Marcel Marceau, 1977
Marcel Marceau, 1963
Marcel Marceau mit 81 Jahren, Dresden 2004
Marcel Marceau
(*
22. Marz
1923
in
Straßburg
,
Frankreich
; †
22. September
2007
in
Cahors
, eigentlich
Marcel Mangel
) war ein Mitglied der franzosischen
Resistance
und franzosischer
Pantomime
. Dem Publikum war er als ?Bip“ vertraut, der
tragikomische
Clown
im Ringelhemd mit dem weiß geschminkten Gesicht, dem zerbeulten
Seidenhut
und der roten
Blume
.
Geburtshaus in der Petite rue des Magasins in Straßburg
Marcel Marceau wuchs in Straßburg als Sohn des judischen
Metzgers
,
Vorbeters
und Sangers Karl (Kalman) Mangel und der Anna geb. Werzberg
[1]
auf. Schon wahrend seiner Jugend fiel er dadurch auf, dass er wenig sprach und seine Eindrucke und Ideen lieber durch
Mimik
und
Gestik
ausdruckte. Die
Stummfilm
-Stars wie
Charlie Chaplin
und
Buster Keaton
weckten schon fruh sein Interesse fur die
Schauspielbuhne
, um die ?Kunst der
Stille
“
(L’Art du Silence)
zu seinem
Beruf
zu machen. Der Besuch der
Schauspielschule
wurde aber durch den
Zweiten Weltkrieg
zunachst unmoglich.
Bei Kriegsausbruch 1940 musste seine Familie fliehen. 1942 schloss sich Marcel gemeinsam mit seinem Bruder Simon (Alain) in
Limoges
einer Gruppe der
franzosischen Widerstandsbewegung
an, welche spater Teil der Widerstandsorganisation
Francs-tireurs et partisans
(FTP) wurde. Hier hatte er Passe zu falschen.
[2]
Auch fur sich selbst fertigte er einen Ausweis auf den neutralen Namen
Marceau
an und behielt diesen Namen nach dem Krieg zur Erinnerung bei. Ab 1943 half er drei Mal, judische Kinder in die Schweiz zu schmuggeln. Spater kampfte er als Angehoriger der franzosischen Armee gegen die deutschen Besatzer. Wegen seiner guten Englischkenntnisse wurde er Verbindungsoffizier zur
3. US Army
unter General
George S. Patton
.
Sein Vater Charles wurde im Februar 1944 von der Polizei des
Vichy-Regimes
in Limoges verhaftet, uber
Drancy
nach
Auschwitz
deportiert und dort ermordet.
[3]
1946 begann Marceau seine Ausbildung im
Pariser
Sarah-Bernhardt
-Theater.
Seine Lehrer waren
Charles Dullin
und
Etienne Decroux
, der auch
Jean-Louis Barrault
unterrichtete. An der Seite von Barrault und Madeleine Renaud spielte Marceau in der Compagnie Barraults auf der Buhne den ?
Harlekin
“ in der Pantomime
Baptiste
nach dem
Film
Kinder des Olymp
.
Die positive Kritik ermutigte ihn, eigene
Mimodramen
aufzufuhren. 1947, im Alter von 24 Jahren, trat Marceau in Paris zum ersten Mal als ?Monsieur Bip“ auf. In dieser Rolle, die ihn weltberuhmt machte, tourte er uber 40 Jahre lang um den Globus.
Die von ihm gegrundete
Compagnie de Mime Marcel Marceau
war einzigartig auf der Welt und fuhrte zahlreiche bekannte
Theaterstucke
als Mimodramen auf, unter anderem
Gogols
Der Mantel
(mit
Soubeyran
) und
Tirso de Molinas
Don Juan.
Seinen internationalen Durchbruch schaffte er schließlich in der Bundesrepublik Deutschland. 1951 plante er ein viertagiges Gastspiel in
Berlin
, blieb dann aber fur zwei Monate. Zu seinen Auffuhrungen kamen auch
Bertolt Brecht
und der Kritiker
Friedrich Luft
, der hinterher schrieb: ?Marceau macht eine neue Kunst, das muss man gesehen haben.“ Zu dieser Zeit entstanden unter der Regie von
Wolfgang Schleif
auch mehrere Kurzfilme bei der
DEFA
mit Marceau als Hauptdarsteller.
