Charles de Secondat, Baron de Montesquieu

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Baron de Montesquieu, 1728

Charles-Louis de Secondat, Baron de La Brede et de Montesquieu (getauft am 18. Januar 1689 auf Schloss La Brede bei Bordeaux ; † 10. Februar 1755 in Paris ), bekannt unter dem Namen Montesquieu , war ein franzosischer Schriftsteller , Philosoph und Staatstheoretiker der Aufklarung . Er gilt als bedeutender politischer Philosoph und Mitbegrunder der modernen Geschichtswissenschaft . Seine Ideen hatten Einfluss auf die lange nach ihm entstandene Soziologie .

Obwohl der gemaßigte Vordenker der Aufklarung fur seine Zeitgenossen auch ein erfolgreicher belletristischer Autor war, ist er vor allem als geschichtsphilosophischer und staatstheoretischer Denker in die Geistesgeschichte eingegangen und beeinflusst noch heute aktuelle Debatten .

Leben und Schaffen

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Anfange und fruher literarischer Erfolg

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Montesquieu wurde als Sohn von Jacques de Secondat (1654?1713) und Marie-Francoise de Pesnel (1665?1696) in einer Familie des hohen Amtsadels geboren, der so genannten ?noblesse parlementaire“. Das genaue Datum seiner Geburt ist nicht bekannt, sondern nur das seiner Taufe, der 18. Januar 1689. Vermutlich kam er nur wenige Tage vorher zur Welt.

Als altester Sohn verbrachte er seine Kindheit auf dem Landgut La Brede, das seine Mutter in die Ehe eingebracht hatte. Sein Vater war ein jungerer Sohn aus der altadeligen Familie derer de Secondat, die protestantisch geworden, im Gefolge von Heinrich IV. aber zum Katholizismus zuruckgekehrt und mit der Erhebung ihres Familiensitzes Montesquieu zur Baronie belohnt worden waren. Der Großvater hatte mit der Mitgift, die er erheiratet hatte, das Amt eines Gerichtsprasidenten ( president a mortier ) am Parlement von Bordeaux gekauft, dem hochsten Gericht der Aquitaine .

Im Alter von sieben Jahren verlor Montesquieu seine Mutter. Von 1700 bis 1705 besuchte er als Internatsschuler das Kolleg der Oratorianer -Monche in Juilly unweit von Paris, das fur den kritischen Geist bekannt war, der dort herrschte, und wo er auf mehrere Cousins aus seiner weitverzweigten Familie traf. Er erwarb fundierte Kenntnisse in Latein, Mathematik und Geschichte und verfasste ein historisches Drama, von dem sich ein Fragment erhalten hat.

Von 1705 bis 1708 studierte er Jura in Bordeaux. Nach dem Abschluss und der Zulassung als Anwalt bekam er vom Oberhaupt der Familie, dem kinderlosen altesten Bruder seines Vaters, den Baron-Titel uberschrieben und ging nach Paris, um sich juristisch und anderweitig fortzubilden, denn er sollte auch das Gerichtsprasidentenamt erben, das vom Großvater auf den Onkel ubergegangen war. In Paris fand er Anschluss an Intellektuelle und begann in einer Art Tagebuch Gedanken und Uberlegungen der verschiedensten Art niederzuschreiben.

Als 1713 sein Vater starb, kehrte er zuruck ins Chateau de La Brede . 1714 erhielt er, sicher uber seinen Onkel, das Amt eines Gerichtsrats (conseiller) am Parlement von Bordeaux.

Chateau de La Brede

1715 heiratete er, durch Vermittlung des Onkels, Jeanne de Lartigue (~1692/93?1770), eine Hugenottin , die 100.000 Frs. Mitgift einbrachte. Kurz hintereinander wurden 1716 ein Sohn; Jean-Baptiste (1716?1796) und 1717 eine Tochter; Marie (1717?1784) geboren, 1727 folgte eine weitere Tochter; Denise (1727?1800). Das Paar lebte sehr haufig voneinander getrennt.

Neben seiner Tatigkeit als Richter interessierte sich Montesquieu auch weiterhin intensiv fur die verschiedensten Wissensgebiete. So verfasste er nach dem Tod von Ludwig XIV. (September 1715) eine wirtschaftspolitische Denkschrift uber die Staatsschulden ( Memoire sur les dettes de l’Etat ), gerichtet an die Adresse von Philipp von Orleans , der als Regent fur den unmundigen Ludwig XV. die Herrschaft ausubte.

1716 wurde er in die Academie von Bordeaux aufgenommen, einen jener locker organisierten Zirkel, die in großeren Stadten Gelehrte, Literaten und sonstige geistig Interessierte vereinten. Hier betatigte er sich mit Vortragen und kleineren Schriften, z. B. einer Dissertation sur la politique des Romains dans la religion ( Abhandlung uber die Religionspolitik der Romer ), worin er nachzuweisen versucht, dass Religionen ein nutzliches Instrument zur Moralisierung der Untertanen eines Staatswesens sind.

Ebenfalls 1716, d. h. kurz nachdem der Regent die von Ludwig XIV. beschnittene politische Macht der Parlements (Gerichte) wieder gestarkt hatte, erbte Montesquieu von seinem Onkel dessen Amt als Gerichtsprasident. Seine geistigen Interessen verfolgte er wie zuvor weiter.

