Monique Wittig
(*
13. Juli
1935
in
Dannemarie (Haut-Rhin)
,
Frankreich
; †
3. Januar
2003
in
Tucson
,
Arizona
,
USA
) war eine franzosische Schriftstellerin und
feministische
Theoretikerin. Ihr besonderes Interesse galt der Uberwindung von
Gender
. Im Jahr 1964 erschien ihr erster Roman
L’opoponax
, fur den sie mit dem renommierten franzosischen Literaturpreis
Prix Medicis
ausgezeichnet wurde.
Die geburtige Elsasserin zog in den 1950er Jahren nach
Paris
, wo sie an der
Sorbonne
studierte.
Sie war eine der Grunderinnen des
Mouvement de liberation des femmes
(MLF). Am 26. August 1970 legte sie, begleitet von zahlreichen anderen Frauen, Blumen am
Arc de Triomphe
nieder, um die Frau des
unbekannten Soldaten
zu ehren. Die Frauen wurden daraufhin von der Polizei verhaftet. Dies gilt als erstes bedeutendes Ereignis des neueren franzosischen Feminismus.
1971 beteiligte sie sich an
Gouines rouges
(
Rote Lesben
), der ersten
lesbischen
Gruppe in Paris. Sie war auch an der Gruppe
Femmes Revolutionnaires
(
Revolutionare Frauen
) beteiligt. 1976 verließ sie Paris und ging in die
USA
, wo sie an zahlreichen Universitaten unterrichtete. Sie war Professorin fur
Franzosisch
und
Women studies
an der
University of Arizona
in Tucson. 2003 starb Wittig dort nach einem
Herzinfarkt
. Bestattet wurde sie auf dem
Friedhof Pere Lachaise
in Paris.
In den 1960er Jahren lernte Monique Wittig die Kunstlerin
Lena Vandrey
kennen und verschiedene Projekte vereinten ihre Arbeit. Vandrey illustrierte in den 1970er Jahren Titelseiten der Bucher von Monique Wittig und Sande Zeig wie
Brouillon pour un dictionnaire des amantes
(1975), in deutscher Sprache
Lesbische Volker
(1983), und
Les Guerilleres
(deutsch
Die Verschworung der Balkis
). Fur Vandreys 1974 erschienenen
Zyklus der unverwustlichen Geliebten (Cycle des amantes imputrescibles)
verfasste Monique Wittig Texte. Zusammen arbeiteten sie an Wittigs Theaterstuck
Le Voyage sans fin
(1985), fur das Lena Vandrey Kostume und Buhnenbild entwarf.
[1]
Mit ihrer Partnerin Sande Zeig lebte Monique Wittig ab 1976 in den USA.
[2]
Sie begann an verschiedenen Universitaten zu lehren und verfasste hauptsachlich Texte und Essays zu Themen wie
Gender
und
Queer-Theorie
, die als grundlegende Werke gelten und u. a. von
Judith Butler
aufgegriffen wurden.
[3]
Eine Sammlung dieser Schriften wurden 1992 in
The Straight Mind
veroffentlicht.
Wittigs Roman
Virgile, non
, in dem die Protagonistin in Anspielung auf
Dantes
Gottliche Komodie
durch das Fegefeuer und die Holle des Patriarchats schließlich in das weibliche Paradies eintritt, erschien 1985. Zusammen mit Sande Zeig arbeitete sie an Theaterstucken und filmischen Werken; sie produzierten 2001 den Film
The Girl
.
[2]
Das erste internationale Symposium uber Monique Wittig fand 2001 in Paris statt und war eine Veranstaltung, die aus Lesungen, Auffuhrungen und Ausstellungen zu ihrem Werk bestand. Die Veranstalterinnen
Suzette Robichon
und Marie-Helene Bourcier veroffentlichten im Anschluss den Tagungsband
Parce que les lesbiennes ne sont pas des femmes
(deutsch
Weil Lesben keine Frauen sind
). In nachfolgenden Jahren folgten weitere Veranstaltungen, die vom neu gegrundeten Verein
L’association des Ami.es de Monique Wittig
(deutsch
Verein der Freund.innen von Monique Wittig
) organisiert wurden. Ziel des Vereins ist, ein Netzwerk zu schaffen, um Forschungen und Arbeiten, die zum Werk Wittigs entstehen, sichtbar zu machen.
Im Juni 2022 organisierte die
Association des ami.es de Monique Wittig
Lesungen zu Wittigs Werk
Le Voyage sans fin
in der
Maison de la poesie
in Paris mit
Adele Haenel
und
Nadege Beausson-Diagne
, begleitet von Suzette Robichon und Caroline Geryl.
[4]
Das Theaterstuck
Le Voyage sans fin
, das von Monique Wittig und Sande Zeig in
The Constant Journey
veroffentlicht und in den USA inszeniert wurde, ist eine feministische und lesbische Neufassung von
Don Quijote
. Es blieb Wittigs einziges aufgefuhrtes Theaterstuck.
