Multifunctional Information Distribution System
(
MIDS
; deutsch
Multi-Funktionales Informationsverteilungssystem
) ist ein militarisches
Funksystem
, das nach dem
Zeitmultiplexverfahren (TDMA)
im Frequenzbereich 960?1215 MHz
[1]
arbeiten kann.
MIDS ist die verbesserte Version des von den USA entwickelten
JTIDS
und mit diesem weitgehend kompatibel.
Ursprunglich fur die Streitkrafte der USA entwickelt, wird das System heute unter anderem im Gesamtbereich der NATO-Luftverteidigung genutzt. Es operiert im Frequenzbereich 960 ? 1215 MHz, der gemaß
VO Funk
dem
Flugnavigationsfunkdienst
als Primarnutzer weltweit zugewiesen ist. Außerdem ist dieser Frequenzbereich auf weltweiter Basis der Benutzung und Entwicklung elektronischer Flugnavigationshilfen an Bord von Luftfahrzeugen sowie der Benutzung und Entwicklung der zugehorigen Einrichtungen an Bord vorbehalten.
[2]
Deshalb verfugt das Gesamtsystem MIDS/JTIDS in NATO-Europa nur uber eine
Frequenzverfugbarkeit
mit Einschrankungen und Auflagen.
- Datenfunk, Tactical Data
Link 16
,
- Sichere, digitale Sprachubertragung,
- Flugnavigation (
Tactical Air Navigation
, TACAN),
- Relative Navigation
,
- Identifizierung (
Precise Participant Location and Identification
, PPLI).
MIDS-Terminals werden bei der
Luftwaffe
, der
Marine
und beim
Heer
eingesetzt. Die technischen Eigenschaften des MIDS-Terminals sind im Standardization Agreement (
STANAG
) 4175 spezifiziert.
Eine querschnittlich verwendete Variante des MIDS ist das MIDS Low Volume Terminal (MIDS-LVT), welches durch die USA, Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien finanziert und von MIDSCO, einem
Joint-Venture
zwischen Thomson-CSF, GEC, Siemens, Italtel und Enosa, entwickelt wurde. Nach Herstellung der Serienreife ging die Produktion an
Viasat Inc.
,
DataLinkSolution
und
EuroMIDS
uber. EuroMIDS, ein Joint-Venture der europaischen Rustungsfirmen
EADS
(Deutschland),
SELEX
(Italien),
THALES
(Frankreich) und
INDRA
(Spanien), stellt MIDS-LVT uberwiegend fur europaische MIDS-Nutzer her. Als Nachfolger des MIDS-LVT wird derzeit unter amerikanischer Fuhrung das
MIDS-JTRS
(MIDS
Joint Tactical Radio System
) entwickelt. In Deutschland wird das MIDS-LVT von allen militarischen Organisationsbereichen genutzt. Das Waffensystemkommando der Luftwaffe -Dezernat VI 1- (WaSysKdoLw VI 1) hatte hierfur die Nutzungssteuerung bis 2012 inne.
MIDS nutzt zur Informationsubertragung ein Zeitmultiplexverfahren (
Time Division Multiple Access
, TDMA) im Frequenzband 960 ? 1215 MHz. Das MIDS Terminal wechselt dabei in sehr schneller Folge zwischen 51 verschiedenen Arbeitsfrequenzen (
Frequency Hopping Spread Spectrum
, FHSS, Auswahl im Pseudo-Random Verfahren), um seine Informationen zu senden beziehungsweise zu empfangen. Basis ist dabei ein periodisch wiederholter 12-Sekunden-Zeitraum, der
Frame
; die kleinste, einem bestimmten Terminal zugeordnete Informationseinheit wird
time slot
genannt. Innerhalb des Time Slot wird zudem noch in
pulses
die Frequenz gewechselt. Die Abfolge, in der die einzelnen Arbeitsfrequenzen durchlaufen werden, wird durch einen Schlusselalgorithmus definiert.
Der Trager wird zusatzlich mit einem pseudozufalligen Rauschmuster moduliert (
Direct Sequence Spread Spectrum
, DSSS), welches nur durch einen Kryptoschlussel, der nur verbundeten Kraften vorliegt, wieder entfernt werden kann. Dieser Schlussel dient auch der Ermittlung der Sende- und Empfangsfrequenz sowie dem Verschlusseln des Datenstroms.
Durch das Verteilen des Signales in Verbindung mit redundanter Aussendung und zusatzlichen Fehlerkorrekturdaten nach dem
Reed-Solomon
-Verfahren stellt MIDS eine zuverlassige, sichere und nur schwer storbare Datenfunkverbindung bereit. Je nach Aufwand bei der Fehlerkorrektur lassen sich in der Praxis Datenraten zwischen 57 und 114 kbit/s erreichen.