Titelvignette der Erstausgabe der Persischen Briefe

1721 wurde er durch einen Briefroman beruhmt, den er 1717 begonnen hatte und der bald nach seinem anonymen Erscheinen in Amsterdam von der Zensur verboten wurde: die Lettres persanes ( Persische Briefe ). Den Inhalt des Werkes, das heute als ein Schlusseltext der Aufklarung gilt, bildet die fiktive Korrespondenz zweier fiktiver Perser, die von 1711 bis 1720 Europa bereisen und Briefe mit Daheimgebliebenen wechseln. Hierbei schildern sie ? und dies ist der aufklarerische Kern des Werkes ? ihren Korrespondenzpartnern die kulturellen, religiosen und politischen Verhaltnisse vor allem in Frankreich und besonders in Paris mit einer Mischung aus Staunen, Kopfschutteln, Spott und Missbilligung (was spatestens seit Pascals Lettres provinciales ein beliebtes Verfahren war, um den Leser zum Teilhaber einer Sicht von außen zu machen und ihm so einen kritischen Blick auf das eigene Land zu ermoglichen). Montesquieu behandelt in dieser Schrift verschiedene Themen, wie Religion, Priestertum, Sklaverei, Polygamie, Benachteiligung der Frauen u. a. m. im Sinne der Aufklarung. Daruber hinaus ist in die Lettres ein romanesker Handlungsstrang um die daheim gebliebenen Haremsdamen eingeflochten, der an dem Erfolg des Buches nicht ganz unbeteiligt war.

Nachdem er mit den Lettres bekannt geworden war, entwickelte Montesquieu die Gewohnheit, jahrlich einige Zeit in Paris zu verbringen. Hier verkehrte er in einigen mondanen Salons , z. B. dem der Marquise de Lambert , und gelegentlich am Hof, vor allem aber in intellektuellen Zirkeln.

Baron de Montesquieu war regelmaßiger Besucher des samstaglichen Gesprachskreises im Club de l’Entresol , der von Pierre-Joseph Alary (1689?1770) und Charles Irenee Castel de Saint-Pierre gegrundet worden war und von 1720 (bzw. 1724) bis 1731 in der Hochparterrewohnung am Place Vendome in Paris von Charles-Jean-Francois Henault (1685?1770) stattfand.

1725 erzielte er nochmals einen beachtlichen Bucherfolg mit dem rokokohaft -galanten pastoralen kleinen Roman Le Temple de Gnide , den er angeblich in einem alteren griechischen Manuskript gefunden und ubersetzt hatte. Das heute vollig vergessene Werk wurde bis zum Ende des 18. Jh. viel gelesen und mehrfach in andere Sprachen ubertragen, u. a. in italienische Verse. Es bekam als einziges der Werke Montesquieus schon bei seiner Erstveroffentlichung das Plazet der Zensurbehorde.

Jahre der Reflexion und des Reisens

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Im Jahr darauf verkaufte er sein offenbar wenig geliebtes Richteramt und ließ sich in Paris nieder, nicht ohne jahrlich einige Zeit auf dem Familienschloss La Brede zu verbringen.

Lettres familieres a divers amis d'Italie , 1767

1728 wurde er, wenn auch erst beim zweiten Anlauf, in die Academie francaise gewahlt. Noch im selben Jahr (bald nach der Geburt seiner jungsten Tochter) ging er auf eine dreijahrige Bildungs- und Informationsreise durch mehrere deutsche und italienische Staaten , die niederlandischen Generalstaaten und vor allem England. Am 26. Februar 1730 wurde er zum Mitglied ( Fellow ) der Royal Society gewahlt. [1] Am 16. Mai des gleichen Jahres wurde er in London Mitglied der Freimaurerloge Horn’s Tavern in Westminster . Spater, 1735, beteiligte er sich an der Grundung der von Charles Lennox , Herzog von Richmond, und John Theophilus Desaguliers initiierten Pariser Loge im Hotel de Bussy .

Die großen Schriften

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1731 kehrte Montesquieu nach La Brede zuruck, wo er von nun an uberwiegend blieb. 1734 publizierte er in Holland das Buch Considerations sur les causes de la grandeur des Romains et de leur decadence (Betrachtungen uber die Ursachen der Große der Romer und ihres Niedergangs) . Hierin versucht er am Beispiel des Aufstiegs des Romischen Reichs und seines Niedergangs (den er mit Caesars Alleinherrschaft einsetzen sieht) so etwas wie gesetzmaßige Verlaufe im Schicksal von Staaten nachzuweisen und damit zugleich verdeckte Kritik am franzosischen Absolutismus zu uben.

Montesquieu: Defense de l’Esprit des lois, 1750

Sein wichtigstes Werk wurde die geschichtsphilosophische und staatstheoretische Schrift De l’esprit des lois/Vom Geist der Gesetze (Genf 1748), ein Produkt von zwolf Jahren Arbeit. [2]

Einerseits nennt er darin die Determinanten, die das Regierungs- und Rechtssystem einzelner Staaten jeweils bestimmen (z. B. Große, Geographie, Klima, Wirtschafts- und Sozialstrukturen, Religion, Sitten und Gebrauche); andererseits formuliert er ? nicht zuletzt in Opposition gegen den im Milieu der Parlements ungeliebten koniglichen Absolutismus ? die theoretischen Grundlagen eines universell moglichen Regimes. Zentrales Prinzip ist fur Montesquieu hierbei, anknupfend an John Locke , die Trennung der Bereiche Gesetzgebung ( Legislative ), Rechtsprechung ( Judikative ) und Regierungsgewalt ( Exekutive ), mit anderen Worten die so genannte Gewaltenteilung ? ein Begriff, der als solcher bei ihm allerdings noch nicht vorkommt. Sein Buch fand sofort große und weit gestreute Beachtung und loste heftige Attacken seitens der Jesuiten , der Sorbonne und zugleich der Jansenisten aus. 1751 wurde es von der katholischen Kirche auf den Index der verbotenen Bucher gesetzt und blieb dort bis zu dessen Abschaffung im Jahr 1967. Eine 1750 in Genf publizierte Verteidigungsschrift Montesquieus, die Defense de l’Esprit des lois, hatte darauf keinen Einfluss.