Ahnlich erging es ihm 1955 bei seiner ersten USA-Tournee. Aus einem zweiwochigen Gastspiel wurde eine sechsmonatige Erfolgstournee zwischen
Broadway
und
Hollywood
. In dieser Zeit lernte er auch seine Idole
Charles Laughton
,
Buster Keaton
,
Stan Laurel
,
Oliver Hardy
und die
Marx Brothers
personlich kennen. Seinem großten Vorbild,
Charlie Chaplin
, begegnete er 1967 am Pariser Flughafen Orly. Seit den 1960er Jahren wurde er auch durch Solo-Auftritte uber das Fernsehen bekannt. Im spateren Kult-Science-Fiction-Film
Barbarella
des franzosischen Regisseurs
Roger Vadim
aus dem Jahr 1968 spielte er den Professor Ping.
Neben seinen Tourneen und Fernsehauftritten setzte Marceau sich fur die Ausbildung des kunstlerischen Nachwuchses ein. 1978 grundete er mit Hilfe des damaligen Pariser Burgermeisters
Jacques Chirac
die Schauspielschule
Ecole Internationale de Mimodrame de Paris, Marcel Marceau,
in der als Facher neben der Pantomime auch die
mime corporel dramatique
von
Etienne Decroux
,
Schauspiel
, Klassischer
Tanz
und
Fechten
angeboten wurden. Mit den besten Absolventen bildete er 1993 eine neue Truppe, die
Nouvelle Compagnie de Mimodrame.
Ferner gehorte er seit 1950 dem internationalen
Salzburg Seminar
an, das er durch mehrere kunstlerisch sensationelle Benefiz-Veranstaltungen personlich finanziell unterstutzte.
Erfolg hatte Marceau auch als
Maler
und
Zeichner
. Seine Werke wurden unter anderem in Deutschland, Frankreich,
Japan
und in den
USA
gezeigt. Zudem schrieb und illustrierte er mehrere Bucher, darunter
Die Geschichte des Bip
und
Pimporello,
die Geschichte eines alten Straßenmimen und dessen Zuneigung zu einem kleinen verwilderten Madchen, eine
Hommage
an Charlie Chaplins
The Kid
.
Marcel Marceau starb 2007 im Alter von 84 Jahren in Cahors. Wahrend der Beisetzungszeremonie, zu der sich etwa 300 Personen auf dem Pariser Friedhof
Pere Lachaise
zusammenfanden, wurde Marceaus Hut mit der roten Blume auf einem Tisch niedergelegt. Der ehemalige Oberrabbiner Frankreichs
Rene-Samuel Sirat
sprach Gebete in hebraischer und in franzosischer Sprache.
Marceau schloss drei Ehen, die alle drei geschieden wurden. Aus der Verbindung mit Huguette Mallet gingen die Sohne Michel und Baptiste hervor. Danach heiratete er die polnische Tanzerin und
Choreografin
Ella Jaroszewicz
, Grunderin und Leiterin des Pariser Pantomimenstudios Magenia und des gleichnamigen Ensembles. Der dritten Ehe mit Anne Sicco entstammen die beiden Tochter Camille und Aurelia.
Im Laufe seiner Karriere hatte Marceau die Themen und Ausdrucksmoglichkeiten der Pantomime standig erweitert und seinem Publikum in den beruhmten
Pantomimes de Style
vorgefuhrt. Zum festen Repertoire gehorten unter anderem
Die Erschaffung der Welt;
Das Tribunal;
Der Maskenmacher;
Die Treppe;
Im Volksgarten;
Der Vogelfanger;
Der Gerichtshof;
Die Hande ? Kampf zwischen Gut und Bose;
Jugend, Reife, Alter, Tod;
Der Alptraum des Taschendiebs;
Die Burokraten
und
Der Marsch gegen den Wind.
Er bezeichnete seine pantomimischen Bilder auch als ?Schreie der
Stille
“ und verstand sie als Moglichkeit, die Unbeholfenheit des Menschen auszudrucken.
Marceau beeinflusst bis heute zahlreiche Kunstler aus allen Genres, durch die ihm eigene Art gilt er als Erneuerer der Pantomime.
