Mediatisierung

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In der Geschichte des Heiligen Romischen Reiches und des Deutschen Bundes war die Mediatisierung (?Mittelbarmachung“) von 1803 und 1806 die Eingliederung der bisher reichsunmittelbaren Reichsstande und Adligen in die neuen deutschen Bundesstaaten.

Im Reich gab es Fursten und Grafen - die ?wirklichen“ Reichsfursten und Reichsgrafen - die Anteil an der Souveranitat des Heiligen Romischen Reichs hatten. Voraussetzung war meistens der Besitz eines reichsstandischen Territoriums (Ausnahme: die sogenannten Personalisten ). Mit der Mediatisierung verloren sie die meisten dieser Rechte und wurden standesherrlich großeren Territorien ein- und untergeordnet; als Standesherren blieb ihnen die Ebenburtigkeit mit den weiterhin souveranen Hausern erhalten. Dagegen bedeutete die damalige Mediatisierung fur die Gruppe der Reichsfreiherren den Verlust ihrer Reichsunmittelbarkeit , also des Vorrechts, erstinstanzlich bei Reichsgerichten klagen zu durfen.

Im Deutschen Bund war die Mediatisierung kleinerer Staaten zeitweise ein Thema. Vor allem in der Frankfurter Nationalversammlung 1848/1849 gab es eine solche Mediatisierungsfrage , bei der die kleinsten deutschen Staaten großeren zugeschlagen worden waren. Die betroffenen Staaten protestierten und es fand sich keine politische Mehrheit fur ein Thema, das den Arger nicht zu lohnen schien.

Heute wird unter Mediatisierung im Volkerrecht die (Interessen-)Vertretung innerstaatlicher Akteure durch den Staat als volkerrechtliches Subjekt verstanden.

Schon vor dem Beginn des 19. Jahrhunderts war es gelegentlich machtigeren Reichsstanden gelungen, kleinere Mitstande ? vor allem wenn deren Besitzungen als Enklaven in den ihrigen eingeschlossen waren ? in ein solches Abhangigkeitsverhaltnis zu bringen. So wurde etwa die Grafschaft Mansfeld wegen Uberschuldung 1580 von Kursachsen und dem Erzstift Magdeburg mediatisiert. Nach dem Dreißigjahrigen Krieg entstanden eine Reihe von Mediatfurstentumern .

Der Reichsdeputationshauptschluss von 1803 bedeutete die Mediatisierung vieler bislang teilsouveraner Stande, die die meisten Rechte ? aber nicht ihre Ebenburtigkeit mit den weiterhin souveranen Hausern ? einbußten, sowie fur die Reichsfreiherren den Verlust ihres Vorrechts, erstinstanzlich bei den Reichsgerichten klagen zu durfen (die sogenannte Reichsunmittelbarkeit). Einer Anzahl deutscher Reichsfursten und Reichsgrafen wurden als Entschadigung fur die Verluste ihrer Besitzungen auf dem Linken Rheinufer an Frankreich bestimmte bis dahin reichsunmittelbare Gebiete zugewiesen. Diese kamen dadurch in ein, wenn auch etwas modifiziertes, Untertanenverhaltnis.

45 der 51 noch bestehenden Reichsstadte wurden mediatisiert und benachbarten Furstentumern eingegliedert. Lediglich Augsburg , Nurnberg , Frankfurt am Main , Bremen , Hamburg und Lubeck behielten den Status mit verminderten Rechten. Von den 300 Territorien mit Reichsstandschaft und den etwa 1400 ohne Reichsstandschaft, die es 1789 gab, blieben nur noch 39 Territorien mit Reichsstandschaft. Augsburg und Nurnberg wurden 1805/06 von Bayern mediatisiert. Mit der Rheinbundakte von 1806 kam es zur Aufhebung fast aller Adelsherrschaften und Reichsgrafschaften .

Die Deutsche Bundesakte von 1815 ubernahm entsprechende Regelungen der Rheinbundakte , uberließ aber den mediatisierten Fursten als Standesherren einige Sonderrechte (u. a. die niedere Gerichtsbarkeit ). Das blieb so bis zur Revolution von 1848/49 und zum Teil daruber hinaus. Die mediatisierten Fursten und Grafen [1] waren den regierenden Hausern im Rang gleichgestellt (siehe Ebenburtigkeit ) und gehorten damit dem Hochadel an. Nach 1815 gab es nur noch vier Freie Stadte: Hamburg, Bremen, Lubeck und Frankfurt am Main.