Seine letzten Lebensjahre verbrachte er zunehmend erblindend, teils in Paris, teils auf La Brede, wobei ihn seine jungste Tochter als Sekretarin unterstutzte. Unter anderem verfasste er fur die Encyclopedie einen Essai sur le gout dans les choses de la nature & de l’art , der jedoch Fragment blieb. Obwohl die Herausgeber Diderot und d'Alembert fur Montesquieu ursprunglich die Eintrage Democratie und Despotisme vorgesehen hatten und der Artikel Gout bereits Voltaire zugesagt worden war, wurde Montesquieus Aufsatzfragment posthum und erganzend zu Voltaires Text im siebten Band 1757 abgedruckt. [3]

Montesquieu starb an einer Infektion bei einem winterlichen Paris-Aufenthalt.

Das Prinzip der Gewaltenteilung fand seinen ersten Niederschlag 1755 in der Verfassung der kurzlebigen Republik Korsika unter Pascal Paoli , die schon 1769 unterging, nachdem Frankreich die Insel von Genua gekauft und militarisch unterworfen hatte. Bis heute andauernd kam es dagegen in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika zum Tragen, die im Jahr 1787 in Kraft trat, nicht aber in der franzosischen Verfassung von 1791 . Heute ist die Gewaltenteilung zumindest im Grundsatz in allen demokratischen Staaten verwirklicht.

Montesquieus Thesen

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Die Grundlage fur seine Staatstheorie bildete seine 1734 erschienene Studie uber Aufstieg und Fall des Romischen Reiches. Anders als die christliche Geschichtsphilosophie, die den Niedergang des Romischen Reiches als das Werk gottlicher Vorsehung betrachtet hatte, wollte Montesquieu eine auf naturlichen Gesetzlichkeiten beruhende Erklarung fur die geschichtlichen Ablaufe finden und hatte daher nach den anthropologischen, okologischen, okonomischen, sozialen und kulturellen Bedingungen der politischen Entwicklungen gefragt. Diese Einsichten formte er in seinem Hauptwerk Vom Geist der Gesetze (1748) zu einer Staats- und Gesellschaftstheorie aus: Er versuchte, die bestimmenden außerlichen und vor allem mentalen Faktoren zu finden, gemaß derer einzelne Staaten ihr jeweiliges Regierungs- und Rechtssystem entwickelt haben ( kulturrelativistischer Ansatz ). Aus diesen Faktoren ergibt sich der ?allgemeine Geist“ (?esprit general“) einer Nation und diesem wiederum entspricht der ?Geist“ ihrer Gesetze. Deren Gesamtheit ist nach Montesquieu also nicht eine quasi beliebige Summe von Gesetzen, sondern Ausdruck des naturlichen Umfeldes, der Geschichte und des ?Charakters“ eines Volkes.

Staatsformen nach Montesquieu [4] (1748)

Montesquieu unterscheidet zwischen moderaten Regierungssystemen ? das ist die Republik in unterschiedlicher Auspragung und die konstitutionelle Monarchie ? und solchen, die auf Gewaltherrschaft beruhen, wie der Absolutismus und jede andere Despotie . Die drei Haupttypen von Regimen: Republik, Monarchie und Gewaltherrschaft sieht er jeweils durch eine bestimmte menschliche Grundhaltung gepragt: die Tugend , die Ehre und die Furcht.

Die Tugend definiert er in der Vorrede zum Geist der Gesetze als ?Liebe zum Vaterland , das heißt die Liebe zur Gleichheit “. Er versteht das Wort also explizit politisch und grenzt es von einem moralischen oder christlichen Verstandnis ab. [5] Fur die auf Ehre beruhende konstitutionelle Monarchie , aber auch fur die auf Tugend basierende Staatsform , die Republik , halt er Gewaltenteilung fur notig, um die Willkur durch Einzelne oder Mannschaften zu vermeiden, sonst sind sie gefahrdet despotisch zu werden.

Montesquieus politische Philosophie enthalt liberale und konservative Elemente. Er stellt die moderaten Regierungssysteme nicht gleich, sondern favorisiert ausdrucklich die parlamentarische Monarchie nach englischem Muster. Das dort verwirklichte Modell einer Gewaltenteilung zwischen Exekutive und Legislative sichere am besten die Freiheit des Einzelnen vor staatlicher Willkur. Diesen Ansatz von John Locke erganzt er durch eine dritte Gewalt, die Judikative. Außerdem pladiert er fur ein Zweikammerparlament mit einem aristokratischen Oberhaus, nicht nur fur die Monarchie, sondern auch fur die Republik. Damit soll verhindert werden, dass die konstitutionelle Monarchie zur Tyrannei und die Republik zur ? Pobelherrschaft “ wird.

Strittig ist, ob seine Theorie bereits ein demokratisches Staatswesen begrundete, oder ? was eine Minderheitsmeinung darstellt ? eher die Wiederherstellung der durch Richelieu , Mazarin und Ludwig XIV. beseitigten politischen Mitspracherechte des Adels und der Hohen Gerichtshofe, der Parlements, anstrebte.

Wahrend heutige Soziologen Montesquieu fur einen Vorreiter der modernen Sozialwissenschaften halten (Stichwort Milieutheorie ), wurden seine Gedanken von ihm unmittelbar nachfolgenden Autoren und Stromungen unterschiedlich gewertet: So ist das Prinzip der Gewaltenteilung eine der wichtigsten Grundlagen der ersten Verfassungen in Nordamerika, in der Verfassung der Ersten Franzosischen Republik kam es dagegen nicht zum Tragen, denn es widersprach der jakobinischen , von Jean-Jacques Rousseau inspirierten Lehre von der ungeteilten Volkssouveranitat , weshalb man in der Franzosischen Revolution sogar Montesquieus Grab zerstorte.

