Das
Minkowski-Diagramm
wurde 1908 von
Hermann Minkowski
entwickelt und dient der Veranschaulichung der Eigenschaften von
Raum
und
Zeit
in der
speziellen Relativitatstheorie
. Es erlaubt ein quantitatives Verstandnis der damit verbundenen Phanomene wie beispielsweise der
Zeitdilatation
und der
Langenkontraktion
ohne
Formeln
.
Das Minkowski-Diagramm ist ein Raum-Zeit-Diagramm mit nur einer Raum-
Dimension
. Dabei wird eine Uberlagerung der
Koordinatensysteme
fur zwei gegeneinander mit konstanter
Geschwindigkeit
bewegte Beobachter dargestellt, sodass zu den Orts- und Zeitkoordinaten
x
und
t,
die der eine Beobachter zur Beschreibung des Geschehens verwendet, unmittelbar die des anderen
x’
und
t’
abgelesen werden konnen und umgekehrt. Aus dieser grafisch
eineindeutigen
Zuordnung von
x
und
t
zu
x’
und
t’
wird unmittelbar die Widerspruchsfreiheit zahlreicher scheinbar
paradoxer
Aussagen der
Relativitatstheorie
ersichtlich. Auch die Unuberwindbarkeit der
Lichtgeschwindigkeit
erschließt sich grafisch als Folge der Eigenschaften von Raum und Zeit. Die Form des
Diagramms
folgt unmittelbar und ohne Formeln aus den
Postulaten
der speziellen Relativitatstheorie und verdeutlicht die enge Verwandtschaft von Raum und Zeit, die aus der Relativitatstheorie hervorgeht. Eine Erweiterung ist das
Penrose-Diagramm
, mit dem man die globale Struktur von
allgemeineren
, auch
gekrummten
,
Raumzeiten
darstellen kann.
Zugunsten der Darstellbarkeit wird bei den Minkowski-Diagrammen auf zwei der drei Raumdimensionen verzichtet und nur das Geschehen in einer eindimensionalen Welt betrachtet. Anders als bei Weg-Zeit-Diagrammen ublich, wird der Weg auf der
x
-Achse
und die Zeit auf der
y
-Achse
dargestellt. Damit lasst sich das Geschehen auf einem horizontalen Weg unmittelbar in das Diagramm hineindenken, wobei sich dieser Weg mit dem Verstreichen der Zeit von unten nach oben durch das Diagramm hindurch bewegt. Jedes Objekt auf diesem Weg, wie beispielsweise ein Beobachter oder ein Fahrzeug, beschreibt auf diese Weise eine Linie im Diagramm, die man seine
Weltlinie
nennt.
Jeder Punkt in diesem Diagramm markiert eine bestimmte Stelle in Raum und Zeit. Eine solche Stelle wird als
Ereignis
bezeichnet unabhangig davon, ob zu dieser Zeit und an diesem Ort uberhaupt etwas geschieht.
Es erweist sich als vorteilhaft, auf der Zeitachse nicht die Zeit
t
direkt, sondern die zugeordnete
Große
ct
aufzutragen, wobei
c
= 299792,458 km/s
die
Lichtgeschwindigkeit
bezeichnet. Einer
Sekunde
entspricht auf diese Weise ein Abschnitt von 299792,458 km auf der Ordinate. Wegen
x
=
ct
fur ein
Lichtteilchen
, das den
Koordinatenursprung
nach rechts passiert, ist seine Weltlinie eine um 45° geneigte
Gerade
im Diagramm, sofern fur beide Koordinaten-Achsen der gleiche Maßstab gewahlt wird.
Das nebenstehende Diagramm stellt das Koordinatensystem eines Beobachters dar, den wir der Einfachheit halber als den Ruhenden bezeichnen wollen, und der sich bei
x
= 0 befindet. Die Weltlinie des Beobachters ist daher mit der Zeitachse identisch. Jede
Parallele
zu dieser Achse entsprache einem ebenfalls ruhenden Objekt an einem anderen Ort. Die blaue Gerade entspricht dagegen einem Objekt, das sich mit konstanter Geschwindigkeit ortsverandert, beispielsweise einem bewegten Beobachter.
