Erste Seite der Mentelin-Bibel, Exemplar der
Bayerischen Staatsbibliothek
Beginn der
Genesis
Besitzeintrag von Hektor Mulich
Die
Mentelin-Bibel
ist die erste der
vorlutherischen deutschen Bibeln
und die erste gedruckte
Bibel
in einer
Volkssprache
uberhaupt. Sie erschien 1466, nur 11 Jahre nach der lateinischen
Gutenberg-Bibel
, die 1455 erschien.
Die
Universitatsbibliothek der LMU Munchen
verfugt uber zwei Exemplare der Mentelin-Bibel, die zum
Zimelienbestand
gehoren: Cim. 56 und Cim. 56a. Die Herkunft des einen, mit farbigen Initialen und Blumenranken versehenen Wiegendrucks (Cim. 56) in einem zeitgenossischen Schweinslederband auf Holz mit Blindpressung, ist unbekannt. Der mit farbigen Initialen und Blumenranken versehene andere Wiegendruck (Cim 56a) in einem zeitgenossischen Schweinslederband auf Holz mit Blindpressung stammt aus dem Augustinerchorherrenstift Polling, aus dessen Bibliothek uber 7.300 Bande im Zuge der
Sakularisation
1803 in die Universitatsbibliothek Landshut gelangten.
Johannes Mentelin
aus
Schlettstadt
(† 1478) erwarb sich 1447 die Burgerrechte als
Goldschreiber
in
Straßburg
. Es ist nicht belegt, dass er seine Druckkenntnisse bei
Gutenberg
erwarb. Vermutlich hatte er seinen Mitarbeiter
Heinrich Eggestein
nach
Mainz
gesandt, damit dieser dort das Buchdrucker-Handwerk erlernen sollte.
Mentelin achtete darauf, die Anzahl der Druckzeilen durch eine kleinere Schrifttype (eine
Gotico-Antiqua
) zu erhohen, um die Kosten gegenuber einer Gutenberg-Bibel zu senken. Mentelins Bibel hatte nun 61 Zeilen in zwei Spalten. Er bedruckte 406 Blatter mit einem Blattformat von 43 cm Hohe zu 30 cm Breite (
Folio
). Gedruckt war nur der Text, die
Initialen
und Großbuchstaben am Satzanfang wurden vom
Rubrikator
in roter Farbe nachgetragen. Im Exemplar der
Bayerischen Staatsbibliothek
kann man, handschriftlich eingetragen vom Augsburger Chronisten
Hektor Mulich
, dem Kaufer, uber den stolzen Preis lesen:
1466 27 Junio ward ditz buch gekaft vneingepunden vmb 12 gulden.
Das entsprach etwa dem Wert von vier Ochsen.
Mit der Wahl des Textes hatte Mentelin weniger Gluck als mit dem Verkauf seiner Werke. Er verwendete eine Ubersetzung des 14. Jahrhunderts aus dem Nurnberger Raum, die nach dem im Mittelalter weit verbreiteten Ubersetzungsprinzip ?Wort fur Wort“ angelegt war. Sie konnte also vor allem neben dem lateinischen Text als Verstandnishilfe benutzt werden. Sie war besonders in Bohmen stark verbreitet, qualitativ jedoch der etwas jungeren zweiten vollstandigen Bibel-Ubersetzung unterlegen. Dies war die
Wenzelsbibel
, die in Prag gefertigt war und auf ein flussiges Deutsch achtete, aber nie gedruckt wurde.
Mentelin muss jedoch auch diese zweite Ubersetzung, die Wenzelsbibel, gekannt haben. Der Theologe
Wilhelm Walther
konnte namlich nachweisen, dass beide Ubersetzungszweige die gleiche Version der biblischen Prologi und Argumenta sowie der Psalmen-Tituli verwenden. Da diese Zugaben gewandter ubersetzt sind als der fortlaufende Text der Mentelin-Bibel und sie in den Handschriften des ersten Zweiges fehlen, lag es fur ihn auf der Hand, dass sie ? vielleicht erst von Mentelin ? von dort entlehnt wurden.
Zum Zeitpunkt des Drucks muss die Ubersetzung sprachlich altertumlich geklungen haben. Die Textqualitat tat dem Projekt keinen Abbruch. Die Mentelin-Bibel sollte noch dreizehnmal von anderen Verlegern im suddeutschen Raum aufgelegt werden. Erst mit der Reformation ergab sich eine veranderte Situation. Zwar plante Luthers Hauptgegner
Eck
, fur die katholische Seite den Mentelin-Text als Kampfmittel gegen den Luthertext zu stellen, verwarf dies jedoch, nachdem er uber 3000 Stellen identifiziert hatte, die mit dem Text der
Vulgata
nicht ubereinstimmten, und fertigte eine eigene Ubersetzung an (
Eck-Bibel
).
- Wilhelm Kurrelmeyer
:
Die erste deutsche Bibel
. 10 Bande. (=
Bibliothek des Litterarischen Vereins in Stuttgart
, Bd. 234, 238, 243, 246, 249, 251, 254, 258, 259 und 266). Laupp, Tubingen 1904?1915
- Wilhelm Walther: Die deutsche Bibelubersetzung des Mittelalters, Braunschweig 1889?1892, Sp. 306?320.
- Michael Landgraf, Henning Wendland:
Biblia deutsch. Bibel und Bibelillustration in der Fruhzeit des Buchdrucks
. Evangelischer Presseverlag Pfalz, 2005