Eine
Mobiustransformation
, manchmal auch
Mobiusabbildung
oder
(gebrochen) lineare Funktion
genannt, bezeichnet in der
Mathematik
eine
konforme Abbildung
der
Riemannschen Zahlenkugel
auf sich selbst. Sie ist benannt nach
August Ferdinand Mobius
.
Diskrete Gruppen von Mobiustransformationen werden als
Kleinsche Gruppen
bezeichnet.
Die allgemeine Formel der Mobiustransformation ist gegeben durch
- ,
wobei
komplexe Zahlen
sind, die
erfullen.
Mobiustransformationen sind
konform
(winkelerhaltend) und
kreistreu
(bilden Geraden und Kreise auf Geraden und Kreise ab).
Jede Mobiustransformation lasst sich zu einer eindeutigen Isometrie des dreidimensionalen
hyperbolischen Raumes
fortsetzen.
Durch die Erweiterung
der
komplexen Ebene
durch einen Punkt im
Unendlichen
ist die
Abbildung
unter der riemannschen Zahlenkugel auch fur den Wert
definiert, der auf
abgebildet wird.
wiederum wird fur
auf
abgebildet, ansonsten auf sich selbst.
Die
Umkehrabbildung
ist gegeben durch
.
Da mit
gilt, ist
wiederum eine Mobiustransformation.
Anwendung findet die Abbildung beispielsweise im Rahmen von Signalverarbeitungen bei der
bilinearen Transformation
, welche einen Bezug in der Systembeschreibung herstellt zwischen analogen, kontinuierlichen Systemen und digitalen, diskreten Systemen.
Eine Mobiustransformation kann durch eine geeignete Komposition aus Transformationen der folgenden drei Elementartypen gewonnen werden:
- Verschiebung (Translation): Die Verschiebung um den Vektor
wird durch die Abbildung
beschrieben.
- Drehstreckung: Mit der komplexen Zahl
(mit
) beschreibt die Abbildung
eine Streckung um den Faktor
kombiniert mit einer Drehung um den Winkel
.
- Sturzung (Inversion): Die Inversion wird durch die Abbildung
beschrieben. Fur ein Gitter lasst sich die Inversion wie folgt veranschaulichen:
Die reelle Achse
(einschließlich des Punktes Unendlich) sowie die imaginare Achse
(ebenso) werden dabei auf sich selbst abgebildet. Die anderen senkrechten und waagerechten Geraden werden in Kreise uberfuhrt, wobei die Geraden mit zunehmendem Abstand vom Koordinatenursprung in immer kleinere Kreise transformiert werden.
Da alle Geraden durch den ?unendlich fernen Punkt“ verlaufen, gehen alle diese Kreise durch den Koordinatenursprung. Umgekehrt werden alle Kreise, die den Ursprung enthalten, auf eine Gerade transformiert ? alle anderen Kreise werden wieder auf Kreise transformiert.
Eine Mobiustransformation
mit
lasst sich nun mittels der Darstellung
- mit
wie folgt aufbauen:
Die Menge aller Mobiustransformationen bildet eine
Gruppe
: Die Hintereinanderausfuhrung zweier Mobiustransformationen ist namlich wieder eine Mobiustransformation, ebenso ist die
inverse
Abbildung einer Mobiustransformationen eine solche. Diese Gruppe ist eine
Lie-Gruppe
und isomorph zur
: Jede komplexe 2×2-Matrix mit Determinante ungleich 0 ergibt eine Mobiustransformation, und zwei solche Matrizen stellen genau dann die gleiche Transformation dar, wenn sie komplexe Vielfache voneinander sind. Da
komplex vierdimensional ist und eine Dimension herausgeteilt wird, besitzt die Gruppe der Mobiustransformationen die
Dimension
3 uber
.
Zu drei gegebenen Punkten
auf der Riemannschen Zahlenkugel und deren Bildpunkten
lasst sich eine Mobiusabbildung
mit
fur
finden.
Eine einfache Moglichkeit ist es, zuerst
auf
abzubilden durch
bzw. die daraus resultierenden Matrix
und
auf
durch
bzw.
. Es ergibt sich fur
als zugehorige Matrix zu
:
Das ergibt dann
- .
Sonderfall: Hat eines der
und/oder eines der
den Wert
, dann muss dieser symbolisch als Faktor aus den Determinanten im Zahler und im Nenner zunachst ausgeklammert und dann gekurzt werden, ehe die eigentliche Rechnung beginnt. Beispielsweise verandert sich die Formel fur
zu
- .
Mobiustransformation als Automorphismus der riemannschen Zahlenkugel
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Diese Art von Transformationen ist wichtig in der
Funktionentheorie
, da jede
bijektive
konforme Abbildung der komplexen Ebene (mit Unendlich) auf sich selbst eine Mobiustransformation ist. Aquivalent dazu ist die Aussage, dass jede bijektive konforme Selbstabbildung
der
riemannschen Zahlenkugel
eine Mobiustransformation ist.
Aus diesem Grund ist die Gruppe der Mobiustransformationen auch genau die
Isometrie
gruppe des dreidimensionalen
hyperbolischen Raums
: Dieser besitzt als
Rand im Unendlichen
die riemannsche Zahlenkugel. Eine Isometrie des hyperbolischen Raumes entspricht eindeutig einer konformen bijektiven Selbstabbildung des Randes im Unendlichen und umgekehrt.
Die Beziehung zwischen Rand im Unendlichen und hyperbolischem Raum sieht man am einfachsten im
oberen Halbraummodell
.