Diese blaue Gerade lasst sich nun als die Zeitachse dieses Beobachters interpretieren, die zusammen mit der fur beide Beobachter identischen Raumachse sein Koordinatensystem darstellt. Das entspricht einer Vereinbarung der beiden Beobachter, die Stelle
x
= 0 und
t
= 0 auch mit
x′
= 0 und
t′
= 0 zu bezeichnen. Das Koordinatensystem des bewegten Beobachters ist schiefwinklig. Zum Ablesen der Koordinaten eines Punktes werden in diesem Fall die beiden Parallelen durch den Ereignispunkt zu den Achsen gebildet und ihr Schnittpunkt mit den Achsen betrachtet.
Es zeigt sich am Beispiel des Ereignisses A im Diagramm, dass damit fur die Ortskoordinate wie erwartet verschiedene Werte ermittelt werden, da sich der bewegte Beobachter seit
t
= 0 auf den Ort des Ereignisses zubewegt hat. Andererseits findet im damaligen kosmischen Nah-Bezugsrahmen innerhalb des Sonnensystems von
newtonscher Physik
ein Ereignis aus der Sicht beider Beobachter annahernd zum selben Zeitpunkt statt. Der ausreichende Maßstab dafur auf der Zeitachse des bewegten Beobachters ist daher gestreckt, derart dass in gleicher Hohe uber der
x
-Achse auf beiden Zeitachsen in unpraziser Auflosung dieselben Werte zur Ablesung kommen.
Generell finden dieserweise alle Ereignisse, die sich auf einer Parallelen zur Wegachse befinden, "gleichzeitig" statt und zwar fur beide Beobachter. Es gibt nur eine universelle Zeit
t
=
t′
, was sich in der Existenz einer gemeinsamen Wegachse außert. Analog steht die Existenz zweier verschiedener Zeitachsen in Zusammenhang damit, dass beide Beobachter verschiedene Ortskoordinaten ermitteln. Diese grafische Ubersetzung der Koordinaten
x
und
t
in
x′
und
t′
beziehungsweise umgekehrt erfolgt
mathematisch
uber die
Galilei-Transformation
.
Albert Einstein
(1905) entdeckte nun, dass in kosmologischer Maßstabserweiterung die newtonsche Beschreibung nicht genau genug der Realitat entspricht.
[1]
Je hoher die betrachteten Geschwindigkeiten sind, desto großer werden die Abweichungen. Raum und Zeit sind so beschaffen, dass fur die Ubersetzung der Koordinaten zwischen bewegten Beobachtern andere Regeln gelten. Insbesondere finden Ereignisse, die der eine Beobachter als gleichzeitig bewertet, fur den anderen, relativ zu ihm bewegten Beobachter zu verschiedenen Zeiten statt. Diese
Relativitat der Gleichzeitigkeit
wurde von
Hermann Minkowski
auf elegante Weise veranschaulicht.
[2]
Im Minkowski-Diagramm entspricht die Relativitat der Gleichzeitigkeit der Existenz verschiedener Wegachsen fur die beiden Beobachter. Jeder Beobachter interpretiert nach obiger Regel alle Ereignisse auf einer Geraden parallel zu seiner Wegachse als gleichzeitig. Der Ablauf des Geschehens aus der Sicht eines bestimmten Beobachters lasst sich damit grafisch durch Parallelverschiebung einer solchen Geraden von unten nach oben nachvollziehen.
Bei Auftragung von
ct
anstelle
t
auf der Zeitachse erweist sich der
Winkel
α
zwischen den beiden Wegachsen als identisch mit dem zwischen den beiden Zeitachsen. Als Ursache fur diese Orientierung der Wegachsen lasst sich das
Prinzip von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit
interpretieren (siehe unten). Der Winkel
α
ergibt sich aus der
Relativgeschwindigkeit
v
zu
- .
Die zugehorige Ubersetzung der Koordinaten
x
und
t
in
x′
und
t′
beziehungsweise umgekehrt erfolgt mathematisch uber die
Lorentz-Transformation
. Die Skalierung der Achsen ergibt sich folgendermaßen: Wenn
U
die gewahlte grafische Lange der benutzten Langeneinheit (z. B.