Rechtsgrundlage in den Artikeln 26 bis 28 der Rheinbundakte . In Artikel 26 war beschrieben, dass die Rheinbundfursten die volle Souveranitat uber ihre Gebiete erhalten sollten. Dies waren nach Artikel 26 die Gesetzgebung, oberste Gerichtsbarkeit, oberste Polizei sowie das Recht zur Truppenaufstellung. Die Mediatisierung der Reichsritter ergab sich daraus implizit, sie verloren das Recht, erstinstanzlich bei den Reichsgerichten klagen zu durfen.

In Artikel 27 war beschrieben, welche Rechte die mediatisierten Standesherren behalten sollten: Das zivilrechtliche Eigentum an ihren Domanen als Patrimonial- oder Privateigentum, alle Herrschafts- und Feudalrechte, die nicht wesentlich zur Souveranitat gehoren. Dazu gehorte das Recht der niedern und mittlern burgerlichen und Straf-Gerichtsbarkeit, der forsteilichen Gerichtsbarkeit und Polizei, der Jagd und Fischerei, der Berg- und Huttenwerke, des Zehnten und ahnlicher Rechte, das Patronatrecht und ahnliches sowie die aus diesen Domanen und Rechten fließenden Einkunfte (z. B. die Strafgelder bei Geldbußen).

Diese Rechte waren veraußerbar, der jeweilige Landesherr hatte jedoch ein Vorkaufsrecht .

Die Frage der Auslegung dieser Regelungen war rechtlich umstritten. Wahrend die Rheinbundfursten den Begriff der Souveranitat weit auslegten, interpretierten die mediatisierten Standesherren ihre Rolle als diejenige einer Unterherrschaft. In der Praxis konnte sich die Position der Mediatisierten nicht durchsetzen. Ihre Bemuhungen richteten sich daher darauf, ihre Rechtspositionen offen zu halten und konzentrierten sich in den folgenden Verhandlungen auf okonomische Aspekte.

Die Umsetzung der Mediatisierung erfolgte durch die militarische Besetzung der mediatisierten Gebiete in Abstimmung mit den franzosischen Militars durch die Truppen oder Ordnungskrafte der Bundesfursten. Die Annexion wurde mit Besitzergreifungspatenten amtlich gemacht und die Beamten und Bewohner wurden auf die neuen Machthaber vereidigt bzw. mussten diesen huldigen.

Die kunftige Rolle der mediatisierten Standesherren wurde teilweise in Gesetzen (z. B. im Konigreich Bayern mit Deklaration vom 19. Marz 1807, im Großherzogtum Baden mit Gesetz vom 20. Marz 1807 oder im Großherzogtum Hessen mit Gesetz vom 1. August 1807) geregelt, teilweise trafen die Rheinbundfursten individuelle Vereinbarungen mit den jeweiligen Mediatisierten wie im Herzogtum Nassau .

Die getroffenen Regelungen waren im Ergebnis relativ einheitlich und gliederten sich in vier Bereiche:

  1. Die personlichen Ehrenrechte der Standesherren und ihrer Familien: Die Standesherren erhielten einen privilegierten Gerichtsstand (nur Ebenburtige (also der Herrscher selbst) sollte uber sie richten), eine Anrede, die ihre Stellung betonte, bei ihrem Tode wurde eine Staatstrauer angeordnet und die Untertanen waren verpflichtet, sie ins Gebet einzuschließen.
  2. Die Kirchenverwaltung: Die Konsistorien der Mediatisierten wurden aufgehoben, ihnen verblieb aber ein (teilweise durch Prasentationspflicht eingeschranktes) Patronatsrecht .
  3. Die Verwaltung: Hier gingen große Teile der allgemeinen Verwaltungsaufgaben an die Landesherren uber. Die Behorden traten aber uberwiegend im Namen von Landesherr und Mediatisierten (z. B. Herzoglich nassauisch Graflich Waldbott-Bassenheimsches Amt ) auf. Die Mediatisierten behielten eine eigene Rechnungskammer fur die Verwaltung der verbliebenen Domanen und Rechte. Bezuglich der Justizkanzleien der Mediatisierten wurde unterschiedlich verfahren. So wurden diese in Nassau (bis auf eine Ausnahme) abgeschafft und in Baden aufrechterhalten. Die Beamten der Mediatisierten mussten vom Landesherren bestatigt werden und wurden auf beide vereidigt.
  4. Die Aufteilung von Einnahmen und Schulden: Die Zahl und Struktur der Abgaben, die die Untertanen zahlen mussten, waren umfangreich und uneinheitlich. Diese mussten gemaß Artikel 27 der Rheinbundakte aufgeteilt werden. Entsprechend mussten die Schulden der Mediatisierten aufgeteilt werden, je nachdem ob sie fur ?souverane“ Aufgaben entstanden waren oder nicht.

