Durch die
britischen
Luftangriffe auf Konigsberg
Ende August 1944 wurde Ostpreußens Provinzialhauptstadt zerstort, die Altstadt praktisch in Ganze. Mit solchen Bombardierungen war im
Zweiten Weltkrieg
nicht gerechnet worden.
Konigsberg
schien außer Reichweite der alliierten Bomberflotten. Dass das eben nicht der Fall war, wollte die
Royal Air Force
beweisen. Zwei nachtliche Angriffe mit Brandbomben zerstorten die Innenstadt mit dem
Konigsberger Schloss
, der
Albertus-Universitat
und dem
Konigsberger Dom
. Die Folge waren 5.000 Tote und 200.000 Obdachlose. Im Anflug auf Konigsberg verletzten die britischen Bomber durch Uberfliegen Schwedens
neutrales
Territorium. Im Winter 1945 folgte in der
Schlacht um Konigsberg
Artilleriebeschuss durch die
Rote Armee
.
Kurz nach Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion wurde Konigsberg in der Nacht vom 22. zum 23. Juni 1941 durch Fernbomber des Typs
Iljuschin DB-3
der
sowjetischen Luftstreitkrafte
angegriffen, wobei die Kaianlagen und das Gaswerk Schaden erlitten. In der Nacht zum 29. August 1941 erfolgte ein weiterer Luftangriff gegen die Stadt, diesmal mit zwei viermotorigen Fernbombern des Typs
Petljakow Pe-8 (TB-7)
. Der Bomber mit der Werknummer 4221 wurde hierbei von Kommandant I. S. Lisatschow gesteuert, die Maschine mit der Werknummer 4222 von Major Je. O. Fedorenko. Beide Maschinen gehorten zum Bestand des 432. Fernbombenfliegerregiments der 81. Fernbombenfliegerdivision. Schon in der Nacht zum 1. September erfolgte wieder ein Angriff dieses Regiments auf die Stadt, diesmal mit zwei TB-7 und zwei mittleren Fernbombern des Typs
Jermolajew Jer-2
. Die TB-7 hatten die Werknummern 42015 und 42055, wobei die erste Maschine von Oberstleutnant A. D. Alexejew und Navigator A. M. Lebedjew kommandiert wurde, die 42055 von Major M. M. Ugrjumow. Eine dritte TB-7 (Werknummer 4218 unter Major A. G. Dimitrijew) sollte ebenfalls Konigsberg angreifen, gelangte aber nur bis nach
Memel
.
[1]
Im Juni 1942 erfolgten vier sowjetische Bombenangriffe, im August einer durch Marine-Flugzeuge der ?
Baltischen Rotbannerflotte
“. Am 10./11. April und 29./30. April 1943 war Konigsberg das Ziel weiterer sowjetischer Luftangriffe. Bei letztgenanntem Angriff wurde auch eine
FAB-5000
, die mit 5000 Kilogramm schwerste sowjetische Bombe des Zweiten Weltkriegs, durch eine Pe-8 des 746. DBAP der 45. AD abgeworfen.
[2]
Bei diesen Angriffen gab es zahlreiche Gebaudeschaden und auch Opfer an Menschenleben, doch waren sie nicht vergleichbar mit den folgenden britischen Flachenangriffen im August 1944 und den sowjetischen Bombardements im April 1945.
Die britischen Luftkriegsstrategen hatten im Rahmen ihrer ?Demoralisierungs-
Bombardements
“ die Großstadt Konigsberg unter dem Decknamen ?Blenny“ (Schleimfisch) im Visier. Zunachst war die Stadt jedoch durch die große Entfernung geschutzt. Ein mogliches Nebenziel der dann im August 1944 durchgefuhrten schweren Luftangriffe auf Konigsberg war es,
Finnland
zum Kriegsaustritt zu bewegen. Die Bombardements sollten angeblich demonstrieren, dass nun auch
Helsinki
fur die
RAF
erreichbar sei.
