Michelangelo Antonioni
(*
29. September
1912
in
Ferrara
,
Italien
; †
30. Juli
2007
in
Rom
)
[1]
war ein italienischer
Filmregisseur
, Autor und Maler. Seine Filme wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter die
Goldene Palme
, der
Goldene Lowe
, der
Goldene Bar
und der
Goldene Leopard
. 1995 erhielt er den
Ehrenoscar
fur sein Lebenswerk.
Der Sohn eines Gutsbesitzers schloss sein Studium an der
Universitat Bologna
als
Diplom-Volkswirt
ab, arbeitete fur kurze Zeit in einer Bank und verfasste Filmkritiken fur den
Corriere Padano
. 1939 ging er nach
Rom
, ?um sein Leben dem Film zu widmen“. Er schrieb fur
L’Italia libera
. Erste Entwurfe fur Drehbucher entstanden in jener Zeit. Nahe der Filmstadt
Cinecitta
studierte er am
Centro Sperimentale di Cinematografia
Filmtechnik. Hier traf Antonioni einige jener Kunstler, mit denen er spater zusammenarbeiten sollte, darunter
Roberto Rossellini
. Mit Rossellini arbeitete er 1942 am Script fur dessen Film
Un pilota ritorna
. Darauf folgte eine Assistenz bei
Marcel Carnes
Die Nacht mit dem Teufel
.
[2]
Ebenfalls in Rom schrieb er fur die Zeitschrift
Cinema
, eine von
Mussolinis
Sohn Vittorio herausgegebene, offizielle Filmzeitschrift. In den 1940er Jahren erschienen hier auch die oft zitierten Wurdigungen faschistischer und antijudischer Propagandafilme wie
Hitlerjunge Quex
oder
Jud Suß
, die Antonioni spater eine ganze Reihe boser Kommentare einbrachten. Wegen politischer Differenzen wurde Antonioni bei
Cinema
schließlich entlassen, wo er zuvor einige Privilegien genossen hatte. Mitte der 1970er Jahre wurde er außerdem in der
chinesischen
Presse fur seinen 1972 erschienenen Dokumentarfilm uber die Volksrepublik China kritisiert.
[3]
Antonioni beschrieb sich selbst als
marxistischen
Intellektuellen.
1985 erlitt Antonioni einen Schlaganfall, dessen Folgen ihn stark behinderten (unter anderem verlor er teilweise die Fahigkeit zu sprechen) und ihm bis zu seinem Tod nur noch die Realisierung von
Jenseits der Wolken
(zusammen mit
Wim Wenders
, 1995) sowie einiger Kurzfilme und kurzer Reisedokumentationen erlaubten. 1998 wurde er mit dem
Antonio-Feltrinelli-Preis
ausgezeichnet.
Am 30. Juli 2007 verstarb Antonioni im Alter von 94 Jahren in Rom.
Nach Kriegsende drehte er
Menschen am Po
sowie weitere Kurzfilme, 1950 konnte er mit
Chronik einer Liebe
seinen ersten Spielfilm realisieren.
[2]
Einige seiner fruhen Filme werden mit dem
italienischen Neorealismus
in Verbindung gebracht. Dabei beschaftigte er sich mit der Nachkriegsgesellschaft, menschlicher Isolation, aber auch mit dem Ausbruch aus
Konventionen
. Wahrend sich namlich der reine
Neorealismus
mit der außeren Entfremdung des einfachen Menschen von seiner Umwelt beschaftigt, kehrte Antonioni dieses Motiv um. Seine Anfang der 1960er Jahre entstandene Trilogie, bestehend aus
Die mit der Liebe spielen
(1960),
Die Nacht
(1961) und
Liebe 1962
(1962), handelt in erster Linie von der inneren
Entfremdung
und der Zerrissenheit der Protagonisten, die ausschließlich in den oberen Gesellschaftsschichten verkehren.
Ein weiteres Thema sind die Moglichkeiten von Medien, Dinge zu zeigen und gleichzeitig zu hinterfragen, wie in seinem bekanntesten Film
Blow Up
, in dem ein Fotograf auf einem seiner Fotonegative eine Leiche zu sehen glaubt und der Sache auf den Grund gehen will.
