Milzbrand
oder
Anthrax
(von
altgriechisch
?νθραξ
anthrax
?Kohle“) ist eine
akute
Infektionskrankheit
, die durch
Bacillus anthracis
verursacht wird und meist
Paarhufer
, aber auch andere pflanzenfressende Tiere befallt. Auch Menschen konnen von dieser
Zoonose
befallen werden, wenn sie Milzbrandsporen ausgesetzt sind, die auch von Tieren auf den Menschen ubertragen werden konnen. Eine Ubertragung von Mensch zu Mensch gilt als sehr unwahrscheinlich; es wurde bislang kein derartiger Fall dokumentiert.
Der Erreger des Milzbrands ist ein aerobes und
sporenbildendes
Stabchenbakterium
. Das vom Erreger produzierte
Milzbrandtoxin
ist hochgiftig. Bei einer Infektion des Menschen sind meist Haut und Schleimhaute, seltener auch Lunge oder Verdauungstrakt betroffen. Die Sporen konnen unter Umstanden Jahrzehnte
[1]
oder sogar Jahrhunderte uberleben.
Aufgrund der Eignung als Biowaffe und der Suche nach Abwehrmoglichkeiten sind die Wirkungsweise des Anthrax-Erregers und der Verlauf der Krankheit gut erforscht. Unter anderem wird daran geforscht, die Wirkung als Zellgift selektiv gegen Krebszellen einzusetzen.
[2]
Die Bezeichnung
Milzbrand
leitet sich von der braunschwarzen fleckigen Verfarbung einer schwer befallenen
Milz
ab, die bei Sektionen von Tieren auch mit schwarzem Blut gefullt vorgefunden wurde.
Der griechisch-lateinische und wissenschaftliche Name
Anthrax
(
griechisch
?νθραξ
anthrax
?Kohle“) beruht auf der schwarzlichen Farbe der mit Karbunkel (von lateinisch carbunculus: ?kleine Kohle‘) bezeichneten
Eiterbeulen
bei Hautmilzbrand
[3]
und fruher auch anderen karbunkelahnlichen Geschwuren. Bei
Hippokrates
bezeichnete ?Anthrax“ nicht die Milzbrandbeule, sondern die Pockenkrankheit.
[4]
Der Milzbranderreger,
Bacillus anthracis
, gehort zur Gattung
Bacillus
(sporenbildende, aerobe Stabchenbakterien) innerhalb der Familie
Bacillaceae
. Er ist ein etwa funf bis sechs
μm
(1 μm = 0,001 mm) langes,
grampositives
, unbewegliches, sporenbildendes Stabchen, das in Korperflussigkeiten kurze, in der Kultur langere kettenformige Verbande bildet (?
Serpentinen
“- oder ?
Medusakopf
“-Form). Im Tierkorper ist die Bakterienzelle von einer deutlichen Kapsel (bestehend aus D-
Glutamat
) umhullt, wahrend in der Kultur in der Regel keine Kapselbildung erkennbar ist. Außerhalb des Tierkorpers, in Anwesenheit von Sauerstoff und bei Temperaturen von 12 bis 43 °C, bilden sich Sporen (Dauerformen), deren Große etwa 0,5 bis 1,2 μm betragt.
Das Bakterium selbst ist nicht sehr widerstandsfahig. Im faulenden, nicht geoffneten Kadaver gehen die Keime bei warmer Witterung bereits nach zwei bis drei Tagen zugrunde. Bei niedrigen Temperaturen konnen sie uber zwei Wochen infektios bleiben. Im Magensaft werden sie nach etwa 20 Minuten abgetotet. Die Sporen des Milzbranderregers sind hingegen außergewohnlich unempfindlich. Durch Eintrocknen werden sie nicht vernichtet. Durch Sonneneinstrahlung werden sie innerhalb von vier Tagen abgetotet. Im Erdreich und vor Sonne geschutzt bleiben sie uber viele Jahrzehnte hinweg lebensfahig. Zehnprozentiges
Formaldehyd
ist nach etwa zwei Stunden, 20-prozentiges Formaldehyd in etwa zehn Minuten wirksam. Im stromenden Dampf von 100 °C gehen sie nach funf Minuten, in trockener Hitze von 120 °C bis 140 °C nach drei Minuten zugrunde.
