Das
Menuett
(von
franzosisch
menuet
;
italienisch
minuetto
,
menuetto
,
englisch
minuet
), aus dem Franzosischen von ?menu pas“ (kleiner, zierlicher Schritt), ist ein alter hofischer Gesellschaftstanz franzosischen Ursprungs und ein wichtiger Tanz der Barockzeit und Klassik. Es steht im
3
⁄
4
-
Takt
(selten in
3
⁄
8
oder
6
⁄
4
), beginnt meistens
abtaktig
, und besteht meist aus einer Abfolge von 4-, 8- oder 16-taktigen Teilen.
Das Menuett wurde in musikalisch stilisierter Form nach 1750 zum festen Bestandteil der klassischen
Sinfonie
und ist von vielen Komponisten als Einzelkomposition auch fur Soloinstrumente belegt.
?
Die
[sic!]
Menuett
, (
Minuetto
,) ein bekanntes Tanzstuck von edlem, reizendem Charakter, im Dreyvierteltakte, (seltener im
3
⁄
8
,) wird maßig geschwind gespielt und gefallig, aber ohne Verzierungen vorgetragen.“
Das Menuett war ein beliebter Gesellschaftstanz ab der zweiten Halfte des 17. bis zum spaten 18. Jahrhundert. Sein Ursprung ist weitgehend ungeklart; fruheste Belege fur Instrumentalsatze, die zur Begleitung des Tanzes gedacht waren, werden auf die 1660er Jahre datiert. Wahrscheinlich stammt es vom
branle a mener
(oder
amener
),
[3]
oder (gemaß
Michael Pratorius
1612 in
Terpsichore
) vom
branle de Poitou
ab. Fur diese Theorie sprache z. B. das erste erhaltene Menuet der franzosischen
Cembalo
musik: Ein
Menuet de Poitou
mit
Double
von
Louis Couperin
(1626?1661)
[4]
und der Hinweis Ragossnigs, dass die Bezeichnung
Menuett
erstmals im 16. Jahrhundert fur eine der 26 Abarten des Branle aufgetreten sei.
[5]
Laut
Jurgen Libbert
wurde das Menuett um 1650 am Hof von
Ludwig XIV.
eingefuhrt und gesellschaftsfahig gemacht.
[6]
Erstmals erwahnt wurde das Menuett 1664 von
Guillaume Dumanoir
in einem polemischen Traktat gegen die Tanzmeister der
Academie royale de danse
. Nachdem
Jean-Baptiste Lully
den Tanz 1664 zu
Molieres
Le Mariage force
(
Die erzwungene Heirat
) beigesteuert hatte, entwickelte sich das Menuett zum Lieblingstanz des franzosischen Hofes. In Molieres
Bourgeois gentilhomme
kommt das Menuett mehrmals zur Sprache; im Schlussakt
Ballet des Nations
werden die Franzosen von Poitevins (Bewohner von
Poitou
) reprasentiert, soll doch die Seele des Menuetts zum Vorschein kommen.
[7]
In den Opern und Balletten Lullys finden sich anschließend im Zeitraum zwischen 1664 und 1687 uber 90 Menuette, die nicht nur getanzt, sondern auch gesungen wurden (z. B. in Lullys
Atys
, Akt IV, 5 (1676)).
In der Instrumentalmusik findet sich das Menuett, ausgehend von Frankreich, bereits im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts zahlreich wieder ? sowohl z. B. in publizierten Menuettsammlungen als auch in Kammer- oder Orchester-
Suiten
oder
Opern
. In der franzosischen Cembalomusik wurde das erste Menuet (in dieser Schreibweise) von
Chambonnieres
1670 publiziert (
Pieces de clavessin
, Bd. II);
[8]
von da an bildete es sehr oft den Abschluss einer (Cembalo-)Suite, oft zusammen mit einer
Gavotte
.
[9]
In Orchestersuiten konnte das Menuett an jeder beliebigen Stelle stehen, außer am Anfang (z. B. bei Lully,
Rameau
,
Fischer
,
Telemann
,
Graupner
etc.). Im
Spatbarock
haben viele Menuette bereits einen hohen Grad an Stilisierung erreicht, besonders bei
Johann Sebastian Bach
, der in seinen Solo-Suiten und Partiten eine eigene, relativ strenge Ordnung pflegte, wo das Menuett, genau wie andere Galanterie-Tanze, zwischen
Sarabande
und
Gigue
platziert ist.
