Das
Museum national d’histoire naturelle
(
Sigel
: MNHN;
deutsch
Nationales Naturkundemuseum
) ist ein staatliches franzosisches
Naturkundemuseum
, an das eine Forschungs- und Bildungseinrichtung fur
Bio-
und
Geowissenschaften
angeschlossen ist. Das Naturkundemuseum wurde am 10. Juni 1793 gegrundet und hat den Status eines
grand etablissement
. Es untersteht sowohl dem Forschungs- als auch dem
Umweltministerium
. Der Hauptsitz befindet sich in
Paris
, im Laufe der Geschichte kamen weitere Dependancen in Paris und in ganz Frankreich hinzu.
Seine wissenschaftlichen Sammlungen umfassen mehr als 55 Millionen Exponate, das MNHN hat damit die drittgroßte Sammlung der Welt. Am Hauptstandort in Paris befindet sich auch ein dem Museum angeschlossener
Zoo
, die
Menagerie du Jardin des Plantes
.
Zur Zeit seiner Grundung und in den
Pionierjahren der Biologie
, war das Museum fur lange Zeit die wichtigste Naturforschungs- und Bildungseinrichtung der Welt, deren Lehrstuhle von den bedeutendsten Biologen und Naturwissenschaftlern besetzt waren.
Die Ursprunge des Museums liegen im koniglichen Heilpflanzengarten, dem
Jardin royal des plantes medicinales
, der von
Ludwig XIII.
(1601?1643) im Jahre 1635 initiiert wurde; die Verwaltung oblag den koniglichen Arzten. Mit der koniglichen Proklamation des jungen Konigs
Ludwig XV.
vom 31. Marz 1718 wurde die rein medizinische Funktion aufgehoben, so dass die Anlage nunmehr
Jardin royal des plantes
genannt wurde, spater nur noch
Jardin des plantes
. Fur einen Großteil des 18. Jahrhunderts (1739?1788) war der Garten unter der Leitung von
Georges-Louis Leclerc de Buffon
, einem der fuhrenden Naturforscher der
Aufklarung
. Er brachte durch seine Arbeit internationalen Ruhm und Prestige fur die Einrichtung.
Diese ursprunglich konigliche Institution uberlebte bemerkenswerterweise die
Franzosische Revolution
. Die Initiative ergriff
Joseph Lakanal
, der der
Konstituante
vorschlug, die Sammlungen von
Louis V. Joseph de Bourbon, prince de Conde
zur Einrichtung des Museums zu verwenden. Nach einer Reorganisation wurde am 10. Juni 1793 das republikanische Musee national d’histoire naturelle mit zwolf Professuren von gleichem Rang neu gegrundet. Einige ihrer fruhen Professoren waren hervorragende Wissenschaftler wie der Begrunder der
Palaontologie
und der
Vergleichenden Anatomie
Georges Cuvier
, der Pionier der evolutionaren biologischen Entwicklungsforschung
Jean-Baptiste de Lamarck
und der
Zoologe
Etienne Geoffroy Saint-Hilaire
.
Als im Marz 1814 Paris von russischen und preußischen Truppen besetzt wurde, begannen marodierende Truppenteile den
Jardin des Plantes
zu zerstoren. Durch die Unterstutzung von
Alexander von Humboldt
, der dem preußischen Konig
Friedrich Wilhelm III.
als Begleiter diente, konnten die wissenschaftlichen Einrichtungen und Sammlungen vor den Raubzugen der Besatzungstruppen gerettet werden.
Das Museum publizierte von 1839 bis 1861 die
Archives du Museum d’Histoire Naturelle
.
Nach dem Erhalt finanzieller Autonomie im Jahre 1907 begann eine neue Phase des Wachstums, wahrend der Zwischenkriegszeit in ganz Frankreich. In den letzten Jahrzehnten richtete sich seine Forschungs- und Bildungsarbeit auf ein besseres Verstandnis der Geo-,
Bio-
und Anthropodiversitat, darunter auch die Auswirkungen der Ausbeutung des Menschen auf die Umwelt.