Milzbranderreger wurden von
Aloys Pollender
1849 in Schafsblut mikroskopisch nachgewiesen, aber erst
Robert Koch
untersuchte den Erreger systematisch, beschrieb ihn im Jahr 1876 genauer. Koch konnte
Bacillus anthracis
in Kultur (durch die erste Bazillenreinkultur
[5]
) vermehren und seine Rolle bei der Entstehung und Ubertragung der Krankheit nachweisen. Den gemeinsamen Ursprung von Darmmilzbrand und Lungenmilzbrand erkannte
Grigorij Nikolaevi? Minch
(1836?1896),
[6]
der von 1876 bis 1895 als Pathologe in Kiev tatig war.
Heute kommt Milzbrand in allen Landern und in allen Erdteilen vor, allerdings in stark variierender Haufigkeit. In Deutschland tritt die Krankheit nur noch sehr selten auf. Am haufigsten ist Milzbrand in warmeren Regionen, vor allem in Sudeuropa, im Nahen Osten, in Asien, Nordafrika und Sudamerika. Der Erreger findet sich bevorzugt auf feuchten, sumpfigen Boden und in Uberschwemmungsgebieten von Fluss- und Bachlaufen, in denen die Sporen durch das Wasser verschleppt und verbreitet werden konnen.
Selbst aus tief vergrabenen Kadavern konnen durch die Aktivitat der
Regenwurmer
[7]
oder durch steigendes Grundwasser noch nach Jahrzehnten immer wieder Sporen an die Oberflache gelangen. Wenn im Zuge von Baumaßnahmen die Areale ehemaliger
Abdeckereien, Wasenmeistereien
oder
Gerbereien
[8]
angeschnitten werden, die vor Jahrzehnten noch weit außerhalb der Siedlungs
peripherie
lagen, konnen Sporen wieder nach oben befordert werden.
Die Mehrzahl der Milzbrandfalle wurde in Gebieten mit Grunland- und Weidewirtschaft festgestellt. Jahreszeitlich zeichnet sich ein Hohepunkt im Fruhjahr ab, wahrend der statistische Tiefpunkt im Sommer (Juni) liegt. Auch in Jahren mit extrem hohen Niederschlagsmengen muss mit vermehrten Krankheitsfallen gerechnet werden.
Im Hinblick auf das Vorkommen bei verschiedenen Haus- und Wildtierarten sowie beim Menschen spielt deren unterschiedlich stark ausgepragte Empfanglichkeit eine Rolle. Hoch empfanglich sind Schaf, Ziege, Rind, Buffel, Pferd, Kamel, Rentier, Elefant und Nerz; mittelmaßig empfanglich Hund, Katze, Ratte und Mensch. Wenig empfanglich ist das Schwein und fast resistent sind Vogel (mit Ausnahme des Straußes).
Der
Hautmilzbrand
ist die mildeste und haufigste Form des Milzbrandes. Er wird nur durch direkten Hautkontakt ubertragen, unbehandelt enden 5 bis 20 % der Falle todlich. Wenn es zu einer Infektion kommt, bildet sich an der Stelle der Ubertragung ein blaschengesaumtes
Ulkus
mit einer schwarzen
Nekrose
in der Mitte. Daraus entwickelt sich ein eitergefulltes Blaschen. Bei einer weiteren Ausdehnung der Krankheit treten neue Blaschen auf. Wenn diese Blaschen sich verbinden, entsteht ein Milzbrand
karbunkel
(
Pustula maligna
), das zu einer
Blutvergiftung
fuhren kann, wenn es Anschluss an ein Blutgefaß bekommt. Keinesfalls durfen Ulcus oder Blaschen geoffnet werden, da sich in diesem Fall die Keime ausbreiten wurden. Dies hatte fatale Konsequenzen fur den Patienten. Hautmilzbrand wird mit
systemischem
Ciprofloxacin
, bei nachgewiesener Sensibilitat auch
Penicillin G
(alternativ auch
Doxycyclin
oder
Penicillin V
)
[9]
behandelt.
