Menschlicher Fehler

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Das ICE-Ungluck von Eschede ( 1998 ) grundete auf Wartungsversaumnissen

Als menschlichen Fehler bezeichnet man Fehler , die ein Mensch durch sein Handeln ( Fehlbedienung ) bzw. Nichthandeln oder durch seinen korperlich-geistigen Zustand zu verantworten hat. Fehlverhalten kann sowohl wissentlich als auch unwissentlich begangen werden.

Das Gegenstuck zu menschlichen Fehlern ist der technische Defekt .

Menschliche Fehler konnen in allen Lebensbereichen, Situationen und in jedem Personenkreis passieren.

Besonders folgenreich fur Andere sind Fehler bei Maschinenfuhrern , Anlagenbedienern oder ahnliches (z. B. Kraftwerke, Fahrzeuge, Computersysteme und medizinisches Personal); hier hat der sogenannte Human Factor eine große Bedeutung.

Menschliche Fehler haben oft folgende Ursachen:

Der Tanker Exxon Valdez (Schiffskatastrophe mit Olpest 1989)

Falsche Organisation von Lernprozessen

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Nach Levinthal und March [1] stehen Organisationen vor dem Dilemma, neue hochwertige Wissensquellen erschließen zu mussen, ohne das bestehende Wissen der Mitarbeiter zu vernachlassigen. Dieses Problem losen Organisationen durch (Uber-)Spezialisierung oder (Uber-)Simplifizierung der Lernprozesse. Insgesamt ergibt sich dadurch ein Bias zugunsten der Ausbeutung bestehender Wissensressourcen und vorhandener Erfahrungen, der sich als dreifache organisatorische Kurzsichtigkeit ( Myopia ) beschreiben lasst, und zwar im Hinblick auf Vorgange in entfernten Raumen, weit entfernten Zeiten (sowohl Vergangenheit als auch Zukunft) und bereits gemachte Fehler. D.h. Organisationen erkennen selten das Lernpotenzial, das in Fehlern steckt. Das gilt z. T. auch fur die ingenieurpsychologische Fehlerforschung. [2]

Manche Fehlentscheidungen konnen sich durch Fehlerketten verselbststandigen, d. h. Fehler ? auch von technischer Seite ? bedingen einander ( Domino-Effekt ), wie z. B. bei der Katastrophe von Tschernobyl .

Eisenbahnunfall am Bahnhof Montparnasse (1895) aufgrund einer Fehlbedienung

Viele Unglucksfalle sind auf menschliches Fehlverhalten zuruckzufuhren, zum Beispiel bedeutende Katastrophen der Seefahrt wie der Untergang der Titanic und der Unfall der Exxon Valdez vor Alaska. Menschliche Fehler haben fast immer Auswirkungen, sowohl im Innen- als auch im Außenverhaltnis.

Innenverhaltnis

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Die Auswirkungen im Innenverhaltnis umfassen unter anderem negative Emotionen , Vorwurfe , ?schlechtes Gewissen “, Traumata , Verzweiflung und im Extremfall Suizid .

Außenverhaltnis

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Die Auswirkungen im Außenverhaltnis konnen unter anderem sein: Ein Unfall oder eine Katastrophe , Schadenseintritte , Umweltverschmutzung , Schuld , Strafe , Kundigung , Trennung von Partnern, Offentlichkeit und im Extremfall Menschenleben.

Viele verhangnisvolle menschliche Fehler werden ausgewertet, damit sie sich durch Vorkehrungen in der Zukunft nicht wieder ereignen. Dies kann durch Fortbildung des Adressatenkreises, Modifikationen von Vorgaben bzw. technischer Ablaufe oder Konstruktionen, durch Neufassung von Vorgaben sowie durch Innovationen in der Technik erreicht werden.

Zur Vermeidung von menschlichen Fehlern existieren sehr haufig Kontrollinstanzen und Arbeitsanweisungen, z. B. Vorschriften des Staates, der Verbande, der Berufsgenossenschaften oder der Unternehmen.

Verantwortliche konnen je nach Schwere der Schuld und Vorwerfbarkeit einer Vielzahl von Rechtsfolgen ausgesetzt werden, z. B. zivilrechtlich und nach Sanktionsnormen . In schwerwiegenden Fallen kann durch ein Strafgericht auch ein Berufsverbot als Nebenstrafe zum Tragen kommen.

