Milliyet

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Milliyet

Das Logo der Milliyet
Beschreibung Turkische Tageszeitung
Verlag Demiroren Holding
Hauptsitz ?zzet Pa?a Mah., Abide-i Hurriyet Cd No,162, ?i?li/Istanbul
Erstausgabe 3. Mai 1950
Erscheinungsweise taglich
Verkaufte Auflage 135.481 Exemplare
(Januar 2017 [1] )
Chefredakteur vakant [2]
Herausgeber Erdo?an Demiroren
Weblink Milliyet

Milliyet ( Nationalitat ) ist eine fuhrende turkische Tageszeitung mit Sitz in Istanbul und eine der altesten Zeitungen des Landes. Lange Zeit galt sie als Mitte-Links, inzwischen stuft Eurotopics sie als ?konservativ“ ein. [3] Das auf dem Titelkopf gedruckte Motto lautet Basında Guven (?Vertrauen in der Presse“).

Anfange (1926?1935)

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11. Mai 1933: ?Es gibt zwei Mustafa Kemals...“

Milliyet wurde 1926 von Mahmut Nedim Soydan, einem einflussreichen Abgeordneten der damaligen Staatspartei CHP , mit Erlaubnis von Staatsgrunder Mustafa Kemal Ataturk gegrundet. Soydan gehorte zum Kreis um den CHP-Politiker Celal Bayar , der sich fur eine vorsichtig kapitalistische Wirtschaftspolitik und gegen einen allzu strikten Etatismus einsetzte. Fur Soydan war die Milliyet ein Mittel, um fur die wirtschaftspolitischen Ansichten seiner Fraktion zu werben. [4]

Zeitung Tan (1935?1945)

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1935 verkaufte Soydan das Blatt an den Journalisten Ali Naci Karacan , unter dem die Zeitung in Tan ( Dammerung ) umbenannt wurde. Nach einem Jahr verkaufte dieser an Ahmet Emin Yalman und das Ehepaar Sabiha und Zekeriya Sertel , drei Journalisten, die mit Karacan zum Blatt gestoßen waren. Schließlich blieben die Sertels alleinige Eigentumer. Unter ihrer Fuhrung entwickelte sich Tan zu einer zwischen sozialistisch - kemalistischen , vor allem aber antifaschistischen Zeitung, die gegen die Sympathisanten Nazideutschlands in den der turkischen Offentlichkeit und Politik zu Felde zog. Außer den Herausgebern gehorten zu den Autoren Halil Lutfi Dorduncu, Refik Halit Karay , Aziz Nesin , Sabahattin Ali , Refi Cevad Ulunay, Bedii Faik Akın und Behice Boran . [5]

Am 4. Dezember 1945 wurde das Gebaude der Tan im Istanbule Viertel Sirkeci von rund 10.000 Menschen, Nationalisten , Islamisten und Turanisten belagert. Im Antikommunismus vereint skandierte die Menge ?Allah Allah“ und ?Tode den Kommunisten“; die Druckmaschinen wurden zerstort, das Ehepaar Sertel entging nur knapp einem Lynchmord. Die sowjetische Fuhrung legte eine Protestnote ein. Sie vermutete, der Angriff sei heimlich von der turkischen Staatsfuhrung um ?smet ?nonu gesteuert worden, weil Tan die turkische Regierung fur die Konfrontation mit der Sowjetunion gegen Ende des Zweiten Weltkrieges kritisiert hatte. [5]

Die Sertels und der Tan -Autor Nail Cakırhan wurden nach dem Angriff auf die Redaktion verhaftet und wegen ?Verunglimpfung der Regierung und des Parlaments“ zu einjahrigen Haftstrafen verurteilt. Formal existierte die Zeitung weiter, doch nach dem als Tan Olayı (? Tan -Vorfall“) in die turkische Geschichte eingegangenen Angriff war die Zeitung nicht mehr in der Lage, weiter zu erscheinen. [6] [7]

Ara Karacan/?pekci (1950?1979)

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Denkmal fur den ermordeten langjahrigen Chefredakteur Abdi ?pekci in Ni?anta?ı

1950 kaufte Ali Naci Karacan, der nach seinem Ausstieg zur Nachrichtenagentur Anadolu gewechselt war, die Zeitung zuruck. Am 3. Mai 1950, elf Tage vor dem Wahlsieg der Demokratischen Partei erschien die Zeitung wieder unter ihrem alten Namen Milliyet , wobei viele Autoren der Tan -Ara dem Blatt erhalten blieben.