[5]
Mit 30 Jahren veroffentlichte Monique Wittig ihren ersten Roman
L’Opoponax
, fur den sie mit dem bedeutenden franzosischen Literaturpreis
Prix Medicis
ausgezeichnet wurde.
Marguerite Duras
bezeichnete dieses Werk als
chef-d’œuvre
? als Meisterwerk ? der modernen Literatur.
[6]
Opoponax
erzahlt von einem Madchen namens Catherine Legrand und ihrer Kindheit in einem landlichen Gebiet Frankreichs. Die nichttraditionelle Erzahlweise unterstreicht die nostalgische und kindliche Faszination sowie die mythischen Begegnungen der heranwachsenden kindlichen Protagonisten.
Opoponax
steht fur Gefahr, fur die erste Liebe Catherine Legrands, die sich in der Grundschule in eine Mitschulerin verliebt und deren Beziehung bis zum Abitur beschrieben wird.
[7]
Les Guerilleres
ist Wittigs zweiter Roman, der 1969 erschien und in zahlreiche Sprachen ubersetzt wurde. Mit
Les Guerilleres
schuf Monique Wittig ein Wort, das kombiniert aus
guer
, bezogen auf
guerre
, Krieg, und auf
guerilla
ein Substantiv bildet, das grammatikalisch eine ursprunglich weibliche Form aufweist. Das Anhangen einer weiblichen Endung an ein mannliches Substantiv entfallt, vergleichbar im Deutschen mit
Die Krieginnen
statt
Die Kriegerinnen
.
[8]
Frauen grunden in
Les Guerilleres
einen kriegerischen Frauenstaat, der den Mythos um die
Amazonen
in einen feministischen Kontext setzt. Denn utopisches Denken kann sich Wittigs Ansicht nach nur in einer
separatistischen
Gesellschaft entfalten: in einer
Stadt der Frauen
. Unter diesen Bedingungen ermachtigen Frauen sich ihrer selbst und lassen sie Wut, Kraft, Starke und Durchsetzungsvermogen erleben.
[6]
Die Geschichten lassen die Welt in ein Chaos versinken, die gewohnte Ordnung wird durcheinandergewirbelt. Gleichzeitig beschwort Wittig die Hoffnung auf einen Neubeginn:
?Sie sagen, dass sie gelernt haben, auf ihre eigenen Krafte zu zahlen. Sie sagen, sie wissen, was sie vereint bedeuten. Sie sagen, dass diejenigen, die die Welt verandern wollen, sich vor allem der Gewehre bemachtigen. Sie sagen, dass sie von Null aufbrechen. Sie sagen, dass es eine neue Welt ist, die beginnt.“
?
Monique Wittig
:
Les Guerilleres, 1969
Wittigs kraftvolle Sprache, die spielerisch ein Ausdruck von
Anarchie
und Freiheit ist, lasst somit auch die Aufbruchzeit der 68er-Revolution erahnen.
[9]
Die Besonderheit des Romans ist die Verwendung der
Personalpronomina
als Stilmittel, um eine autonome Gemeinschaft weiblicher Wesen, die eine feministische Utopie bilden, darzustellen. Das franzosische Pronomen
elles
fur das weibliche und
ils
fur das mannliche nutzt Wittig, um Unterscheidungen der Geschlechter hervorzuheben. Das deutsche Personalpronomen
sie
erlaubt im Plural keine Unterscheidung des Geschlechts. In die deutsche Ubersetzung ist diese sprachliche Unterscheidung nicht zu ubertragen, es wurde stattdessen fur die mannliche Form statt
sie
das hinweisende
die
genutzt.
[8]
Monique Wittig betonte in
La Marque du genre
in
La Pensee Straight
: ?Die Richtung, zu der ich mit diesen universellen ?elles‘ tendierte, ist nicht die Feminisierung der Welt (genauso schrecklich wie die Maskulinisierung), sondern … ich habe versucht, die Geschlechterkategorien in der Sprache hinfallig werden zu lassen.“
Monique Wittig nannte sich selbst eine ?radikale Lesbe“, wobei sie sich auf ihre politische und ihre
sexuelle Orientierung
bezog. Diese Sensibilitat findet sich in ihren Buchern wieder, in denen sie ausschließlich Frauen darstellt. Um jede Verwirrung zu vermeiden, stellte sie fest:
- ?So etwas wie Frauenliteratur gibt es fur mich nicht. In der Literatur unterscheide ich nicht zwischen Frauen und Mannern. Entweder ist jemand Schriftsteller(in) oder nicht. Die ist ein geistiger Raum, in dem das Geschlecht nicht bestimmend ist. Es muß Platz fur Freiheit geben. Die Sprache erlaubt dies. Es geht darum, eine Idee des Neutralen zu entwickeln, die der Sexualitat entgeht.“
Als Theoretikerin des
materialistischen Feminismus
stigmatisiert sie den
politischen Mythos
?die Frau“ und klagt die
Heterosexualitat
an, ein politisches Regime sowie die Basis eines Sozialvertrags zu sein, den Lesben ablehnen:
- ?… und es ware unkorrekt zu sagen, dass Lesben mit Frauen zusammen sind, Liebe machen, leben, denn ?Frau‘ hat nur Bedeutung im heterosexuellen System des Denkens und in heterosexuellen okonomischen Systemen. Lesben sind keine Frauen.“ (1978)
Wittig zufolge existiert die Kategorie ?Frau“ nur in Relation zur Kategorie ?Mann“, und ?Frauen“ wurden ohne Beziehung zu ?Mannern“ aufhoren ?Frauen“ zu sein.
