Michael Buchberger
(*
8. Juni
1874
in
Jetzendorf
; †
10. Juni
1961
in
Straubing
) war ein deutscher romisch-katholischer Geistlicher und Theologe. Er war der 74.
Bischof
der
Diozese Regensburg
seit ihrer Grundung 739.
Buchberger, Sohn eines Bauern, studierte in Freising und Munchen Theologie und Philosophie und empfing am 29. Juni 1900 im
Erzbistum Munchen-Freising
die
Priesterweihe
. Er war dann in Bad Reichenhall als
Kaplan
und in Freising als
Seminarprafekt
tatig. 1906 kam er zum
Lyzeum in Regensburg
, wo er sich als Professor vor allem der Jugendarbeit widmete, ehe er 1908 Dom
kapitular
in Munchen wurde. Er wurde dann
Generalvikar
und
Dompropst
. Im November 1923 ernannte Papst
Pius XI.
ihn zum
Titularbischof
von
Athribis
und bestellte ihn zum
Weihbischof
im Erzbistum Munchen-Freising. Die
Bischofsweihe
spendete ihm am 20. Januar 1924
Michael Kardinal von Faulhaber
; Mitkonsekratoren waren
Johann Baptist Hierl
, Weihbischof in
Regensburg
, und
Adam Senger
, Weihbischof in
Bamberg
. Vom 12. Marz 1928 bis zu seinem Tod leitete er das
Bistum Regensburg
.
Der in der
Kirchengeschichte
bewanderte Buchberger engagierte sich in der Herausgabe mehrerer Kirchenlexika, bei der er auch als Autor tatig war. Er gab in Zusammenarbeit mit
Karl Hilgenreiner
,
Johann Baptist Nisius
,
Joseph Schlecht
und
Andreas Seider
von 1907 bis 1912
[1]
das
Kirchliche Handlexikon
mit etwa 24.000 Artikeln, von 1930 bis 1938 das Nachfolgewerk, das
Lexikon fur Theologie und Kirche
, heraus. Das zehnbandige Werk startete mit 80.000 Artikeln.
Im von ihm als Herausgeber verantworteten
Kirchlichen Handlexikon
[2]
[3]
und in ahnlicher Weise auch noch in der von ihm herausgegebenen ersten Auflage (1930) des
Lexikon fur Theologie und Kirche
finden sich
antijudaistische
Positionen.
[4]
Auch in seinen eigenen Schriften außerte er Verstandnis fur diese Position.
[5]
[6]
Als in Regensburg 1931 das gesellschaftliche Klima bereits sehr vergiftet war, außerte sich Buchberger unter anderem bezuglich der wirtschaftlichen Verhaltnisse vor Ort in judenfeindlicher Weise und bestarkte so den weitverbreiteten
Antisemitismus
in der Bevolkerung.
[7]
In seinem Buch
Gibt es noch eine Rettung
behauptete Buchberger, dass ?die
Presse
[H.i.O.], die ununterbrochen das religiose und sittliche Leben des Volkes“ unterwuhle und ?die zum Teil formlich vom Kampf gegen christlichen Glauben und christlicher Sitte“ lebe, zum guten Teil in judischen Handen sei.
?Viele judische Federn versundigten und versundigen sich bis heute durch eine massenhaft unter das Volk geworfene laxe und seichte, antireligiose und antichristliche Literatur, die an dem sittlichen Mark unseres Volkes, besonders auch unserer Jugend nagt. [...] Ein ubermachtiges judisches Kapital beherrscht das wirtschaftliche Leben und besonders den Handel in einer fur das Gemeinwohl schadigenden und doch sehr gefahrlichen Weise, so daß der kleinere deutsche Geschaftsmann, Handwerker und Unternehmer einfach nicht mehr mitkommen kann und daher zu Grunde gehen muß. In allen Stadten ziehen große judische Warenhauser Geschaft und Umsatz an sich, weil eben das großere Kapital immer das kleinere zum Erliegen bringt. Es muß ganz offen ausgesprochen werden, daß dies ein Unrecht am Volksganzen bedeutet, das Gemeinwohl und die Volkswohlfahrt schwer schadigt, Tausende von Existenzen zerstort und furchtbar viel Erbitterung ansammeln muß. Gegen diese Auswuchse sich in rechter und maßvoller Weise zu wehren, ist eine Art gerechter Notwehr.“
[8]
Im Einklang mit der damals gultigen katholischen Lehre, die nicht das Konzept von ?Rasse“ als solches, sondern lediglich dessen Relevanz in der nationalsozialistischen Lehre, die der Bedeutung des Taufsakraments entgegenstand, verurteilte, bezeichnete Buchberger diesen ?christlichen Antisemitismus“ ? im Gegensatz zu dem rassisch begrundeten ? als ?eine Art gerechter Notwehr“.