Haut- und Lungenmilzbrand waren fruher haufige Berufskrankheiten von Fleischern und insbesondere Gerbern.
Durch Einatmen von sporenhaltigem Staub entsteht der
Lungenmilzbrand
, auch
Hadernkrankheit
genannt.
[10]
Fur einen Krankheitsausbruch (apparente Infektion) mussen ca. 3000?9000 Milzbrandsporen mit der Atemluft inhaliert werden, die an Tierhauten oder Tierhaaren haften und noch nach Jahren ansteckend sind. Die Inkubationszeit betragt einige Tage bis zu mehreren Wochen. Die Krankheit beginnt unspezifisch und grippeahnlich mit
Husten
, es folgen hohes
Fieber
,
Schuttelfrost
und
Atemnot
. Das ausgehustete
Sekret
ist hochinfektios. Auch mit sofortiger antibiotischer Therapie (Ciprofloxacin, Doxycyclin, Penicillin G bzw. V) ist die
Letalitat
(Sterbensrate) an Lungenmilzbrand sehr hoch, da mit dem Auftreten der Symptome eine massive Freisetzung der Milzbrandtoxine bereits stattgefunden hat. Der Tod tritt meistens innerhalb von drei bis sechs Tagen unter dem Bild eines
septischen Schocks
ein.
Durch den Verzehr von infizierten Milchprodukten oder infiziertem Fleisch wird
Darmmilzbrand
ubertragen. Die Inkubationszeit betragt wenige Stunden bis drei Tage. Es treten blutiges Erbrechen und
blutiger Durchfall
auf, welche Zeichen einer blutigen Darmentzundung sind. Die Keime verbreiten sich uber den ganzen Korper, es kann zu einer Blutvergiftung und einem
Herz
- und
Nieren
versagen kommen. Uber 50 % der Erkrankten sterben. Dies ist die seltenste Form von Milzbrand. Darmmilzbrand wird wie Lungen- und Hautmilzbrand mit Breitband
antibiotika
wie
Ciprofloxacin
(auch Doxycyclin oder Penicillin G bzw. V) behandelt. Auch kann ein oropharyngealer Milzbrand nach oraler Aufnahme von Milzbrandsporen entstehen (Odeme und Nekrosen im Halsbereich).
Beim Patientengesprach muss der Krankheitsverlauf der letzten Tage besonders sorgfaltig erkundet werden (Anamnese). Wichtig fur den Arzt sind Hinweise auf eine mogliche berufliche Exposition und auf Tierkontakte. Fur die Diagnose des Hautmilzbrandes ist eine Untersuchung der oben genannten typischen Hautveranderungen am gesamten Korper des Patienten erforderlich.
Zur Absicherung werden die Anthrax-Bazillen aus den Hautschaden oder bei Verdacht auf Lungenmilzbrand aus dem Auswurf gewonnen und mikrobiologisch untersucht. Gegebenenfalls wird auch eine Blutprobe untersucht. Fur den Erregernachweis kommen drei Methoden in Frage. Zum einen wird der Erreger direkt mikroskopisch nachgewiesen. Zum anderen kann der Nachweis anhand einer Bakterienkultur erfolgen. Zum dritten ist ein molekularbiologischer Nachweis mit der
PCR
moglich. Dazu wurde in jungster Zeit auch ein Schnelltest entwickelt.
Besteht der Verdacht, dass eine inhalative Milzbrandexposition, etwa im Rahmen eines
bioterroristischen
Anschlags, stattgefunden hat, wird eine 60-tagige medikamentose Prophylaxe (bzw. 100-tagige Prophylaxe nach den Empfehlungen der US-Gesundheitsbehorde
CDC
) mit einem Antibiotikum
Ciprofloxacin
,
Doxycyclin
(oder
Amoxicillin
bei Schwangeren) in Kombination mit
Clindamycin
oder
Rifampicin
[11]
empfohlen.