1 Ls = 1 Lichtsekunde)
auf den
ct-
und
x-
Achsen ist, markieren wir diese beiden Achsen wie gewohnt im grafischen Abstand U vom Ursprung mit einer
1
(in nebenstehender Grafik
U
). Der grafische Abstand
U′
vom Ursprung, in dem die erste Markierung auf
ct′-
und
x′-
Achsen erfolgt, ergibt sich dann zu:
[3]
- .
Erlauterung:
Stellt die
ct
-Achse die Weltlinie einer in
S
ruhenden Uhr dar, dann entspricht
U
der mit
c
multiplizierten Dauer zwischen zwei auf dieser Weltlinie auftretenden Ereignissen, was als
Eigenzeit
der Uhr bezeichnet wird. Die Lange
U
auf der
x-
Achse entspricht der
Ruhelange
oder Eigenlange eines in
S
ruhenden Maßstabs. Dieselben Zusammenhange gelten auch fur die Abstande
U′
auf der
ct′-
und
x′-
Achse. Die erste Markierung auf der
ct′-
Achse hat im System
S′
die mathematischen Koordinaten (
x′,ct′
) = (0,1) und die erste Markierung auf der
x′
-Achse hat die mathematischen Koordinaten (
x′,ct′
) = (1,0). Im ungestrichenen Koordinatensystem
S
ergibt sich mit der Lorentz-Transformation, dass die erste Markierung auf der
ct′-
Achse die mathematischen Koordinaten (
x,ct
) = (
γ v/c,γ
) hat. Da das ungestrichene Koordinatensystem grafisch ein kartesisches Koordinatensystem ist, ergibt sich der grafische Abstand der Markierung dann nach dem Satz des Pythagoras und Vereinfachung zur oben angegebenen Formel:
Dasselbe Ergebnis erhalt man auch bei Betrachtung der
x′-
Achse.
Bild 1: Sicht im Mittelsystem
Bild 2: Symmetrisches Minkowski-Diagramm
Bild 3: Symmetrisches Minkowski-Diagramm gemaß Gruner und Sauter: Kovariante und kontravariante Komponenten
Sofern nur zwei Inertialsysteme betrachtet werden, kann die unterschiedliche Skalierung auf den Achsen vermieden und eine symmetrische Darstellung erreicht werden. Denn zwischen zwei relativ bewegten Inertialsystemen existiert immer ein drittes, in dem sich die beiden anderen mit gleicher Geschwindigkeit in entgegengesetzte Richtung bewegen (?Mittelsystem“). Wenn
und
zwischen zwei Inertialsystemen
und
gegeben sind, dann sind sie folgendermaßen mit den entsprechenden Großen im Mittelsystem
verbunden:
[4]
[5]
Wenn beispielsweise
zwischen
S
und
S’
gegeben ist, dann bewegen sie sich gemaß (2) in ihrem Mittelsystem
mit annahernd ±0,268
c
in jeweils entgegengesetzter Richtung. Oder wenn
in
gegeben ist, dann ist gemaß (1) die Relativgeschwindigkeit zwischen
S
und
S′
in ihren eigenen Ruhesystemen gegeben mit 0,8
c.
Die Konstruktion der entgegengesetzt gerichteten Achsen von S und S′ erfolgt dann nach der gewohnlichen Methode mit
in Bezug auf die orthogonalen Achsen des Mittelsystems (siehe Bild 1).
Es zeigt sich jedoch, dass die Konstruktion dieser symmetrischen Minkowski-Diagramme wesentlich vereinfacht werden kann, wobei weder das Mittelsystem
noch
aufgefuhrt werden mussen, sondern lediglich
zwischen
S
und
S′
:
[6]
Wenn
der Winkel ist zwischen der
ct′
- und
ct
-Achse (und zwischen der
x
- und
x′
-Achse), und
zwischen der
x′
- und
ct′
-Achse, dann ergibt sich:
[7]
[8]
Daraus ergeben sich beispielsweise die zwei folgenden Konstruktionsmethoden (Bild 2): Die
x
-Achse wird zuerst senkrecht zur
ct′
-Achse gezeichnet, dann werden die
x′
und
ct
-Achsen im Winkel
beigefugt; oder die
x′
-Achse wird im Winkel
bezuglich der
ct′
-Achse gezeichnet, dann die
x
-Achse senkrecht zur
ct′
-Achse und die
ct
-Achse senkrecht zur
x′
-Achse beigefugt. Zusatzlich (Bild 3) ergibt sich, dass die Parallelprojektionen von Vektor
seinen
kontravarianten
Komponenten
(x,t; x′,t′)
entsprechen, und die Orthogonalprojektionen
seinen kovarianten Komponenten.