Fruhen Einfluss gewann Montesquieu auch auf die Aufklarung in Deutschland : So wandelte z. B. der damals bedeutende protosoziologische Autor Johann David Michaelis ganz auf seinen Spuren mit der Schrift Das Mosaische Recht , worin er bestimmte alttestamentliche Rechtsvorschriften, die von den Aufklarern als abstrus betrachtet wurden, als fur Nomadenvolker vernunftig analysierte ? zum Arger mancher Geistlicher und Theologen, die eine Verteidigung der Bibel von dieser Seite wenig goutierten. Auch Johann Gottfried Herder rezipierte neben Rousseaus auch Montesquieus Thesen fur seine Geschichtsphilosophie.

Bedingungen und Grenzen des Handelns

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Man kann im gesellschaftlichen und politischen Denken Montesquieus zwei Grundzuge ausmachen. Einerseits will Montesquieu Einsichten in das menschliche Handeln gewinnen. Er ist damit einer der ersten modernen Handlungstheoretiker . Andererseits spricht er in seinem gesamten Werk von gesellschaftlichen Gegebenheiten, die der Politik und den Herrschenden vorgegeben, die Handlungsmoglichkeiten der Menschen insgesamt begrenzen und beschranken, so dass gesellschaftliche und historische Entwicklungen nur wenig beeinflussbar sind. Aus dem ?esprit general“ (allgemeinen Geist) eines Volkes und den Prinzipien seiner Verfassung lasst sich laut Montesquieu auf Politik und Gesellschaft schließen. Ausfuhrlich und modellhaft analysierte er in seinem Hauptwerk 1748 die zeitgenossische englische Verfassung, die Machtverteilung, die sie nach sich zog, Bundnisse zur Steigerung der Macht, aber auch Machtbegrenzungen. [6]

Baron de Montesquieu

Der Grundgedanke dieses Modells ? man konne die ubelsten menschlichen Leidenschaften (im Falle der englischen Verfassung: das ungehemmte Machtstreben) durch intelligente institutionelle Arrangements zum Vorteil und Nutzen der Gesellschaft lenken ? findet sich auch in seiner Analyse der modernen Gesellschaften (allesamt Monarchien) seiner Zeit. Die verbreiteten negativen Leidenschaften der Menschen in der Monarchie ? Ehrgeiz, Habgier, Eitelkeit, Egoismus und Ruhmsucht ? werden durch die Regeln und Institutionen einer konstitutionellen Monarchie so kanalisiert, dass sie sich zum Vorteil der Gesellschaft auswirken. Seine Theorie des Handelns bezieht sich damit vornehmlich auf die Aktivitaten zur Einfuhrung dieser Institutionen.

Montesquieus Werk ist gepragt von der Suche nach den Bedingungen, Grenzen, Beeinflussungsfaktoren und Moglichkeiten menschlichen Handelns in Gesellschaft und Geschichte. In seine Handlungstheorie, die das Zentrum seines Konzepts von Freiheit ist, bezieht er die Schranken des gesellschaftlichen Handelns in Gesellschaft in die Untersuchung mit ein.

Seine Gedanken und Einfalle sammelte er in dicken Notizbuchern. In diesen Notizen, den Pensees , halt er fest: Vollige Freiheit sei eine Illusion. In vielerlei Varianten gebraucht er das Bild eines gigantischen Netzes, in dem sich Fische bewegen, ohne zu bemerken, dass sie in dem Netz gefangen sind. Fur Montesquieu ist das Handeln immer Bedingungen unterworfen, die dem Handelnden vorgegeben sind.

Schon in den Lettres Persanes ( Persische Briefe ), insbesondere in der Parabel der ?Troglodyten“, ist ein Konzept der Freiheit erkennbar, das vornehmlich auf Handlungsfreiheit beruht. Diese Freiheit, die stets gefahrdet ist, ist in der Republik auf der Grundlage von Vaterlandsliebe und der ?Tugend“ der Burger (d. h. von gerechten und vernunftigen Handlungsweisen) zu verwirklichen. Die Monarchie hangt weniger vom tugendhaften Handeln der Burger ab und wird am besten durch Gesetze und Institutionen geordnet vom Konig regiert.

Was im angesprochenen Roman nur angedeutet wird, ist im ersten Hauptwerk Zentrum der Untersuchung: In den Considerations sur les Causes de la Grandeur des Romains et de leur Decadence ( Betrachtungen uber die Ursachen der Große der Romer und ihres Niedergangs ), veroffentlicht in Lausanne 1749, beschreibt Montesquieu die kriegerischen Tugenden der Romer als wichtigste Bedingung fur die erfolgreiche Eroberung des zuletzt die gesamte bekannte Welt umfassenden romischen Reiches. Zwar sind das Eroberungshandeln der Romer wie auch einige Besonderheiten der romischen Verfassung zuruckzufuhren auf klimatische und topographische Bedingungen, ausschlaggebend fur den Aufstieg und Niedergang Roms ist jedoch laut Montesquieu die Veranderung der romischen Tugend, die sowohl die Eroberung der Welt ermoglicht als auch den Niedergang bewirkt.

Handlungsleitende Prinzipien: Tugend, Ehre und Furcht

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Diese Uberlegungen, seine Suche nach den Determinanten und nach der Freiheit des Handelns, treten in systematischerer Form im Hauptwerk De L’Esprit des Lois erneut auf. Montesquieus Frage nach den Prinzipien des Handelns fuhrt in dieser Schrift zu einer neuen Kategorisierung der politischen Ordnungen: Nicht mehr die klassische Frage nach der Zahl und nach der Qualitat der Regierenden bestimmt die Unterscheidungen. Montesquieu trennt zwischen gemaßigten und tyrannischen Regierungen und nennt drei mogliche Regierungsformen: Republiken, Monarchien und Despotien, die er jeweils durch Prinzipien, das heißt durch unterschiedliche Motive und Leidenschaften, die das Handeln der Menschen in der jeweiligen Gesellschaft bestimmen, klassifiziert.

