Moritz Mebel
(*
23. Februar
1923
in
Erfurt
; †
21. April
2021
[1]
in
Berlin
[2]
) war ein
deutscher
Urologe
und Mitglied des
Zentralkomitees der SED
. Mebel baute in der DDR das
Nierentransplantationswesen
mit auf.
Noch wahrend seiner Schulzeit an der Volksschule in Erfurt, wo er als Sohn einer Familie judischen Glaubens aufwuchs, emigrierte Moritz Mebel 1932 mit seiner Mutter und seiner Schwester nach
Moskau
. Der Vater folgte 1933. Nach Besuch der Moskauer deutschsprachigen
Karl-Liebknecht-Schule
, die jedoch 1938 geschlossen wurde, erlangte er die Hochschulreife an einer russischen Schule (118. Schule) und nahm 1940 ein Medizinstudium am 1. Moskauer Medizinischen Institut auf.
Als bekannt gegeben wurde, den Verbanden der deutschen
Wehrmacht
sei es gelungen, die sowjetische Verteidigung bei
Moshaisk
(etwa 120 Kilometer westlich von Moskau) zu durchbrechen, und dass der Feind vor den Toren Moskaus stehe, meldete Moritz Mebel sich am 14. Oktober 1941 freiwillig zu den neu aufgestellten Arbeiterbataillonen. Nach einer Woche ging es im Eilmarsch in Richtung
Wolokolamsker
Chaussee, etwa 30 Kilometer vor Moskau.
[3]
Wahrend dieser Jahre lernte er die unmenschlichen Bedingungen des Krieges kennen. Ahnlich wie sein Freund
Konrad Wolf
und andere Deutsche kampfte er die ganzen Kriegsjahre an vorderster Front. Er sprach mit Kriegsgefangenen, schrieb Flugblatter und rief uber Lautsprecher ? oft im Trommelfeuer ? gegenuberliegende
deutsche Truppenteile
zur Beendigung des Kampfes auf. Den 8. Mai 1945 erlebte er als Oberleutnant in
Vy?kov
, ca. 50 Kilometer ostlich von
Brunn
.
[4]
Danach kampfte er mit seinem Truppenteil in der
Mongolei
gegen die Japaner. Nach der Kapitulation Japans wurde er bis 1947 in der politischen Abteilung der Militarverwaltung der
sowjetischen Besatzungszone Deutschlands
im Regierungsbezirk Halle-Merseburg eingesetzt.
[3]
1945 bis 1947 stand er im Dienst der
Sowjetischen Militaradministration in Deutschland
(SMAD) im Regierungsbezirk
Halle
-
Merseburg
/
Sachsen-Anhalt
. Danach setzte er sein Studium in Moskau fort, das er 1951 beendete. Eine Tatigkeit als
Arzt
im Kreiskrankenhaus
Keila
in der
Estnischen SSR
folgte. Von 1954 bis 1957 arbeitete er als
Aspirant
am Lehrstuhl fur Urologie des Zentralinstitutes fur Arztliche Fortbildung in Moskau, wo er 1958 bei Professor Anatoli Pawlowitsch Frumkin zum Dr. med.
promoviert
wurde.
Nach seiner Ubersiedelung in die
DDR
1958 arbeitete er zunachst als wissenschaftlicher Assistent an der Chirurgischen Klinik der Berliner
Charite
und ab 1960 als Oberarzt der Urologischen Abteilung des
Stadtischen Hufeland-Krankenhauses
in Berlin-Buch. Im November 1963
habilitierte
Mebel mit dem Thema
Uberbruckung totaler Harnleiterdefekte nach Resektion mit einem Beitrag uber eine neue Operationsmethode
. Neben seiner Tatigkeit als
Chefarzt
der Urologischen Klinik und Poliklinik des Berliner
Krankenhauses im Friedrichshain
war er ab 1966 auch
Professor mit Lehrauftrag
an der Charite.