Samuel Beckett
inspirierte er zum pantomimischen Finale im
Endspiel
.
Samy Molcho
,
Milan Sladek
und
Jango Edwards
betonten seinen Einfluss auf ihre Karriere. Deutsche Mimen wie
JOMI
,
Peter Makal
und
Rolf Mielke
haben bei ihm gelernt. Der Schauspieler
Anthony Hopkins
und der Tanzer
Rudolf Nurejew
beriefen sich auf ihn als Vorbild.
Michael Jackson
wurde zum
Moonwalk
, der spater zu seinem Markenzeichen wurde, durch den von Marceau kreierten
Marsch gegen den Wind
inspiriert. Diesen fuhrte Marceau auch 1976 in der
Stummfilm
-Hommage
Silent Movie
von
Mel Brooks
auf. (In diesem Film war Marceau ironischerweise der einzige Darsteller, der ein Wort spricht, namlich ?Non!“)
Noch 2005 ging der uber 80-jahrige Pantomime auf Tournee. In seiner Pariser Schule gab er nach wie vor Meisterkurse und nahm samtliche Premieren ab. Dabei beharrte er auf dem wichtigsten Merkmal seiner Korperkunst:
- ?Der Filmschauspieler muss vergessen machen, dass er spielt. Der Pantomime darf das nicht, er muss in bestandiger Anspannung sein.“
[4]
- ?Die Pantomime ist die Kunst der Haltung.“
[5]
Der im Oktober 2021 in Deutschland veroffentlichte Film
Resistance ? Widerstand
des venezolanischen Regisseurs
Jonathan Jakubowicz
uber das Wirken Marceaus im Zweiten Weltkrieg erfuhr wegen des sehr freien Umgangs mit der historischen Wirklichkeit eine kritische Aufnahme. Marceaus Nachkommen haben sich von dem Film distanziert.
[6]
- Die Geschichte von Bip
(?The story of Bip“). Annette Betz Verlag, Munchen 1976,
ISBN 3-7641-0064-8
.
- Pimporello
. Owen Books, London 1991,
ISBN 0-7206-0813-9
.
- Bip in a Book
. Stewart, Tabori & Chang, New York 2001,
ISBN 1-58479-130-6
.
- Marcel Marceau ? Die Kunst der Pantomime
.
Absolut Medien
, 2019, DVD-Edition der DEFA-Filme mit Marcel Marceau,
ISBN 978-3-8488-3016-9
.
[8]
- Wolf Gaudlitz:
Marcel Marceau ? Von Stille bewegt. Der große Pantomime im Gesprach mit Wolf Gaudlitz; ein Portrait
. Verlag Audio-Buch, Freiburg/B. 2007,
ISBN 978-3-89964-251-3
(2 CDs).
- Rene Pikarski:
Marcel Marceau (1923?2007): Der Pantomime zu Gast bei der DEFA ? Ein Interview mit Barbara Barlet.
In: Leuchtkraft ? Journal der DEFA-Stiftung, Onlineveroffentlichung 2018, abrufbar als
PDF
(S. 94?100) von
DEFA-Stiftung
, zuletzt abgerufen am 11. Februar 2021.
- ↑
vgl. Gedenkblatter bei Yadvashem (Jerusalem) fur Karl Mangel
- ↑
?Marcel Marceau dies aged 84“
,
The Guardian
, 23. September 2007
- ↑
vgl. Bui/Monnin: Ils sont devenus francais. Paris : Lattes, 2010. S. 436 ff.
- ↑
?Der Bildhauer des Augenblicks“
,
Die Zeit
, 1. Juli 2004, Nr. 28
- ↑
?Adieu - ein Star der Stille ging“
,
Suddeutsche Zeitung
, 23. September 2007
- ↑
Hannoversche Allgemeine Zeitung
, 14. Oktober 2021
- ↑
Jens:
Marcel Marceau: Animiertes Google-Doodle zum 100. Geburtstag des legendaren Pantomime-Kunstlers.
22. Marz 2023,
abgerufen am 22. Marz 2023
(deutsch).
- ↑
Marcel Marceau - Die Kunst der Pantomime.
Absolut Medien
,
abgerufen am 11. Februar 2021
.