In Republiken sind die Macht und das Handeln in der Gesellschaft verteilt. Die Burger mussen, damit diese Ordnung nicht zerbricht, einen hohen Grad von Verantwortlichkeit fur das Gemeinwesen entwickeln. Es ist notwendig, dass sie einander respektieren und ihre Handlungen dem Gemeinwohl unterordnen: ?[…] die standige Bevorzugung des offentlichen Interesses vor dem eigenen Interesse“, die Liebe zur Gleichheit der gemeinsam regierenden Burger und die Vaterlandsliebe beschreiben das Prinzip der Republiken, ohne das sie nicht lebensfahig sind. Montesquieu nennt dieses handlungsleitende Prinzip ?Tugend“.

Die Republiken unterteilt Montesquieu in demokratische Republiken, in denen das gesamte Volk an den wichtigen Entscheidungen und an der Vergabe der Amter beteiligt ist, und in aristokratische Republiken, wo die Politik von einer politischen Klasse getragen wird. Damit letztere stabil bleiben, muss die jeweils herrschende politische Klasse sich durch besondere Maßigung und Gerechtigkeit gegenuber den Beherrschten auszeichnen.

Anders als in den Republiken, in denen Gleichheit unter den das offentliche Leben Bestimmenden vorherrscht und die sich deswegen aus eigener Kraft maßigen mussen oder doch sollten, pragt Ungleichheit die Eigenart der Monarchien. Der Monarch, der fur die Regierung notwendige Geburtsadel, die Stande, die Provinzen, die Stadte, haben ihren Platz in dieser Ordnung. Sie streben nach Ansehen und Prestige. Jeder will sich hervortun, das Hauptprinzip ist die Ehre.

Das handlungsleitende Streben nach Ansehen und danach sich hervorzutun, bewirkt durch die List der Vernunft dieses Prinzips der Ehre, dass zwar alle, ihren Vorteil suchend, große Anstrengungen unternehmen, aber durch die koniglichen Gesetze in Schranken gehalten und so geleitet werden, dass sie trotz Eigensucht zum allgemeinen Wohl beitragen.

?Die Ehre setzt alle Glieder des politischen Korpers in Bewegung; sie verbindet sie durch ihr Handeln selbst, und ein jeder, im Glauben sein Eigeninteresse zu verfolgen, tragt zum Gemeinwohl bei.“

Die Maßigung, die in der Republik von den Burgern selbst ausgeht, wird also in der Monarchie von außen durch Institutionen und institutionelle Arrangements erreicht.

Diese Uberlegungen des Barons sind von dem großen Eindruck gepragt, den die Lekture eines Buches auf sein Denken hatte: Der Sozialtheoretiker Bernard Mandeville hatte 1714 in seinem Werk The Fable of the Bees ( Die Bienenfabel ) beschrieben, wie ein eigenartiges Zusammenwirken von individuellen Lastern durch Regeln zum Nutzen der Gesellschaft umgeleitet werden kann. Er hat ? weit vor Adam Smith , dem Vater der Klassischen Nationalokonomie ? eine Lasterlehre okonomischen Wohlverhaltens entwickelt, nach der Habgier, Geiz, Genusssucht, Egoismus, Verschwendungssucht und andere Untugenden sich, von den Institutionen der Marktkonkurrenz geregelt, zum Nutzen der Gesellschaft auswirken. Der Untertitel der Bienenfabel , Private Laster ? offentliche Vorteile , gibt dieser Interpretation des Marktgeschehens Ausdruck. Montesquieu hat diese Thesen weitgehend ubernommen und kann in seinem Gesellschaftsmodell einer Konstitutionellen Monarchie auf Burgertugenden fast vollkommen verzichten. Der Markt leitet selbst tugendloses Verhalten zum Nutzen der Gesellschaft in sozialvertragliche Bahnen.

In der dritten Regierungsform, der Despotie, ist das Handeln oder Nicht-Handeln der Menschen vom Prinzip der Furcht bestimmt. Es gibt dort nur Maßigung, wo die Sitten und Gewohnheiten starker sind als die Macht des Tyrannen. Dieser muss Rucksicht nehmen, beispielsweise auf die religiosen Uberzeugungen seiner Untertanen. Grundsatzlich aber ist die Despotie maßlos. Der gesamte Herrschaftsapparat, die Hierarchie der Regierenden, sind von der Furcht ebenso in ihrem Handeln gepragt wie das Volk und der Despot selbst. Da es keine uber den Willen des obersten Herrschers hinausweisende Rechtssicherheit gibt (der Wille des Despoten ist oberstes Gesetz) muss jeder um sein Leben, seinen Wohlstand, seine Familie und seine Amter bangen. Auch der Alleinherrscher selbst kann jederzeit durch eine Palastrevolte gesturzt werden, nichts ist sicher und diese Unsicherheit gilt fur alle. Das Regime ist per se instabil.

