltung, bis es dann 1953 endgultig in Landesbesitz uberging. Fur eine umfangreiche Gebaudesanierung fehlten jedoch die notwendigen finanziellen Mittel, sodass erst 1988 mit einem großeren Umbau und einer Renovierung begonnen werden konnte. Nach Abschluss der Umbaumaßnahmen konnte das neu gestaltete und umfassend modernisierte Museum im Jahr 1992 wieder fur die Besucher geoffnet werden.
Im Kurpark vor dem Museum steht in der Mittelachse des Eingangsbereiches ein lebensgroßes Bronzestandbild Kaiser Franz Josephs I., eine Arbeit des Bildhauers
Edmund Hofmann von Aspernburg
.
Grundstock der Fundsammlung des Museums waren die Privatsammlungen von Abensberg-Traun, Ludwigstorff, Hollitzer, Nowatzi und Widter. Hauptanliegen ist die umfassende Prasentation der romischen Kultur, orientalischer Religionen und Kulte, des Alltagslebens der Romer sowie der Entwicklung des romischen Militarwesens an der pannonischen Donaugrenze. Auch Kaiser Marc Aurel verbrachte wahrend der Markomannenkriege mehrere Jahre in Carnuntum. Damit ruckte die am Rande des Reiches gelegene Provinzhauptstadt ins Zentrum der damaligen Weltpolitik. Die Ausstellung zeigt anhand von vorher noch nie ausgestellten Fundstucken die Auswirkungen dieses bedeutenden Ereignisses bis in unsere Zeit. Die teilweise Entstehung seiner philosophischen
Selbstbetrachtungen
in Carnuntum wird dabei ebenfalls untersucht.
Gezeigt werden vor allem Grabsteine, Mosaike, Weihealtare, Statuen und Reliefs, Gebrauchsgegenstande des taglichen Lebens, Munzen, Schmuck (vor allem Gewandfibeln), Statuen des
Jupiter Dolichenus
,
Mithras
syrischer und agyptischer Gotter, Kaiserportrats sowie Munzen, medizinische Instrumente, Nachbildungen von Waffen und Ausrustung romischer Soldaten, Schreibgerate, Keramik, Glaser und Schmuck aus Grabfunden.
Das Museum ist bestrebt, durch eine auf strenger wissenschaftlicher Grundlagenarbeit basierende Prasentation auch weiterhin seine Besucher fur die Zivilisation der romischen Antike vor 2000 Jahren zu interessieren und so verstandlich zu machen, dass die Geschichte Osterreichs oft auch aus den historischen Ereignissen rund um das romische Carnuntum erklart werden kann. Seit 2004 werden im Museum Carnuntinum immer wieder Ausstellungen zu wechselnden Themenschwerpunkten gezeigt. Dazu zahlen auch in Verbindung mit den Ausgrabungen die in den letzten Jahren wiederaufgebauten Wohnhauser und die Therme auf dem Gelande der Romerstadt Carnuntum.
Das Museum war im Rahmen der
Landesausstellung 2011
mit der
Kulturfabrik Hainburg
und dem rekonstruierten Romischen Stadtviertel in
Petronell-Carnuntum
einer der drei Standorte dieser Sonderschau.
Empfangszentrum der Romerstadt Carnuntum
Reiter- und Gladiatorenspiele im Amphitheater I
Die erste Basis fur die Romerstadt Carnuntum wurde in den spaten 1980er-Jahren gelegt, 1997 erfolgte die eigentliche Grundung als Kulturinstitution. Sie umfasst ein rund zehn Quadratkilometer großes Areal in der Umgebung der Ortschaften
Petronell
und
Deutsch-Altenburg
in
Niederosterreich
, auf dem bislang ca. 0,5 Prozent der Bausubstanz der einstigen Romersiedlung Carnuntum ausgegraben sind. Sein Zentrum befindet sich im sogenannten Spaziergarten des Schlosses Petronell. 10 bzw. 20 Gehminuten entfernt liegt das Amphitheater der Zivilstadt und das Wahrzeichen der Region, das Heidentor. Ostlich davon, in Deutsch-Altenburg, steht nahe dem ehemaligen Legionslager das zweite, besser erhaltene Amphitheater der Lagerstadt. Es gehort zu den Aufgaben des Parks, die schon ausgegrabenen, aber teilweise schon wieder verfallenen antiken Mauerzuge besser zu konservieren (mit Kalkmortel anstatt wie bisher mit Zementmortel) und so der Nachwelt zu erhalten. Weiters sollen von dort aus Notgrabungen organisiert und vor allem die romischen Artefakte von dem durch Steinbrucharbeiten stetig weiter abgetragenen Pfaffenberg sichergestellt werden. Weitere Grabungen gestalten sich nicht nur aus finanziellen, sondern auch aus juristischen Grunden bei der Ablosung des in Privatbesitz befindlichen Ackerlands schwierig. Man setzt daher seit den 1970er-Jahren auf Qualitat und Anschaulichkeit anstatt auf Quantitat. Diese Maßnahmen bzw. begleitende Veranstaltungen tragen wesentlich zum Verstandnis der antiken Kultur und Technologie und zu einer Revitalisierung der Region bei.