Entsprechend erhalt man die Isometrien der hyperbolischen Ebene
als konforme Abbildungen der kompaktifizierten reellen Geraden
. Dies sind die reellen Mobiustransformationen, die wie oben nur mit
definiert sind. In anderen Worten: Es handelt sich um diejenigen Mobiustransformationen, welche die reelle Gerade ? und damit auch den oberen Halbraum der komplexen Zahlenebene ? auf sich abbilden.
Diskrete Untergruppen
von
bezeichnet man als
Kleinsche Gruppen
, diskrete Untergruppen von
als
Fuchssche Gruppen
.
Die Limesmenge einer Kleinschen Gruppe Γ ist eine Teilmenge der
riemannschen Zahlenkugel
, definiert als der Durchschnitt des
Randes im Unendlichen
mit dem
Abschluss
einer
Bahn
Γx, wobei x ein Punkt des hyperbolischen Raumes ist und die Definition der Limesmenge unabhangig vom gewahlten Punkt x ist.
Eine Kleinsche (Fuchssche) Gruppe heißt Kleinsche (Fuchssche) Gruppe 1. Art, falls die Limesmenge ganz
(bzw. ganz
) ist. Andernfalls handelt es sich um eine Kleinsche (Fuchssche) Gruppe 2. Art.
Zu den Kleinschen (Fuchsschen) Gruppen 1. Art gehoren insbesondere die sogenannten Gitter in
(bzw.
), d. h. diskrete Untergruppen Γ, fur die es einen
Fundamentalbereich
endlichen Volumens im drei- (bzw. zwei-) dimensionalen hyperbolischen Raum gibt. (Aquivalent: fur die der
Quotientenraum
des drei- bzw. zweidimensionalen hyperbolischen Raumes nach Γ endliches Volumen hat.)
Eine Mobiustransformation wird eindeutig dadurch festgelegt, dass man fur drei paarweise verschiedene komplexe Zahlen (oder unendlich) drei paarweise verschiedene Werte der Funktion festlegt.
Die Gruppe der Mobiustransformationen operiert
scharf dreifach transitiv
auf der riemannschen Zahlenkugel.
Neben der
Konformitat
der Mobiustransformationen und der Erhaltung des
Doppelverhaltnisses
ist die
Kreisverwandtschaft
eine weitere geometrische Invariante, d. h., Kreise auf der riemannschen Zahlenkugel werden
unter diesen Abbildungen auf Kreise auf der Sphare abgebildet; im Allgemeinen jedoch nicht punktweise. Ein interessantes Entscheidungskriterium liefert ein Satz aus der
Funktionentheorie
: Durch drei verschiedene Punkte der Sphare verlauft genau eine Kreislinie. Genau dann liegt ein Punkt P auf dieser speziellen Kreislinie, wenn das
Doppelverhaltnis
der vier Punkte reellwertig ist oder den Wert unendlich annimmt. Der Punkt P ist dann und nur dann einer der drei gegebenen, wenn das Doppelverhaltnis 0, 1 oder unendlich ist.
Die langenerhaltenden Mobiustransformationen der komplexen Ebene werden durch die elementaren
Isometrien
Verschiebungen (Translationen) und Drehung gegeben, also durch
mit
und
, wobei
und
komplexe Zahlen sind.
Die Isometrien auf der riemannschen Zahlenkugel konnen erzeugt werden durch die π-periodische Rotation
und die Drehung
, wieder mit
und
komplex.
Die Fixpunkte von
sind
und
, d. h.,
dreht die Zahlenkugel um die durch
und
gegebene Achse.
Die Fixpunkte von
sind 0 und ∞.
Durch mehrfache Anwendung konnen alle Isometrien auf der Zahlenkugel erzeugt werden. Die abstandserhaltenden Rotationen um die durch 1 und ?1 gegebene Achse werden zum Beispiel gegeben durch
Die Gruppe der Isometrien hat die
Dimension
3 uber dem Korper der reellen Zahlen. Dies gilt sowohl fur die Isometrien der Ebene als auch fur die Isometrien der riemannschen Zahlenkugel.
Eine Abbildung
heißt Mobiustransformation, wenn sie sich als Hintereinanderausfuhrung einer geraden Anzahl von Spiegelungen in Hyperebenen und/oder Spharen darstellen lasst. Insbesondere sind orientierungserhaltende
Ahnlichkeitsabbildungen
und die
stereographische Projektion
Beispiele von Mobiustransformationen.
Mobiustransformationen sind
konforme Abbildungen
. Fur
sind Mobiustransformationen genau diejenigen orientierungserhaltenden Abbildungen, die Hyperebenen und Spharen auf Hyperebenen und Spharen abbilden. Ahnlichkeitsabbildungen sind genau diejenigen Mobiustransformationen, die
auf sich abbilden.
- Kurt Endl,
Wolfgang Luh
:
Analysis. Eine integrierte Darstellung; Studienbuch fur Studierende der Mathematik, Physik und anderer Naturwissenschaften ab 1. Semester.
Band 3:
Funktionentheorie, Differentialgleichungen.
6., uberarbeitete Auflage. Aula-Verlag, Wiesbaden 1987,
ISBN 3-89104-456-9
, S. 53?87.
- Tristan Needham:
Anschauliche Funktionentheorie.
Oldenbourg, Munchen u. a. 2001,
ISBN 3-486-24578-3
, S. 141?209.
- Fritz Ruhs
:
Funktionentheorie.
2. Auflage. VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1971, S. 64?79.