1954 wurde ein neuer Zeitungskopf eingefuhrt, der in seinen Grundzugen bis in die Gegenwart erhalten geblieben ist. Außerdem wurde das Motto ?unabhangige, politische Zeitung“ ersetzt durch ?Zeitung des Volkes“ (Halkın Gazetesi) ? ein Motto, das erst vierzig Jahre spater durch das heutige abgelost werden sollte. [8]

Im selben Jahr stieß Abdi ?pekci zum Blatt, der zunachst als Chef vom Dienst und spater als Chefredakteur das Blatt maßgeblich pragen sollte. 1955 verstarb der Verleger, sein Sohn Ercument Karacan trat sein Erbe an.

Zunachst unterstutzte das Blatt die Demokratisierungspolitik der Regierung von Ministerprasident Adnan Menderes . Doch je mehr diese autoritare Tendenzen zeigte, desto mehr ging die Milliyet auf Distanz.

Unter Ercument Karacan und Abdi ?pekci galt die Berichterstattung als ausgewogen; gepragt wurde das Blatt von sozialdemokratischen , sozialliberalen oder linkssozialistischen Autoren, darunter Cetin Altan , Mehmet Ali Birand , ?smail Cem , Bulent Ecevit , Ali Gevgilli, Re?ad Ekrem Kocu Aziz Nesin , Orsan Oymen , Hasan Pulur, Peyami Safa , Mumtaz Soysal , Metin Toker und ?pekci selbst.

Diese Ara endete, als Chefredakteur ?pekci am 1. Februar 1979 vom spateren Papstattentater Mehmet Ali A?ca , einem militanten Anhanger der Grauen Wolfe ermordet wurde. Der Mord erregte internationales Aufsehen; die Hintergrunde konnten nie aufgeklart werden. Funf Monate danach verkaufte der Verleger Karacan die Milliyet an den Unternehmer Aydın Do?an .

Ara Do?an (1979?2011)

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Do?an war zuvor in anderen Geschaftsbereichen tatig gewesen. Mit dem Kauf der Milliyet legte er nicht nur den Grundstein seines heutigen Medienimperiums , sondern lautete zugleich in der turkischen Presse die Ara der Großkonzerne ein.

Nach dem Eigentumerwechsel und dem Militarputsch im Jahr darauf versuchte die Milliyet , sich den veranderten Umstanden anzupassen. Einerseits ging der Trend zur Boulevardisierung auch an der Milliyet nicht vorbei. [8] Andererseits sorgte die Zeitung immer wieder mit journalistischer Arbeit fur Aufmerksamkeit, so 1988, als der Milliyet -Autor Mehmet Ali Birand in der libanesische Bekaa-Ebene Abdullah Ocalan interviewte. Es war das erste Interview mit dem Anfuhrer der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in der turkischen Presse; die Ausgabe wurde verboten. [9]

Ab den 1990er-Jahren suchte die Milliyet zwischen der konservativ - liberalen , mitunter boulevardesken Hurriyet (1994 von Do?an aufgekauft) und der linksliberalen Qualitatszeitung Radikal (ab von Do?an herausgegeben) ihren Platz. Die linksliberale Tradition setzten nun Autoren wie ?ahin Alpay , Altan Oymen , Derya Sazak , spater Hasan Cemal , Can Dundar , Kadri Gursel , Yasemin Congar oder Ece Temelkuran fort, wahrend Autoren wie Mehmet Barlas , Fikret Bila oder Taha Akyol fur eher konservativ-liberale Positionen standen.

