Das
Meerneunauge
(
Petromyzon marinus
) ist eine Art der
Neunaugen
(Petromyzontidae) und somit kein
Fisch
im engeren Sinn, sondern ein
kieferloses Wirbeltier
.
Meerneunaugen haben eine aalahnliche Korperform ohne Brust- oder Bauchflossen und ein rundes Maul ohne Kiefer. Ausgewachsene geschlechtsreife Tiere erreichen gewohnlich eine Korperlange von 70 bis 90 Zentimetern, gelegentlich bis 120 Zentimeter. Je nach ihrer Herkunft unterscheiden sich Meerneunaugen in der Farbung. Die meisten zeigen eine hellgraue bis grunliche Grundfarbe und sind auf der Oberseite dunkel gefleckt oder marmoriert. Der Kopf hat einen Schadel und tragt uber dem Saugmund ein Augenpaar, auf das nach hinten zu jederseits sieben rundliche Kiemenoffnungen folgen. Im Unterschied zu anderen Arten der
Neunaugen
ist die Mundscheibe breiter als der Korper. Der Rand der Saugoffnung wirkt ausgefranst und weist scharfe Hornzahne auf.
Das Meerneunauge ist ein in Kustennahe lebender
anadromer
Wanderer, der zur Fortpflanzung in die Flusse aufsteigt. Sein europaisches Verbreitungsgebiet reicht von Skandinavien uber die Nord- und Ostsee bis ins westliche Mittelmeer.
[1]
Daneben kommt die Art an der Ostkuste Nordamerikas vor und lebt außerdem ? nach Offnung des die
Niagarafalle
umgehenden
Wellandkanals
? mittlerweile auch in den Großen Seen Nordamerikas oberhalb des
Ontariosees
.
[2]
Zum
Laichen
ziehen Meerneunaugen flussaufwarts, jedoch nicht so hoch wie das
Flussneunauge
. Sie laichen in kleinen Gruppen an kiesigen Stellen. Hier werden die Eier paarweise in dazu angelegten Nestgruben gelegt. Nachgewiesen werden konnte, dass sie bis zu 850 Kilometer zu ihren Laichgrunden wandern: Unter anderem laichen sie im Rhein bei Basel.
[3]
Nach der Fortpflanzung sterben die Elterntiere. Die nach einigen Wochen geschlupften Larven, auch
Querder
genannt, bleiben etwa sechs bis acht Jahre im Sediment des Sußwassers. Erst nach ihrer Umwandlung zum
adulten
Tier wandern Meerneunaugen ins Meer ab. Dort erreichen sie ihre Geschlechtsreife nach weiteren drei bis vier Jahren. Im Meer ernahren sich die Neunaugen, indem sie sich mit ihrer Saugscheibe an
Fische
wie Kabeljau, Makrele, Lachs und Hering anheften,
parasitierend
deren Haut und Muskelgewebe abraspeln und Blut saugen.
[4]
Wenn sie ins Sußwasser zuruckkehren, wird der Darm zuruckgebildet.
Das Meerneunauge ist unter den Neunaugen der Vertreter mit der großten Bedeutung als sogenannter
Speisefisch
.
In den
Großen Seen
Nordamerikas haben sich Meerneunaugen im 20. Jahrhundert invasiv ausgebreitet, das okologische Gleichgewicht verschoben und werden ? da sie dort die Bestande fischereiwirtschaftlich wichtiger Fischarten bedrohen ? teilweise intensiv bekampft, auch mit einem
Anthelminthikum
wie
Niclosamid
als Lampretizid.
[5]
[6]
Da die europaischen Lebensraume dieser Wanderfischart bedroht sind, ist sie von der EU in den Anhang der
FFH-Richtlinie
aufgenommen worden.
Im
Genom
von Meerneunaugen wurden verschiedene sogenannte
DNA-Transposons
nachgewiesen, die sehr ahnlich auch in zahlreichen nicht naher verwandten Arten von
Knochenfischen
gefunden wurden. Offenbar sind diese mobilen DNA-Sequenzen ?
Transposase
codierende Tc1-Elemente ? durch einen
horizontalen Gentransfer
zwischen verschiedenen Arten von Wirbeltieren ausgetauscht worden, wobei die Parasit-Wirt-Beziehung der Neunaugen wahrscheinlich eine tragende Rolle spielte.
[7]
- Roland Gerstmeier und Thomas Romig:
Die Sußwasserfische Europas
, Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2003,
ISBN 3-440-09483-9
- Jeramiah J. Smith
et al
.:
Sequencing of the sea lamprey (Petromyzon marinus) genome provides insights into vertebrate evolution.
Nature Genetics (2013),
doi:10.1038/ng.2568
- ↑
S. Silva, R. Vieira-Lanero, S. Barca, F. Cobo:
Densities and biomass of larval Sea Lamprey populations (
Petromyzon marinus
Linnaeus, 1758) in North West Spain and data comparisons with other European regions.
In:
Marine and Freshwater Research.
Marz 2016.
- ↑
siehe
Petromyzon marinus
als nonindigene aquatische Spezies der Great Lakes, GLANSIS-Datenblatt der
NOAA
.
- ↑
R. Gerstmeier, T. Romig:
Die Sußwasserfische Europas.
Franckh-Kosmos Verlag, Stuttgart 2003, S. 125.
- ↑
S. Silva, M. J. Araujo, M. Bao, G. Mucientes, F. Cobo:
The haematophagous feeding stage of anadromous populations of sea lamprey Petromyzon marinus: low host selectivity and wide range of habitats.
In:
Hydrobiologia.
Band 734 (1), 2014, S. 187?199.
- ↑
R. Scholefield, R. Bergstedt, T. Bills:
Relation of concentration and exposure time to the efficacy of niclosamide against larval sea lampreys (Petromyzon marinus).
In:
Journal of Great Lakes Research.
Band 29 (1). USGS 2003, S. 493?499.
- ↑
The Double Life of an American Lake Monster
Marion Renault, Michael Tessler in
Wired
, 9. August 2022
- ↑
Shigehiro Kuraku, Huan Qiu, Axel Meyer:
Horizontal Transfers of Tc1 Elements between Teleost Fishes and Their Vertebrate Parasites, Lampreys.
In:
Genome Biology and Evolution.
Band 4 (9), August 2012, S. 929?936 (
PDF
).