Marc Isambard Brunel
Sir
Marc Isambard Brunel
(*
25. April
1769
in
Hacqueville
,
Normandie
(heute im
Departement Eure
); †
12. Dezember
1849
in
London
) war ein franzosisch-britischer
Ingenieur
,
Architekt
und
Erfinder
. Er erbaute den ersten Tunnel unter der
Themse
und war der Vater des Eisenbahn- und Schiffsingenieurs
Isambard Kingdom Brunel
.
Brunel wurde in Hacqueville bei
Gisors
in der Normandie geboren, wo seine Familie schon seit Generationen Land bebaut hatte. Er wurde von seinen Eltern fur eine kirchliche Laufbahn bestimmt und im Alter von acht Jahren auf das
College
in Gisors gegeben, um dort die erforderliche
humanistische
Bildung zu erwerben. Brunel zeigte allerdings wenig Neigung zu den klassischen Fachern, sondern interessierte sich schon in diesem Alter mehr fur Mechanik und Zeichnen. Im Alter von elf Jahren kam er in das Seminar
Saint-Nicaise
in
Rouen
und fasste den Entschluss, sich fur die Aufnahme in die Marine zu qualifizieren. Nachdem er sich einige Zeit mit Zeichnen und
Hydrographie
beschaftigt hatte, erhielt er durch den Marineminister
Charles Eugene Gabriel de La Croix de Castries
eine Stelle auf der nach diesem benannten
Korvette
, auf der er die nachsten sechs Jahre blieb. Zu Beginn seiner ersten Reise zu den
westindischen Inseln
konstruierte er einen
Quadranten
, der so genau war, dass er ihn wahrend seiner gesamten Zeit als Seemann benutzte.
1792 wurde das Schiff abgemustert und Brunel ging zu Beginn des Jahres 1793 nach
Paris
, musste aber die Stadt wegen seiner offen geaußerten royalistischen Einstellung bald wieder verlassen. Er kehrte nach Rouen zuruck, war aber auch hier gefahrdet und besorgte sich einen Pass nach Amerika. Er verließ das revolutionare Frankreich am 7. Juli und kam am 6. September 1793 in
New York
an.
In Amerika entschied sich Brunel endgultig fur einen technischen Beruf. Er erhielt zunachst eine Anstellung bei der Vermessung eines großen Stucks Land am
Ontariosee
und danach bei der Vermessung eines geplanten Kanals zwischen dem
Hudson River
und dem Champlain-See. Die Leitung des Vermessungsteams lag zunachst in der Hand eines anderen franzosischen Emigranten, wurde dann aber, als die technischen Schwierigkeiten immer großer wurden, an Brunel ubertragen.
Nach einigen weiteren Auftragen gewann Brunel den Wettbewerb zur Planung eines neuen Rathauses in
Washington
gegen mehrere professionelle Architekten, wenn auch sein Entwurf aus Kostengrunden nicht realisiert wurde. Er wurde außerdem ausgewahlt, das
Bowery
-Theater in New York zu entwerfen, und leitete auch die Bauarbeiten. Das Theater brannte 1821 nieder.
Brunel wurde nun zum Chefarchitekten der Stadt New York ernannt und erhielt den Auftrag, ein Arsenal und eine Kanonengießerei zu errichten. Nachdem er einen Plan zur maschinellen Fabrikation von
Schiffsblocken
in großem Stil ausgearbeitet hatte, reiste er am 20. Januar 1799 nach England ab, um seine Plane der britischen Regierung vorzulegen.
Im Marz in England angekommen, heiratete er kurze Zeit darauf Sophia Kingdom, die er noch wahrend seiner Zeit in Frankreich kennen gelernt hatte.
Im Mai 1799 erhielt Brunel sein erstes Patent fur ein Schreib- und Zeichengerat in der Art eines
Pantographen
und konstruierte etwa zur gleichen Zeit eine Maschine zur Produktion von Baumwollfaden, die in den Fabriken haufig eingesetzt wurde, Brunel aber keinen Gewinn brachte, da er es versaumt hatte, sich die Erfindung patentieren zu lassen. Er machte noch einige weitere sinnreiche Erfindungen von geringerer Bedeutung, die ihm aber außer der Anerkennung seiner technischen Fertigkeiten alle keinen materiellen Gewinn brachten. Bei der Konstruktion eines Sagegatters zur rationellen Herstellung von Seilkloben hatte er sich rechtzeitig die Kooperation
Henry Maudslays
gesichert und erhielt nach der Fertigstellung der Zeichnungen und der funktionsfahigen Modelle 1801 ein Patent darauf.