Gerade der letzte Punkt fuhrte zu den meisten Auseinandersetzungen zwischen Landesherren und Mediatisierten. [2]

Mediatisierte Grafen- und Furstenhauser (?Standesherren“)

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Im Gothaischen Genealogischen Hofkalender (kurz ?Gotha“ genannt), dessen Inhalt heute dem Genealogischen Handbuch des Adels (Bandreihe Furstliche Hauser ) entspricht, wurden verschiedene Abteilungen gefuhrt. Im Folgenden wird eine der letzten Ausgaben in der Zeit des Deutschen Kaiserreichs ? die von 1917 ? zugrunde gelegt.

  • Erste Abteilung: alle regierenden (bis 1917/1918) europaischen ?Fursten (nebst allen zur Nachfolge berechtigten Zweigen ihrer Hauser) sowie der seit Anfang des 19. Jahrhunderts entthronten europaischen Furstenhauser“ (Premiere Partie ? Genealogie des Maisons Souveraines).
  • Zweite Abteilung: ?Genealogie der deutschen Standesherren, namlich der deutschen, vormals reichsstandischen, jetzt standesherrlich untergeordneten Furstlichen und Graflichen Hauser, denen das Recht der Ebenburtigkeit mit den regierenden Furstenhausern zusteht….“ (Deuxieme Partie ? Genealogie des Maisons seigneuriales mediatisees en Allemagne qui ont les droits d’egalite de naissance avec les maisons souveraines).

Folgende Hauser gehoren noch 1917/1918 zur Zweiten Abteilung:

  • Heinz Gollwitzer : Die Standesherren. Die politische und gesellschaftliche Stellung der Mediatisierten 1815?1918. 2., durchgesehene und erganzte Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Gottingen 1964.
  • Daniel Hohrath (Hrsg.): Das Ende reichsstadtischer Freiheit 1802. Zum Ubergang schwabischer Reichsstadte vom Kaiser zum Landesherrn. Begleitband zur Ausstellung ?Kronenwechsel“ . Kohlhammer, Stuttgart 2002, ISBN 3-17-017603-X .
  • Klaus-Peter Schroeder : Das alte Reich und seine Stadte. Untergang und Neubeginn. Die Mediatisierung der oberdeutschen Reichsstadte im Gefolge des Reichsdeputationshauptschlusses 1802/03 . Beck, Munchen 1991, ISBN 3-406-34781-9 .
  • Horst Tilch (Hrsg.): Munchener Rechts-Lexikon . Beck, Munchen 1987, ISBN 3-406-31090-7 .
  • Literatur ? Gothaischer Genealogischer Hofkalender nebst diplomatisch-statistischem Jahrbuche, 154. Jg., 1917, Gotha (Perthes)

Einzelnachweise

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  1. Den Sonderfall eines (erst 1806) mediatisierten freiherrlichen Hauses stellen die Boyneburg-Bommelberg mit ihren reichsstandischen Herrschaften Erolzheim und Gemen dar; ebenso die Reichsfreiherren Grote zu Schauen .
  2. Harry Muzing: Die Mediatisierung der ehemaligen reichsunmittelbaren Standesherren und Reichsritter im Herzogtum Nassau . Diss. 1980, S. 80?126.
  3. Die reichsunmittelbare Linie Limburg-Styrum-Gemen erlosch 1800 und wurde durch die Freiherren von Boyneburg -Bomelberg beerbt, die 1806 an das Furstentum Salm mediatisiert wurden. Die Linie Limburg-Styrum-Styrum wurde mit ihrer Herrschaft Oberstein 1806 bei Bildung des napoleonischen Rheinbunds an das Großherzogtum Berg mediatisiert und erlosch 1809, zahlt daher zu den mediatisierten Reichsgrafen, aber spater nicht mehr zu den Standesherren im Deutschen Bund .
  4. Die Ostein wurden fur das linksrheinische Schloss Myllendonk beim Reichsdeputationshauptschluss 1803 mit dem sakularisierten Kloster Buxheim entschadigt, das nach dem Aussterben der reichsunmittelbaren Linie 1809 an die Grafen Waldbott von Bassenheim fiel. Daher keine Standesherren im Deutschen Bund mehr.