Im Juni 2013 wurde ein
Anthraximpfstoff
, Handelsname
BioThrax
, des Unternehmens
Emergent BioSolutions
in Deutschland zugelassen. Der Impfstoff besteht aus gefilterten Antigenen.
[12]
Die Verwendung des Impfstoffs ist nur bei Erwachsenen empfohlen.
[13]
In Russland existiert ein
Lebendimpfstoff
mit dem Stamm Bacillus anthracis СТИ-1.
[14]
Beim Tier ist Milzbrand in Deutschland eine
anzeigepflichtige Tierseuche
nach
§ 4
Tiergesundheitsgesetz
in Verbindung mit
§ 1
der
Verordnung uber anzeigepflichtige Tierseuchen
.
[15]
In Osterreich ist er beim Tier anzeigepflichtig nach
§ 16
Tierseuchengesetz.
In der Schweiz ist Milzbrand als auszurottende Tierseuche im Sinne von Artikel 3 Tierseuchenverordnung (TSV) mit umfassenden Pflichten nach den Artikeln 132?134
[16]
meldepflichtig.
[17]
Beim Menschen ist Milzbrand in Deutschland eine
meldepflichtige Krankheit
nach
§ 6
und
§ 7
des
Infektionsschutzgesetzes
. Eine Meldepflicht besteht bei Verdacht, Erkrankung und Tod sowie Nachweis des Erregers.
In Osterreich ist er eine
anzeigepflichtige Krankheit
gemaß
§ 1
Abs. 1
Epidemiegesetz 1950
. Meldepflichtig sind Verdachts-, Erkrankungs- und Todesfalle.
In der Schweiz ist Anthrax ebenfalls eine
meldepflichtige Krankheit
und zwar nach dem
Epidemiengesetz
(EpG) in Verbindung mit der
Epidemienverordnung
und (Anhange 1 und 3) der
Verordnung des
EDI
uber die Meldung von Beobachtungen ubertragbarer Krankheiten des Menschen
.
[18]
Gefordert ist die Meldung eines klinischen Verdachts, Rucksprache mit Facharztin oder Facharzt fur Infektiologie und Veranlassung einer erregerspezifischen Labordiagnostik bzw. Meldung einer positiven Labordiagnostik bezuglich des Erregers.
Bei beruflicher Exposition muss auch die
Berufsgenossenschaft
informiert werden. Bei Arbeiten im Altlastenbereich mit Milzbrandverdacht ist das berufsgenossenschaftliche Merkblatt BGI 583 ?Biologische Arbeitsstoffe bei der Bodensanierung“ zu beachten.
Als Krankheit und bosartige Seuche ist der Milzbrand schon seit dem Altertum bekannt. Sowohl bei den Griechen (
Homer
) als auch bei den Romern (
Ovid
) wird davon berichtet. Die alten arabischen Arzte bezeichneten den Milzbrand beim Menschen als ?persisches Feuer“. Im Mittelalter galt Milzbrand als Vergiftung.
[19]
Auch als
Wildkrankheit
ist der Milzbrand seit langem bekannt. Schon aus dem neunten Jahrhundert wird uber regelrechte
Seuchenzuge
berichtet. Nachdem infolge der fortschreitenden Erkenntnisse der Mikrobiologie die Seuche in den Haustierbestanden zuruckgedrangt werden konnte, wurde sie daraufhin nur noch vereinzelt festgestellt.
Entdeckt wurde
Bacillus anthracis
im Jahre 1849 von
Aloys Pollender
, der Milzbrandstabchen erstmals im Blut von an Milzbrand erkrankten Tieren sah.
