Martin Eichler
Martin Maximilian Emil Eichler
(*
29. Marz
1912
in
Pinnow
; †
7. Oktober
1992
in
Arlesheim
bei
Basel
,
Schweiz
) war ein deutscher
Mathematiker
, der sich mit
algebraischer Geometrie
und
Zahlentheorie
beschaftigte.
Er wurde als Sohn des Pfarrers Max Eichler in Pinnow im
Kreis Greifswald
in
Pommern
geboren und ging von 1923 bis 1930 auf ein Internats-Gymnasium im westfalischen
Gutersloh
. Ab 1930 studierte er Mathematik, Physik und Chemie in
Konigsberg
,
Zurich
(wo er unter dem Einfluss
Andreas Speisers
von seinem ursprunglichen Ziel Physiker zu werden Abstand nahm) und ab 1932 in
Halle
, wo er 1936 bei
Heinrich Brandt
mit
Untersuchungen uber die Zahlentheorie der rationalen
Quaternionenalgebren
promovierte. Er war zunachst Assistent in Halle, wurde aber von den nationalsozialistischen Behorden als politisch unsicherer Kandidat wieder entlassen.
Helmut Hasse
verschaffte ihm eine Stelle als Editor der Neuausgabe der Enzyklopadie der Mathematischen Wissenschaften und holte ihn schließlich als Assistent nach
Gottingen
, wo er sich 1939 habilitierte. Wahrend der Kriegsjahre arbeitete er in der
Heeresversuchsanstalt Peenemunde
und an der
TU Darmstadt
an Differentialgleichungsproblemen aus der
Aerodynamik
. 1947 ging er wieder nach Gottingen, verbrachte aber die nachsten beiden Jahre bei der Versuchsanstalt der Royal Aircraft in
Farnborough
in England. 1949 wurde er außerordentlicher Professor an der
Westfalischen Wilhelms-Universitat
in
Munster
und 1956 ordentlicher Professor in
Marburg
. 1959 folgte er einem Ruf als Nachfolger von
Alexander Ostrowski
nach
Basel
.
Eichler beschaftigte sich zunachst mit der Struktur und Arithmetik von
Quaternionenalgebren
und mit der Theorie
quadratischer Formen
(die Verallgemeinerung seiner Untersuchung uber Quaternionenalgebren), uber die er 1952 das Buch
Quadratische Formen und orthogonale Gruppen
schrieb. Ab den 1950er Jahren war sein Hauptarbeitsgebiet die Theorie der
Modulformen
. 1954 bewies er die
Ramanujan-Petersson-Vermutung
fur Modulformen vom Gewicht 2 (eine Abschatzung der
Fourierkoeffizienten
der Modulformen, den allgemeinen Fall bewies spater
Pierre Deligne
). Eichler bewies fur den Raum der Modulformen vom Gewicht k = 2 eine von
Erich Hecke
formulierte Vermutung uber die Basisfunktionen dieses Raumes (?Basisproblem“) und bewies eine Spurformel fur die Wirkung von
Hecke-Operatoren
in diesem Raum. Fur hohere k gab er eine Berechnungsmoglichkeit der Spur durch Heranziehung von Integralen von Modulformen (?kohomologische“ Methoden, Eichler-Shimura Theorie, nach
Gor? Shimura
, der dies verallgemeinerte). Noch in den 1980er Jahren schrieb er mit
Don Zagier
eine Monographie uber
Jacobiformen
.
In den 1960er Jahren befasste er sich auch mit Arbeiten zum
Satz von Riemann-Roch
, fur den er im Bereich der
Funktionenkorper
einer Variablen eine Analogie zum Linearformen-Satz von
Minkowski
in der
Zahlentheorie
aufzeigte.
Eichler war ab 1978 korrespondierendes Mitglied der
Akademie der Wissenschaften
in Gottingen
[1]
und Ehrendoktor der
Westfalischen Wilhelms-Universitat Munster
.
Er war seit 1947 mit Erika Paffen verheiratet (die er in
Peenemunde
kennenlernte) und hatte zwei Sohne, einer davon ist der Physiker
Ralph Eichler
.
- Martin Kneser
Martin Eichler (1912?1992)
,
Acta Arithmetica
, Band 65, 1993, S. 293?296.
- Jurg Kramer
Leben und Werk von Martin Eichler
, Elemente der Mathematik, Band 49, 1994, S. 45?60.
Uberarbeitete Fassung, PDF
- Quadratische Formen und orthogonale Gruppen
, Springer 1952, 1974
- Einfuhrung in die Theorie der algebraischen Zahlen und Funktionen
, Birkhauser 1963 (englische Ubersetzung 1966, in dem Buch werden auch Modulformen behandelt)
- Projective varieties and modular forms
, Lecture notes in mathematics 210 (Kurs University of Maryland 1970), Springer 1971 (Riemann-Roch Satz)
- mit
Don Zagier
The Theory of Jacobi forms
, Birkhauser 1985
- Uber die Einheiten der Divisionsalgebren
, Mathematische Annalen, Band 114, 1937, S. 635?654.
- Neuere Ergebnisse der Theorie der einfachen Algebren
, Jahresbericht DMV, Band 47, 1937, S. 198?220.
- Zur Algebra der orthogonalen Gruppen
Mathematische Zeitschrift, Band 53, 1950, S. 11?20.
- Zur Zahlentheorie der Quaternionenalgebren
, J. Reine Angew. Math. (Crelle J.), Band 195, 1956, S. 127?151, mit errata Band 197, 1957, S. 220.
- Quaternare quadratische Formen und die Riemannsche Vermutung fur die Kongruenz-Zetafunktion
, Archiv Math., Band 5, 1954, S. 355?366 (Ramanujan-Petersson Vermutung)
- Eine Verallgemeinerung der Abelschen Integrale
, Mathematische Zeitschrift, Band 67, 1957, S. 267?298.
- ders.
Quadratische Formen und Modulfunktionen
Acta Arithmetica, Band 4, 1958, S. 217?239.
- Eine Vorbereitung auf den Riemann-Rochschen Satz fur algebraische Funktionenkorper
, J. Reine Angew. Math. (Crelle J.), Band 214/215, 1964, S. 268?275.
- Eichler
Einige Anwendungen der Spurformel im Bereich der Modularkorrespondenzen
, Mathematische Annalen, Band 168, 1967, S. 128?137 (Eichler-Shimura Theorie)
- Eichler
Eine Spurformel von Korrespondenzen von algebraischen Funktionenkorpern mit sich selber
, Inventiones Mathematicae, Band 2, 1967, S. 274?300 mit Korrektur Inv. Math., Band 3, 1967, S. 245?256.
- ders.
The basis problem for modular forms and the traces of the Hecke operators.
In: Modular functions of one variable I, Lecture notes Mathematics 320, Springer, 1973, S. 75?152 (Korrektur in Modular functions of one variable IV, Lecture Notes in Mathematics 476, Springer 1975, S. 145?147)
- ↑
Holger Krahnke:
Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Gottingen 1751?2001
(=
Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Gottingen, Philologisch-Historische Klasse.
Folge 3, Band 246 =
Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Gottingen, Mathematisch-Physikalische Klasse.
Folge 3, Band 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Gottingen 2001,
ISBN 3-525-82516-1
, S. 74.