[9]
Buchberger diffamierte auch andere gesellschaftliche Gruppen und Minderheiten als Kirchenfeinde, die ?wie Hausierer und Agenten, die jahraus jahrein die ganze Welt abwandern.“ Sie seien ?immer zu treffen in Versammlungen von Kommunisten, Sozialisten,
Freidenkern
,
Adventisten
,
ernsten Bibelforschern
, Feuerbestattern und aller moglichen Sekten.“
[10]
Der Regensburger Theologe
Andreas Angerstorfer
kritisiert, dass Buchbergers antisemitische Schrift
Gibt es noch eine Rettung
von 1931 nach dem Krieg in einer zweiten unveranderten Auflage erneut verlegt wurde.
[11]
Als der Regensburger
Domprediger
Johann Maier
, der am 23. April 1945 offentlich eine kampflose Ubergabe der Stadt Regensburg an die US-Truppen gefordert hatte, von Polizisten festgenommen und am selben Abend durch ein
Standgericht
wegen
Wehrkraftzersetzung
verurteilt und sofort
gehangt
wurde, schwieg Buchberger und hielt sich in einem
Luftschutzbunker
versteckt.
[12]
In einem Hirtenwort zum ersten Fastensonntag 1946 mahnte Buchberger, auch mit den Opfern ?der furchtbaren Verbrechen, die wahrend des Krieges“ begangen worden seien, ?herzlich mitzufuhlen“, ohne darauf einzugehen, wer diese Opfer seien. Zugleich tadelte er jene, die sich in der Verurteilung der nationalsozialistischen Verbrechen ?kaum genug tun“ konnten, jedoch ?keinen Schmerz und Abscheu uber den
Gottesmord
auf
Golgatha
“ kennen wurden. Jesus sei uberall ?vom Haß und Hohn des judischen Volkes“ verfolgt worden. Damit predigte und verbreitete er ? kaum ein Jahr nach der Befreiung von Uberlebenden der Konzentrations- und Vernichtungslager ? antisemitische Stereotype.
[9]
Nach dem Krieg bemuhte sich Buchberger um den Wiederaufbau in seinem Bistum. Unmittelbar nach Kriegsende im Jahre 1945 wurden allein 95 caritative Einrichtungen neu begrundet. In den Folgejahren entstanden 175 neue Kirchenbauten.
Im
Heiligen Jahr
1950 erhielt er von Papst
Pius XII.
den
personlichen Titel eines Erzbischofs
.
Der NS-Forscher
Wolfgang Benz
sieht im von Buchberger unterstutzten ?Wirken der Regensburger Domspatzen“ ein Beispiel ?fur den alltaglichen katholischen Kompromiss zwischen Kirche und Staat, Frommigkeit und Kommerz“. Buchberger habe ?lange Zeit gute Beziehungen zur Reichskanzlei (ge)pflegt.“ Dies sei ?eine Geschichte von Anpassung und Gleichschaltung, die das kirchliche Leben im
nationalsozialistischen Staat
charakterisiert.“
[13]
Eine stadtgeschichtlich ausgerichtete Artikelserie kommt zu dem Ergebnis, dass Bischof Michael Buchberger wie kaum ein zweiter Kirchenhierarch den Nationalsozialismus begrußt und nach Kriegsende Opfer des NS-Regimes instrumentalisiert habe.
[14]
Fur den in Regensburg katholische Kirchengeschichte lehrenden Theologen
Klaus Unterburger
besteht kein Zweifel, ?dass in abstracto Buchbergers Sicht auf Welt und Politik erhebliche Divergenzbereiche zum Nationalsozialismus“ aufweise und seine konkrete Einstellung zum Nationalsozialismus ?durchgehend ablehnend-oppositionell“ gewesen sei. Dennoch habe es ?auf anderen Gebieten auch Konsens oder zumindest Beruhrungspunkte“ gegeben, etwa im massiven Antikommunismus, ?aber auch bestimmte antijudische Stereotypen, die er vor allem 1931 entfaltet“ habe.
[15]
- Klaus Unterburger:
?Gibt es noch eine Rettung?“ Michael Buchberger 1874?1961 ? Bischof von Regensburg 1927?1961.