[20]
In der Vergangenheit war das Auftreten von Milzbrand meistens an die Einfuhr infizierter Tiere oder Tierhaute fur die
Lederherstellung
oder an den Import von Fellen, Haaren und Borsten gebunden. So uberlebten Milzbrandsporen die Lederkonservierung und den Gerbprozess und gelangten uber die Gerbereiabwasser in die Gewasser und bei Uberschwemmungen in die betroffenen Flussniederungen und Weiden. Es sind zahlreiche historische Milzbrandepidemien bei Haustieren im Abstrom von Gerbereien bekannt. Diese Tierepidemien gingen zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach zum Teil heftigen Protesten betroffener Bauern zuruck, nachdem vielerorts die Direkteinleitung von Gerbereiabwassern untersagt wurde und die Abwasser stattdessen grob geklart und
verrieselt
wurden.
Milzbrand beim Menschen trat vor allem als
Berufskrankheit
bei Gerbereiarbeitern auf (siehe
Geschichte der Gerberei
) und bei Personen, die Felle, Borsten und Haare verarbeiteten (etwa bei der Matratzenfabrikation
[21]
), aber auch bei Hafen- und Transportarbeitern, die Umgang mit diesen Materialien hatten, daneben auch bei
Abdeckern
(?
Wasenmeister
krankheit“). Hohepunkte des Auftretens waren Krisenzeiten der Lederindustrie, als vermehrt billige Tierhaute aus Regionen ohne oder mit geringer veterinararztlicher Kontrolle der Schlachtungen importiert wurden. Mit dem Ruckgang der Produktion in diesen Gewerbezweigen und mit der zunehmenden veterinararztlichen Kontrolle in den Herkunftslandern der Tierprodukte nahmen die Erkrankungsfalle so weit ab, dass Milzbrandfalle heute außerst selten geworden sind.
Bei der
Altlastenuntersuchung
von
Altstandorten
der
Lederindustrie
gelten diese als potentiell milzbrandkontaminiert. Bei einem entsprechenden Forschungsvorhaben
[22]
konnten in Deutschland in Einzelfallen auch noch uber 40 Jahre nach Betriebsschließung virulente Milzbrandsporen nachgewiesen werden. Allerdings sind nach diesen Erhebungen keine Falle einer Erkrankung an Milzbrand bei Mensch oder Tier wegen eines Kontaktes mit entsprechenden Altlastmaterialien bekannt. Auch kann das Milzbrandrisiko als weitgehend ausgeraumt gelten, wenn historische Erhebungen und Zeitzeugenaussagen bestatigen, dass bei der ehemaligen Produktion keine Milzbranderkrankungen aufgetreten sind, und vor allem auch, wenn nur inlandische Haute aus veterinararztlich kontrollierten Schlachtungen verwendet wurden.
Im Juli 2001 waren in
Kanada
im Bundesstaat
Alberta
Hunderte von
Bisons
bedroht. 19 Tiere starben an den Folgen des Erregers.
Am 12. Juli 2001 traten in
Sudkorea
im Landkreis Changyong in der Provinz
Gyeongsangnam-do
funf Milzbrandfalle unter Menschen auf, eine Person starb. Alle hatten Fleisch von einem Rind verzehrt, das in einem Sumpfgebiet tot aufgefunden worden war.
2008 gab es eine Haufung von Milzbrandfallen bei Rindern im ostfranzosischen
Departement Doubs
, nachdem die Krankheit dort uber 40 Jahre praktisch nie vorkam. Bis August 2008 wurde die Erkrankung in 21 Rinderbetrieben festgestellt, 40 Tiere mussten getotet werden.
[23]
2010 kam es durch milzbrandverseuchtes Heroin zu sieben Todesfallen in Schottland und einem Todesfall in Deutschland.
[24]
2010 wurde Anfang April im Raum Aachen eine Hautmilzbrand-Infektion bekannt.
[25]
2010 wurden im August und September in
Bangladesch
rund 300 Personen mit Milzbrand infiziert. Außerdem erkrankten uber 200 Kuhe und Ziegen, 50 Tiere starben.