Das Tempo des Menuetts war zunachst beschwingt, der Charakter vergnugt, leger, unbeschwert, tandelnd, und zugleich elegant, anmutig und nobel. Johann Mattheson schreibt ihm 1739 als Affect ?massige Lustigkeit“ zu.
[10]
Daniel Gottlob Turk bescheinigt dem Menuett 1789 einen ?edle[n], reizende[n] Charakter“.
[11]
Im 18. Jahrhundert kam auch ein festlicher Menuett-Typus mit fanfarenartigen Tonrepetitionen auf, den z. B. Rameau in
Hippolyte et Aricie
(Akt IV; 1733)
[12]
und in
Acanthe et Cephise
(1751)
[13]
, und noch
Mozart
als typisch aristokratisches Menuett im Finale des 1. Aktes des
Don Giovanni
verwendet (1787).
Historische Pendelangaben des Barock geben 60 bis 77 Takte pro Minute an. In der zweiten Halfte des 18. Jahrhunderts verlangsamte sich das getanzte Menuett (zunachst 144 ? 160 Viertel pro Minute, spater bis herunter zu 100), wahrend Menuette in der Kammer- und Orchestermusik oft das zugige Tempo des Barock behielten oder gar noch steigerten (108 Takte pro Minute in
Beethovens
1. Sinfonie
). Turk gibt das Tempo 1789 als ?maßig geschwind“ an, und meint: ?In einigen Gegenden spielt man die Menuetten, wenn sie nicht zum Tanzen bestimmt sind, viel zu geschwind.“
[14]
Aus dem Menuett bilden sich Ende des 18. Jahrhunderts drei Kompositionsrichtungen: erstens der langsamere, traditionell tanzerische Satz, zweitens ein Vorlaufer des Walzers, der vor allem den Tripeltakt betont, und drittens ein schneller Satz, dessen Hauptaugenmerk auf der Beibehaltung der metrisch geordneten Wiederholungen basiert. In der zweiten Halfte des 18. Jahrhunderts und in der
Wiener Klassik
war das Menuett der einzige traditionelle Tanz, der in Sonate und Sinfonie und andere Formen, wie Quartett oder Quintett, ubernommen wurde; dort stand es in einer viersatzigen Form meistens an dritter Stelle, zusammen mit einem
Trio
.
Das wohl beruhmteste Menuett uberhaupt komponierte
Luigi Boccherini
1771 fur sein Streichquintett op. 11,5 in E-Dur. Es ist ein hoch stilisiertes Stuck in einer feenhaft schwebenden Instrumentierung, mit einem etwas bodenstandigeren Trio.
Im 19. Jahrhundert haftet dem Menuett der Ruf des Veralteten an, es wird nur noch selten aufgegriffen. Vereinzelt findet es spater noch Verwendung in jungeren Epochen, bleibt aber eher eine Randerscheinung.
Das Menuett an sich ist zweiteilig, wobei jeder Teil wiederholt wird; das entspricht der Form ||: A :||: B :|| .
Der Unterabschnitt A ist haufig als 8-taktige Periode ausgefuhrt, B oft doppelt so lang, also zweimal 8 oder 16 Takte (besonders beim fruhen Menuett im 17. Jahrhundert).
So wie bei anderen Tanzen gab es auch ein Menuett in
Rondoform
, das
Menuet en rondeau
. Dieses hat meistens die Form A - B - A - C - A,
[15]
oder die einfachere Form A - B - A.
[16]
Es war jedoch seltener als z. B. eine
Gavotte en rondeau
.
Franzosische Clavecinisten
schrieben manchmal eine Variation zum Menuett, dies nennt sich
Menuet en Double
.
[17]
[18]
Im Spatbarock wurde ein Menuett auch manchmal Thema mehrerer Variationen, z. B. in Handels Cembalo-Suite d-moll (G 118?122).
[19]
Schon bei Lully und anderen franzosischen Komponisten wurde das Menuett oft mit einem zweiten Menuett gepaart, man spricht dann von:
Menuet I
und
Menuet II
. Das erste Menuett wird nach dem zweiten wiederholt (
Da capo
), es tragt deswegen manchmal die Bezeichnung ?alternativement“ (abwechselnd).
[20]
Es entsteht also eine ubergeordnete Form A-B-A. Die beiden Menuette konnen die normale zweiteilige Form aufweisen, oder eines kann ein
Menuet en Rondeau
sein.