Die Despotie ist in wirtschaftlichen Fragen das Gegenstuck zur institutionellen Monarchie. Wahrend Handel und freies Gewerbe in der geordneten und gemaßigten Monarchie bluhen, ruiniert das Prinzip der Despotie, die Furcht, das Wirtschaftsleben. Die allgemeine Unsicherheit, die dieses Regime charakterisiert, verhindert jede langfristige Planung der Burger. ?In derartigen Staaten wird nichts verbessert oder erneuert: die Hauser werden nur fur ein Menschenleben gebaut; man entwassert die Boden nicht, man pflanzt keine Baume; man beutet die Erde aus, aber man dungt sie nicht“, schreibt Montesquieu in Vom Geist der Gesetze . Alle am Wirtschaftsprozess Beteiligten wollen von der sichtbaren Entwicklung unabhangig sein. Eine Schattenwirtschaft ist die direkte Folge. Kredite werden heimlich gegeben, da sie aus Ersparnissen und Geldansammlungen gespeist werden, die vor der offentlichen Gewalt verborgen werden. Daraus entsteht Wucher . Großere Besitztumer werden vor den Machthabern wie auch ihren Helfern und Beamten verborgen ? nur so sind sie vor der Konfiskation sicher. Es gibt nur ein am kurzfristigen Bedarf orientiertes Wirtschaftsgebaren; alles andere wird im Geheimen organisiert. Eine allgemeine Verrottung der Okonomie, soweit sie nicht vom Herrscher oder fur den Herrscher betrieben wird, ist die sichtbare Eigenart der Wirtschaft unter der Despotie. Es gibt keinen freien Handel.

Territoriale Ausdehnung und Verfassungen

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Die Republiken, die Monarchien und die Despotien unterscheiden sich durch ihre institutionellen Ordnungen und vor allem durch ihre Große.

Republiken mit Volks- bzw. Adelsherrschaft sind fur Montesquieu nur auf kleinem Territorium denkbar, ahnlich den antiken Stadtrepubliken. Sie sollen sich ? wenn sie Bestand haben wollen ? durch Einfachheit, eine relative Armut und durch schlichte Institutionen auszeichnen. Ein Senat, Volksversammlungen, genau festgelegte Wahlordnungen und eine klare Verteilung der Zustandigkeiten sollen ebenso existieren wie ein großer Respekt vor den Amtsinhabern und strenge Sitten, die die Regeln der Ordnung bis in die Haushalte und Familien hineintragen.

Monarchien hingegen konnen ohne ihre Existenz zu gefahrden auf einem großeren Territorium bestehen. Der Monarch bedarf des Adels, der Stande und einer machtverteilenden Verfassung, die auch die Reprasentation der Stande und Klassen regelt. Die Regierung und Verwaltung des Landes teilt der nur halb-souverane Konig mit dem Adel und den Standen. Dezentralisierung und lokale Vielfalt sind die direkten Folgen dieser Ordnung, die den Burgern ebenso wie die Republiken Freiheiten gewahren und sichern kann.

Die Despotien, die von der Willkur des Despoten bestimmt sind, halten die Staatsordnung nur durch ein System gegenseitiger Furcht aufrecht und konnen auch große Territorien umfassen. Eine Monarchie, deren Territorium uberdimensional wachst, kann leicht zur Despotie degenerieren. Da alles den Bedurfnissen des alleinigen willkurlichen Machthabers untergeordnet ist, kann dieser Beauftragte ernennen (Vezire), die seine Macht vertreten. Der Vezir seinerseits beauftragt Unter-Vezire mit bestimmten Aufgaben oder mit der Regierung bestimmter Provinzen. Die Machtdelegation ist vollkommen, kann aber ebenso schnell vollstandig zuruckgenommen werden. ?Der Vezir ist der Despot selbst, und jeder Beamte ist ein Vezir“, heißt es im funften Buch des Esprit des Lois . Die Verfassung dieses Unrechtsstaates besteht nur im (schwankenden) Willen des Despoten.

Wohlstand durch freien Handel, Gefahren des ?Handelsgeistes“

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Fur Montesquieu steht die Steigerung des Wohlstandes eines Volkes, das freien Handel zulasst und betreibt, zwar außer Frage, jedoch sieht er auch Gefahren, wenn der ?Handelsgeist“ zu sehr entwickelt ist.

Er wandte sich gegen alle in seinen Augen sinnlosen und behindernden Handelsbeschrankungen. Es sei ?[d]ie naturliche Wirkung des Handels […], Frieden zu bringen. Zwei Volker, die miteinander Handel treiben, machen sich voneinander abhangig: wenn eines Interesse hat, zu kaufen, so liegt dem anderen daran zu verkaufen; und alle Vereinbarungen beruhen auf den wechselseitigen Bedurfnissen.“ Der Handel steigert den Wohlstand und beseitigt storende Vorurteile . Am Anfang des zweiten Bandes seines Hauptwerkes schreibt er, es gelte ?beinahe allgemein die Regel, dass es da, wo sanfte Sitten herrschen, auch Handel gibt und dass uberall, wo es Handel gibt, auch sanfte Sitten herrschen“. Jedoch zerstore zu viel des Handelsgeistes den Burgersinn, der den Einzelnen veranlasst, ?nicht immer starr auf seinen Anspruchen zu bestehen, sondern sie auch einmal zugunsten der anderen zuruckzustellen“, denn man sieht, so fahrt Montesquieu fort, ?dass in den Landern, wo man nur vom Handelsgeist beseelt ist, auch mit allen menschlichen Handlungen und allen sittlichen Tugenden Handel getrieben wird: selbst die kleinsten Dinge, welche die Menschlichkeit gebietet, werden dort nur durch Geld getan oder gewahrt“.

Warnung vor Extremismus und Unordnung, Pladoyer fur Stabilitat und Maßigung

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Montesquieu wandte sich gegen jede extreme, nicht moderate Regierungsform, die auf Angst und Schrecken der Untertanen gegenuber dem fast allmachtigen Despoten und seinen Helfern beruht. Er befurchtete, die zunehmend absolutistisch regierenden Fursten Europas konnten zu Despoten werden, und stellte daher umfangreiche komplizierte Uberlegungen uber Mischverfassungen zwischen demokratischen und aristokratischen Institutionen sowie uber verschiedene Arten republikanischer und monarchischer Systeme an, um Voraussetzungen fur stabile und sichere Ordnungen zu schaffen, in denen eine freie burgerliche Existenz seiner Auffassung nach moglich ist.