[26]
2012 starb ein Mensch im
Raum Regensburg
an anthraxverseuchtem Heroin.
[27]
Im Juli 2012 kam es zu einem Milzbrand-Ausbruch in einer Rinderherde im
Landkreis Stendal
. Die Diagnose wurde durch das
Friedrich-Loeffler-Institut
in
Jena
bestatigt. Nach Angaben des Agrarministeriums seien bis zum 13. Juli neun Rinder verendet, die Herkunft des Erregers war zu diesem Zeitpunkt noch unklar.
[28]
[29]
Im Juni 2014 kamen in einem Labor der US-Gesundheitsbehorde
Centers for Disease Control and Prevention
(CDC) durch ein Versehen moglicherweise 86 Forscher mit dem Milzbranderreger in Kontakt, denn die Sporen wurden, entgegen der Sicherheitsvorschriften, nicht abgetotet. Die Raume wurden nach Entdeckung der Panne dekontaminiert, die betroffenen Mitarbeiter vorsorglich behandelt.
[30]
[31]
2016 kam es in
Russland
auf der
sibirischen
Jamal-Halbinsel
zum Ausbruch von Milzbrand,
[32]
der initial auf ein historisches Grab der
Jamal-Nenzen
zuruckgefuhrt wurde.
[33]
Das erneute Auftreten der Krankheit wurde von Experten auf die
klimatischen Anderungen
zuruckgefuhrt, durch die im Permafrost vergrabene Rentierkadaver einer Jahrzehnte zuruckliegenden Epidemie auftauen und damit Erreger wieder aktiv werden konnen.
[34]
Im August 2023 erkrankten drei Bewohner der Region
Osgon
Kirgistans
an Milzbrand.
[35]
Die Meinungen, inwieweit Milzbrandbakterien fur die
biologische Kriegfuhrung
geeignet sind, gehen auseinander. Basierend auf Versuchen mit
Primaten
schatzen Wissenschaftler die
letale Dosis
LD
50
auf 2.500 bis 55.000 inhalierte Sporen.
[36]
Die Sporen sind gegen außere Einflusse unempfindlich und deshalb zum Beispiel deutlich geeigneter als das
Pestbakterium
Yersinia pestis
.
Im Mittelalter wurden bei kriegerischen Auseinandersetzungen verseuchte Tierkadaver uber Burgmauern geworfen, um die gegnerische Bevolkerung zu infizieren.
Im
Ersten Weltkrieg
wurde von deutschen Wissenschaftlern mit Milzbrand experimentiert. Die Versuche wurden wegen geringen Erfolges wieder eingestellt.
Am Tokyoter Institut fur Epidemienpravention experimentierten der Militararzt
Ishii Shir?
und seine Mitarbeiter ab 1930 mit verschiedenen Krankheitserregern, darunter auch dem Milzbranderreger. Sie fuhrten Experimente an chinesischen, koreanischen und sowjetischen Kriegsgefangenen durch. 1932 wurden diese Experimente in das Dorf Beyinhe in der besetzten
Mandschurei
verlagert, um diese besser geheim halten zu konnen und potentielle Gefahren fur die eigene Bevolkerung auszuschließen. 1936 wurde die Biowaffenforschung in das sudlich von
Harbin
gelegene Pingfang zur
Einheit 731
verlegt.
[37]
Neben Japan entwickelte auch Frankreich einen Milzbranderreger. Dieser wurde beim Einmarsch der deutschen Truppen entdeckt und obwohl Hitler biologische Waffen strikt ablehnte,
[38]
experimentierten deutsche Wissenschaftler mit dem Erreger.
Im Winter 1942 und Fruhjahr 1943 testete Großbritannien auf der Insel
Gruinard Island
Milzbranderreger in Form von Leinsamenkuchen an Schafen (
Operation Vegetarian
), worauf die Insel fast funfzig Jahre lang Sperrgebiet war. Die Insel wurde 1986 und 1987 mit insgesamt 280 Tonnen Formaldehyd entseucht und das Land 1990 an die Nachfahren der fruheren Besitzer verkauft.
