Marie Anderson
(*
2. August
1842
in
Den Haag
; †
1912
oder
1917
), auch
Anna Maria Anderson
, war eine
niederlandische
Schriftstellerin
und
Frauenrechtlerin
.
Im deutschen Sprachraum ist Anderson vor allem als Briefpartnerin des humoristischen Dichters und Zeichners
Wilhelm Busch
bekannt: Vom Januar bis Oktober 1875 gab es zwischen beiden einen intensiven Briefwechsel, in dem der sonst verschlossene Wilhelm Busch sich ausfuhrlich zu unterschiedlichen Fragen wie
Wiedergeburt
, Nationalitat, Muttersprache, Erbsunde und Platons
Hohlengleichnis
außerte.
[1]
Von diesem Briefverkehr sind die Briefe Marie Andersons nicht erhalten, die Briefe Wilhelm Buschs dagegen haben in Abschriften uberdauert und wurden 1908 veroffentlicht. Sie sind heute eine wichtige Quelle der Wilhelm-Busch-Forschung.
Marie Anderson wurde 1842 in Den Haag geboren. Bereits ihre Mutter, eine geborene
van Goudoever
, verfasste Bucher und Zeitschriftenartikel.
[2]
Marie Anderson erhielt eine protestantische Erziehung, wandte sich aber bald nach ihrer Konfirmation von der Kirche ab. Sie schloss sich der
Niederlandischen Freidenkervereinigung
an und publizierte regelmaßig in den Zeitschriften dieser Vereinigung. Marie Anderson engagierte sich außerdem in der
Frauenbewegung
, im Kampf gegen den
Kolonialismus
und im
Tierschutz
.
Die moglicherweise
bisexuelle
Marie Anderson war groß und schlank gewachsen, entsprach aber mit ihrem unregelmaßigen Gesicht nicht konventionellen Schonheitsidealen. Anderson lebte einige Jahre in einer Kommune mit dem damals sehr bekannten hollandischen Schriftsteller
Eduard Douwes Dekker
zusammen, lernte dann den Universalgelehrten
Frederic Antonius Hartsen
kennen, mit dem sie ahnlich wie spater mit Wilhelm Busch uber Briefe Kontakt aufgenommen hatte. Aus der Beziehung mit Hartsen ging ein Sohn hervor. Allerdings trennte sich Hartsen kurz nach der Geburt von Marie Anderson. Sie zog 1872 zu Dekker zuruck, der mittlerweile in
Wiesbaden
lebte. Die Jahre in Wiesbaden zahlen zu den produktivsten Jahren im Leben Marie Andersons. Sie schrieb mehrere Romane und Kurzgeschichten, die sich uberwiegend mit historischen Themen beschaftigten, sowie mehrere Sachbucher, darunter eines uber
Prostitution
.
Im Januar 1875 nahm sie brieflichen Kontakt zu Wilhelm Busch auf. Sie gehorte zu den wenigen, die sich lobend uber Buschs
Kritik des Herzens
außerten, und plante außerdem, das Buch fur eine hollandische Zeitung zu rezensieren.
[3]
Busch reagierte euphorisch auf ihren Brief; zwischen Januar und Oktober 1875 wechselten sie uber funfzig Briefe. Anderson scheint eine unermudliche Fragerin gewesen zu sein, die Busch motivierte, sich zu Fragen der Philosophie, Religion und Moral zu außern.
[4]
Im Oktober 1875 kam es in
Mainz
zu einer Begegnung zwischen den beiden.
[5]
Nach dem Ausflug kehrte Busch in
furchterlicher Stimmung
zu seinem Verleger
Otto Friedrich Bassermann
nach
Heidelberg
zuruck. Aus dessen Erinnerungen ist uberliefert, dass mehrere Familienmitglieder die Ursache fur Buschs auffalliges Verhalten in einer missgluckten Brautschau vermuteten. Es gibt tatsachlich keine Hinweise darauf, dass Wilhelm Busch nach dem Kontakt mit Marie Anderson noch eine nahere Beziehung mit einer Frau anstrebte.