Zabriskie Point
ist eine
Hommage
an die
68er-Bewegung
: In einer Phase gewalttatiger Studentenunruhen brechen ein Student und eine Angestellte aus ihrem alltaglichen Leben und der
Konsumgesellschaft
aus und treffen sich in der Wuste ? ihre Flucht scheitert jedoch ebenso wie die Revolte der Studenten.
Wim Wenders
unterstutzte den Filmregisseur 1995 bei der Inszenierung einer Adaption eigener fragmentarischer Skizzen aus fruheren Jahren in Form einer Anthologie:
Jenseits der Wolken
. Wenders hielt diese Erfahrungen in seinem Tagebuch fest und veroffentlichte diese spater unter dem Titel
Die Zeit mit Antonioni
.
Vom 10. Marz bis 9. Juni 2013 veranstaltete Ferrara Arte die erste große Ausstellung uber Michelangelo Antonioni im
Palazzo dei Diamanti
in Ferrara.
- 1943?47: Menschen am Po
(Gente del Po)
- 1948:
Straßenreinigung
(N. U. ? Nettezza urbana)
- 1949:
L’amorosa menzogna
- 1949: Aberglauben
(Superstizione)
- 1949:
Sette canne un vestito
- 1950:
La funivia del Faloria
- 1950:
La villa dei mostri
- 1995:
Ritorno a Lisca Bianca
- 2004:
Lo sguardo di Michelangelo
Nastro d’Argento
- 1948:
Bester Dokumentarfilm
fur
Straßenreinigung
- 1950: Bester Dokumentarfilm fur
L’amorosa menzogna
- 1951: Spezialpreis fur
Chronik einer Liebe
- 1956:
Beste Regie
fur
Die Freundinnen
- 1961: Nominierung in der Kategorie Beste Regie fur
Die mit der Liebe spielen
- 1961: Nominierung in der Kategorie Beste Originalgeschichte fur
Die mit der Liebe spielen
- 1962: Beste Regie fur
Die Nacht
- 1963: Nominierung in der Kategorie Beste Regie fur
Liebe 1962
- 1965: Nominierung in der Kategorie Beste Regie fur
Die rote Wuste
- 1968:
Beste Regie
fur
Blow-Up
- 1971: Nominierung in der Kategorie Beste Regie fur
Zabriskie Point
- 1976: Beste Regie fur
Beruf: Reporter
- 1983: Nominierung in der Kategorie
Bestes Drehbuch
fur
Identifikation einer Frau
- 1993:
Ehrenpreis
fur das Lebenswerk
- 1996: Nominierung in der Kategorie Beste Regie fur
Jenseits der Wolken
Internationale Filmfestspiele von Venedig
- 1953: Nominierung fur den
Goldenen Lowen
fur
Kinder unserer Zeit
- 1955: Nominierung fur den Goldenen Lowen fur
Die Freundinnen
- 1955: Silberner Lowe fur
Die Freundinnen
- 1964: Goldener Lowe fur
Die rote Wuste
- 1964:
FIPRESCI-Preis
fur
Die rote Wuste
- 1983: Goldener Lowe fur das Lebenswerk
- 1995: FIPRESCI-Preis fur
Jenseits der Wolken
- 1998: Pietro-Bianchi-Preis
Internationale Filmfestspiele von Cannes
- 1960: Nominierung fur die
Goldene Palme
fur
Die mit der Liebe spielen
- 1960:
Preis der Jury
fur
Die mit der Liebe spielen
- 1962: Nominierung fur die Goldene Palme fur
Liebe 1962
- 1962: Spezialpreis der Jury fur
Liebe 1962
- 1967: Goldene Palme fur
Blow-Up
- 1975: Nominierung fur die Goldene Palme fur
Beruf: Reporter
- 1982: Nominierung fur die Goldene Palme fur
Identifikation einer Frau
- 1982: Jubilaumspreis fur
Identifikation einer Frau
Weitere
- Pierre Leprohon:
Michelangelo Antonioni. Der Regisseur und seine Filme
(Ubers. von
Lotte Eisner
). Fischer Bucherei, Frankfurt am Main und Hamburg 1964. (franz. Orig. 1961)
- Gunther Salje:
Michelangelo Antonioni. Regieanalyse ? Regiepraxis; Band 2: Vorlesungstexte mit Ubungsaufgaben zum Drehbuchschreiben
(Reihe Praxisstudium Film/Fernsehen). Media-Institut, Rollinghausen 1994,
ISBN 3-928590-04-9
.