Das politische und gesellschaftliche Denken des Montesquieus entwickelte sich nicht nur vor dem Hintergrund der Geistes- und Kulturgeschichte, sondern auch der Krisen und Umwalzungen seiner Zeit. Mit dem Edikt von Nantes war 1598 der erbitterte religiose Burgerkrieg in Frankreich beendet worden. Die lange Zeit des Absolutismus in reiner Form unter Ludwig XIV. , die dem Land eine Großmachtstellung , aber auch verheerende Kriege, Machtkonzentration auf eine Person und ihre Vasallen sowie letztlich im Jahre 1685 sogar die Rucknahme des Toleranzedikts von Nantes gebracht hatte, war 1715 von der instabilen Regentschaft Philipps von Orleans und spater der Regierung des sehr viel schwacheren Ludwig XV. abgelost worden.

Europa war zur Zeit Montesquieus ein religioses Schlachtfeld im Waffenstillstand. Die Kolonisierung der ubrigen Welt hatte begonnen, der Welthandel zeichnete sich ebenso wie die spatere Industrialisierung ab. Philosophie und Naturwissenschaften entfalteten sich einerseits im Sinne von Vernunft und Erfahrung, andererseits gab es verlustreiche Abwehrkampfe der alten Herrschaft. Die einzelnen Protagonisten unterschiedlicher Weltanschauungen bekampften sich teilweise erbarmungslos. Den radikalen Ideen besonders einer großen Zahl franzosischer Enzyklopadisten setzte Montesquieu einen aufgeklarten, dennoch konservativen, gemaßigten politischen Ansatz entgegen. Der Politiker, Philosoph und Reisende, der uber Jahre seines Lebens an seinem Hauptwerk Vom Geist der Gesetze schrieb, antwortete auf die Konfrontationen seiner Zeit mit der Warnung vor Despotie und Tyrannei und einem Pladoyer fur moderate stabile Regierungsformen, die dem Burger (stets begrenzte) Freiheiten ermoglichen.

Freiheit besteht fur Montesquieu nicht darin, alles zu tun, was man will, Freiheit ist vielmehr vornehmlich die Erfullung dessen, was notig ist und wozu man verpflichtet ist. [7]

Der ?allgemeine Geist“ eines Volkes, Schutz der offentlichen Ordnung als Voraussetzung fur Toleranz und Freiheit

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Die Regierenden warnt er vor Großenwahn. Der ?allgemeine Geist“ (?esprit general“) eines Volkes, im Geschichtsprozess langsam gewachsen, durch die Landschaft und vom Klima gepragt, von der Religion beeinflusst und gleichzeitig die Religion bildend, von den Grundsatzen der bestehenden Verfassung durchdrungen, von geschichtlichen Vorbildern, Beispielen und Gewohnheiten, Brauchen und Sitten bestimmt, stellt die wesentliche Grundsubstanz einer Gesellschaft dar. Dieser Geist sei zwar keine unveranderliche Große, soll aber laut Montesquieu nur sehr behutsam beeinflusst werden. Vollstandig zu manipulieren sei er nicht, da selbst Despoten die religiosen Uberzeugungen ihrer Untertanen in irgendeiner Form respektieren mussen. Zwar andert zum Beispiel der Handel mit fremden Volkern die Sitten, befreit von Vorurteilen und fuhrt zu einem großeren Wohlstand, der allgemeine Geist eines Volkes wird davon allerdings nur in engen Grenzen tangiert.

Zusammenfassend schreibt er: ?Verfassungsregeln, Strafgesetze, das Zivilrecht, religiose Vorschriften, Sitten und Gewohnheiten all das ist ineinander verwoben und beeinflusst und erganzt sich gegenseitig. Wer da unuberlegt andert, gefahrdet seine Regierung und die Gesellschaft.“

Entsprechend pladiert Montesquieu fur religiose Toleranz. Gibt es nur eine Religion in der jeweiligen Gesellschaft, soll keine weitere eingefuhrt werden. Wohingegen mehrere nebeneinander existieren, soll der Regierende das Zusammenleben der Anhanger unterschiedlicher Religionen regeln. Die institutionelle Stabilitat macht viele Strafbestimmungen uberflussig.

Strafen sollen nur offentliche Guter schutzen. Die Privatsphare kann auf der Basis von Anerkennung der Unterschiede geregelt werden. Glaubenskontroversen sind grundsatzlich nicht juristisch zu belangen. Die Bestrafung religioser Frevel solle man dem beleidigten Gott uberlassen. Die Verfolgung weltlicher Untaten sei eine hinreichend auslastende Tatigkeit fur die Justizbehorden. Montesquieu lehnt die damals selbstverstandliche Verfolgung Homosexueller ebenso ab wie die Bestrafung anderer Verhaltensweisen der unterschiedlichsten Art, wenn diese nicht die offentliche Ordnung storen, die diese tolerante Haltung erst ermoglicht.

Uber Gewaltenteilung

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Uber Gewaltenteilung schreibt Montesquieu u. a. in seinem zentralen Werk Vom Geist der Gesetze , 1748: [8] Freiheit existiere nur dann, wenn Legislative , Exekutive und Judikative in einem gemaßigten Regierungssystem strikt voneinander getrennt sind, ansonsten drohe die Zwangsgewalt eines Despoten. Um das zu verhindern, gilt, dass die Macht der Macht Grenzen setzen muss (?Que le pouvoir arrete le pouvoir“).