[1]
Die noch sichtbaren Reste der romischen Stadt sind zum großten Teil im Spaziergarten zu sehen. Im Sinne des noch relativ jungen Forschungszweiges der experimentellen Archaologie wird die antike Lebenswelt fur das Publikum durch Veranstaltungen wie Reiter- oder Gladiatorenspiele und durch die weltweit bisher einzigartige Wiederaufbautechnik von antiken Gebauden und die wissenschaftlich belegte Gestaltung von Innenraumen und Vorgarten im Freilichtmuseum des rekonstruierten Romischen Stadtviertels erlebbar gemacht.
Im Zeitraum von 2006 bis 2011 wurde das Gelande fur die
Niederosterreichische Landesausstellung
vollig neu gestaltet. Dabei wurde auch ein modernes Informations- und Ausstellungsgebaude mit einem maßstabgetreuen Flachenmodell der Kastelle und der Stadt errichtet. Die wichtigsten Gebaude eines Stadtteils (
insula
), bestehend aus mehreren Straßen, zwei Hausern und einer Badeanstalt, wurden auf den freigelegten Fundamenten mit Hilfe fachubergreifender wissenschaftlicher Erkenntnisse und historischer Quellen rekonstruiert und samt der Inneneinrichtung bis ins Detail teilweise neu aufgebaut, sodass der Besucher einen nahezu unverfalschten Eindruck vom Alltagsleben in den ersten funf Jahrzehnten des 4. Jahrhunderts n. Chr. bekommt. Vorrangiges Ziel war das Aufzeigen und die Beschreibung unterschiedlicher Arbeitsmethoden in virtueller Rekonstruktion sowie das Studium der Moglichkeiten korrekter Interpretation archaologischer Befunde. Bis zu 120 Personen wurden fur Grabungen, Bauarbeiten, den Betrieb des Romischen Stadtviertels und die Betreuung der zuletzt 250.000 Besucher pro Jahr eingesetzt. Das Stadtviertel kann auch virtuell begangen werden.
Aussichtsturm auf der Nordterrasse
Als Vorlage fur die bisherigen baulichen Rekonstruktionen wurde das vierte Jahrhundert, die sogenannte Bauperiode funf, gewahlt. Fertiggestellt wurden dabei insgesamt vier Gebaudekomplexe:
- das Haus des Tuchhandlers Lucius
- das Patrizierhaus Villa Urbana (2007 bis 2008)
- die benachbarte kleine Therme (2009 bis 2011)
- Domus Quarta (Speisezimmer 2013 teilrekonstruiert)
Die Rekonstruktionen sind keine fiktiven Kulissen oder museale Objekte, sondern bewohnbare Hauser. Alle Grundrisse und Ausstattungsdetails sowie die Straßenniveaus des Stadtviertels sind einer einzigen Zeitepoche zuzuordnen. Der Aufbau der rekonstruierten Gebaude erfolgte nicht mit moderner Bautechnik, sondern mit nachgebauten romischen Kellen, Meißeln und Hammern. Fur den Mortel verwendete man wie zur Romerzeit Flusssand und Kalk, fur die Dachkonstruktionen wurden moglichst alte, noch mit der Axt behauene Balken aus Abbruchhausern und Scheunen der Umgebung verwendet. Diese experimentelle Archaologie ist zwar kostenintensiv, liefert aber wertvolle Aufschlusse uber antike Handwerkstechniken, Bauzeiten und Baukosten. Auch die fur die Romer typischen Fußbodenheizungen (
Hypocaustum
) wurden nachgebaut, die Therme wird von April bis November beheizt.
Im Jahr 2006 fanden anlasslich des 2000-jahrigen Bestehens der romischen Siedlung zahlreiche Veranstaltungen (Schaukampfe, Schaukochen usw.) statt.
Im Jahr 2013 wurde der Park von der Europaischen Union neben dem Weihnachtslied
Stille Nacht, heilige Nacht
fur das
Europaische Kulturerbe-Siegel
fur die Vorauswahl nominiert.
[2]
Am 8. April 2014 wurde der Romerstadt das Siegel zuerkannt.
[3]
- Franz Humer
:
Marc Aurel und Carnuntum, Sonderausstellung in Bad Deutsch-Altenburg aus Anlaß des Jubilaums ?100 Jahre Museum Carnuntinum“.
In:
Forum Archaeologiae
31/VI/2004,
- Christa Farka:
Archaologie in Carnuntum.
In: Franz Humer (Hrsg.):
Legionsadler und Druidenstab, Vom Legionslager zur Donaumetropole.
Sonderausstellung aus Anlass des Jubilaums ?2000 Jahre Carnuntum“, Textband, Verlag Ferdinand Berger & Sohne, Horn 2006,
ISBN 3-85460-229-4
.
- Werner Jobst:
Provinzhauptstadt Carnuntum, Osterreichs großte archaologische Landschaft.
Osterr. Bundesverlag Wien 1983, S. 29?30,
ISBN 3-215-04441-2
.
- Peter Pleyel:
Das romische Osterreich.
Pichler Verlag, Wien 2002,
ISBN 3-85431-270-9
, S. 68?78.
- ↑
Peter Pleyel:
Das romische Osterreich.
2002, S. 73?74.
- ↑
Neueste Nachrichten uber die Europaische Kulturerbe-Siegel
(
Memento
vom 13. Juli 2013 im
Internet Archive
) abgerufen am 24. Marz 2013.
- ↑
derStandard.at Wissenschaft Zeit vom 9. April 2014: EU-Auszeichnung fur Archaologischen Park Carnuntum (APA)
, abgerufen am 14. April 2014.
48.13989
16.90352
Koordinaten:
48° 8′ 23,6″
N
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16° 54′ 12,7″
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