[21]
Das zweite Menuett wurde in Orchestermusik und schon bei Lully oft solistisch ausgefuhrt, z. B. von zwei
Oboen
und
Fagott
, oder von zwei
Violinen
und
Violoncello
. Daher kommt die Bezeichnung
Trio
. Aus dieser Tradition heraus ergibt sich der oft solistische,
kammermusikalische
Charakter, den auch Haydn und Mozart noch in den Trios ihrer Menuette pflegen. Neben der Instrumentierung kontrastiert das Trio meist auch in Tonart und Dynamik mit dem Menuett I.
Ein Satz mit der Vorschrift
A tempo di minuetto
(oder nur
Tempo di minuetto
, auch
Tempo di menuetto
) ubernimmt nur das Tempo und eventuell den Charakter des Menuetts, nicht seine typische Form. Da es sich normalerweise um
Konzert
satze handelt, ist ein solcher Satz oft viel langer als ein normales Menuett und kann auch
virtuose
Elemente beinhalten (z. B.
A tempo di Minuetto
in Telemanns
Blockfloten
-Konzert in C-Dur, TWV 51:C 1; oder das Rondo aus Mozarts Fagottkonzert B-Dur KV 191 (1774)). Schon Mattheson wies darauf hin, dass auch Arien deutscher und italienischer Komponisten manchmal im
Tempo di minuetto
geschrieben sind,
[22]
manchmal handelt es sich um
Dacapo-Arien
. Beispiele sind die Auftrittsarie ?Prangt die allerschonste Blume“ des Croesus in der
gleichnamigen Oper
(1730) von
Reinhard Keiser
, oder
Porporas
Arie fur
Farinelli
?Dall' amor piu sventurato“ aus seiner Oper
Orfeo
(1736).
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(gesehen am 13. August 2017)
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- ↑
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Abgerufen am 17. April 2018
.
- ↑
Klavierschule, oder Anweisung zum Klavierspielen fur Lehrer und Lernende, mit kritischen Anmerkungen von Daniel Gottlob Turk
, Kapitel
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, § 50. Leipzig und Halle 1789, S. 401 (
Digitalisat
bei
Google Books
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- ↑
Little, Meredith Ellis: "Minuet", in:
The New Grove Dictionary of Music and Musicians
, second edition, ed. by
Stanley Sadie
&
John Tyrrell
, London: Macmillan Publishers, 2001.
- ↑
Das Stuck wird im
Manuscrit Bauyn
uberliefert und kann wegen L. Couperins fruhem Tod auf vor 1661 datiert werden.
Manuscrit Bauyn, …
,
troisieme Partie:
Pieces de Clavecin de
divers auteurs,
Facsimile, pres. par Bertrand Porot, Courlay: Edition J. M. Fuzeau, 2006, S. VII (Inhaltsverzeichnis) und S. 102 (Das Wort "Menuet" wurde spater von einer unbekannten Person durchgestrichen, aber es schimmert noch sichtbar durch, und das Stuck hat einen eindeutigen Menuet-Charakter.)
- ↑
Konrad Ragossnig
:
Handbuch der Gitarre und Laute.
Schott, Mainz 1978,
ISBN 3-7957-2329-9
, S. 111 f. (
Menuett
); hier: S. 111.
- ↑
Jurgen Libbert
(Hrsg.):
Wenzel Matiegka, 12 leichte Stucke op. 3 fur Gitarre.
Nach dem Urtext [aus der Chemischen Druckerei in Wien von etwa 1814] bearbeitet. Edition Preißler, 1979 (=
Studio-Reihe Gitarre.
Band 3), S. 16 (
Menuetto
).
- ↑
Philippe Beaussant:
Lully ou le Musicien du soleil
, Gallimard, [Paris] 1992, S. 395.
- ↑
Es ist das allerletzte Stuck. Jacques Champion de Chambonnieres,
Les Pieces de Clavessin, Vol. I & II
, Facsimile of the 1670 Paris Edition, New York: Broude Brothers, 1967, S. 61.
- ↑
Beispiele dafur finden sich u. a. bei
Lebegue
(1677, 1687),
Elisabeth Jacquet de la Guerre
(1687),
d'Anglebert
(1689),
Marchand
(1702, 1703), und
Rameau
(1706).