[39]
Die
USA
haben wahrend des
Zweiten Weltkrieges
an Milzbrandbomben gearbeitet. So bat
Winston Churchill
US-Prasident
Roosevelt
um eine beschleunigte Lieferung von 500.000 ?N-Bomben“, die zuvor auf dem Testgelande
Dugway Proving Ground
entwickelt und getestet wurden.
[40]
[41]
Auch die
Sowjetunion
experimentierte mit den Erregern. Im April 1979 infizierten sich beim
Unfall in Swerdlowsk
in einer B-Waffen-Forschungsstatte zahlreiche Anwohner mit Milzbrand. Die Infizierten befanden sich zu dem Zeitpunkt in der Windrichtung, als vermutlich nur etwa ein Gramm des Erregers freigesetzt wurde. Erst als 1992 unter
Boris Jelzin
der Betriebsunfall publik wurde, erfuhren die Familien der Verstorbenen die wahre Todesursache. Die Zeitschrift
Science
publizierte 1994 die Ergebnisse der amerikanisch-russischen Untersuchungskommission
[42]
? es ist die bislang grundlichste Dokumentation einer B-Waffen-Wirkung.
Die gesamte, fruher im
Aralsee
liegende, ehemalige
Insel der Wiedergeburt
ist mit Anthrax verseucht. Sie war ein geheimes Versuchsgebiet der sowjetischen Armee; angeblich sollen dort noch 1988 Milzbranderreger ausgesetzt worden sein. Durch die Wasserentnahme aus den Seezuflussen ist der Wasserspiegel mittlerweile so weit gesunken, dass sich im Jahr 2000 die ehemalige Insel mit dem Festland verband.
1972 unterschrieben 143 Staaten die
Biowaffenkonvention
, welche die Entwicklung, Herstellung und Lagerung biologischer Waffen untersagt.
In den 1990er-Jahren wurde der Unfall von Swerdlowsk offentlich bekannt und auch, dass der Irak große Mengen Milzbrand-Erreger zum Einfullen in
Sprengkopfe
und
Bomben
lagerte. Daraufhin begann man mit Verhandlungen uber ein Zusatzprotokoll, die nach sechs Jahren endeten. Dieses Protokoll lasst immer noch viele Lucken offen, und da Inspektionen in Fabriken lange im Voraus angekundigt werden mussen, konnen Spuren beseitigt werden. Die USA stiegen aus dem Zusatzprotokoll aus mit der Begrundung, es gehe nicht weit genug. Die USA selbst betreiben Forschung auf dem Gebiet der Abwehr von biologischen Gefahren. Hierzu gehort z. B. die Entwicklung von Impfstoffen oder diagnostischen Tests.
Die vermutete Herstellung und Lagerung unter anderem von Biowaffen als
Massenvernichtungswaffen
im
Irak-Konflikt
diente den USA nach einem Tauziehen uber Waffeninspektionen im Jahre 2003 als wesentliche Legitimation, den
Irak-Krieg
zu beginnen. Es stellte sich spater heraus, dass diese Vermutungen oder vermeintlichen Beweise jeder Grundlage entbehrten.
Im September und Oktober 2001 wurden bei
Anthrax-Anschlagen
in den Vereinigten Staaten insgesamt sieben Briefe mit Milzbranderregern unterschiedlicher
Virulenz
an Regierungsstellen und hohe Politiker verschickt. Funf Menschen starben. Ein vermuteter Zusammenhang mit den
Terroranschlagen am 11. September 2001
konnte nicht bewiesen werden. Stattdessen wird inlandisches Laborpersonal verantwortlich gemacht, da die verschickten Milzbranderreger den in der
Medizinischen Forschungseinrichtung der US-Armee fur Infektionskrankheiten
(
USAMRIID
) in
Fort Detrick
angezogenen Stammen entsprachen. Der hauptverdachtige US-Wissenschaftler
Bruce Edwards Ivins
beging im Juli 2008 Suizid.