In der Nacht vom 26. zum 27. August 1944 flog die
5. Bombergruppe
der
Royal Air Force
mit britischen und kanadischen Besatzungen einen ersten massiven Angriff mit 174 viermotorigen Bombern des Typs
Avro Lancaster
, von denen vier nicht zuruckkehrten. Die Maschinen waren 950 Meilen entfernt gestartet und uber das deutsch besetzte Norddanemark sowie das neutrale Schweden geflogen. Somit an der Grenze ihrer Reichweite, waren sie mit ?relativ geringer“ Bombenlast ausgestattet. Die meisten Bomben fielen im Nordosten der Stadt in Maraunenhof, zwischen Cranzer Allee, Herzog-Albrecht-Allee und Wallring. Weitere Schaden entstanden auf dem Tragheim, in Altroßgarten und im Sudosten der Stadt.
[3]
Besonders Wohngebaude, doch auch einige in diesem Gebiet liegende Wehrmachtsanlagen, wurden getroffen. Etwa 1.000 Tote waren zu beklagen, 10.000 Konigsberger wurden obdachlos.
[4]
Drei Tage spater warfen 189 Lancaster der
No. 5 Bomber Group
von J. Woodroffe in der Nacht vom 29. zum 30. August insgesamt 480 Tonnen Bomben auf die Stadt ab, nachdem sie trotz Treibstoffmangels 20 Minuten lang auf eine Lucke in der Wolkendecke gewartet hatten. Deutsche Nachtjager schossen 15 Lancaster-Bomber ab; dies entsprach ca. 8 % der Angreifer. Das britische
Bomber Command
schatzte, dass 41 % der Wohnungen und 20 % der Industrie von Konigsberg zerstort wurden.
Die dicht bebauten historischen Innenstadtteile
Altstadt
,
Lobenicht
und
Kneiphof
wurden durch
Spreng-
und
Brandbomben
fast vollstandig in Schutt und Asche gelegt. Zur britischen Strategie gehorte dabei die Schaffung eines
Feuersturms
, der eine Flucht aus den Kellern unmoglich machte. Feuerwehr und Luftschutz waren machtlos. Zerstort wurden samtliche historischen Gebaude mit ihrer unersetzlichen Ausstattung, der
Dom
und zwolf weitere Kirchen, das
Schloss
, die alte und die neue
Universitat
mit vielen Instituten und Kliniken, das
Kneiphofsche Rathaus
(das seit 1927 das Stadtgeschichtliche Museum war), das Opernhaus, die
Staats- und Universitatsbibliothek
, das malerische Speicherviertel, Zeitungsgebaude, die seit 1722 bestehende Buchhandlung
Grafe und Unzer
und etwa die Halfte aller Schulen. Vernichtet wurden die Geburtshauser von
Johann Georg Hamann
,
E. T. A. Hoffmann
,
Eduard von Simson
und
Hermann Goetz
und das Haus in der Lobenichtschen Langgasse, in dem
Heinrich von Kleist
gewohnt hatte und den ?Zerbrochenen Krug“ vollendete.
[5]
Etwa 200.000 Konigsberger wurden durch die Bombenangriffe obdachlos und in der Umgebung der Stadt in Notquartieren untergebracht. Die Zahl der Toten wird auf uber 5.000 geschatzt. Die Opfer wurden in Massengrabern beerdigt. Militarische Ziele, wie Kasernen, der Festungsgurtel, Bahnhofe und Gleisanlagen, wurden bei diesem Luftangriff ausgespart
[6]
.
Bei beiden Angriffen im August 1944 uberquerten die zusammen 360 schweren britischen Bomber auf dem Hin- und Ruckflug die
schwedische
Provinz
Schonen
. Sieben von der deutschen Luftabwehr angeschossene britische Maschinen sturzten dabei uber schwedischem Territorium ab, und ein beschadigtes Flugzeug fuhrte eine Notlandung durch. Im Auftrag des schwedischen Außenministeriums protestierte die schwedische Botschaft in
London
gegen die offensichtliche schwere Verletzung der
Neutralitat
des Landes.
[7]
Die
Schlacht um Konigsberg
fuhrte 1945 zu weiteren schweren Zerstorungen in Konigsberg. Anfang April 1945 war ein Drittel der
sowjetischen Luftstreitkrafte
auf das Gebiet Konigsberg konzentriert und fuhrte pausenlose Bomben- und Tiefflieger-Angriffe auf die Stadt durch. Eine deutsche Jagdabwehr existierte nicht mehr, die Flak war in Erdkampfen gegen sowjetische Panzer eingesetzt.