Zivilrechtlich kommt allgemein das Vertretenmussen in Betracht. Als Folgen sind finanzielle Forderungen ( Regress / Schadenersatz ), Abmahnung , Kundigung von Vertragen oder auch Versetzungen denkbar. Dienstrechtlich kommen die Bestimmungen uber das Verhalten (z. B. ?volle Hingabe“, ?Gesetzestreue“) sowie als Auswirkung beispielsweise disziplinarrechtliche Folgen in Betracht.

Im Strafrecht kommt hier die Fahrlassigkeit , gegebenenfalls mit der Sonderform Leichtfertigkeit , zum Tragen. Es kommen insbesondere folgende Sanktionsnormen zur Anwendung: Fahrlassige Korperverletzung , Verkehrsstraftaten (meist Gefahrdung des Straßenverkehrs ) und fahrlassige Totung .

Der Begriff menschliches Versagen ist ein haufig verwendetes Synonym fur menschliche Fehler. Er beinhaltet jedoch eine Vorverurteilung des Menschen als Ursache ohne Berucksichtigung unzureichender Technik. In vielen Fallen hat der Mensch nicht versagt, sondern war aufgrund seiner Fahigkeiten nicht in der Lage, ein von ihm oder von der Technik ausgehendes Problem rechtzeitig zu losen.

Es gibt außerdem Auswirkungen, die sowohl auf menschliche Fehler als auch auf technische Defekte zuruckzufuhren sind. Da technische Defekte oft ihrerseits direkt oder indirekt wieder auf menschliche Fehler zuruckfuhren (Mangelnde Wartung, mangelhafte Qualitatskontrolle, Konstruktionsfehler, ausbleibende Vor- und Nachsorge), sind genaugenommen die Meisten Unfalle auf menschliche Fehler zuruckzufuhren. Jedoch kann es bei Technik auch durch zufallige Fehler zu einem Versagen kommen. Die Wahrscheinlichkeit dafur lasst sich zwar reduzieren, jedoch nicht auf 0. Siehe zum Beispiel Soft Error , Bitfehlerrate und Fehlerkorrekturverfahren .

Ein eigenes Forschungsgebiet ist das Fehlermanagement . Es beschreibt, wie ein Mensch in einem Mensch-Maschine-System mit Fehlern, unabhangig von deren Ursache, umgeht. Die Fahigkeit zum Fehlermanagement ist ein wesentlicher Grund, Menschen mit hoher Verantwortlichkeit im technischen System zu belassen. Gutes Fehlermanagement kann daruber entscheiden, ob ein menschlicher Fehler oder technischer Defekt zur Katastrophe fuhrt oder nicht.

  • Petra Badke-Schaub, Gesine Hofinger, Kristina Lauche (Hrsg.): Human Factors. Psychologie sicheren Handelns in Risikobranchen. 2. Auflage. Springer, Heidelberg 2012, ISBN 978-3-642-19885-4 .
  • Dietrich Dorner : Die Logik des Misslingens ? Strategisches Denken in komplexen Situationen . Rowohlt, Reinbek 1993, ISBN 3-499-19314-0 .
  • Ulrich Frey: Der blinde Fleck: Kognitive Fehler in der Wissenschaft und ihre evolutionsbiologischen Grundlagen . Ontos, Heusenstamm 2007. ISBN 978-3-938793-51-0 .
  • Manfred Osten : Die Kunst, Fehler zu machen. Pladoyer fur eine fehlerfreundliche Irrtumsgesellschaft . Suhrkamp, Frankfurt am Main 2006, ISBN 978-3-518-41744-7 .
  • James Reason: Menschliches Versagen. Psychologische Risikofaktoren und moderne Technologien . Spektrum, Heidelberg 1994. <EST: Human error, dt.> ISBN 3-86025-098-1 .
  • James Reason: Human error . Cambridge University Press, Cambridge 1990, ISBN 0-521-30669-8 .

Einzelnachweise

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  1. Daniel A. Levinthal, James G. March, The Myopia of Learning , Strategic Management Journal, Volume 14, Special Issue S2, S. 95?112, Februar 1993
  2. Hans-Jurgen Weißbach , Michael Florian, Eva-Maria Illigen u. a., Technikrisiken als Kulturdefizite , Berlin: Sigma 1994, S. 43 ff.