- ↑
Johann Mattheson,
Le Menuet, la Minuetta […]
(§ 81?86), in:
Der vollkommene Capellmeister
1739
, hrsg. von Margarete Reimann, Barenreiter, Kassel et al., S. 224 (§ 81).
- ↑
Daniel Gottlob Turk:
Klavierschule
, 1789, S. 401.
- ↑
Jean-Philippe Rameau:
Orchestersuite aus "Hippolyte et Aricie"
, La Petite Bande, Sigiswald Kuijken, erschienen bei: deutsche harmonia mundi 1979 (LP), hier S. 2 (4. Acte, Menuet 1).
- ↑
Das betreffende Menuet in
Acanthe und Cephise
ist mit seinerzeit sehr neumodischen Klarinetten besetzt. Jean-Philippe Rameau:
Orchestral Suites
(
Acanthe et Cephise
&
Les Fetes d'Hebe
), Orchestra of the Eighteenth Century, Frans Bruggen, erschienen bei: glossa GCD C81103, 1997.
- ↑
Daniel Gottlob Turk:
Klavierschule
, 1789, S. 401.
- ↑
z. B. in Graupners Cembalosuiten "Martius" und "Maius"; Maius hat sogar drei Couplets, also die Form A-B-A-C-A-D-A. Siehe: Christoph Graupner,
Monatliche Clavierfruchte (1722)
, Facsimile, pres. par Oswald Bill, publ. sous la dir. de J. Saint-Arroman, Courlay: Edition J. M. Fuzeau, 2003, S. 43 (Martius) und S. 62?63 (Maius).
- ↑
z. B. bei Louis Marchand oder Clerambault. Siehe: Louis Marchand,
Pieces de Clavecin, Livre Premier
(1702) und
Livre Second
(1703). Gesamtausgabe, Facsimile, publ. sous la dir. de J. Saint-Arroman, Courlay: Edition J. M. Fuzeau, 2003, S. 52. Und: Louis-Nicolas Clerambault,
Pieces de clavecin
(1703), New York: Performer’s Facsimiles (24522), o. J., S. 10 (Bei beiden Komponisten ist das Menuet II ein Rondeau der Form A-B-A).
- ↑
z. B. Louis Couperins Menuet de Poitou & Double. Siehe:
Manuscrit Bauyn, …
,
troisieme Partie:
Pieces de Clavecin de
divers auteurs,
Facsimile, pres. par Bertrand Porot, Courlay: Edition J. M. Fuzeau, 2006, S. VII (Inhaltsverzeichnis) und S. 102.
- ↑
Elisabeth Jacquet de la Guerre,
Les
Pieces de Clavecin,
Premier Livre
, 1687. Facsimile, publ. sous la dir. de J. Saint-Arroman, Courlay: Edition J. M. Fuzeau, 1997, S. 38?39.
- ↑
George Frideric Handel,
Keyboard Works for Solo Instrument
(
from the Deutsche Handelgesellschaft Edition)
, ed. by Friedrich Chrysander, New York: Dover Publications, 1982, S. 57?58.
- ↑
z. B. in Telemanns Concerto "Les rainettes", TWV 51: A2, oder in verschiedenen seiner Orchesterouverturen, wie TWV 55: g4 oder C6 oder d3. Auch in Graupners Cembalosuiten, siehe: Christoph Graupner,
Monatliche Clavierfruchte (1722)
, Facsimile, pres. par Oswald Bill, publ. sous la dir. de J. Saint-Arroman, Courlay: Edition J. M. Fuzeau, 2003.
- ↑
z. B. bei Louis Marchand oder Clerambault. Siehe: Louis Marchand,
Pieces de Clavecin, Livre Premier
(1702) und
Livre Second
(1703). Gesamtausgabe, Facsimile, publ. sous la dir. de J. Saint-Arroman, Courlay: Edition J. M. Fuzeau, 2003, S. 52. Und: Louis-Nicolas Clerambault,
Pieces de clavecin
(1703), New York: Performer’s Facsimiles (24522), o. J., S. 10 (Bei beiden Komponisten ist das Menuet II ein Rondeau der Form A-B-A).
- ↑
Johann Mattheson, ?Le Menuet, la Minuetta...“ (§ 81?86), in:
Der vollkommene Capellmeister
1739
, hrsg. v. Margarete Reimann, Kassel et al.: Barenreiter, S. 225 (§ 86).