[6]
Der Briefwechsel wurden danach noch eine Zeit lang mit deutlicher Reserve und großer werdenden Zeitabstanden fortgesetzt und endete nach drei Jahren ganz.
Zu einem letzten brieflichen Kontakt zu Busch kam es 1902. Anderson war zu diesem Zeitpunkt in den Niederlanden eine bekannte
feministische
Schriftstellerin. Nachdem Dekker 1887 verstorben war, hatte sie sich ganz auf ihren Sohn Friedrich konzentriert, der Musiker geworden war. Sie stieß sich sehr an der Ehe ihres Sohnes und engagierte sich vor allem im Tierschutz.
- Open brief aan Mevr. Storm-Van der Chijs.
R. C. Meijer, Amsterdam 1868, (
Digitalisat
).
- als Beitragerin in:
Geen Vrouwen-emancipatie? Een Woord aan Mevr. de Wed. Storm, v. d. Chijs. Naar Aanleiding van den Open Brief van zekere Mevr. Calmee.
Door een Lid van het Xde Taal- en Letterkundig Congres. Met een Naschrift over het Schrijven van Marie Anderson. C. L. Brinkman, Amsterdam 1868, (
Digitalisat
).
- Dr. F. van Goudoever (Pseudonym fur Anna Maria Anderson):
De vrouw. Haar verleden, heden en toekomst. Bijdrage tot oplossing van het prostitutie-vraagstuk.
A. van Klaveren, Amsterdam 1889.
- Wider das dritte Geschlecht. Ein Wort zur Aufklarung uber das kontrare Sexualempfindung und die Abschaffung des § 175 des R. St. G. B.
H. Bermuhler, Berlin 1903.
- als Ubersetzerin mit
Multatuli
:
Leopold von Sacher-Masoch
:
Maria Theresia en de vrijmetselaars. Historische novelle.
Van Marle, Arnhem 1876, (Originalausgabe:
Maria Theresia und die Freimaurer
(=
Wiener Hofgeschichten. Historische Novellen.
Bd. 1). Gunther, Leipzig 1873).
- Veritas (Pseudonym fur Anna Maria Anderson):
Multatuli-Wespen.
A. van Klaveren, Amsterdam 1888, (
Digitalisat
).
- Uit Multatuli's leven. Bijdrage tot de kennis van zijn karakter.
Daniels, Amsterdam 1901, (
Digitalisat des ?Derde Druk“
; Reprint mit Einleitung und Anmerkungen von J. Kortenhorst. Reflex, Utrecht 1981).
- Wilhelm Busch
:
Wilhelm Busch an Maria Anderson. Siebzig Briefe.
Volckmann Nachf., Rostock 1908, (
Digitalisat der 2. Auflage. 1908
).
- Wilhelm Busch:
Platonische Briefe an eine Frau
(=
Insel-Bucherei.
Nr. 358,
ISSN
0233-1047
). (Nachwort und Herausgeber:
Hans Balzer
). Insel-Verlag, Leipzig 1942.
- Tristan Haan:
Multatuli's Legioen van Insulinde. Marie Anderson, Dek en de anderen
(=
De nieuwe Engelbewaarder.
8). Lubberhuizen, Amsterdam 1995,
ISBN 90-73978-26-2
.
- Joseph Kraus:
Wilhelm Busch. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten dargestellt
(=
Rowohlts Monographien.
50163). 17. Auflage. Rowohlt-Taschenbuch-Verlag, Reinbek bei Hamburg 2007,
ISBN 978-3-499-50163-0
.
- Eva Weissweiler
:
Wilhelm Busch. Der lachende Pessimist. Eine Biographie.
Kiepenheuer & Witsch, Koln 2007,
ISBN 978-3-462-03930-6
.
- ↑
Weissweiler, S. 236
- ↑
Weissweiler, S. 237 und S. 238
- ↑
Kraus, S. 57
- ↑
Kraus, S. 58
- ↑
Ein kurzer Brief Wilhelm Buschs vom 1. Oktober 1875 enthalt eine Verabredung fur den 6. des Monats
- ↑
Weissweiler, S. 252 und S. 253