Insbesondere unter Sedat Ergin (Chefredakteur 2005?2009) konzentrierte sich die Milliyet als erste turkische Zeitung auf das Internet; noch im Jahr 2009 war milliyet.com.tr in der Turkei die am sechsthaufigsten besuchte Webseite uberhaupt. [10] Zu Ergins Abschied bescheinigte ihm der Kolumnist Can Dundar , unter Ergins Fuhrung habe die Milliyet eine ihr ?wurdige, ausgewogene, faire oppositionelle Linie“ verfolgt. [11]

Ara Demiroren (seit 2011)

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Hasan Cemal (Foto von 2014), von 1998 bis 2013 Redakteur der Milliyet

Im April 2011 verkaufte die durch Steuernachforderungen in finanzielle Bedrangnis geratene Do?an-Gruppe die Milliyet mit der Tageszeitung Vatan an die Demiroren Holding , einem Mischkonzern mit guten Kontakten zur AKP-Regierung . Anfangs war auch Ali Karacan, Enkel des Milliyet -Grunders von 1950, als Partner beteiligt, zog sich jedoch bald zuruck. [12]

Schon bald folgten die ersten Entlassungen von Redakteuren aus der Nachrichtenredaktion und anderen Ressorts . Fur großere Aufmerksamkeit sorgten die Falle, in denen es um bekanntere Journalisten und Autoren ging. Als erster wurde im Februar 2012 die Zusammenarbeit mit der bekannten Politikprofessorin Nuray Mert beendet, die erst im Vorjahr als Kolumnistin begonnen hatte. Mert fuhrte dies auf politischen Druck zuruck und wertete ihre Entlassung als Zeichen dafur, wie es in der Turkei um ?die Freiheiten steht“. [13] Im Dezember desselben Jahres wurde Tayfun Devecio?lu, der 2009 die Chefredaktion ubernommen hatte, entlassen. Zuvor hatte sich Ministerprasident Recep Tayyip Erdo?an offentlich uber einen Bericht von Devecio?lu uber den damaligen Generalstabschef Necdet Ozel emport hatte. [14]

Im Fruhjahr 2013 folgte die Entlassung von Hasan Cemal , seit 1998 Redakteur und Autor bei der Milliyet . Die Milliyet hatte einige Protokolle der Gesprache veroffentlicht, die zu dieser Zeit Vertreter der Regierung und Politiker der prokurdischen BDP auf der Gefangnisinsel ?mralı mit Abdullah Ocalan fuhrten. Erdo?an echauffierte sich daruber offentlich (?Nieder mit einem solchen Journalismus“), wahrend Cemal, erklartermaßen ein Befurworter einer friedlichen Losung des Kurdenkonflikts , den Vorwurf der Sabotage zuruckwies. [15] [16]

Bald darauf wurde der Can Dundar nach zwolf Jahren bei der MIlliyet entlassen. Anlass waren seine regierungskritischen Kommentare zu den landesweiten Protesten um den Gezi-Park . [17] [18] ?Vielleicht war es ein Faktor, dass dem Boss meine Texte nicht gefielen. Aber ich denke, dass sie vor allem der Regierung nicht gefielen“, sagte Dundar hinterher. [19]

Etwa zeitgleich traf es Derya Sazak , seit 1982 bei der Milliyet und Devecio?lus Nachfolger als Chefredakteur, der versucht hatte, die Kundigung von Cemal und Dundar abzuwehren. [19] [20]

Im Fruhjahr 2014 gelangte im Zuge des Korruptionsskandals der Mitschnitt eines illegal abgehorten Telefongesprachs zwischen Ministerprasident Erdo?an und Konzernchef Demiroren an die Offentlichkeit: Erdo?an beschwerte sich darin uber die Veroffentlichung der ?mralı-Papiere und nannte den verantwortlichen Chefredakteur einen ?ehrlosen, niedertrachtigen, miesen Kerl“ forderte dessen Entlassung. Am Ende der gut vier Minuten langen Aufzeichnung brach der damals 75-jahrige Demiroen in Tranen aus und schluchzte: ?Wie bin ich da bloß hineingeraten?“ [21] [22]

Ungeachtet dessen setzten sich die politisch bedingten Entlassungen fort; so wurden im August 2015 binnen weniger Tage neun Redakteure und Reporter entlassen, darunter Kadri Gursel, Kemal Gokta? und Mehve? Evin. [23] In einem Gastbeitrag fur Die Zeit schrieb sie danach:

?Seit den Gezi-Protesten 2013 hat die konservative AKP-Regierung den Druck nicht nur auf die Zeitung Milliyet erhoht, bei der ich eine Kolumne hatte, sondern auf alle Medienhauser. Ich wusste, dass ich ? wie viele meiner Kollegen auch ? am Ende entlassen werden wurde, weil ich uber kritische Themen wie Menschen- und Frauenrechte, Presse- und Meinungsfreiheit, die Kurdenfrage und die Umweltverschmutzung schreibe.“

? Mehve? Evin [24]

Deutschland-Ausgabe

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In Deutschland erschien die Milliyet seit 1972 und konnte sich lange Zeit neben Tercuman (1970er/1980er Jahre) bzw. Sabah und Zaman (1990er/2000er Jahre) sowie der Hurriyet etablieren. Noch in der Do?an-Ara wurde die Ausgabe fur das europaische Ausland eingestellt. Die letzte erschien am 8. Mai 2010. [25] [26]

Einzelnachweise

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  1. Durchschnittlich verkaufte Auflage in der Woche vom 16. bis 22. Januar 2017 gemaß Medya Tava ( Memento vom 2. Februar 2017 im Internet Archive )
  2. Seit dem Rucktritt von Chefredakteur Fikret Bila im Juni 2016 nicht besetzt (Stand: 7. Februar 2017).
  3. Eurotopics, Milliyet , abgerufen am 6. Februar 2017.
  4. Gul Karagoz Kızılca: Milliyet, Mahmut Soydan ve devletcilik tartı?maları , In: Selcuk ?leti?im, Bd. 2, Heft 4. (2003)
  5. a b Hulya Oztekin: Tan ? Serteller yonetiminde muhalif bir gazete , Istanbul 2016.
  6. Can Dundar: Gucluler suclu suclular guclu , Cumhuriyet, 4. Dezember 2015.
  7. Umit Alan: Serteller’den Dundar’a ve Gul’e , Birgun, 2. Dezember 2015.
  8. a b Do?an Akın: Milliyet ve mulkiyet , T24, 30. Juli 2013.
  9. Mehmet Ali Birand, Hayatım ( Memento des Originals vom 7. Dezember 2016 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www.mehmetalibirand.com.tr
  10. ?nternette en cok ziyaret edilenler listesinde zirvede yine milliyet.com.tr Milliyet, 9. Juni 2009
  11. Sedat Ergin’e veda ederken , Milliyet, 2. Oktober 2009
  12. Demiroren-Karacan ortaklı?ı Milliyet ve Vatan’ı satın alıyor , Hurriyet, 21. April 2011.
  13. Mert: Turkiye'de ozgurlukler ortamının geldi?i nokta hepimizin malumu , Radikal, 21. Februar 2012
  14. Milliyet’te jet de?i?iklik , Aydınlık, 12. Oktober 2012.
  15. Hasan Cemal: Sayın Ba?bakan, tarihin eli yine omzunuzda, tarih bazen ya?arken de yakalanır! , Milliyet, 2. Marz 2013
  16. Do?an Akın: Hasan Cemal Milliyet'ten ayrılıyor! , T24, 18. Marz 2013.
  17. Can Dundar dismissed from daily Milliyet for critical Gezi stance , Hurriyet Daily News, 1. August 2013
  18. Can Dundar: Taksim: Ozledi?imiz Turkiye’nin maketi [?Ein Modell der Turkei, wie wir sie uns ersehnen“], Milliyet, 8. Juni 2013.
  19. a b Bugunku sopa 28 ?ubat'tan daha sert, havuc ise daha buyuk , Interview mit Can Dundar, Radikal, 13. August 2013.
  20. Ve Demiroren, Milliyet'te Derya Sazak'ın da ko?esini kapattı! , T24, 29. August 2013.
  21. Turkey versus YouTube: Erdogan's draconian reaction to silence a scandal , The Independent, 27. Marz 2014.
  22. Andrew Finkel: Kritisieren darf nur einer , Der Spiegel, 20. Dezember 2015.
  23. Milliyet’te ‘kıyım’a devam Diken, 31. August 2015.
  24. Mehve? Evin: ?Die Meinungsfreiheit ist am Ende“ , Die Zeit, 25. September 2015.
  25. Dogan stellt zwei Europa-Ausgaben ein , Werben & Verkaufen, 12. Mai 2010.
  26. Europa-Ausgaben zweier turkischer Zeitungen eingestellt , Der Standard, 13. Mai 2010.