- Hans Erich Troje:
Das Unfassbare der Frau. Von der Einzigartigkeit des Michelangelo Antonioni
. ars una, Neuried 1995,
ISBN 3-89391-806-X
.
- Michelangelo Antonioni:
Von der kurzeren Dauer der Liebe.
In:
du. Die Zeitschrift der Kultur
. Heft 655/November 1995, Tamedia AG, Zurich,
ISBN 978-3-908516-87-3
.
- Michelangelo Antonioni:
Bowling am Tiber
. Wagenbach, Berlin 1985,
ISBN 3-8031-0142-5
; DTV, Munchen 1992,
ISBN 3-423-19009-4
.
- Peter Brunette:
The Films of Michelangelo Antonioni
. Cambridge Univ. Pr., Cambridge 1998,
ISBN 0-521-38085-5
.
- Seymour Chatman
und Paul Duncan (Hrsg.):
Antonioni ? Samtliche Filme
. Taschen, Koln 2004,
ISBN 3-8228-3086-0
.
- Rike Felka:
In der Wuste. Uber Antonionis ‘Die rote Wuste’
. In: Rike Felka:
Das raumliche Gedachtnis
. Brinkmann + Bose, Berlin 2010,
ISBN 978-3-940048-04-2
, S. 65?82.
- Florian Lehmann:
Realitat und Imagination. Photographie in
W. G. Sebalds
‘Austerlitz’ und Michelangelo Antonionis ‘Blow Up’
. University of Bamberg Press, Bamberg 2013,
ISBN 978-3-86309-140-8
.
- Uwe Muller:
Der intime Realismus des Michelangelo Antonioni
. BOD, Norderstedt 2004,
ISBN 3-8334-1060-4
.
- Tina Hedwig Kaiser:
Flaneure im Film. La Notte und L’Eclisse von Michelangelo Antonioni
. Tectum, Marburg 2007,
ISBN 978-3-8288-9462-4
.
- Roland Barthes u. a.:
Michelangelo Antonioni
(Reihe Film 31). Hanser, Munchen, Wien 1984,
ISBN 3-446-13985-0
.
- Matthias Bauer:
Michelangelo Antonioni ? Bild, Projektion, Wirklichkeit
. edition text+kritik, Munchen 2015,
ISBN 978-3-86916-267-6
.
- Bernd Kiefer:
Michelangelo Antonioni 1912?2007
. In:
Thomas Koebner
(Hrsg.):
Filmregisseure. Biographien, Werkbeschreibungen, Filmographien.
3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Reclam, Stuttgart 2008,
ISBN 978-3-15-010662-4
, S. 36?43.
Filmografien
Artikel
Videodokument
- Pressekonferenz
anlasslich der Deutschlandpremiere von
Jenseits der Wolken
. Mit: Michelangelo Antonioni, Wim Wenders, Irene Jacob, Chiara Caselli, Ines Sastre. Koln, 29. Oktober 1995.
Nachrufe
- ↑
E morto Michelangelo Antonioni
.
In:
Corriere della Sera
, 31. Juli 2007 (italienisch).
- ↑
a
b
Fritz Gottler:
Zartlich war die Nacht
. In:
Suddeutsche Zeitung
, Nr. 175, 1. August 2007, S. 11.
- ↑
Das chinesische Volk verurteilt den chinafeindlichen Film von Antonioni.
In
Beijing Rundschau
vom 2. April 1974 (Nr. 13/1974), S. 20 ff.