In der Regel sendet in jedem Time Slot stets nur ein Terminal (
dedicated access
), jedoch gibt es zur Netzwerkoptimierung auch Verfahren, bei dem bestimmte Time Slots von jedem beliebigen Terminal bei Bedarf genutzt werden durfen (
contention access
). Dies gilt vor allem fur Informationen, bei denen es aufgrund einer hohen Wiederholrate nicht auf die zuverlassige Ubertragung zu einem bestimmten Zeitpunkt ankommt, insbesondere bei digitaler Sprachubermittlung.
Da zu jedem Zeitpunkt die Terminals immer nur auf einer der verfugbaren Frequenzen senden, ist durch eine intelligente Schachtelung/Zuteilung der Time Slots die Schaffung verschiedener, voneinander unabhangiger Teilnetze moglich, die nicht miteinander interferieren. In der Praxis ist dies aber stark begrenzt, da mit der Nutzung von Multi-Netting der Energieeintrag in das Frequenzband (
time slot duty factor
) so erhoht wird, dass Gefahr besteht, die im gleichen Frequenzband angesiedelten Frequenzen der zivilen Flugsicherung (
DME
,
IFF
) zu storen. Die erlaubten Obergrenzen sind in nationalen Frequenzfreigaben niedergelegt, die jeweils fur einen bestimmten Flugsicherungsbereich (Flight Information Region, FIR) gelten.
Die Zuordnung der Time Slots zu bestimmten Terminals erfolgt durch das
MIDS network design
. Dieses bestimmt, wann ein MIDS-Terminal auf welchem Time Slot lauschen beziehungsweise senden darf. Das MIDS-Netzwerk wird in digitaler Form in das Terminal geladen und konfiguriert den Sprungfrequenzsender gemaß den Designvorgaben.
Damit sich die einzelnen Datenpakete nicht uberschneiden, benotigen MIDS-Terminals zur Identifizierung des korrekten Zeitpunktes des Sendens ein Zeitnormal, die
net time reference
(NTR). Eines der Terminals im Netzwerk arbeitet als NTR. Die von ihm versendeten Zeitzeichen gelten per Definition als korrekt. Die ubrigen Terminals justieren ihre internen Uhren danach. Je nach Fortschritt des Synchronisierungsprozesses befinden sich die Terminals in den Zustanden:
- starting net entry (Synchronisierung beginnt)
- coarse sync (Grobsynchronisierung erreicht, ab hier ist Datenempfang moglich)
- fine sync (Feinsynchronisierung erreicht, nur hier ist ein Senden moglich)
Die NTR selbst bezieht ihre Zeit ublicherweise aus einem verbindlichen Zeitnormal wie zum Beispiel der
GPS
-Zeit.
Zur Vermeidung der Abhangigkeit von der lokalen Zeitreferenz NTR bieten MIDS-Terminals mittlerweile auch die Moglichkeit der
External Time Reference
(ETR). Hierfur ist aber auf jeder MIDS-Plattform ein hochgenaues Zeitnormal wie beispielsweise GPS zwingend erforderlich.
Die Mischung von ETR- und NTR-basierten Netzwerken ist moglich, sofern ein ETR-Terminal als NTR fur diejenigen Netzwerkteilnehmer ausgewahlt ist, die das ETR-Verfahren nicht anwenden konnen.
Die im Folgenden aufgefuhrten Kommunikationsdienste konnen von MIDS gleichzeitig ausgefuhrt werden, wobei sich die einzelnen Dienste die Bandbreite untereinander teilen:
Taktische Informationen werden gemaß
Link 16
-Standard in ?fixed format messages“ ubertragen. Die hier ubertragenen Informationen werden an das
Fuhrungssystem
ubermittelt, in welches das MIDS integriert ist.
MIDS bietet zwei verschlusselte digitale Sprechfunkkanale, die in 127 unterschiedlichen virtuellen Kanalen genutzt werden konnen. Abhangig von der zur Verfugung stehenden Bandbreite konnen Modulationsgeschwindigkeiten bis zu 16 kbit/s zur Anwendung kommen. Audioinformationen werden in ?free format messages“ ubertragen.
MIDS enthalt als Hardwaremodul einen vollwertigen TACAN-Steckkartensatz. Das Terminal ist einbaukompatibel (fit in form & function) mit vielen militarischen TACAN-Empfangern.
MIDS enthalt komplexe Algorithmen zur Auswertung und
Kalman-Filterung
empfangener anderer MIDS-Signale. Die daraus errechnete korrigierte Eigenposition wird wiederum mittels der Link-16-
PPLI
-Nachricht ausgestrahlt.
Relative Navigation sollte ursprunglich vor allem Luftfahrzeugen zu einer verbesserten Positionsgenauigkeit verhelfen. Durch die mittlerweile weite Verbreitung von
GPS
ist diese Funktion allerdings nicht mehr so wichtig wie fruher.
- ↑
Frequenverfugbarkeit fur JTIDS/MIDS siehe
NATO Joint Civil/Military Frequency Agreement
(NJFA) Frequenzbereich 960?1215 MHz.
- ↑
Artikel 709, Frequenzbereichszuweisungsplan fur die Bundesrepublik Deutschland, 1994.