Geschichte
- Max Born
(1920) verwendete in seinem Buch
Die Relativitatstheorie Einsteins
verschiedene Minkowski-Diagramme mit zwei sich zueinander senkrecht ausbreitenden Lichtstrahlen als Achsenkreuz. Um die Symmetrie von Langenkontraktion und Zeitdilatation darzustellen, fugte er noch die Achsen zweier Systeme
S
und
S′
hinzu, wobei die
x
-Achse annahernd senkrecht zur
ct′
-Achse, und die
x′
-Achse annahernd senkrecht zur
ct
-Achse stand.
[9]
- Dmitry Mirimanoff
(1921) entdeckte die Existenz von ?Mittelsystemen“, die immer bezuglich zweier relativ zueinander bewegter Inertialsysteme aufgefunden werden konnen. Er zeigte jedoch keine graphische Interpretation dieses Zusammenhangs.
[4]
- Paul Gruner
(1921) entwickelte zusammen mit Josef Sauter symmetrische Diagramme auf systematische Weise. Es wurden relativistische Effekte wie Langenkontraktion und Zeitdilatation abgeleitet sowie der Zusammenhang von kontravarianten und kovarianten Komponenten.
[7]
[8]
Gruner erweiterte diese Methode in weiteren Arbeiten (1922?1924) und wurdigte die Leistung Mirimanoffs.
[10]
[11]
[12]
[13]
[14]
[15]
- Die Konstruktion solch symmetrischer Diagramme wurde spater mehrmals neu entdeckt. Beispielsweise veroffentlichte
Enrique Loedel Palumbo
beginnend mit 1948 mehrere Arbeiten in spanischer Sprache, worin er diese Methode entwickelte.
[16]
[17]
1955 wurde sie abermals durch
Henri Amar
wiederentdeckt.
[18]
[19]
In einigen Lehrbuchern werden solche Diagramme daher als ?Loedel-Diagramme“ bezeichnet.
[20]
[6]
Die sogenannte Zeitdilatation besagt, dass eine
Uhr
, die ihre
Eigenzeit
anzeigt und sich relativ zu einem Beobachter bewegt, bezuglich dessen Koordinatenzeit langsamer lauft, und damit auch die Zeit in diesem System selbst. Dieser Umstand kann unmittelbar aus dem nebenstehenden Minkowski-Diagramm abgelesen werden. Der Beobachter bewege sich innerhalb der Raumzeit vom Ursprung
O
in Richtung
A
und die Uhr von
O
in Richtung
B.
Alle Ereignisse, die dieser Beobachter bei
A
als gleichzeitig interpretiert, liegen auf der Parallelen zu seiner Wegachse, also der Geraden durch
A
und
B.
Wegen
OB
<
OA
ist jedoch auf der relativ zu ihm bewegten Uhr eine kleinere Zeit vergangen als auf der Uhr, die der Beobachter mit sich fuhrt.
Ein zweiter Beobachter, der sich mit der einen Uhr von
O
nach
B
bewegt hat, wird jedoch behaupten, die andere Uhr befinde sich in diesem Moment erst bei
C
und sie sei es daher, die langsamer laufe. Die unterschiedliche Interpretation dessen, was gleichzeitig an einem anderen Ort geschieht, ist die Ursache fur diese scheinbar paradoxe Situation. Angesichts des Relativitatsprinzips ist die Frage, wer die Situation korrekt beurteilt, prinzipiell nicht beantwortbar und daher sinnlos.
Die sogenannte Langenkontraktion besagt, dass ein Langenmaßstab von einer bestimmten
Ruhelange
, der sich relativ zu einem Beobachter bewegt, mit dessen Maßstaben als verkurzt gemessen wird, und damit auch der Raum in diesem System selbst. Der Beobachter bewege sich wieder auf der
ct
-Achse. Die Weltlinien der beiden Endpunkte eines relativ zu ihm bewegten Maßstabes bewegen sich entlang der
ct′
-Achse und parallel dazu durch
A
und
B.