Ab 1962 war er mit dem Aufbau des ersten Nierentransplantationszentrums der DDR und einer Forschungsabteilung zu Problemen der Nierentransplantation im Krankenhaus am Friedrichshain befasst.
[5]
1967 fuhrte er mit den Professoren
Harald Dutz
und
Otto Prokop
die erste erfolgreiche Nierentransplantation in der DDR durch,
[6]
nachdem im Vorjahr
Heinz Rockstroh
in
Halle (Saale)
die erste Nierentransplantation in der DDR durchgefuhrt hatte,
[7]
die aber nicht erfolgreich gewesen war. Ab 1967 bis 1990 war er Leiter des Forschungsprojekts Chronische Niereninsuffizienz.
Auf dem VIII.
Parteitag der SED
1971
[8]
wurde Moritz Mebel Kandidat und auf dem XI. Parteitag 1986
[9]
Mitglied des
Zentralkomitees der SED
.
1977 erfolgte die Berufung zum
Ordentlichen Professor
fur Urologie an der Charite. Im selben Jahr nahm er seine Tatigkeit als Leiter der Abteilung fur Experimentelle Organtransplantation an der Charite auf.
1988 wurde Mebel
emeritiert
. Bei der letzten ZK-Sitzung mit
Erich Honecker
am 18. Oktober 1989 sprach er sich offentlich fur ein Ende der ?furchtbaren Rituale“ aus.
[10]
Er lebte bis zu ihrem Tod mit seiner Frau, der Mikrobiologin Sonja Mebel († 30. November 2015),
[11]
in
Berlin
und auf der
Egsdorfer Horst
in
Teupitz
.
[12]
Moritz Mebel starb im April 2021 im Alter von 98 Jahren.
[1]
- 1938 bis 1942 Mitglied des
Komsomol
- 1942 Kandidat und von 1943 bis 1958 Mitglied der
KPdSU
- 1958 Eintritt in die
SED
- 1967 bis 1971 und 1990 Abgeordneter der Berliner Stadtverordnetenversammlung
- Ab 1971 Kandidat und ab 1986 Mitglied des
Zentralkomitees der SED
- 1972 Grundungsmitglied der Europaischen Gesellschaft fur Urologie
- 1973 bis 1975 Korrespondierendes Mitglied der
Akademie der Wissenschaften der DDR
(AdW)
- 1975 bis 1992 Ordentliches Mitglied der AdW
- 1983 bis 1990 Vorsitzender des Komitees
Arzte der DDR zur Verhutung eines Nuklearkrieges
, DDR-Sektion von International Physicians for the Prevention of Nuclear War
IPPNW
- 1984 bis 1991 Auslandisches Mitglied der Akademie der Medizinischen Wissenschaften der UdSSR
- Ab 1992 Auslandisches Mitglied der Russischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften
- 1993 Grundungsmitglied der
Gelehrtengesellschaft
Leibniz-Sozietat der Wissenschaften zu Berlin
- 2014 Aufnahme als Auswartiges Mitglied in die
Russische Akademie der Wissenschaften
[13]
- Mitarbeit am
Handbuch fur allgemeine und spezielle Urologie
in 11 Banden
- Mitarbeit am Fachbuch
Urologische Operationslehre
- Mitarbeit am Buch
Der komplette Nierenersatz!? Aufbau und Entwicklung der Nierentransplantation in der DDR
.
Daruber hinaus hat Moritz Mebel rund 180 wissenschaftliche Artikel aus seinem Fachgebiet veroffentlicht.
- Brigitte Kirilow:
Ich glaube an die menschliche Vernunft. Prof. Dr. Moritz Mebel ? ein Arzt unserer Zeit
. Radio-Feature,
Rundfunk der DDR
, 1988.
[14]
- Hans-Dieter Schutt
:
Rot und Weiß. Gesprache mit Moritz Mebel.
Dietz-Verlag, Berlin 1999.
