Ein
mentales Modell
ist die
Reprasentation
eines Gegenstandes oder eines Prozesses im
Bewusstsein
eines Lebewesens.
Da die in der Welt vorhandenen Informationen bereits von den Sinnesorganen und auch vom Gehirn massiv gefiltert und verandert werden, ist ein mentales Modell immer nur ein Ausschnitt, ein ?reduziertes“
Abbild
eines Teils der
Wirklichkeit
. Dennoch bleiben bei ?guten“ mentalen Modellen die relevanten Aspekte der Wirklichkeit erhalten, insbesondere ihre Struktur, dann handelt es sich um
Homomorphismen
.
Ludwig Wittgenstein
beschreibt diese Idee im Abschnitt 2.1 seines
Tractatus Logico-Philosophicus
(1918): ?Wir machen uns Bilder der Tatsachen. Das Bild ist ein Modell der Wirklichkeit. Den Gegenstanden entsprechen im Bilde die Elemente des Bildes.“
1927 erschien das Buch
Le dessin enfantin
von Georges-Henri Luquet (1876?1965), in dem er analysiert, wie Kinder die Welt in ihren Bildern darstellen. Diese enthalten sehr haufig ?Erklarungen“ der Welt, wie z. B. Ursache-Wirkung-Zusammenhange. Daraus lasst sich schließen, dass Kinder ihre
Wahrnehmungen
intern verknupfen, diese in einem fur sie sinnvollen internen Modell anordnen.
Jean Piaget
bezeichnet Luquets Buch als wichtige Inspiration fur seine Theorie der mentalen Logik (1958).
Als Erfinder der Bezeichnung
mental model
gilt Kenneth Craik (1914?1945), der den Begriff 1943 in seinem Buch
The Nature of Explanation
ausfuhrlich diskutiert.
Mentale Modelle sind ?subjektive Funktionsmodelle fur technische, physikalische und auch soziale
Prozesse
sowie komplexe Gegebenheiten (z. B.
syllogistische
Schlussfolgerungen)“. Da wir die
Entitaten
der Welt
seriell
kennenlernen, also in kleinen Einzelschritten und diese nacheinander, mussen die wahrgenommenen Details vom Gehirn erst zu
Ganzheiten
zusammengefugt werden. Die so entstehenden mentalen Modelle weisen eine gegenuber der Wirklichkeit reduzierte
Komplexitat
auf, wodurch die Bestandteile der Welt fur das
Arbeitsgedachtnis
? mit seiner sehr begrenzten Kapazitat ? verarbeitbar werden. Die
Komplexitatsreduktion
geschieht, laut
Philip Johnson-Laird
und
Dedre Gentner
, auf drei Weisen:
- quantitative Beziehungen werden auf qualitative reduziert
- die betrachteten ?Stichproben“ werden verkleinert
- durch
Analogiebildung
wird auf bekannte Sachverhalte zuruckgegriffen.
[1]
Bei
lernfahigen
Lebewesen bleibt ein Teil der Wahrnehmungen im
Gedachtnis
? zumindest die ?wichtigen“, dem Uberleben dienenden. Bei ausreichender
Intelligenz
konnen in diesen
Erfahrungen
Muster erkannt
und aus diesen wiederum Regeln abgeleitet werden. Uber die Zeit entstehen so mentale Reprasentationen der individuell relevanten Ausschnitte der Welt.
Die Wahrnehmung variiert dabei durch die individuellen Gedachtnisinhalte,
Stimmungen
und Denkprozesse des Wahrnehmenden, die zum Aufbau des mentalen Modells benutzt werden ? daraus resultiert, dass jedes Wesen eine eigene Wahrnehmung hat. Diese Modelle werden benotigt, um Informationen, die neu aufgenommen werden sollen, uberhaupt erst in einen
Kontext
einordnen und somit verstehen und bewerten zu konnen. Mit der Neuaufnahme von Informationen und Eindrucken werden dann die Moglichkeiten zur Abbildung der Realitat in ein mentales Modell fur zukunftige Wahrnehmungen konstant erweitert, es tritt also ein
Lerneffekt
ein.
Dabei sind nicht nur die Komponenten des mentalen Modells bei jedem Menschen unterschiedlich, sondern auch ihre
Gewichtung
. Wahrend einige Menschen eher
bildhaft
denken, orientieren sich andere eher an anderen
Sinneseindrucken
und Erfahrungen, wie beispielsweise Schmerz oder Gluck.
- Stephan Dutke:
Mentale Modelle: Konstrukte des Wissens und Verstehens. Kognitionspsychologische Grundlagen fur die Software-Ergonomie
, Verlag Angewandte Psychologie 1993,
ISBN 3-87844-111-8
- Karlheinz Jakob
:
Maschine, Mentales Modell, Metapher. Studien zur Semantik und Geschichte der Techniksprache
, Niemeyer, Tubingen 1991,
ISBN 3-484-31123-1
- Philip Johnson-Laird
:
Mental Models
, Harvard University Press, Reprint 1983,
ISBN 0-674-56882-6
(englisch)
- Thorsten Rasch:
Verstehen abstrakter Sachverhalte: Semantische Gestalten in der Konstruktion mentaler Modelle
, Wissenschaftlicher Verlag Berlin 2006,
ISBN 3-86573-217-8
- Norbert M. Seel:
Weltwissen und mentale Modelle
, Hogrefe-Verlag 1991,
ISBN 3-8017-0489-0
- ↑
Friedrich Dorsch:
Dorsch Psychologisches Worterbuch
, Verlag Hans Huber, 1994.