[1]
In der Nacht zum 30. Marz 2013 brach ein 20-jahriger ins Museum ein und trennte einem ausgestellten Elefanten, der Konig
Ludwig XIV.
gehort hatte, per Motorsage einen Stoßzahn ab. Er fluchtete mit dem Stuck Elfenbein, wurde aber noch in der Nahe gestellt.
[2]
Heute ist das Museum ein Naturkundemuseum sowie eine Forschungseinrichtung fur
Bio-
und
Geowissenschaften
. Seine Fachgebiete umfassen
Zoologie
,
Botanik
,
Geologie
und
Palaontologie
, samt abgeleiteten Disziplinen wie der
Okologie
. Seine wissenschaftlichen Sammlungen, mit dem weltweit drittgroßten Gesamtbestand nach dem
National Museum of Natural History
der
Smithsonian Institution
in
Washington
und dem
Londoner
Natural History Museum
, umfassen unter anderem 40 Millionen
Insekten
, 8 Millionen
Blutenpflanzen
und 7 Millionen sonstige Pflanzen, Algen und Pilze (
Kryptogamen
).
Am
Museum national d’histoire naturelle
haben viele bedeutende Naturwissenschaftler gelehrt. Hier eine chronologisch sortierte Aufstellung von beruhmten Lehrstuhlinhabern jeweils mit der Angabe der Jahre, an denen sie dort lehrten:
- Louis Jean-Marie Daubenton
(1793?1799,
Mineralogie
, erster Direktor)
- Rene Desfontaines
(1793?1833, Museums
botanik
)
- Antoine-Francois Fourcroy
(1793?1809, Allgemeine Chemie)
- Antoine Laurent de Jussieu
(1793?1826, Feldbotanik)
- Jean-Baptiste de Lamarck
(1793?1829,
Zoologie
: Insekten, Wurmer, Mikroorganismen)
- Etienne Geoffroy Saint-Hilaire
(1793?1794 Zoologie der Wirbeltiere, 1794?1841 Zoologie: Saugetiere und Vogel)
- Andre Thouin
(1793?1824, ?Culture“ ? Acker- und Gartenbau),
- Bernard Germain Lacepede
(1795?1825, Zoologie: Reptilien und Fische)
- Deodat Gratet de Dolomieu
(1800?1801, Mineralogie)
- Georges Cuvier
(1802?1832, Anatomie der Tiere)
- Louis-Nicolas Vauquelin
(1804?1829, ?Arts chimiques“)
- Andre Marie Constant Dumeril
(1825?1857, Zoologie: Reptilien und Fische)
- Adrien de Jussieu
(1826?1853, Feldbotanik)
- Michel Eugene Chevreul
(1830?1850, ?Arts chimiques“)
- Pierre Andre Latreille
(1830?1833, Naturgeschichte der Krebse, Spinnentiere und Insekten oder Gliedertiere)
- Henri Marie Ducrotay de Blainville
(1830?1832 Naturgeschichte der Weichtiere, Wurmer und
Zoophyten
, 1832?1850
Vergleichende Anatomie
)
- Pierre Flourens
(1832?1838 menschliche
Anatomie
, 1838?1867 Vergleichende
Physiologie
, Direktor 1856/57)
- Achille Valenciennes
(1832?1865, Naturgeschichte der Weichtiere, Wurmer und Zoophyten)
- Adolphe Brongniart
(1833?1857 Museumsbotanik, 1857?1874 Botanik und
Pflanzenphysiologie
, 1874?76 Botanik,
Organographie
und Pflanzenphysiologie)
- Frederic Cuvier
(1837?1838, Vergleichende
Physiologie
)
- Henri Milne Edwards
(1841?1862, Naturgeschichte der Krebse, Spinnentiere und Insekten oder Gliedertiere)
- Isidore Geoffroy Saint-Hilaire