ISBN 3-320-01970-8
.
- Achim Engelberg
:
Wer verloren hat, kampfe.
Dietz-Verlag, Berlin 2007.
ISBN 978-3-320-02110-8
.
- Annette Vogt:
Mebel, Moritz
. In:
Wer war wer in der DDR?
5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010,
ISBN 978-3-86153-561-4
.
- Werner Breunig
,
Andreas Herbst
(Hrsg.):
Biografisches Handbuch der Berliner Abgeordneten 1963?1995 und Stadtverordneten 1990/1991
(=
Schriftenreihe des Landesarchivs Berlin.
Band 19). Landesarchiv Berlin, Berlin 2016,
ISBN 978-3-9803303-5-0
, S. 433.
- ↑
a
b
Ostdeutscher Mediziner Moritz Mebel gestorben.
In:
Zeit Online
.
22. April 2021,
abgerufen am 22. April 2021
.
- ↑
Arnold Scholzel: Zum Tod von Prof. Dr. Moritz Mebel. In: Rotfuchs 23. Jahr, Nr. 281, Juni 2021, S. 15
- ↑
a
b
Moritz Mebel:
Erinnerungen eines deutschen Rotarmisten.
In:
DRAFD.de
.
Juli 2005, archiviert vom
Original
am
26. Februar 2014
;
abgerufen am 23. April 2021
.
- ↑
Moritz Mebel:
Zur Person.
In:
DRAFD.de.
Archiviert vom
Original
am
6. Juni 2015
;
abgerufen am 23. April 2021
.
- ↑
Christine Przybylowicz:
1966 Das Krankenhaus im Friedrichshain in der DDR.
(pdf; 5,5 MB) In:
Vivantes ? 140 Jahre Krankenhaus im Friedrichshain, 8. Oktober 1874 bis 8. Oktober 2014.
Oktober 2014,
S. 26
,
abgerufen am 19. Mai 2019
.
Moritz Mebel:
1972 Pflicht und Disziplin eines Arztes.
(pdf; 5,5 MB) In:
Vivantes ? 140 Jahre Krankenhaus im Friedrichshain, 8. Oktober 1874 bis 8. Oktober 2014.
Oktober 2014,
S. 27
,
abgerufen am 19. Mai 2019
.
- ↑
70. Jahrestag: Weltweit erste Nierentransplantation gelingt ? DDR zieht nach.
In:
MDR Zeitreise
.
12. Februar 2019,
abgerufen am 20. Mai 2019
.
- ↑
Mohamed Ali Saleh al-Mwalad:
Urinfisteln und Ureterstenosen nach Nierentransplantation.
(pdf; 1,4 MB) Dissertation, Universitat Halle. 30. August 2005,
S. 1, 24
,
abgerufen am 23. April 2021
.
- ↑
Neues Deutschland
,
20. Juni 1971.
- ↑
Neues Deutschland,
22. April 1986.
- ↑
Eberhard Aurich
:
Zusammenbruch: Erinnerungen, Dokumente, Einsichten
. Verlag Kopie + Druck, Berlin 2019,
ISBN 978-3-00-063738-4
,
S.
117
.
- ↑
Nekrolog fur unser Mitglied Moritz Mebe
l
,
Leibniz-Sozietat der Wissenschaften zu Berlin
- ↑
Lothar Tyb’l:
Die ganze Insel ist ganz prachtig.
In:
Neues Deutschland
.
11. September 2010,
abgerufen am 23. April 2021
.
- ↑
Мёбель Мориц.
In:
ras.ru
.
18. Marz 2015,
abgerufen am 28. Juli 2020
(russisch).
- ↑
Patrick Conley:
Features und Reportagen im Rundfunk der DDR. Tontragerverzeichnis 1964?1991
. 2. Auflage. Askylt Verlag, Berlin 1999,
ISBN 3-9807372-0-9
,
S.
147
,
doi
:
10.15496/publikation-4416
.