Fur den Beobachter reicht der Maßstab zur Zeit
t
= 0 nur von
O
bis
A.
Fur einen langs der
ct′
-Achse mitbewegten zweiten Beobachter, fur den der Maßstab ruht, hat er im Moment
t′
= 0 die Ruhelange OB. Sie erscheint also dem ersten Beobachter wegen
OA
<
OB
verkurzt.
Der mitbewegte Beobachter wird einwenden, dass der erste Beobachter Anfangs- und Endpunkt bei
O
und
A
und damit gar nicht gleichzeitig erfasst habe, sodass er aufgrund seiner zwischenzeitlichen Bewegung eine falsche Lange ermittelt habe. Uber die gleiche Argumentation ermittelt der zweite Beobachter fur die Lange eines Maßstabes, dessen Endpunkte sich entlang der
ct
-Achse und parallel dazu durch
C
und
D
bewegen, eine Langenkontraktion von
OD
auf
OC.
Die scheinbar paradoxe Situation, dass fur jeden die Maßstabe des anderen als verkurzt gemessen werden, beruht wiederum auf der Relativitat der Gleichzeitigkeit, wie das Minkowski-Diagramm zeigt.
Bei allen diesen Betrachtungen wurde vorausgesetzt, dass die Beobachter bei ihren Aussagen die ihnen bekannte Ausbreitungsgeschwindigkeit des
Lichtes
berucksichtigen. Das heißt, sie geben nicht an, was sie unmittelbar sehen, sondern das, was sie anhand der Signallaufzeit und der von ihnen ermittelten raumlichen Distanz zu den gesehenen Ereignissen fur real halten.
Das bedeutendere der beiden
Postulate der speziellen Relativitatstheorie
ist das
Prinzip von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit
. Es besagt, dass die Vakuum-Lichtgeschwindigkeit in jedem Inertialsystem denselben Wert
c
hat, und zwar unabhangig von der Geschwindigkeit des Lichtsenders oder des Lichtempfangers. Alle Beobachter, die die Lichtgeschwindigkeit messen, kommen also, unabhangig von ihrem eigenen Bewegungszustand, zum selben Ergebnis. Diese Aussage erscheint zunachst paradox, ergibt sich aber grafisch unmittelbar aus dem Minkowski-Diagramm. Sie erklart auch das Ergebnis des
Michelson-Morley-Experiments
, das vor der Entdeckung der Relativitatstheorie fur Verwunderung sorgte.
Fur Weltlinien zweier Lichtteilchen, die den Ursprung in unterschiedliche Richtungen passieren, gilt
x
=
ct
und
x
= ?
ct,
das heißt, jedem Bahnpunkt entsprechen betragsmaßig gleiche Abschnitte auf der
x
- und der
ct
-Achse. Aus der Regel zur Ablesung von Koordinaten in einem schiefwinkligen Koordinatensystem ergibt sich damit, dass diese Weltlinien die beiden Winkelhalbierenden der
x
- und
ct
-Achse sind. Dem Minkowski-Diagramm entnimmt man nun, dass sie auch gleichzeitig die Winkelhalbierenden der
x′
- und
ct′
-Achse sind. Das heißt, beide Beobachter ermitteln fur den Betrag der Geschwindigkeit dieser beiden Lichtteilchen denselben Wert
c.
Im Prinzip lassen sich in dieses Minkowski-Diagramm weitere Koordinatensysteme zu Beobachtern mit beliebiger Geschwindigkeit hinzufugen. Bei allen diesen Koordinatensystemen bilden die Weltlinien von Lichtteilchen die Winkelhalbierenden der Koordinatenachsen. Je mehr sich die Relativgeschwindigkeiten der Lichtgeschwindigkeit nahern, umso mehr schmiegen sich die Koordinatenachsen mindestens eines der beteiligten Systeme an die Winkelhalbierende an. Die Wegachsen sind stets flacher als diese Winkelhalbierenden und die Zeitachsen stets steiler. Die Maßstabe auf den jeweiligen Weg- und Zeitachsen sind stets gleich, unterscheiden sich jedoch im Allgemeinen von denen der anderen Koordinatensysteme.
