Luigi Berlinguer

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Luigi Berlinguer (1994)

Luigi Berlinguer (* 25. Juli 1932 in Sassari , Sardinien ; † 1. November 2023 [1] in Siena ) war ein italienischer Rechtshistoriker und Politiker ( PCI , (P)DS , PD ). Er war von 1985 bis 1994 Rektor der Universitat Siena und von 1996 bis 2000 italienischer Bildungsminister. Von der Europawahl 2009 bis 2014 war er Mitglied des Europaischen Parlaments in der Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten (S&D).

Karriereanfang bis 1968

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
Luigi Berlinguer (um 1963)

Luigi Berlinguer war ein Cousin von Enrico Berlinguer , der von 1972 bis 1984 Generalsekretar der Kommunistischen Partei Italiens war und wesentlich die Stromung des Eurokommunismus pragte.

Nach einem Studium der Rechtswissenschaft , das er 1955 mit Bestnote beendete, war Berlinguer ab 1959 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universitat Sassari tatig und forschte unter anderem uber Domenico Alberto Azuni und die Geschichte des See- und Handelsrechts . Zugleich engagierte er sich schon wahrend seines Studiums politisch. Ab 1952 war er Vorsitzender der Federazione Giovanile Comunista Italiana , der Jugendorganisation der Kommunistischen Partei Italiens (PCI); 1956 wurde er in das sardinische Provinzialparlament, 1963 in das italienische Parlament ( Camera dei deputati ) gewahlt. Hier war er unter anderem im Ausschuss fur Verfassungsfragen tatig, wo er sich vor allem fur eine Schul- und Universitatsreform einsetzte.

Wissenschaftliche Laufbahn 1968 bis 1993

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

1968 schied Berlinguer aus dem Parlament aus, um eine Professur fur die Auslegung der italienischen Rechtsquellen an der Universitat Sassari zu ubernehmen. Von 1969 bis 1970 war er an der Universitat Siena , kehrte dann aber nach Sassari zuruck, wo er einen Lehrstuhl ubernahm. 1972 wurde er Dekan der Juristischen Fakultat, wo er sich fur die Einfuhrung eines neuen Studiengangs in Politikwissenschaft einsetzte.

1973 nahm Berlinguer erneut einen Ruf nach Siena an, wo er den Lehrstuhl fur die Auslegung der italienischen Rechtsquellen sowie ab 1988 auch fur italienische Rechtsgeschichte ubernahm und ein neues Institut fur Politikwissenschaft grundete, das er von 1984 bis 1987 leitete. Von 1975 bis 1982 war er Abgeordneter der PCI im Regionalparlament der Toskana . Zudem leitete er von 1971 bis 1984 die Zeitschrift Democrazia e diritto (?Demokratie und Recht“), in der er sich fur eine Verwaltungsreform einsetzte. Aufgrund dieser Erfahrung war er 1982 bis 1985 auch Vorsitzender der parteiinternen Kommission fur die Reform der offentlichen Verwaltung.

1985 wurde Berlinguer zum Rektor der Universitat Siena gewahlt, ein Amt, das er bis 1994 beibehielt. Ab 1986 war er zudem Mitglied der Ministeriellen Kommission fur Hochschulentwicklung, ab 1989 Generalsekretar der italienischen Hochschulrektorenkonferenz. In diesen Amtern ubte er Einfluss auf die Modernisierung und Europaisierung des italienischen Hochschulsystems und der Erweiterung der Hochschulautonomie aus. Zugleich setzte er seine wissenschaftliche Tatigkeit fort und publizierte mehrere Werke, die sich nun vor allem mit politikwissenschaftlichen und rechtspolitischen Fragen beschaftigten.