Brunel stellte seine Plane der
Admiralitat
vor, die sie an Sir
Samuel Bentham
, den Generalinspekteur der Marinefabriken, weiterleitete. Nach langen Verhandlungen und Verzogerungen wurden Brunels Plane im Mai 1803 schließlich akzeptiert und er erhielt den Auftrag, seine Maschinen in der Marinewerft in
Portsmouth
aufzubauen, was 1806 abgeschlossen war. Das System bestand aus 43 einzelnen Maschinen, die die verschiedenen Fertigungsprozesse zur Produktion von Seilkloben, die bisher von Hand angefertigt wurden, maschinell ausfuhrten. Mit Hilfe der Maschinen konnten zehn Arbeiter dieselbe Arbeit ausfuhren, fur die bisher 100 Handwerker gebraucht wurden. Die Seilkloben waren von besserer Qualitat als die in Handarbeit hergestellten und die finanzielle Ersparnis war enorm, sie wurde auf 24.000 Pfund pro Jahr geschatzt. Brunel hatte sich zur Ausfuhrung seiner Plane in große Kosten gesturzt, aber die Anerkennung seiner Anspruche durch die Regierung kam nur zogernd. Er erhielt schließlich als Kompensation 17.000 Pfund.
Von 1805 und 1812 war Brunel dann vorwiegend damit beschaftigt, Maschinen fur die Bauholzproduktion zu konstruieren und zu verbessern. Er baute auf eigene Kosten mehrere Sagemuhlen in
Battersea
und erhielt 1811 einen Regierungsauftrag zur Errichtung von Sagemuhlen und anderen Maschinen in
Woolwich
.
In den folgenden Jahren fuhrte er in großem Umfang Verbesserungen bei der Holzverarbeitung in der Marinewerft in
Chatham
durch und erbaute eine eiserne Schienenstrecke zum Transport der Holzer von einem Ende der Werft zur anderen. Er errichtete außerdem eine Schuhfabrik fur die Armee. Da aber 1815 der Krieg beendet war, erlitt Brunel einen großen finanziellen Verlust.
1812 macht Brunel erste Experimente mit Dampfsteuerung auf der Themse und setzte sich fur eine Dampferlinie zwischen London und
Margate
ein. Zwei Jahre spater schlug er dem Marineamt vor, die Segler mit Hilfe von Schleppdampfern aufs offene Meer zu schleppen und machte auf eigene Kosten Experimente, um seetaugliche Dampfschiffe entsprechender Große zu bauen. Aber das Marineamt widerrief nach sechs Monaten seine Zustimmung und die Kostenzusage, da man seine Versuche fur ?zu phantastisch“ und undurchfuhrbar hielt. Brunel erhielt daraufhin noch einige weitere Patente fur Erfindungen geringerer Bedeutung, die aber allesamt keinen Erfolg brachten, da ihm der notige Geschaftssinn fehlte, so z. B. 1816 eine Strickmaschine. 1820 entwarf er eine Brucke uber die
Seine
bei Rouen und eine Holzbrucke uber die
Newa
bei
Sankt Petersburg
, die aber beide nicht ausgefuhrt wurden. Sein Entwurf einer hurrikansicheren Brucke auf die Insel
Bourbon
dagegen wurde von der franzosischen Regierung angenommen und ausgefuhrt.
1814 waren Brunels Sagemuhlen in Battersea fast ganz durch ein Feuer zerstort worden. Von da an ging es durch Missmanagement mit dem finanziellen Erfolg des Unternehmens stetig bergab, bis es 1821 zur Krise kam und Brunel wegen seiner Schulden inhaftiert wurde. Nach einigen Monaten erhielt er auf Fursprache mehrerer einflussreicher Freunde von der Regierung 5.000 Pfund, um seine Schulden abzulosen und wurde daher wieder auf freien Fuß gesetzt.
Wahrend der nachsten Jahre konstruierte Brunel Sagemuhlen fur
Trinidad
und
Berbice
und erzielte einige Verbesserungen bei Marine-Dampfmaschinen und Schaufelradern. 1823 erarbeitete er Plane fur Schwingbrucken im Hafen von
Liverpool
und fuhrte drei Jahre spater schwimmende Piers ein. Er wurde bei vielen technischen Projekten dieser Zeit um seine Meinung gefragt, wahrend er selbst Experimente mit Flussiggasmotoren anstellte, fur die er viel Zeit und Geld opferte. Er konstruierte und patentierte auch eine Maschine, die auf seinem Prinzip beruhte, hatte aber auch damit keinen praktischen Erfolg, so dass der Plan schließlich aufgegeben wurde.