Alle Geraden durch den Ursprung, die steiler als die beiden Weltlinien der
Lichtteilchen
verlaufen, entsprechen Objekten, die sich langsamer als mit
Lichtgeschwindigkeit
bewegen. Da die Weltlinien der Lichtteilchen fur alle Beobachter identisch sind, gilt diese Aussage unabhangig vom Beobachter. Vom Ursprung aus kann jeder Punkt oberhalb und zwischen den Weltlinien der beiden Lichtteilchen mit Unterlichtgeschwindigkeit erreicht werden, sodass jedes entsprechende Ereignis dort mit dem Ursprung in einer Ursache-Wirkungs-Beziehung stehen kann. Dieser Bereich wird als
absolute Zukunft
bezeichnet, da jedes dortige Ereignis unabhangig vom Beobachter spater stattfindet als das Ereignis, das den Ursprung markiert, wovon man sich auf grafischem Wege leicht uberzeugen kann.
Analog ist der Bereich unterhalb des Ursprungs und zwischen den Weltlinien der beiden Lichtteilchen die
absolute Vergangenheit
bezuglich des Ursprungs. Jedes Ereignis dort kann Ursache einer Wirkung am Ursprung sein und befindet sich eindeutig in der Vergangenheit.
Das Verhaltnis zweier Ereignispunkte, die in dieser Weise in einer Ursache-Wirkungs-Beziehung stehen konnen, wird auch als
zeitartig
bezeichnet, da sie fur alle Beobachter einen endlichen zeitlichen Abstand aufweisen. Dagegen stellt die Verbindungsstrecke stets die Zeitachse eines moglichen Koordinatensystems dar, fur dessen Beobachter die beiden Ereignisse damit am selben Ort stattfinden. Lassen sich zwei Ereignisse gerade mit Lichtgeschwindigkeit verbinden, so nennt man sie
lichtartig
.
Zwei Ereignispunkte, die in keiner Weise in einer Ursache-Wirkungs-Beziehung stehen konnen, da sie nur mit Uberlichtgeschwindigkeit verbunden werden konnen, haben keine allgemein definierte zeitliche Beziehung zueinander, vielmehr ist je nach Beobachter der eine oder der andere fruher oder beide sind gleichzeitig. Andererseits konnen sie fur keinen Beobachter am gleichen Ort (zu verschiedener Zeit) stattfinden
(absolutes Anderswo),
besitzen also eine
raumartige
Beziehung zueinander.
Im Prinzip lasst sich dem Minkowski-Diagramm eine weitere
Raumdimension
hinzufugen, sodass eine dreidimensionale Darstellung entsteht. In diesem Fall werden die Bereiche von Vergangenheit und Zukunft zu
Kegeln
, deren Spitzen sich im Ursprung beruhren. Sie werden als
Lichtkegel
bezeichnet.
Analog wurden alle Geraden durch den Ursprung, die flacher als die beiden Weltlinien der Lichtteilchen verlaufen, Objekten oder Signalen entsprechen, die sich mit
Uberlichtgeschwindigkeit
bewegen, und zwar mit dem obigen Argument wiederum unabhangig vom Beobachter. Damit kann zwischen allen Ereignissen außerhalb der Lichtkegel und dem am Ursprung selbst mit Lichtgeschwindigkeit kein Kontakt hergestellt werden. Das Verhaltnis zweier solcher Ereignispunkte wird auch als
raumartig
bezeichnet, da sie fur alle Beobachter einen endlichen Abstand aufweisen. Dagegen stellt die Verbindungsstrecke stets die Wegachse eines moglichen Koordinatensystems dar, fur dessen Beobachter die beiden Ereignisse damit gleichzeitig stattfinden. Durch leichte Variation der Geschwindigkeit dieses Koordinatensystems in beide Richtungen lassen sich daher stets zwei Koordinatensysteme finden, deren Beobachter die zeitliche Reihenfolge dieser beiden Ereignisse unterschiedlich beurteilen.
Ausgehend vom
Postulat
der konstanten Lichtgeschwindigkeit wurde Uberlichtgeschwindigkeit daher bedeuten, dass zu jedem Beobachter, fur den sich ein derartiges Objekt von
X
nach
Y
bewegen wurde, sich ein anderer finden ließe, fur den es sich von
Y
nach
X
bewegen wurde, wiederum ohne dass die Frage, wer die Situation korrekt beschreibt, einen Sinn ergabe. Das
Kausalitatsprinzip
ware damit verletzt.