Die
Vereinigung der Freunde von Monique Wittig
? franzosisch
L’association des Ami.es de Monique Wittig
? wurde 2014 gegrundet, um die Werke von Monique Wittig zu bewahren und der Nachwelt zu erhalten.
[10]
Die Gemeinde Dannemarie hat 2017 eine Straße nach Monique-Wittig eingeweiht und benannt.
[11]
Die Stadt Paris benannte 2020 im
14. Arrondissement
einen Park
Jardin Monique-Wittig
.
[12]
Er wurde vom Pariser Rathaus im September 2021 mit Suzette Robichon vom Verein der Freunde von Monique Wittig, Dominique Samson, der Nichte von Monique Wittig, und Sande Zeig, ihrer Lebensgefahrtin und Mitautorin, eingeweiht.
[13]
- deutschsprachig
- Opoponax.
Ubersetzt von
Elmar Tophoven
, Rowohlt, Reinbek b. Hamburg 1966
- Aus deinen zehntausend Augen, Sappho.
Amazonen-Frauenverlag, Berlin 1977
- Die Verschworung der Balkis.
Frauenoffensive, Munchen 1980
- mit Sande Zeig:
Lesbische Volker: ein Worterbuch.
Ubersetzt von Gabriele Meixner und
Verena Stefan
, Frauenoffensive, Munchen 1983
- Das straighte Denken.
Ubersetzt von Benjamin Dittmann-Bieber und Arabel Summent, Merve, Leipzig 2023,
ISBN 978-3-96273-065-9
.
- franzosisch
- L'Opoponax.
Les Editions de Minuit, Paris 1964,
ISBN 978-2-707-34447-2
.
- Les Guerilleres.
Les Editions de Minuit, Paris 1969,
ISBN 978-2-707-34570-7
.
- Le corps lesbien.
Les Editions de Minuit, Paris 1973,
ISBN 978-2-707-30097-3
.
- mit Sande Zeig:
Brouillon pour un dictionnaire des amantes.
Bernard Grasset, Paris,
ISBN 978-2-246-19482-8
.
- Virgile, non.
Les Editions de Minuit, Paris 1985,
ISBN 978-2-707-31021-7
.
- Le voyage sans fin: a partir du Quichotte de Cervantes.
Malakoff Distique, Vlasta 4 1985.
- mit Marie-Helene Bourcier:
La pensee straight.
Editions Amsterdam 1992,
ISBN 978-2-354-80175-5
.
- englisch
Der Film
The Girl
(2000) von Sande Zeig beruht auf einer Kurzgeschichte von Wittig.
- Sarah Cooper:
Relating to queer theory: rereading sexual self-definition with Irigaray, Kristeva, Wittig and Cixous
. Lang Verlag, Bern, Berlin, Bruxelles, Frankfurt a. M., New York, Oxford, Wien, 2000.
- Suzette Robichon, Marie-Helene Bourcier,
Parce que les lesbiennes ne sont pas des femmes...: Autour de l'oeuvre politique, theorique et litteraire de Monique Wittig, Actes du colloque des 16-17 juin 2001.
Editions Gaies et Lesbiennes 2002,
ISBN 978-2-91270-617-1
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- Traude Buhrmann
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In Memoriam Monique Wittig.
Dokumentation der Gedenkfeier IN MEMORIAM Monique Wittig am 15./16. Februar 2003 in der Inselgalerie im Rahmen der von Traude Buhrmann organisierten Literarischen Salons der EFAK ? Forderverein Europaische Frauenakademie der Kunste und Wissenschaften Berlin Brandenburg e.V.
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. University of Illinois Press, 2005,
ISBN 978-0252072314
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- Vojin Sa?a Vukadinovi?
: Ein Buch fur Alle und Keine. Monique Wittigs
Les Guerilleres
als ?Große Weigerung’ in epischer Form. In: Benedikt Wolf (Hg.),
SexLit. Neue kritische Lekturen zu Sexualitat und Literatur
, Berlin 2019, S. 170?201,
ISBN 978-3-89656-282-1
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