[43]
Im Zusammenhang mit den Milzbrand-Briefen in den USA wurden am 18. Oktober 2001 auch in
Kenia
Sporen des Milzbrand-Erregers in einem Brief an einen Privatmann nachgewiesen.
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Journal of Clinical Pathology
, 56, 2003, 3, S. 182?187. Review.
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ISSN
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- W. Biederbick, R. Fock, K. Guttler, C. Veit:
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In:
Dtsch. med. Wochenschr.
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ISSN
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- Paul Richter:
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In:
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,
PMID 12525700
,
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(freier Volltext).
- ↑
Vgl.
Anthrax
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- ↑
Georg Sticker
:
Hippokrates: Der Volkskrankheiten erstes und drittes Buch (um das Jahr 434?430 v. Chr.). Aus dem Griechischen ubersetzt, eingeleitet und erlautert von Georg Sticker.
Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1923 (=
Klassiker der Medizin.
Band 29); unveranderter Nachdruck: Zentralantiquariat der Deutschen Demokratischen Republik, Leipzig 1968, S. 102.
- ↑
Paul Diepgen
,
Heinz Goerke
:
Aschoff
: Kurze Ubersichtstabelle zur Geschichte der Medizin.
7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1960, S. 42.
- ↑
J. Stahnke:
Ludwik Teichmann (1823?1895). Anatom in Krakau.
In:
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In: Louis Pasteur Vallery-Radot (Hrsg.):
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Comptes rendus des travaux du Congres international des directeurs des stations agronomiques, session de Versailles.
Berger-Levrault & Cie, Juni 1881, S. 151?162.
- ↑
So z. B. in
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, wo das Gelande einer seit Jahrzehnten stillgelegten Gerberei untersucht wurde:
http://www.trier-reporter.de/spitzmuehle-erde-kommt-in-faesser-und-wird-verbrannt/
- ↑
Marianne Abele-Horn:
Antimikrobielle Therapie. Entscheidungshilfen zur Behandlung und Prophylaxe von Infektionskrankheiten.
Unter Mitarbeit von Werner Heinz, Hartwig Klinker, Johann Schurz und August Stich, 2., uberarbeitete und erweiterte Auflage. Peter Wiehl, Marburg 2009,
ISBN 978-3-927219-14-4
, S. 184.
- ↑
Karl Wurm, A. M. Walter:
Infektionskrankheiten.
In:
Ludwig Heilmeyer
(Hrsg.):
Lehrbuch der Inneren Medizin.
Springer-Verlag, Berlin/Gottingen/Heidelberg 1955; 2. Auflage ebenda 1961, S. 9?223, hier: S. 218 f.
- ↑
Marianne Abele-Horn:
Antimikrobielle Therapie. Entscheidungshilfen zur Behandlung und Prophylaxe von Infektionskrankheiten.
2009, S. 184.
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BioThrax [R] Adsorbierter Anthrax Impfstoff; Suspension zur Injektion; Emergent Sales and Marketing Germany GmbH Zweigniederlassung Bruchsal.
In:
PharmNet.Bund - Arzneimittel-Informationssystem / dimdi.de.
Abgerufen am 14. Marz 2020
(deutsch): ?Anthrax-Antigen-Filtrat“
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Paul-Ehrlich-Institut, 3. Februar 2020,
abgerufen am 14. Marz 2020
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- ↑
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- ↑
Anzeigepflichtige Tierseuchen.
Bundesministerium fur Ernahrung und Landwirtschaft (BMEL), 2. August 2019,
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Der Schweizerische Bundesrat:
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In:
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- ↑
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Bundesamt fur Lebensmittelsicherheit und Veterinarwesen BLV,
abgerufen am 14. Marz 2020
(Schweizer Hochdeutsch): ≪
Milzbrand ist eine auszurottende und somit meldepflichtige Tierseuche. Wer Tiere halt oder betreut, muss Verdachtsfalle dem Bestandestierarzt oder der Bestandestierarztin melden.
≫
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