[8]
Schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden nun auch die Stadtteile aus dem 19. und 20. Jahrhundert sowie die Vorstadte. Die Zerstorungen waren jedoch nicht so flachendeckend wie im August 1944 in der Innenstadt.
Wahrend der ersten Zeit der anschließenden sowjetischen Besatzung wurde noch vorhandene Bausubstanz teilweise absichtlich durch Abbrennen zerstort.
-
Luftschutz-Hochbunker aus Zweitem Weltkrieg in Konigsberg (2015)
-
Luftschutzbunker aus Zweitem Weltkrieg in Konigsberg (2014)
-
Friedhof Cranzer Allee in Konigsberg, auch mit Tausenden von Bombenopfern
-
Friedhof Cranzer Allee in Konigsberg, mit Bombenopfern
- Kurt Dieckert
und
Horst Großmann
:
Der Kampf um Ostpreußen
. Lindenbaum-Verlag, Beltheim-Schnellbach 2010.
ISBN 978-3-938176-16-0
.
- Gerhard von Glinski und
Peter Worster
:
Konigsberg. Die ostpreußische Hauptstadt in Geschichte und Gegenwart
. Westkreuz-Verlag, Berlin/Bonn 1990.
ISBN 3-922131-68-9
.
- Olaf Groehler
:
Bombenkrieg gegen Deutschland
. Akademie-Verlag, Berlin 1990.
ISBN 3-05-000612-9
.
- Gerfried Horst:
Generalprobe fur die Holle. Die Wahrheit uber die Zerstorung Konigsbergs
. Kaliningrad 2010.
- Gerfried Horst:
Die Zerstorung Konigsbergs
. Osteuropa-Zentrum-Verlag, Berlin 2014.
ISBN 978-3942437-25-7
.
- Otto Lasch
:
So fiel Konigsberg
. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 1976,
ISBN 3-87943-435-2
.
- Norbert Matern
:
Ostpreußen, als die Bomben fielen: Konigsberg,...
. Droste-Verlag, Dusseldorf 1986.
ISBN 3-7700-0674-7
- Michael Wieck
:
Zeugnis vom Untergang Konigsbergs
. Beck-Verlag 2005,
ISBN 3406511155
.
- Christian Tilitzki
:
?Die Statten der Kultur, der Kunst und Wissenschaft sind nur Erinnerungsbilder, nichts weiter.“
Eduard Andersons
Bericht uber die Zerstorung Konigsbergs durch die Royal Air Force Ende August 1944
.
Jahrbuch fur die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands
60 (2014), S. 97?128.
- ↑
Ulrich Unger:
Pe-8 ? Der sowjetische Fernbomber.
Brandenburgisches Verlagshaus, Berlin 1993.
ISBN 3-89488-048-1
. S. 56.
- ↑
Olaf Groehler:
Bombenkrieg gegen Deutschland
. Akademie-Verlag, Berlin 1990.
ISBN 3-05-000612-9
. S. 164, 166, 167
- ↑
Sowjetisches Luftbild, nach dem 1. Angriff aufgenommen
- ↑
?… daß du, Konigsberg, nicht sterblich bist.“ Vor 60 Jahren wurde die Pregelstadt ein Opfer alliierter Terrorangriffe.
In:
Preußische Allgemeine Zeitung
, 28. August 2004 (
online
).
- ↑
E. Weise, G. Mannke in: Konigsberg Lexikon. Wurzburg 2002, S. 14
- ↑
Gerfried Horst:
Die Zerstorung Konigsbergs
. OEZ-Verlag, Berlin 2014.
ISBN 978-3942437-25-7
. S. 154?155, S. 277?278
- ↑
Gerfried Horst:
Generalprobe fur die Holle. Wahrheit uber die Zerstorung Konigsbergs
. Kaliningrad 2010. S. 50?52 und 99
- ↑
Otto Lasch:
So fiel Konigsberg
. Motorbuch-Verlag, Stuttgart 1976. S. 82 ff