Politische Laufbahn ab 1993

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Nach 1989 wandte sich die PCI vom Kommunismus ab und formte sich in die Partito Democratico della Sinistra (PDS Demokratische Linkspartei) um, der Berlinguer in der Folgezeit angehorte. 1993 gab er die Leitung der Universitat Siena auf, um italienischer Hochschul- und Forschungsminister im Kabinett von Carlo Azeglio Ciampi zu werden, trat allerdings nur wenige Tage nach Amtsantritt aus Protest gegen eine Parlamentsentscheidung im Zusammenhang mit der Affare Mani pulite zuruck. Bei den Wahlen 1994 gewann er als Spitzenkandidat der Liste der PDS in der Toskana einen Sitz in der Camera dei deputati , der er bis 2001 angehorte. Nachdem er zunachst bis 1996 Mitglied im Ausschuss fur Verfassungsfragen war, war er von 2000 bis 2001 Vorsitzender des Ausschusses fur Europapolitik .

Von 1996 bis 2000 war Berlinguer in den Regierungen unter Romano Prodi sowie unter Massimo D’Alema italienischer Bildungsminister. Dabei setzte er sich fur umfangreiche Reformen der italienischen Bildungs- und Forschungslandschaft ein, um der zunehmenden internationalen Vernetzung und der Bedeutung der Bildung fur die Wirtschaft gerecht zu werden. 1997 setzte er eine weitreichende Schulreform durch, die als Berlinguer-Reform bekannt wurde. Dabei wurden unter anderem verschiedene Schultypen zusammengefasst und eine Art Berufsschule als Alternative zur regularen Schulbildung eingefuhrt. Die Reform war allerdings umstritten, da sie nach Ansicht der Kritiker zu hoheren Abbrecherquoten fuhrte, da Schuler die regulare Schule verließen, ohne tatsachlich ihre Ausbildung in der Berufsschule fortzusetzen; 2003 wurde das italienische Schulsystem daher erneut grundlegend reformiert. 1999 unterzeichnete Berlinguer zusammen mit dem deutschen, franzosischen und britischen Bildungsminister die Sorbonne-Erklarung , die den Bologna-Prozess zur Schaffung eines Europaischen Hochschulraums vorbereitete.

2001 wurde Berlinguer in den Senato della Repubblica gewahlt, in dem er dem Bildungs- und dem Europaausschuss angehorte. Das Mandat im Senat legte er am 24. Juli 2002 nieder, nachdem ihn das Parlament in den Consiglio Superiore della Magistratura gewahlt hatte, das Selbstverwaltungsorgan der italienischen Justiz, dem er bis 2006 angehorte. Dabei setzte er sich insbesondere fur die Grundung des europaischen Netzwerks der juristischen Selbstverwaltungsorgane ein, dessen erster Prasident er von 2004 bis 2007 war.

Die Linksdemokraten gingen 2007 in der Mitte-links-Sammelpartei Partito Democratico (PD) auf, an deren Grundung Berlinguer als Vorsitzender der Burgschaftskommission mitwirkte. Bei der Europawahl in Italien 2009 wurde er als Spitzenkandidat der PD im Wahlkreis Nordostitalien in das Europaische Parlament gewahlt. Dort war er bis 2012 stellvertretender Vorsitzender im Rechtsausschuss (anschließend einfaches Ausschussmitglied) sowie Delegierter fur die Beziehungen zu Indien . [2] Berlinguer unterzeichnete 2010 den Aufruf der Spinelli-Gruppe fur ein foderales Europa. Er war u. a. Berichterstatter fur den Vorschlag eines Gemeinsamen Europaischen Kaufrechts (2013) und die Halbzeitbilanz des Stockholmer Programms (2014).

Berlinguer wurde mit mehreren Ehrendoktorwurden ausgezeichnet, unter anderem von der Universitat Toronto , der Universidad Nacional de La Plata , der Universitat Paris V , der Universidad de Buenos Aires und der Universita degli studi Roma Tre . Zudem erhielt er mehrere politische Ehrungen, unter anderem den Verdienstorden der Italienischen Republik (1992), das deutsche Bundesverdienstkreuz (1998) und den Orden der franzosischen Ehrenlegion (2005).

Wikiquote: Luigi Berlinguer  ? Zitate (italienisch)
Commons : Luigi Berlinguer  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  1. E morto Luigi Berlinguer, ex ministro dell’Istruzione. In: ilpost.it. 1. November 2023, abgerufen am 1. November 2023 (italienisch).
  2. Website des Europaischen Parlaments