(1841?1861, Zoologie: Saugetiere und Vogel)
- Edmond Fremy
(1850?1892, Angewandte und
Organische Chemie
)
- Auguste Dumeril
(1857?1870, Zoologie: Reptilien und Fische)
- Henri Milne Edwards
(1862?1876, Zoologie: Saugetiere und Vogel)
- Claude Bernard
(1868?1878, Allgemeine
Physiologie
)
- Paul Gervais
(1868?1879,
Vergleichende Anatomie
)
- Leon Vaillant
(1875?1901, Zoologie: Reptilien und Fische)
- Alfred Des Cloizeaux
(1876?1892, Mineralogie)
- Alphonse Milne-Edwards
(1876?1900, Zoologie: Saugetiere und Vogel)
- Auguste Chauveau
(1886?1911, vergleichende
Pathologie
)
- Henri Becquerel
(1892?1908, Angewandte Physik und Naturwissenschaft)
- Alfred Lacroix
(1893?1936, Mineralogie)
- Jean Becquerel
(1909?1948, Angewandte Physik und Naturwissenschaft)
- Andre Aubreville
(1958?1968,
Phanerogamen
)
- Jean Dorst
(ab 1964, Zoologie: Saugetiere und Vogel)
- Yves Coppens
(1980?1983,
Anthropologie
)
- Brigitte Senut
, seit 1987,
Palaoanthropologie
- Monique Ducreux (Hrsg.):
La Grande Galerie de l’Evolution du Museum National d’Histoire Naturelle.
Museum National d’Histoire Naturelle, Paris 1999,
ISBN 2-85653-253-5
.
- Yves Laissus:
Le Museum National d’Histoire Naturelle.
Gallimard, Paris 1995,
ISBN 2-07-053323-9
.
- Neu angekommene Thiere im naturhistorischen Museum des Jardin des Plantes in Paris
. In:
Illustrirte Zeitung
.
Nr.
18
. J. J. Weber, Leipzig 28. Oktober 1843,
S.
283?285
(
Digitalisat
in der Google-Buchsuche).
- Das Museum National d’Histoire Naturelle gibt funf wissenschaftliche Zeitschriften heraus, die kostenlos im Internet zuganglich sind:
Geodiversitas
(
ISSN
1280-9659
),
Zoosystema
(
ISSN
1280-9551
),
Adansonia
(
ISSN
1280-8571
),
Anthropozoologica
(
ISSN
0761-3032
) und das
European Journal of Taxonomy
(
ISSN
2118-9773
). Die wissenschaftlichen Publikationen des Museums bestehen derzeit aus sechs Sammlungen von Monographien:
Memoires
,
Archives
,
Des Planches et des Mots
,
Patrimoine geologique
(Geologisches Erbe),
Patrimoines naturels
(Naturerbe) und
Faune et Flore tropicales
(Tropische Flora und Fauna).
[3]
- Von Ratten und See-Elefanten. Die Welt des Pariser Naturkundemuseums.
(Alternativtitel:
Dans les coulisses du Museum.
) Dokumentarfilm, Frankreich, 2014, 52:30 Min., Buch: Cecile Dumas, Vincent Gaullier, Regie: Stephane Begoin, Produktion:
arte
France,
CNRS
Images, Morgane Groupe,
TV5 Monde
, deutsche Erstsendung: 26. September 2014 bei arte,
Inhaltsangabe
von arte.
- ↑
Des collections depuis quand?
In:
Museum national d'histoire naturelle
, aufgerufen am 10. Oktober 2018.
- ↑
Elfenbeindiebstahl mit Motorsage in Pariser Museum.
In:
ORF
, 30. Marz 2013.
- ↑
Les Publications scientifiques du Museum.
In:
MNHN
, aufgerufen am 1. Oktober 2014.
48.842222222222
2.3563888888889
Koordinaten:
48° 50′ 32″
N
,
2° 21′ 23″
O