Brief von Marc Brunel an seine Enkelin Sophia Hawes, 10. Marz 1842, mit Bild des Themse-Tunnels im Briefkopf
Grab Brunels auf dem Kensal Green Cemetery
In den folgenden Jahren widmete er seine gesamte Energie dem Bau des
Thames Tunnel
in London. 1824 wurde unter der Schirmherrschaft des
Herzogs von Wellington
eine Gesellschaft gegrundet, mit dem Ziel, nach den von Brunel ausgearbeiteten Planen von
Rotherhithe
nach
Wapping
einen Tunnel unter der Themse zu graben. Brunel schlug vor, den Tunnel gleich als doppelten Bogengang in voller Ausdehnung vorzutreiben, statt zunachst einen kleineren Stollen anzulegen und diesen dann zu erweitern. Er wollte dazu eine Konstruktion verwenden, die er sich schon 1818 zusammen mit
Thomas Cochrane
hatte patentieren lassen. Diese Konstruktion bestand aus einem großen
Tunnelbohrschild
, der die gesamte Grabungsstelle abdeckte. Der Schild bestand aus 12 separaten Rahmen, die 36 Zellen zusammenhielten, in denen je ein Minenarbeiter arbeitete. Der Schild konnte je nach Grabungsfortschritt durch eine Schraube weiterbewegt werden.
Die Arbeiten begannen am 16. Februar 1825 in Rotherhithe und wurden wegen erheblicher technischer Probleme erst 1842 beendet. 1827 gab es einen Wassereinbruch, der mit Lehmsacken eingedammt werden konnte. 1828 gab es einen erneuten Wassereinbruch und im August des Jahres wurden die Arbeiten eingestellt. Der Tunnel blieb daraufhin sieben Jahre lang zugemauert. Nach Wiederaufnahme der Arbeiten kam es noch zu drei weiteren Wassereinbruchen, bis der Tunnel endlich im Marz 1843 fur die Offentlichkeit geoffnet werden konnte. Brunel reagierte auf diese Ruckschlage mit dem ihm eigenen Erfindungsreichtum und verfolgte die Arbeit mit unermudlicher Energie weiter, erlitt schließlich aber einen Schlaganfall und war teilweise gelahmt. Er erholte sich aber soweit wieder, dass er an der feierlichen Eroffnung teilnehmen konnte.
Der Tunnelbau hatte Brunels Krafte so weit erschopft, dass er sich danach weitgehend aus dem Berufsleben zuruckzog. 1845 erlitt er einen weiteren Schlaganfall und starb vier Jahre spater, am 12. Dezember 1849 und wurde am 17. des Monats auf dem
Kensal Green Cemetery
beigesetzt.
Brunel wurde 1814 zum Mitglied der
Royal Society
gewahlt und wurde 1832 unter der Prasidentschaft des Herzogs von Sussex deren Vizeprasident. 1826 wurde Brunel in die
Academie des sciences
[1]
und 1834 in die
American Academy of Arts and Sciences
gewahlt. Am 24. Marz 1841, kurz vor Fertigstellung des Tunnels, wurde er in
Buckingham Palace
von Konigin
Victoria
zum
Knight Bachelor
(?Sir“) geschlagen.
[2]
Er war korrespondierendes Mitglied des
Institut Francaise
und erhielt 1829 den Orden der
Ehrenlegion
. Er war außerdem Mitglied der koniglichen Akademie in
Stockholm
und vieler weiterer auslandischer wissenschaftlicher Gesellschaften. 1823 wurde er Mitglied des
Institute of Civil Engineers
, dessen Sitzungen er kontinuierlich besuchte und vor dem er viele Vortrage hielt. 1839 erhielt er fur seinen Bericht uber den beim Tunnelbau verwendeten Schild die Telford-Silbermedaille. 1845 wurde er zum Ehrenmitglied (
Honorary Fellow
) der
Royal Society of Edinburgh
gewahlt.
[3]
Brunel wurde im Dezember 1827 bei der Grundung des literarischen Vereins ?
Tunnel uber der Spree
“ in Berlin zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt, eine Auszeichnung, fur die er sich im Marz 1828 bei den Berliner Literaten hoflich bedankte.
Am 21. Marz 2011 veroffentlichte
Autodesk
eine neue Version von
Autodesk Inventor
, bei dem Brunels Name ihm zu Ehren Pate fur die firmeninterne Bezeichnung stand.
- ↑
Verzeichnis der Mitglieder seit 1666: Buchstabe B.
Academie des sciences,
abgerufen am 29. September 2019
(franzosisch).
- ↑
William Arthur Shaw:
The Knights of England.
Band 2, Sherratt and Hughes, London 1906, S. 343.
- ↑
Fellows Directory. Biographical Index: Former RSE Fellows 1783?2002.
Royal Society of Edinburgh, archiviert vom
Original
(nicht mehr online verfugbar) am
25. Oktober 2017
;
abgerufen am 13. Oktober 2019
.
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