  • ?Sobald in ein und derselben Person oder derselben Beamtenschaft die legislative Befugnis mit der exekutiven verbunden ist, gibt es keine Freiheit.“
  • ?Freiheit gibt es auch nicht, wenn die richterliche Befugnis nicht von der legislativen und von der exekutiven Befugnis geschieden wird. Die Macht uber Leben und Freiheit der Burger wurde unumschrankt sein, wenn jene mit der legislativen Befugnis gekoppelt ware; denn der Richter ware Gesetzgeber. Der Richter hatte die Zwangsgewalt eines Unterdruckers, wenn jene mit der exekutiven Gewalt gekoppelt ware.“
  • ?Alles ware verloren, wenn ein und derselbe Mann beziehungsweise die gleiche Korperschaft entweder der Machtigsten oder der Adligen oder des Volkes folgende drei Machtvollkommenheiten ausubte: Gesetze erlassen, offentliche Beschlusse in die Tat umsetzen, Verbrechen und private Streitfalle aburteilen.“
  • ?Demokratie und Aristokratie sind nicht von Natur aus freie Staatsformen. Freiheit ist nur unter maßvollen Regierungen anzutreffen. Eine Erfahrung lehrt, dass jeder Mensch, der Macht hat, dazu neigt, sie zu missbrauchen. Deshalb ist es notig, dass die Macht der Macht Grenzen setzt. Es gibt in jedem Staat dreierlei Vollmacht: die gesetzgebende Gewalt, die vollziehende und die richterliche. Es gibt keine Freiheit, wenn diese nicht voneinander getrennt sind.“
  • Effi Bohlke, Etienne Francois (Hrsg.): Montesquieu. Franzose, Europaer, Weltburger . Akademie, Berlin 2005, ISBN 978-3-05-004165-0 .
  • Claus-Peter Clostermeyer: Zwei Gesichter der Aufklarung. Spannungslagen in Montesquieus "Esprit des Lois". Berlin 1983.
  • Louis Desgraves: Montesquieu . Societats, Frankfurt 1992, ISBN 3-7973-0497-8 .
  • Martin Drath : Die Gewaltenteilung im deutschen Staatsrecht. In: Heinz Rausch (Hrsg.): Zur heutigen Problematik der Gewaltenteilung. Darmstadt 1969, S. 21?77.
  • Berthold Falk: Republique federale d’Allemagne. In: Societe Montesquieu (Hrsg.): L’Etat et la religion. Colloque de Sofia 2005, Sofia 2007
  • Jean Firges : Montesquieu: ?Die Perserbriefe“ . Exemplarische Reihe Literatur und Philosophie, Band 21. Sonnenberg, Annweiler 2005, ISBN 978-3-933264-41-1 (Interpretation).
  • Michael Hereth : Montesquieu zur Einfuhrung. Panorama, Wiesbaden 2005, ISBN 3-926642-59-9 .
  • Heike Jung: Montesquieu und die Kriminalpolitik . JuS 1999, S. 216?220.
  • Horst Wolfgang Karkossa: Baron de Montesquieu. In: Ed Randall, Duncan Brack (Hrsg.): The Dictionary of Liberal Thought . Methuen, London 2007.
  • Victor Klemperer : Montesquieu (Habilitation). Band I (1914) und Band II (1915) bei Archive.org .
  • Gottfried Koch: Montesquieus Verfassungstheorie . Erganzt und verbessert von Klaus H. Fischer. Wissenschaftlicher Verlag, Schutterwald 1998, ISBN 978-3-928640-17-6 .
  • Edgar Mass (Hrsg.): Montesquieu-Traditionen in Deutschland. Beitrage zur Erforschung eines Klassikers. Berlin 2005.
  • Alois Riklin : Montesquieus freiheitliches Staatsmodell. In: Politische Vierteljahresschrift . Nr. 30, S. 420?442.
  • Jean Starobinski : Montesquieu . Seuil, Paris 1953 (dt. Montesquieu. Denken und Existenz . Hanser Verlag 1986, ISBN 3-446-13959-1 ).
  • Helmut Stubbe da Luz : Montesquieu. Rowohlt, Reinbek 1998, ISBN 3-499-50609-2 .
  • Robert Hugo Ziegler: Der Ort der Macht bleibt leer, oder: Die Politik im Serail: Montesquieu . In: Derselbe: Konstellationen. Studien zu Politik und Metaphysik . K&N, Wurzburg 2018, ISBN 978-3-8260-6519-4 , S. 221?301.
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Wikisource: Montesquieu  ? Quellen und Volltexte (franzosisch)

Einzelnachweise

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  1. Eintrag zu Montesquieu, Charles de Secondat (1689?1755) im Archiv der Royal Society , London .
  2. Unter anderem hatte Montesquieu sich mit den Thesen des italienischen Kultur- und Rechtsphilosophen Giambattista Vico auseinandergesetzt.
  3. Pierre Grosclaude: Un audacieux message. L'encyclopedie . Nouvelles Editions Latines, Paris 1951, S.   121 ( google.com [abgerufen am 28. August 2015]).
  4. Manfred G. Schmidt: Demokratietheorien . 4. Auflage. VS, Wiesbaden 2008, ISBN 978-3-531-16054-2 , 3 Montesquieus Idee der ?gemaßigten Demokratie“, S.   68 (siehe De l’Esprit des Loix , II, 2).
  5. Guglielmo Gabbiadini: Tugend und Kraft. Zu einer Wechselbeziehung in Literatur, Moral und Geschichte der deutschen Spataufklarung . Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2020, ISBN 978-3-11-070544-7 , S. 65.
  6. Siehe Vom Geist der Gesetze , Buch XI, Kap. 6.
  7. Siehe Vom Geist der Gesetze , Buch XI, Kap. 3.
  8. Siehe Vom Geist der Gesetze , Buch XI, Kap. 6.