In:
Maria Anna Zumholz
,
Michael Hirschfeld
(Hrsg.):
Zwischen Seelsorge und Politik. Katholische Bischofe in der NS-Zeit
(=
Schriften des Instituts fur Regionalgeschichte und Katholizismusforschung;
2). 2. Auflage. Aschendorff, Munster 2022,
ISBN 978-3-402-24882-9
, S. 557?580.
- Friedrich Wilhelm Bautz
:
Buchberger, Michael.
In:
Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon
(BBKL). Band 1, Bautz, Hamm 1975. 2., unveranderte Auflage. Hamm 1990,
ISBN 3-88309-013-1
, Sp. 786
(
Artikel/Artikelanfang im Internet-Archive
)
.
-
Rudolf Reiser
:
Buchberger, Michael.
In:
Karl Bosl
(Hrsg.):
Bosls bayerische Biographie.
Pustet, Regensburg 1983,
ISBN 3-7917-0792-2
, S. 99 (
Digitalisat
).
- Josef Staber:
Kirchengeschichte des Bistums Regensburg.
Regensburg 1966, S. 200?205.
- Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft
? Das Handbuch der Personlichkeiten in Wort und Bild
. Erster Band. Deutscher Wirtschaftsverlag, Berlin 1930. Microficheausgabe: Saur, Munchen 1995,
ISBN 3-598-30664-4
.
- ↑
Michael Buchberger (Hrsg.):
Kirchliches Handlexikon. Ein Nachschlagebuch uber das Gesamtgebiet der Theologie und ihrer Hilfswissenschaften.
2 Bande. Herausgegeben in Verbindung mit
Karl Hilgenreiner
, Johann Baptisti Nisius,
Joseph Schlecht
und Andreas Seider. Allgemeine Verlags-Gesellschaft, Munchen 1907?1912.
- ↑
Olaf Blaschke
:
Das ?pianische“ Jahrhundert als Blutezeit des katholischen Antisemitismus (1846?1945) ? und die Bluten katholischer Apologetik heute.
In: Hans Erler, Ansgar Koschel (Hrsg.):
Der Dialog zwischen Juden und Christen: Versuche des Gesprachs nach Auschwitz.
Campus, Frankfurt am Main 1999,
ISBN 3-593-36346-1
, S. 115?126 (
eingeschrankte Vorschau
in der Google-Buchsuche).
- ↑
Olaf Blaschke:
Katholizismus und Antisemitismus im Deutschen Kaiserreich.
2. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Gottingen 1999,
ISBN 3-525-35785-0
(
eingeschrankte Vorschau
in der Google-Buchsuche).
- ↑
Thomas Breuer:
Die Haltung der katholischen Kirche zur Judenverfolgung im Dritten Reich.
(2003)
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Othmar Plockinger:
Geschichte eines Buches: Adolf Hitlers ?Mein Kampf“ 1922?1945.
Oldenbourg, Munchen 2006,
ISBN 3-486-57956-8
(
eingeschrankte Vorschau
in der Google-Buchsuche)
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Antonia Leugers
:
Die deutschen Bischofe und der Nationalsozialismus (II).
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Andreas Angerstorfer:
Die judische Geschaftswelt
. In: Kunst und Gewerbeverein Regensburg e. V. (Hrsg.):
Es ist eine Lust zu leben! Die 20er Jahre in Regensburg
. Dr. Peter Morsbach Verlag=Regensburg, 2009,
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Michael Buchberger,
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, Pustet Verlag Regensburg, o.J. [1931] S. 97?98.
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?Mit Gott fur Deutschland“: Anmerkungen zu Bischof Michael Buchberger
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Werner Johann Chrobak:
Domprediger Dr. Johann Maier ? ein Blutzeuge fur Regensburg. Zum 40. Todestag neue Forschungen und Studien.
In:
Verhandlungen des historischen Vereins fur Oberpfalz und Regensburg
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, S. 453?484 (
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Wolfgang Benz:
Im Widerstand: Große und Scheitern der Opposition gegen Hitler
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Robert Werner:
?Mit Gott fur Deutschland“: Anmerkungen zu Bischof Michael Buchberger
, Regensburg 2017
(Bericht auf
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von 2017).
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Klaus Unterburger:
?Gibt es noch eine Rettung?“ Michael Buchberger 1874?1961, Bischof von Regensburg 1927?1961
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Maria Anna Zumholz
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Michael Hirschfeld
(Hrsg.):
Zwischen Seelsorge und Politik. Katholische Bischofe in der NS-Zeit
, Munster 2018, S. 576 f.