Daruber hinaus folgt aus der Relativitatstheorie, dass sich mit uberlichtschnellen Signalen
Informationen
in die eigene Vergangenheit senden ließen. So schickt in nebenstehendem Diagramm der Beobachter im
x
-
ct
-System eine Nachricht mit Uberlichtgeschwindigkeit von
O
nach
A.
Im Punkt
A
wird es von einem Beobachter im
x′
-
ct′
-System empfangen, der wiederum ein Antwortsignal mit Uberlichtgeschwindigkeit zuruckschickt, sodass es bei
B
und damit in der Vergangenheit von
O
eintrifft. Die Absurditat des Vorganges wird dadurch deutlich, dass beide Beobachter anschließend behaupten mussten, die Antwort auf ihre Nachricht schon vor deren Absenden erhalten zu haben.
Die Unvereinbarkeit von Relativitatstheorie und der Moglichkeit, einen Beobachter auf Lichtgeschwindigkeit oder gar daruber hinaus zu beschleunigen, außert sich auch in dem Umstand, dass bei Lichtgeschwindigkeit seine Zeit- und Wegachse mit der Winkelhalbierenden zusammenfallen wurden, sodass das Koordinatensystem als solches kollabieren wurde.
Diese Uberlegungen zeigen grafisch anhand des Minkowski-Diagramms, dass die Unuberwindlichkeit der Lichtgeschwindigkeit eine Folge der relativistischen Struktur von Raum und Zeit darstellt und keine Eigenschaft der Dinge, wie beispielsweise eines lediglich unvollkommenen Raumschiffes.
Raum und Zeit erscheinen in den Grundgleichungen der Relativitatstheorie formal weitgehend gleichwertig nebeneinander und lassen sich daher zu einer vierdimensionalen
Raumzeit
vereinigen. Diese enge Verwandtschaft von Raum und Zeit zeigt sich auch im Minkowski-Diagramm.
Die bekannte Gleichwertigkeit der drei Dimensionen des Raumes außert sich insbesondere in der Moglichkeit, sich im Raum zu drehen. Damit sind die drei Dimensionen nicht fest vorgegeben, sondern uber die Definition eines Koordinatensystems frei wahlbar. Raum und Zeit erscheinen dagegen in der newtonschen Physik strikt getrennt. In der speziellen Relativitatstheorie erweisen sich jedoch Relativbewegungen als eng verwandt mit
Drehungen
von Koordinatensystemen mit Raum- und Zeitachsen in der Raumzeit: Da der Winkel zwischen den beiden Raum- und den beiden Zeitachsen in der symmetrischen Darstellung gleich ist, steht die
x
-Achse senkrecht auf der
ct′
-Achse und ebenso die
x′
-Achse auf der
ct
-Achse. Die Anordnung der vier Achsen ist damit identisch mit der zweier gewohnlicher
rechtwinkliger
Koordinatensysteme, die lediglich um den Winkel
φ
gegeneinander gedreht wurden mit anschließender Vertauschung der beiden Zeitachsen. Damit ergibt sich eine
Scherung
der Achsen anstelle einer Drehung. Diese Vertauschung zweier Achsen sowie samtliche Unterschiede zwischen Raum und Zeit lassen sich letztlich auf ein einziges
Vorzeichen
in der
Gleichung
zuruckfuhren, die Raum und Zeit verknupft, indem sie die Metrik der Raumzeit definiert.
Aus diesem Grund besteht die Bedeutung der Lichtgeschwindigkeit als fundamentaler
Naturkonstante
der
Physik
in erster Linie darin, diese Verbindung zwischen Raum und Zeit herzustellen. Der Umstand, dass sich
Photonen
mit dieser Geschwindigkeit bewegen, ist eher als Konsequenz dieser engen Verwandtschaft anzusehen. In der Relativitatstheorie ist es daher auch ublich, anstelle der Koordinaten
x, y, z
und
t
mit
x
1
bis
x
4
zu rechnen, wobei
x
4
=
ct.
Alle Formeln vereinfachen sich damit erheblich, und fur die Lichtgeschwindigkeit ergibt sich in diesen Einheiten eine dimensionslose Zahl
c
= 1.
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Special relativity
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ISBN 0-486-65743-4
,
S.
20?22
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